Montag, 6. Juni 2011
Warum Tarantino ein großer Peter-Pewas-Fan ist

Eine Terra-Fiktion mit Winnie Marcus
Der fiktive Bridget-von-Hammersmark-Spielfilm heißt "Es gibt immer ein Morgen". Das dazugehörige Plakat ist in Tarantinos Film "Inglourious Basterds" in keiner Großaufnahme zu sehen. Man erahnt es nur gerade so im Hintergrund, wenn Shosanna vor dem zu aufdringlichen Schützen Zoller aus dem Café flüchtet. Nun war das Quentins einziger kurzer Frankreich-Aufenthalt bei den Dreharbeiten, der seiner Babelsberger Paris-Kreation die nötige Authentizität verleihen sollte, auch wenn er das Café nach einem Claude-Chabrol-Film mit Jodie Foster ausgesucht hatte. Jedenfalls hatte so der einfache Tarantino-Aficionado Glück, denn Franzosen wissen, was sich gehört. Die fiktiven Plakate an der Fassadenwand wurden heimlich abfotografiert und in die Weiten des Internets gestellt, wo sie sehnlichst darauf warteten, dass sie ein teutonischer Cinephiler findet, der damit etwas anzufangen weiß. Die Suche hat ein Ende.

Als ich im Februar die sich nur um ein paar Monate verspätet habende und inzwischen endlich erschienene Peter-Pewas-DVD-Box anpries, verwies ich bereits auf die Eigentümlichkeit, dass auf dem fiktiven Filmplakat "Es gibt immer ein Morgen" der echte Regisseur Peter Pewas zu finden war. Nachdem ich also jetzt das unwiderstehliche Melodram "Der verzauberte Tag" tatsächlich gesehen hatte und mir noch mal das Plakat ansah, fiel mir nicht nur auf, dass Bridget von Hammersmark eine Träne um die Liebesbeziehung von Winnie Marcus und Hans Stüwe, den beiden Hauptdarstellern von "Der verzauberte Tag", vergießt. Auch die Credits von "Es gibt immer ein Morgen", der wie der Peter-Pewas-Film im Jahre 1944 herauskam, lasen sich plötzlich wie der versammelte Cast von "Der verzauberte Tag", inklusive der richtigen Drehbuchschreiberin Renate Uhl und dem richtigen Studio Terra Film, das Peter Pewas die ersten Gehversuche als Filmemacher in den damaligen Kriegswirren ermöglichte.

Ich hatte ja über den Kenntnisreichtum Tarantinos im Filmbereich Ufa under Goebbels wild spekuliert, mir sogar angesichts der spärlich genannten Titel wie "Glückskinder" die Frage gestellt, ob der gute Quentin vielleicht nur ein paar Schlüsselwerke gesehen und den Rest mit Eric Rentschlers Schmöker "The Ministry of Illusion" aufgefüllt haben könnte. Diese kleine Entdeckung jetzt lässt mich dagegen erahnen, wie tief der baldige Vielleicht-Franco-Nero-Retter in die Materie eingetaucht ist. Das Plakat spricht eine deutliche Sprache. Im Grunde sagt es: In meiner konterfaktischen Realität des Zweiten Weltkriegs läuft Peter Pewas' Debütfilm "Der verzauberte Tag" unter dem bezeichnend optimistischen, von Douglas Sirk inspirierten Titel "Es gibt immer ein Morgen" in den Kinos Europas und war nicht wie in der Realität von Goebbels zurückgehalten und quasi verboten worden. Denn bei Quentin Tarantino spielt eine gewisse Bridget von Hammersmark eine Hauptrolle, was damals ungefähr gleichbedeutend mit einem Auftritt von Zarah Leander in Peter Pewas' Reigen gewesen wäre. Und einen Zarah-Leander-Film konnte selbst Goebbels aufgrund der Popularität dieses Lieblings der Massen nicht ausbooten.

Die Box ist übrigens auch über die beiden Spielfilme und die zahlreichen Kurz- und Werbefilme hinaus sehr wertvoll geraten. Das Cinegraph-Booklet ist in seinem Informationsreichtum auch als Sammlung seltener Aufsätze schon praktisch den Kaufpreis wert. Weiterhin beeindruckte mich bisher am meisten eine 45-minütige Doku von Wolfgang Fischer aus dem Jahr 1984. Bei dem melancholischen Gestus, mit dem vorbildlich zusammengetragen und collagiert wird, was es überhaupt zu Peter Pewas zu sehen und lesen gibt, musste ich an eine Simpsons-Figur denken. Genau genommen an den wahren "Itchy & Scratchy"- Erfinder Chester, der sich als vergessener Landstreicher erst im Gerichtssaal wieder die Urheberschaft für seine eigenen Kreationen erstritten hatte. Diese Box ist der dem Regisseur Pewas freundschaftlich zugetane Gerichtssaal, der mit einigen untragbaren filmhistorischen Ungerechtigkeiten der letzten Jahrzehnte aufgeräumt hat. Ob das sonst noch jemand mitbekommt, ist eine andere Frage.

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