Donnerstag, 5. Mai 2016
Blue Angel Cafe: New-Beverly-Programm im Mai 2016

„Atemlos vor Angst“ © Paramount Pictures / Universal Pictures
Der Name der monatlichen Kolumne „Blue Angel Cafe“ geht auf das gleichnamige Joe-D’Amato-Meisterwerk aus dem Jahr 1989 zurück. Der Filmkritiker Lukas Foerster beschrieb es auf dem 15. Hofbauer-Kongress Anfang des Jahres folgendermaßen: Wenn Douglas Sirk ein Remake von Josef von Sternbergs Klassiker „Der blaue Engel“ in New Orleans ohne Budget gedreht hätte, wäre das trotzdem nicht halb so großartig gelungen wie D’Amatos „Blue Angel Cafe“.
In der Kolumne blicke ich auf das aktuelle Programm des New Beverly Cinema, das bekanntlich die Abspielstation von Quentin Tarantinos Wunsch- und Programmierungsträumen ist. Als Inhaber hat der US-Regisseur Hausrecht. Wenn der Ober-Cineast durch anderweitige Verpflichtungen abgelenkt ist, läuft das Programm auch schon mal auf Autopilot oder die Mitarbeiter schmuggeln diverse Double-Feature-Vorstellungen ein. Ich habe mich zu festen Kategorien entschlossen, nach denen ich das Monatsprogramm für mich aufschlüsseln will.


Thema: Im Mai feiert das New Beverly Cinema den Regisseur William Friedkin. Zehn seiner Filme werden zu sehen sein. Das Herzstück stellt sicherlich die 4-Track-Mag-Vorführung des Action-Monolithen „Atemlos vor Angst“ an vier aufeinander folgenden Tagen dar. Lust hätte ich sofort auf das Double Feature „Leben und Sterben in L.A.“ und „Anklage Massenmord“. Vor allem letzterer Film, der im Original „Rampage“ heißt und Michael Biehn in der Hauptrolle aufbietet, interessiert mich, weil ich ihn noch nicht kenne. Tarantino zeigt anerkannte Klassiker wie „The French Connection“, verkannte Klassiker wie „Cruising“ und recht aktuelle Ware wie „The Hunted“, „Bug“ und „Killer Joe“. Dazu passt, dass William Friedkin in ein paar Tagen auch die Masterclass in Cannes leitet, wo er Nachwuchsfilmemachern von seiner ewigen Frankreich-Liebe vorschwärmen wird. Eigentlich fehlt in Tarantinos Auswahl nur „Der Exorzist“, den das New Beverly Cinema aber erst vor einiger Zeit rauf und runter gespielt hat und deswegen ausspart. Lohnenswert ist sicherlich auch Friedkins Interview-Film, den er mit Fritz Lang in den 1970er-Jahren gedreht hat. Selten ist Fanliebe kälter beantwortet worden.

Entdeckungen: Tarantinos jugendliche Verehrung der italienischen Erotik-Ikone Laura Antonelli ist bekannt. Schon häufiger hatte er Antonelli-Filme im Programm. Luchino Viscontis allerletztes Werk „Die Unschuld“ sehe ich in diesem Zusammenhang allerdings zum ersten Mal. Der ist vorgemerkt. Auch interessieren mich besonders der Robert-Butler-Ski-Thriller „Schussfahrt in den Tod“ und das mir unbekannte Alistair-Maclean-Double-Feature „Caravan to Vaccares“ und „Fear Is the Key“. Für die ganz Mutigen wartet ein bizarres Bob-Hope-Doppelprogramm („Cancel My Reservation“, „The Cat and the Canary“) und Filme mit den Titeln „Tropical Heat Wave“ und „Panama Sal“. US-Filmhistoriker, vorgetreten!

Überraschungen: Mit 60 Jahren soll ja Schluss sein. Da hat sich Tarantino festgelegt. Weil man dann sein Mojo verschossen hätte. Man sehe es gerade an den Karrieren der richtig großen Regisseure. Immer wieder darauf angesprochen, welche Regisseure er da im Speziellen meine, antwortete Tarantino mit dem Namen Billy Wilder. Eine Unverschämtheit, wenn man dessen Spätwerk kennt. Und siehe da: Welche zwei Filme zeigt Tarantino im Mai-Programm? „Avanti, Avanti“ und „Fedora“. Beides Billy Wilder-Filme, die mich sehr für das Spätwerk des alternden Hollywood-Giganten einnehmen. „Avanti, Avanti“ ist in seiner blutvollen Lebensweisheit wahrscheinlich sogar das Schlüsselwerk zu Wilders Filmografie. Indirekt gibt Tarantino damit selbst zu, dass er eigentlich noch etwas länger drehen könnte. Es muss ja nicht runter bis zu „Buddy, Buddy“ gehen. Diese Erkenntnis gilt besonders für die aktuelle Phase, in der Tarantino den leichten „The Hateful Eight“-Backlash verarbeitet und seine Wunden leckt.

QT-Klassiker: In dieser Kategorie stehen die Filme, die Tarantino immer wieder auf die Agenda setzt, die er quasi mit aller Macht in den Filmkanon durchdrücken will. Kandidaten dafür sind die letzten Ausläufer des William-Witney-Craze aus dem vorherigen Monat. Immer noch laufen die Abenteuer-Episoden von „The Crimson Ghost“ vor den Hauptfilmen. QT-Klassiker wie „Amuck“, „The Blood Spattered Bride“, „Hollywood Man“ oder „Hot Summer in Barefoot County“ geben sich die Klinke in die Hand. Und es hat Stil, dass Tarantino in der Kinder-Matinee am Samstagnachmittag „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ zeigt. Genauso wie man mit einem „Nightmare on Elm Street“-Marathon nichts falsch machen kann. Und Prince wird mit „Purple Rain“ geehrt, weil er gemeinsam mit Elvis Presleys Film „Jailhouse Rock“ gezeigt wird.

Link: - New-Beverly-Programm

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