Mittwoch, 26. Juni 2019
Arte-Tipp: Pasolinis Skandalfilm „Teorema“ am 8. Juli

Der britische Kurz-Trailer zu „Teorema“

Sommernachtsfantasien auf Arte im Juli mit Pier Paolo Pasolinis Skandalfilm „Teorema“.

Am 8. Juli um 22.15 Uhr strahlt der Sender Arte Pier Paolo Pasolinis Skandalfilm „Teorema“ aus. Danach ist der Film einen Monat lang in der Mediathek anzuschauen. Der Film spielt im Jahr 1968. In eine Mailänder Industriellenfamilie kommt ein fremder Gast (der britische Schauspieler Terence Stamp), der alles durcheinander würfelt. Nach und nach unterliegen alle seinem Charme.

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Sonntag, 16. Juni 2019
Jakob Lass' Martial Arthouse „Tiger Girl“ wird zu siebenteiliger RBB-Serie

© 2017 Constantin Film Verleih GmbH / Fogma
Zweite Chance für das unterschätzte Genrewerk „Tiger Girl“, ein Publikum zu finden: Der RBB hat aus Jakob Lass' tollem Film eine TV-Serie gemacht.

Der fulminante Martial-Arts-Kracher „Tiger Girl“ vom German-Mumblecore-Regisseur Jakob Lass („Love Steaks“) hat im deutschen Kino 2017 leider nie eine richtige Chance bekommen. Zu sehr saß das Werk zwischen allen Stühlen. Die Kinozuschauer konnten überspitzt geschrieben mehr oder weniger an zwei Händen abgezählt werden.

Jetzt bekommt „Tiger Girl“ als RBB-Miniserie eine zweite Chance. Zugegebenermaßen ist die am 25. Juni auf einem Sendeplatz kurz vor Mitternacht (23.50 Uhr) nicht viel attraktiver. Was aber Hoffnung macht, ist die Mediathek, die inzwischen auch vom deutschen Fernsehzuschauer immer mehr als Alternative zum linearen Fernsehen entdeckt wird.
45 Minuten Handlung ergänzt
Der ursprünglich einmal 90-minütige Kinofilm wird für den RBB auf sieben Episoden aufgeteilt und insgesamt um 45 Minuten verlängert. Das ergänzte Material soll vor allem auch den Nebenfiguren mehr Platz einräumen. Allein die wahnsinnig toll aufspielenden beiden Hauptdarstellerinnen Ella Rumpf und Maria Dragus hätten eine zweite Chance verdient.

Die Handlung: Vanilla (Maria Dragus) ist viel zu lieb. Sie widersetzt sich nie, weicht immer allen Konflikten aus. Als sie bei der Polizeiaufnahmeprüfung scheitert, versucht sie es zur Überbrückung mit einer Ausbildung zur Sicherheitskraft. Aus ihrem höflichen Dornröschenschlaf weckt sie Tiger (Ella Rumpf) auf. Die überlebt so mehr oder weniger auf der Straße – auch wenn sie ein stilechtes Wohnmobil hat –, indem sie das System anarchisch unterwandert.

Der Blog Negative Space feierte „Tiger Girl“ 2017 auf der Berlinale: „Der Film walzt in seinem Unterhaltungslevel und seiner technischen Virtuosität über die Zuschauer wie eine Naturgewalt: Tiger Girl ist energetisch, sexy, roh und voller Lebenslust. Genauso sollte sich deutsches Genrekino im besten Fall immer anfühlen: frisch, lebendig und frei.“

Link: - Damalige Berlinale-Kritik

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Freitag, 5. April 2019
Most-Wanted-Doku „King Bibi“ auf Arte

„King Bibi“: Ready for My Close-Up | © Go2Films
Arte spendiert passend zum israelischen Wahlkampf am Montag die mit Spannung erwartete Dokumentation „King Bibi“.

Am Montag strahlt der unerlässliche Kultursender Arte um 22.10 Uhr den israelischen Dokumentarfilm „King Bibi“ aus. Der Film feierte im vergangenen Jahr auf dem Jerusalemer Filmfestival seine Weltpremiere und soll fabelhaft sein. Der Sender Arte, der das Werk bis zum zum 6. Juni unter dem Titel „Benjamin Netanjahu – Der Medienprofi und die Macht“ in seiner Mediathek anbieten wird, hat ein tolles Zeitgespür. Denn bereits einen Tag später wird in Israel gewählt.

In den vergangenen Monaten bin ich ein bisschen sehr besessen von Netanjahu geworden. Was auch mit der sehr lesenswerten Anshel-Pfeffer-Biografie „Bibi: The Turbulent Life and Times of Benjamin Netanyahu“ zusammenhängen mag. Wenn die Israelis ihn wiederwählen – aktuell stehen die Chancen Fifty-Fifty – würde er Staatsgründer David Ben-Gurion als am längsten amtierender Premier Israels ablösen.

Er ist eine sehr zwiespältige, schillernde Figur des Politikbetriebs, die ewig dabei zu sein scheint. Die Dokumentation „King Bibi“ beschäftigt sich vor allem mit Netanjahus Medienpolitik. Er ist ein Meister der Selbstinszenierung, der früh in den USA sein Rüstzeug gelernt hat und es als israelischer UN-Botschafter perfektionierte. Die Doku vertritt die These, dass Netanjahu 20 Jahre vor Trump wie Trump Wahlkampf gemacht hätte. Ich bin sehr gespannt, welches Bildmaterial Regisseur Dan Shadur aus den Archiven zusammengetragen hat.

Link: - „King Bibi“ auf Arte

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Samstag, 25. August 2018
3sat zeigt vergessenes Käutner-Meisterwerk „Schwarzer Kies“

Helmut Wildt in „Schwarzer Kies“ | © ZDF, Gabriele Du Vinage
Der Sender 3sat setzt im September auf deutschsprachige Nachkriegsperlen wie den genialen Film noir „Schwarzer Kies“.

Im September präsentiert der Sender 3sat sieben Schätze aus dem deutschen, österreichischen und Schweizer Nachkriegskino. Das Highlight dürfte Helmut Käutners Film „Schwarzer Kies“ sein, der am 7. September um 22.25 Uhr ausgestrahlt wird. Das Meisterwerk über die dunklen Machenschaften eines Kiesfahrers im Hunsrück wurde im Jahr 2016 in der Retrospektive „Geliebt und verdrängt: Das Kino der jungen BRD von 1949 bis 1963“ auf dem Filmfestival in Locarno international wiederentdeckt. Das Deutsche Filmmuseum brachte diese epochale Filmschau dann nach Deutschland.

Zu den weiteren Werken, die 3sat programmiert hat, gehören Harald Brauns „Der gläserne Turm“ (09.09., 16.50 Uhr) nach dem Roman von Wolfgang Koeppen, die internationale Co-Produktion „Die Vier im Jeep“ mit Ralph Meeker (04.09., 22.35 Uhr), die im Jahr 1951 den Goldenen Bären in Berlin gewann, und Georg Wilhelm Pabsts Hitler-Film „Der letzte Akt“ (05.09., 22.25 Uhr). Alle Filme findet man auf der Seite von 3sat.

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Sonntag, 5. November 2017
TV-Tipp: German-Mumblecore-Entdeckung „Blind & Hässlich“ im ZDF

Tom Lass & Naomi Achternbusch | © daredo media GmbH
„Blind & Hässlich“ (Tom Lass), ZDF, 13. November, 23.55 Uhr

Das ZDF strahlt den deutschen Film „Blind & Hässlich“ schon am 13. November um 23.55 Uhr in die Nacht aus. Die German-Mumblecore-Entdeckung vom Filmfest München wird fortan in der ZDF-Mediathek anschaubar sein. Es geht um den einsamen Ferdi (Tom Lass), der sich hässlich findet und sich trotzdem eine Freundin wünscht. In seine WG zieht Jona (Naomi Achternbusch) ein, die blind ist. Jedenfalls gibt sie vor, blind zu sein, um eine Unterkunft zu bekommen.

Die daredo media GmbH hatte den Film erst am 21. September mit einer kleinen Kopienmenge in die deutschen Kinos gebracht. Über die Mediathek wird der Tom-Lass-Film nun einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mit Werken wie „Das Verschwinden“, „A Thought of Ecstasy“, „Fikkefuchs“, „Die Freibadclique“ und „Die Vierhändige“ gehörte „Blind & Hässlich“ zu den sommerlichen Entdeckungen des Filmfests in München. „Ein forsches wie verträumtes Coming-of-Age-Drama vom Münchner Multitalent Tom Lass“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Harald Mühlbeyer von kino-zeit.de nannte den Film „eine Wucht“.

Regisseur Tom Lass ist der Bruder von Jakob Lass, seines Zeichens einer der spannendsten deutschen Filmemacher, die es gegenwärtig gibt („Tiger Girl“, „Love Steaks“). Tom hat auch viel als Schauspieler gearbeitet. Besonders in Erinnerung blieb er in dem unterschätzten Horrorkomödien-Meisterwerk „Die Nacht der lebenden Loser“ (US-Titel: „Night of the Living Dorks“).

German Mumblecore sind Filme mit Micro-Budgets, die weitgehend ohne deutsche Filmförderung auskommen. Die Filme zeichnen sehr persönliche Geschichten und Improvisation aus, die, anders zum Beispiel als die Berliner Schule, ästhetisch aber weniger gestreng daherkommen. German Mumblecore ist weniger verkopft und damit lebendiger. So stehen die Filme neben dem amerikanischen Mumblecore-Vorbild eher der dänischen Dogma-Bewegung nahe.

Link: - Filmfest-München-Entdeckungen 2017, - Arte Tracks

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Sonntag, 13. August 2017
Jeanne-d'Arc-Musical von Bruno Dumont auf Arte

Trailer zu „Jeannette“ von Bruno Dumont

Nach der UFA-Retrospektive ist es der nächste Glanzpunkt im Programm von Arte: Der Sender strahlt ziemlich zeitnahe zur Weltpremiere in Cannes das Jeanne-d'Arc-Musical von Bruno Dumont aus.

Eben lief Bruno Dumonts gefeiertes Jeanne-D'Arc-Musical „Jeannette“ noch in der Directors Fortnight von Cannes. Schon strahlt der Sender Arte den Film am 30. August um 23.30 Uhr im Programm aus und packt ihn eine Woche lang in die Mediathek. Der Herausgeber des britischen Filmmagazins Little White Lies, David Jenkins, twitterte im Mai: „Best improvised industrial goblin emo treatise on teen theological anguish I've ever seen. Easily.“ Er nannte „Jeannette“ den bis dato besten Festivalfilm in Cannes 2017.

Arte schreibt: Inspiriert von Charles Pégys Werken „Jeanne d’Arc“ (1897) und „Le mystère de la charité de Jeanne d’Arc“ (1910) inszeniert Regisseur und Drehbuchautor Bruno Dumont die ländliche Kindheit der französischen Legende und katholischen Heiligen. Zusammen mit dem Komponisten Igorrr und dem Choreographen Philippe Decouflé erschafft er einen modernen Musicalfilm. Die historischen Figuren werden von jungen Laiendarstellern verkörpert, die zu einer Mischung aus Pop, Elektro, Symphonie und Hard Rock singen und tanzen.

Ich habe mich über die Jahre vom Skeptiker zum Bruno-Dumont-Fan entwickelt. Maßgeblich für diesen Wandel war die zum Schreien komische und originelle TV-Serie „Kindkind“ aus dem Jahr 2014. Darin geht es um einen Kuhmordfall in der französischen Provinz. Und dann wiederum doch gar nicht. Ich kann auch einiges mit Juliette Binoches feinsinnigem Portrait der französischen Bildhauerin und Malerin Camille Claudel in Dumonts gleichnamigen Film anfangen.

Weiterer Geheimtipp: Auch am 30. August läuft um 20.15 Uhr auf Arte der israelische Film „Ich habe ein Gedicht“. Es geht dabei um die Beziehung einer Kindergärtnerin zum fünfjährigen Yoav, der bereits eine ausgeprägte poetische Ader besitzt. Es ist die deutsche TV-Premiere des israelischen Films, der im Jahr 2014 in der Critics Week von Cannes seine Weltpremiere feierte – und sehr positiv besprochen wurde. Meines Wissens kam der nie in die deutschen Kinos.

Links: - 100 Jahre UFA auf Arte, - Cannes-Highlights 2017

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Samstag, 12. August 2017
Arte feiert 100 Jahre UFA mit Marlene Dietrich und Veit Harlan

Hitler und Goebbels bei der UFA | Bundesarchiv, Bild 183-1990-1002-500 (CC-BY-SA 3.0)
Der Sender Arte wagt sich zum 100. Geburtstag der UFA an einen Schwerpunkt zum Film des Dritten Reiches. Es laufen sogar zwei Veit-Harlan-Filme, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden sind.

Um den 100. Geburtstag der UFA, dem berühmtesten deutschen Studio der Filmgeschichte, zu feiern, zeigt der Sender Arte eine 15-teilige Filmreihe. Der Programmschwerpunkt wird gestaffelt in den Monaten August, September und Dezember zu sehen sein. Zum einen laufen absolute Klassiker der deutschen Filmgeschichte wie der restaurierte „Münchhausen“, „Der blaue Engel“ oder „Der letzte Mann“. Gleichzeitig legt die Auswahl besonderen Wert auf die Filme, die im Dritten Reich entstanden sind. Es wird umfangreiches Zusatzmaterial auf der Webseite von Arte geben, zum Beispiel Portraits zu einzelnen Regisseuren. Außerdem gelangen ausgewählte Filme auch in die Mediathek.

Das ist mutig. Wann hat man schon mal eine Reihe zur deutschen Filmgeschichte im Fernsehen gesehen, in der zwei Veit-Harlan-Filme laufen. Zumal es die letzten beiden Filme sind, die Harlan im Zweiten Weltkrieg gedreht hat. „Kolberg“ ist ein echtes Propaganda-Machwerk, das über der Festung La Rochelle abgeworfen wurde, um die drohende Niederlage der Deutschen noch herumzureißen. „Opfergang“ dagegen ist ein spannendes, teils meisterhaftes Melodram, das zum Beispiel der slowenische Filmphilosoph Slavoj Zizek zu seinen Lieblingsfilmen zählt. Dazu passt auch die aktuelle Dokumentation „Hitlers Hollywood“ des Filmkritikers Rüdiger Suchsland und die Dokumentation „Wege zu Kraft und Schönheit“ von 1925, die bereits einem Körperkult frönt, dem die Nationalsozialisten auch wieder sehr zugetan waren. Kein Zufall, dass hier bereits die nackte Leni Riefenstahl herumturnt.
Wo ist Werner Hochbaum?
Die Liste der Filme hinterlässt den Eindruck, dass die Programmierer am liebsten nur Filme gezeigt hätten, die vom „Ministry of Illusion“ produziert wurden, wie der amerikanische Hochschulprofessor Eric Rentschler das Kino der Nazis in seinem Standardwerk betitelte. Aber pflichtschuldig mussten zum Ufa-Geburtstag eben auch ein paar Kanon-Klassiker drum herum gebaut werden. Bei Reinhold Schünzel hätte man auch gleich tollkühn zu „Amphitryon“ greifen können. Wo ist Gustav Ucickys „Der Postmeister“, wo Werner Hochbaums „Ein Mädchen geht an Land“? Ich verstehe aber auch sofort, warum man beim Namen UFA an bestimmten ikonografischen Meilensteinen gar nicht vorbeikommen kann und will. Wobei Georg Tresslers toller Abenteuerfilm „Das Totenschiff“ schon sehr nach dem einen Alibifilm ausschaut, der die ganzen 1950er-Jahre repräsentieren muss.

Das ist sicherlich eine der spannendsten Retrospektiven, die in den vergangenen Jahren im deutschen Fernsehen gelaufen sind. Hier gibt es wahnsinnig viel zu entdecken. Jeder Regiename lädt mit der eigenen Filmografie zu weiteren lohnenswerten Expeditionen in die deutsche Filmgeschichte ein, die wiederum ins europäische und amerikanische Kino führen.

Das Arte-Programm im Überblick (soweit bekannt):

28.08. - Münchhausen (Josef von Baky)
28.08. - Maschinenraum des deutschen Films (Sigrid Faltin)
28.08. - Wege zu Kraft und Schönheit (Wilhelm Prager)

01.09. - Der letzte Mann (Friedrich Wilhelm Murnau)
01.09. - Zu neuen Ufern (Douglas Sirk)
01.09. - Der Mann, der seinen Mörder sucht (Robert Siodmak)
04.09. - Die Liebe der Jeanne Ney (Georg Wilhelm Pabst)
04.09. - Der Mann, der Sherlock Holmes war (Karl Hartl)
04.09. - Viktor und Viktoria (Reinhold Schünzel)
11.09. - Titanic (Herbert Selpin)
11.09. - Glückskinder (Paul Martin)

04.12. - Das Totenschiff (Georg Tressler)
04.12. - Kolberg (Veit Harlan)
11.12. - Der blaue Engel (Josef von Sternberg)
11.12. - Opfergang (Veit Harlan)
11.12. - Hitlers Hollywood (Rüdiger Suchsland)
11.12. - Verbotene Filme
Kurz- und Werbefilme

Link: - Arte-Dossier: 100 Jahre UFA, - Peter Pewas

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Montag, 5. Juni 2017
Serien-Tipp „Girl Cave“


Die neue Funk-Serie „Girl Cave“ rockt. Nach den ersten zwei Episoden lässt sich festhalten: Selten wurde in deutscher Sprache die Coming-of-Age-Geschichte zärtlicher erzählt.

Letztlich rechnen sich Coming-of-Age-Filme doch immer auf die Frage herunter, wie gut einem die Protagonisten gefallen und wie stark die Musikauswahl ist. Nach der zweiten Folge der neuen achtteiligen Web-Serie „Girl Cave“, die für das öffentlich-rechtliche Jugendangebot Funk entstand, ist es nicht übertrieben, von einem Film zu schreiben. „Girl Cave“ lebt nicht von Cliffhangern oder davon, Figuren in immer gleichen Verhaltensmustern zu zeigen. Showrunner Memo Jeftic und Regisseur Till Kleinert („Der Samurai“) erzählen mit filmischen Mitteln eine zusammenhängende Geschichte, indem sie drei junge Frauen auf eine Reise schicken. Am Ende steht wohl der Ausbruch aus der Provinz oder zumindest eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit.

Während die drei Protagonistinnen in der zweiten Folge durchexerzieren, wie sie jeweils eine Bank überfallen würden, läuft Musik aus „Cowboy Bebop“, „Die Familie mit dem umgedrehten Düsenantrieb“ und ein Song aus John Woos Heroic-Bloodshed-Klassiker „The Killer“. Es ist nicht irgendein Song aus „The Killer“, sondern das berüchtigte Liebesthema von Chow Yun-Fat und der blinden Sängerin aus dem Nachtclub. „Girl Cave“ wiederum nimmt den Song, um die erotischen Gefühle zweier männlicher Manga-Figuren in der Fan-Fiction von Zada (Yasmin Slama) zu unterstreichen. Oder Fanfic, wie es noch treffender heißt. Das ist zum einen kreativ, weil Sally Yehs Song so bestimmt noch nie eingesetzt wurde. Es erinnert aber auch an den stets vorhandenen homoerotischen Subtext in John Woos epischen Männerfreundschaften. Allein an diesen drei Musikreferenzen lässt sich zeigen, dass „Girl Cave“ keine gewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte ist.
Sei zärtlich, Bär Balu!
Heiko Pinkowski spielt den Vater der 16-jährigen Protagonistin Julija (Fine Kroke). Pinkowski ist eigentlich die Stammbesetzung in den German-Mumblecore-Filmen von Axel Ranisch („Dicke Mädchen“, „Ich fühl mich Disco“). Ein kräftiger bärtiger Mann, der in „Girl Cave“ so weich wie der Bär Balu daherkommt. Ich sehe Pinkowski unwahrscheinlich gerne. Hier ist er der ruhende Familienpol, der sich allein um Julija kümmern musste, als sich seine Frau in der Welt selbstverwirklichen wollte. „Ich mag Vögel, deine Mutter aber das Fliegen“, sagt er einmal zu Julija. Die Serie beginnt damit, dass Julija vom Tod ihrer Mutter erfährt.

Zartheit. Das fällt mir selten bei Coming-of-Age-Geschichten oder deutschen TV-Serien ein. Aber „Girl Cave“ ist von einer solchen Zartheit bestimmt, wenn es um seine Protagonisten geht. In jeder Einstellung ist die Liebe für seine drei Teenagerinnen in der Provinz zu spüren, die etwas anders als die andern sind. Aber dieser zarte Blick gilt auch für den brummigen Vater oder auch nur kurz aufblitzende Nebenfiguren wie den exzentrischen Notar aus der ersten Folge oder die ausgedachten Sidekicks bei Julijas fiktivem Banküberfall.
Manga-Nerdtum für Fortgeschrittene
Ich musste „Girl Cave“ zu allererst mit der TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ vergleichen. Bora Dağtekins Serie habe ich lange vor dem Kinofilm und den „Fack ju Göhte“-Blockbustern sehr geliebt. Da besaß nämlich jemand eine frische Stimme, einen originellen Cast und die notwendigen visuellen Fähigkeiten, das auch umzusetzen. Bei Coming-of-Age-Geschichten muss man so nah an seinen Protagonisten sein, dass es auch weh tut, man peinlich berührt ist und sich gelegentlich fragt, ob das jetzt nicht zu intim ist. All das sehe ich auch bei „Girl Cave“ und den drei Hauptdarstellerinnen Fine Kroke, Yasmin Slama, Maja Lindner.

Dem seit Jahren andauernden Serien-Hype stehe ich skeptisch gegenüber. Das ist auch ein wenig ein Selbstschutz, weil ich gar nicht die Zeit hätte, drei Staffeln einer neuen Serie zu schauen, um dann festzustellen, dass ich eigentlich gar nicht die Figuren leiden kann. Aber ich muss festhalten: Im Februar auf der Berlinale begeisterte mich die TNT-Serie „4 Blocks“. Und ich kann jetzt auch sehr viel mit „Girl Cave“ anfangen. Sie eint das Selbstbewusstsein, mit dem sie das Genre bespielen und mit frischen Ideen und authentischen Momenten füllen. Das sind schon zwei sehr empfehlenswerte deutsche Serien.

Neue Episoden von „Girl Cave“ erscheinen freitags um 16 Uhr auf dem YouTube-Kanal. Die erste Staffel ist auf acht Folgen angelegt.

Links: - Girl Cave Kanal, - Jeftics Kinochiwa-Podcast

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Dienstag, 8. November 2016
"Derrick"-Masterclass mit Matthias Dell & Christoph Draxtra

Foto: Kat, flickr / CC BY-NC-ND 2.0
Der eventuell interessanteste TV-Kritiker Deutschlands, Matthias Dell, diskutiert im November auf der Bühne der Münchner Kammerspiele mit der cineastischen Naturgewalt Christoph Draxtra über "Derrick".

In der Diskussionsreihe „Episode“ stellen Experten aus dem Umfeld der Filmzeitschrift Cargo gemeinsam mit wechselnden Gästen jeweils eine Folge aus einer Fernsehserie in den Münchner Kammerspielen zur Diskussion. Am 14. November um 20 Uhr unterhält sich der Redakteur der Wochenzeitung Der Freitag, Matthias Dell, mit dem Filmhistoriker Christoph Draxtra über „Derrick“, den Oldtimer serieller Fernsehunterhaltung in Deutschland.

Christoph Draxtra ist ein ausgewiesener Zelluloid-Aficionado und Teil des legendären Hofbauer-Kommandos, das von Nürnberg aus in Retrospektiven und eigenen Festivals dem europäischen Exploitation-Film der 1950er- bis 1980er-Jahre zu angemessener Würdigung und adäquatem Verständnis verhilft. Am 12. Dezember treffen sich zum Jahresabschluss die Michael-Althen-Preisträgerin Sarah Khan und Bert Rebhandl für "Stranger Things". In früheren Ausgaben ist über Serien wie "Der Alte" (mit Dominik Graf), "Parks & Recreation" (mit Angela Schanelec), "American Dad" oder "Breaking Bad" philosophiert worden.

Die Eigeneinschätzung von "Episode": Das Fernsehen mag als Medium von gestern vielleicht sogar gescheitert sein. Das von ihm hervorgebrachte Format der TV-Serie und die daran geknüpften ästhetischen Konzepte scheinen jedoch auch im Zeitalter des digitalen Datentransfers eine große Zukunft zu haben. Erst bescherten buchregaltaugliche DVD-Boxen dem Erzählen nach dem Prinzip der Fortsetzungsgeschichte ein „goldenes Zeitalter“. Nun bieten zunehmend Streamingportale für ihre flexibel nutzbaren Abonnementkataloge popkulturell anschlussfähigen Content an.

Links: - "Episode", - Cargo Film, - Christoph Draxtra

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Dienstag, 20. Oktober 2015
Bahnhofskino-Doku "Cinema Perverso" auf Kinotour & bei Arte

© Lunabeach TV und Media GmbH
"Bahnhofskino und Bahnhof, Züge, Fernweh, Verreisen, da gibt es schon Bezüge. Es sind alles Orte der Sehnsucht." (Ben Becker)

Sie waren das deutsche Äquivalent zu den Grindhouse-Kinos in den USA: Die Bahnhofskinos liefen für Reisende praktisch rund um die Uhr. Ob man um neun Uhr morgens, nach einer durchzechten Nacht, ein Plätzchen zum Runterkommen suchte oder sich zur Geisterstunde die Füße ein bisschen aufwärmen wollte - in den Bahnhofskinos der Republik fand man immer ein Zuhause. In den 1960er-Jahren eroberte das Exploitationkino die Unterhaltungstempel und prägte fortan die Wahrnehmung. Das Schmuddelkino war geboren, aber auch ein Hort für die unglaublichsten Programmzusammenstellungen, nach denen man sich heute als Cineast die Finger lecken würde: Italowestern, Söldner-Action, Reportfilme, Eastern und echte Filmkunst wie "Das große Fressen" gingen direkt ineinander über.

Über dieses Phänomen hat der Dokumentarfilmer Oliver Schwehm einen sechzigminütigen Film gemacht, der zuerst auf Kinotour geht und Ende des Monats bei Arte ausgestrahlt wird. Schwehm ist ausgewiesener Experte für Filmdokus, seinen Film über die Edgar Wallace-Krimis ("German Grusel") würde ich sogar ein Meisterwerk schimpfen. Er setzte auch schon Christopher Lee ("Gentleman des Grauens") und Pierre Brice ("Winnetou darf nicht sterben") kleine Denkmäler. Im Kino zu sehen sein wird "Cinema Perverso" vorrangig in altehrwürdigen Abspielstätten wie im Bali-Kino Metropolis, das im Bochumer Hauptbahnhof noch aktiv ist, aber auch in kultisch verehrten Lichtspielhäusern wie dem Nürnberger KommKino oder dem Münchner Werkstattkino. Für die nicht ganz so reisefreudigen Cineasten zeigt Arte die Doku "Cinema Perverso" am 31. Oktober um 21.55 Uhr im frei empfangbaren Fernsehen.

Links: - Trailer, - Beispiel-Programm

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