Dienstag, 10. Januar 2017
Hong Sang-soo, Wolverine & Danny Boyle im Berlinale-Wettbewerb

"On the Beach at Night Alone" © 2017 Jeonwonsa Film Co.
20 Titel hat Berlinale-Chef Dieter Kosslick jetzt für den Wettbewerb beisammen. War das schon alles? Wenn ja, dann viel Spaß mit Hong Sang-soo, Wolverine und Danny Boyle.

Die Berlinale hat den zweiten großen Stoß an Wettbewerbstiteln veröffentlicht. Das macht jetzt - die außer Konkurrenz laufenden Werke mitgezählt - insgesamt 20 Filmtitel. Da gibt es also noch Luft für die ein oder andere weitere Überraschung, die nicht in trockenen Tüchern ist. Festzuhalten bleibt: Vermehrt Schönes auf der Berlinale, um das Motto des Viennale-Chefs Hans Hurch zweckzuentfremden. Am stärksten erfreut den Cineasten, dass mit "On the Beach Alone at Night" (toller Titel!) der Südkoreaner Hong Sang-soo nach Berlin zurückkehrt. 2013 hatte ich im Wettbewerb viel Spaß mit "Nobody's Daughter Haewon". Ich kann es kaum erwarten, das neue Kunstwerk des Meisters des feuchtfröhlichen Philosophierens als Weltpremiere genießen zu dürfen.

Sehr viel Lust habe ich auch auf den potenziellen Hollywood-Blockbuster "Logan - The Wolverine". James Mangold ist ein sträflichst unterschätzter Genre-Regisseur. Er liebt die richtigen Filmvorbilder. Da der Film als Weltpremiere im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft, erwarte ich eine besondere Interpretation der Marvel-Figur. Hugh Jackman sah im ersten Trailer so aus, als wolle er Mel Gibson in seiner späten Phase Konkurrenz machen. Nicht umsonst lässt Mangold Johnny Cashs "Hurt"-Cover spielen.
Auch Deutsche unter den Opfern
Auf deutsche Spielfilme musste die Presse bislang warten. Nur Andres Veiels "Beuys"-Doku hatte eingecheckt. Jetzt gibt es Berliner Schule, Neuer Deutscher Film und die Wilde Maus. Ich muss zugeben: Ich habe Thomas Arslans Western "Gold" im Jahr 2013 regelrecht gehasst, als er im Berlinale-Wettbewerb gezeigt wurde. Aber ich bin sofort bereit, mein Gesamturteil zu überdenken, wenn ich Arslans neuen Film "Helle Nächte" gesehen habe. Eine Vater-Sohn-Beziehung verschlägt Arslan nach Norwegen. Ich bin auf die ersten Bilder und den künstlerisch nächsten Schritt gespannt. Reinhold Vorschneider ("Wild", "Der Räuber") war der Kameramann der Produktion. Der besitzt das spannendste Kameraauge seit den stilprägenden Tagen von Richard Angst und Karl Freund.

Volker Schlöndorff, der Godfather von Babelsberg, kehrt nach Berlin mit "Return from Montauk" zurück: Nach so vielen Jahren wieder Max Frisch ("Homo Faber"); mit so tollen Darstellern wie Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Susanne Wolff ("Morgen hör ich auf") und Niels Arestrup ("Ein Prophet"). Ich bin gespannt und wünsche Schlöndorff einen Triumph, wie ihn Wenders mit "Pina" hatte. Bei den alten Recken des Neuen Deutschen Films ist aber auch nie ein "Palermo Shooting" auszuschließen.

"Joaquim" © REC Produtores & Ukbar Filmes
Der Filmtitel als Qualitätsplakette
Und auch auf das Regiedebüt des österreichischen Kabarettisten Josef Hader mit "Wilde Maus" habe ich Lust. Der Titel allein macht schon Spaß. Generell schaue ich eigentlich alles, wo Georg Friedrich mitspielt. Der Trailer ist attraktiv und schräg. Gerne doch. Auch die restlichen Wettbewerbsfilme regen eher meine Fantasie an, als dass sie mich langweilen. Der brasilianische Regisseur Marcelo Gomes zum Beispiel, der seinen Film "Joaquim" zeigt, hat 2009 einen Film mit dem schönen Titel "I Travel Because I Have to, I Come Back Because I Love You" herausgebracht. Den drehte Gomes gemeinsam mit Karim Aïnouz, der vor wenigen Jahren mit "Praia do Futuro" die Berlinale-Zuschauer verzückte. Überhaupt sind zu diesem Zeitpunkt Filmtitel bereits die halbe Miete.

Der Spanier Álex de la Iglesia hat dagegen eine längere Vorgeschichte. Er hat teilweise Kultfilme, teilweise Misslungenes in der Filmografie stehen. Für seinen neuen Film "El Bar" spricht, dass im Cast nicht Penelope Cruz oder Salma Hayek auftauchen. Der Film könnte tatsächlich aufgrund seiner Qualitäten eingeladen worden sein. Wenn es nach dem Trailer geht, haben wir es hier mit einem sehr gekonnt inszenierten Kammerspiel zu tun. Eins ist sicher: Langweilig kann de la Iglesia gar nicht. Entweder wird es provokant, eklig oder genialisch.
Richardattenborougheskes zum Schluss
Der japanische Regisseur Sabu gilt als Dauertalent mit einer außergewöhnlichen Filmsprache. Vielleicht ist sein neuer Film "Mr. Long" der endgültige Durchbruch, wenn man es positiv formulieren will. Und von Danny Boyles "Trainspotting"-Fortsetzung habe ich noch gar nicht geschrieben. Ehrlich gesagt ist die mir zum jetzigen Zeitpunkt völlig egal. Da erwarte ich wenig. Aber vielleicht haben Boyle und sein Drehbuchschreiber den rechten Kniff gefunden, um die Geschichte weiterzuerzählen.

Nur der Film "Viceroy’s House" sieht in seiner Thematik um die britische Kolonialherrschaft über Indien doch schon sehr staatstragend, anstrengend und richardattenboroughesk aus. Außerdem erscheinen auf den ersten Blick die beiden deutschen Produktionen in der Berlinale-Special-Reihe, "In Zeiten des abnehmenden Lichts" und "Es war einmal in Deutschland..." dank Regie und Schauspiel-Cast recht schmackhaft.

Links: - Django eröffnet, - Die erste Hälfte des Wettbewerbs

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