Dienstag, 19. September 2017
Filmfest Hamburg komplettiert starkes Programm

Filmfest-Oscartipp „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ | © Twentieth Century Fox of Germany
Wer braucht schon Fatih Akin, wenn er aus dem Vollen des Weltkinos schöpfen kann? Das Filmfest Hamburg (5.-14.10.) hat heute sein komplettes Programm veröffentlicht.

Fatih Akin kommt nicht. Der Sohn der Stadt, den das Filmfest Hamburg mit groß gemacht hat, als es in den 1990er-Jahren seinen Debütfilm „Kurz und schmerzlos“ zeigte. Der Regisseur von internationalem Rang, der 2014 den Douglas-Sirk-Ehrenpreis auf dem Festival überreicht bekam. Der Mann, der mit seinem neuen Film „Aus dem Nichts“ Deutschland im Oscar-Rennen vertritt. So heißt es in jeder übernommenen Meldung der Deutschen Presse-Agentur zur heutigen Veröffentlichung des vollständigen Filmfestprogramms. Bei solch einem großen Auteur sagt man natürlich nicht Nein. Aber selbst wenn „Aus dem Nichts“ als Gala-Premiere mit Hauptdarstellerin Diane Kruger gezeigt worden wäre, hätten die filmischen Highlights anders geheißen. Ein bisschen weniger Blitzlichtgewitter auf dem Roten Teppich schadet gar nicht, weil die Organisatoren ein tolles, spannendes Programm zusammengestellt haben.

Zu den bislang noch nicht bekannten Highlights des Filmfestes zählen Yorgos Lanthimos' dunkle Satire „The Killing of a Sacred Deer“, die 197-minütige Frederick-Wiseman-Doku „Ex Libris: New York Public Library“, der umfeierte Martin-McDonagh-Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ mit Frances McDormand (Bild) und die Claude-Lanzmann-Doku „Napalm“. Die 91-jährige Dokumentarfilm-Legende Lanzmann („Shoah“, „Der Letzte der Ungerechten“) wird persönlich nach Hamburg kommen.
Exquisite französischsprachige Sektion
Der erste Eindruck der kuratierenden Hand ist ein starker: Hier wurde aus den bedeutenden internationalen Festivals wie Rotterdam, Locarno, Venedig und Toronto sorgfältig ausgewählt. Das zeigt sich etwa an der französischsprachigen Sektion Voilà!: Darin laufen unter anderen der französische Oscar-Kandidat „120 BPM“, François Ozons Thriller „L'Amant Double“, der Cannes-Geheimtipp „Jeune Femme“ (aka „Montparnasse Bienvenue“), Guillaume Canets lustvoller Publikums-Hit „Rock'n Roll“ und Denis Côtés Muskelmänner-Doku „A Skin So Soft“. Allein mit dieser Reihe wäre man cineastisch für eine Woche abgedeckt und würde beschwingt abreisen. Und dabei sind potenzielle Entdeckungen wie die kanadische Bestseller-Verfilmung „Worst Case, We Get Married“ und das anarchische Roadmovie „Crash Test Aglaé“ noch gar nicht mit eingerechnet.
„Babylon Berlin“ & Lars Eidinger auf Russisch
Aber gerade auch bei deutschen Filmen sind Entdeckungen zu machen: Das gilt für die Weltpremiere von „Es war einmal Indianerland“ mit Emilia Schüle oder die Premiere auf großer Leinwand für die TV-Megaproduktion „Babylon Berlin“ von Tom Tykwer. Die ersten beiden Folgen werden gezeigt. In Hamburg gibt es Barbara Alberts Kostümfilm „Licht“ mit Shootingstar Maria Dragus gleich nach seiner Weltpremiere in Toronto zu bewundern. Und wer Lars Eidinger als Thronfolger Nikolaus Russisch parlieren sehen will, kann das bei der Weltpremiere von „Mathilde“ tun. Rapper Sido spielt im TV-Film „Eine Braut kommt selten allein“ und Jürgen Vogel ist „Der Mann aus Eis“, ein Urzeitmenschen-Abenteuer, das in Locarno fast ohne Dialoge für seine visuelle Ausdruckskraft gefeiert wurde.

Weiter machen könnte man mit Produktionen, die besonders kuriose Titel tragen. Als da wären die deutsche Komödie „Fühlen Sie sich manchmal leer und ausgebrannt?“, die auf dem Filmfest München gute Kritiken bekommen hat. In Hamburg läuft aber auch der russische Film „How Viktor 'The Garlic' Took Alexey 'The Stud' to the Nursing Home“ oder der Schweizer Essay-Film „Die Gentrifizierung bin ich: Beichte eines Finsterlings“. Von gefeierten amerikanischen Produktionen wie „The Florida Project“, „Battle of the Sexes“ und „The Rider“ oder der verheißungsvollen Sektion Asia Express (z. B. der philippinische Thriller „Town in a Lake“ oder der Gewinner des Goldenen Leoparden in Locarno, Wang Bings Alzheimer-Doku „Mrs. Fang“) ganz zu schweigen. Dazu haben sich angenehmerweise auch zahlreiche südamerikanische Filme in das Programm „eingeschmuggelt“. Auch ohne Fatih Akins „Aus dem Nichts“ wird das garantiert ein sehr lohnenswerter Jahrgang.

Der Filmblog Negative Space wird das Filmfest Hamburg berichtend begleiten. Das Filmfest zeigt vom 5. bis 14. Oktober in seinem 25. Jubiläumsjahr 130 Filme in elf Sektionen aus 59 Ländern.

Links: - Programm nach Sektionen, - Lido-Weltpremieren, - Girl Power in Hamburg

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