Sonntag, 12. April 2009
Who the fuck is Alfred Hitchcock?

Wartezimmer zum Jenseits (Alfred Vohrer)
Wie sich die Wahrnehmung des Edgar-Wallace-Regisseurs Alfred Vohrer in den letzten Jahren unter deutschen Filmfans verändert hat

Gelegentliche Leser dieses Blogs werden den Namen nicht unbedingt kennen. Aber gerade dieser Alfred Vohrer gewinnt in der letzten Zeit immer mehr Fans und Aufmerksamkeit. Ein Umstand, der Quentin Tarantino zu verdanken ist. Als naiver Fünftklässler stolperte er in einem Drive-in-Kino in Tennessee über Vohrers Krimi "Die blaue Hand". Vohrer war für ihn seitdem der deutsche Hitchcock, ein verkanntes Genie, das er irgendwann, wenn er etwas zu sagen hätte, einer breiteren Öffentlichkeit wiederbringen wollte. Die Gelegenheit kam 2003, auf der Promotour für "Kill Bill". Zum einen programmierte er für den ominösen TV-Sender Trio ein kleines Filmfestival mit Double Features, unter denen sich "The Creature with the Blue Hand" befand, zum anderen widmete er Vohrer seine "Kill Bill"-Deutschlandpremiere in Berlin und bezeichnete ihn als Genie.

Nun ist es richtig, dass die Deutschen immer schon ihre Edgar-Wallace-Filme geliebt haben, meistens jedoch hauptsächlich aus nostalgischer Verklärung, so wie man sich gerne an die Zeit als Kind erinnert oder um sie mehr schlecht als recht zu parodieren (siehe die Wixxer-Reihe). Bis 2003 habe ich den Namen Alfred Vohrer in keinem deutschen Filmkanon, in keiner Lieblingsfilmliste wieder gefunden. Jetzt ist er eine große Nummer. Letztes Jahr schob Tarantino noch mal nach, als er auf die Frage, wer seine deutschen Lieblingsregisseure seien, meinte, es wären vor allem die alten wie Leni Riefenstahl, Dr. Arnold Fanck, Bernhard Wicki und eben Alfred "Genius" Vohrer.

Neben Tarantino kümmert sich auch eine andere Koryphäe der Filmgeschichte um das Ansehen von Alfred Vohrer: Tim Lucas, Herausgeber der englischsprachigen Kultpostille Video Watchdog. Er ist ein großer, großer Fan. Letztes Jahr feierte Ausgabe Nr. 134 in einem glänzenden Artikel von Kim Newman das Phänomen 'Edgar-Wallace-Krimis'. Spätestens da wurde Vohrer offiziell zum Meister erklärt und abgesegnet. Keine deutsche Filmzeitschrift wäre auch nur auf die Idee gekommen, den wunderschönen Ufa-DVD-Boxen solch einen ausführlichen Themenschwerpunkt zu widmen. Der erwähnte Tim Lucas hat auch einen Blog, auf dem er immer wieder gerne mit kindlicher Entdeckungsfreude deutsche Filmgeschichte zelebriert. Sein letzter Coup ist ein kleines, liebevolles Vohrer-Portrait:

His Name Rhymed With Horror

Ich finde, seine Besessenheit wirkt ansteckend. Muss mir, egal ob er über vergessene Winnetou-Filme oder den verstorbenen Edgar-Wallace-Schauspieler Dieter Eppler mit Zitaten aus "Das neue Blatt" schreibt, immer einen deutschen Film anschauen. Und das sollten vor allem junge Filmfans wider ihrer Vorurteile, dass Schwarzweiß-Filme oder allgemein deutsche Filme langweilig seien, häufiger tun und einfach ausprobieren.

(Geschrieben am 03.06.2008 im Giga-Forum)

Auch gut: - Edgar Wallace-Doku "German Grusel"

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