Samstag, 5. Januar 2013
Buchtipp: "Alpenglühn 2011" (Ulrich Mannes)
Was ich nie ganz verstanden habe, ist die Tatsache, warum sich heutige Filmenthusiasten, wenn sie etwa über German Sexploitation schreiben, hinter Pseudonymen verstecken müssen. Wer im Steinhaus sitzt, der werfe den ersten Glasstein. Schön und gut. Ich schreibe hier selbst im Blog unter einem anderen Namen. Aber nun nicht, um meine Identität zu verschleiern, sondern weil das Ganze hier aus einer Laune meines Bruders erwachsen und das Anmelden mit richtigem Namen im Internet schlicht langweilig ist. Weder beim aktuell angesagten Hofbauer-Kommando von den Eskalierenden Träumen noch jetzt bei Ulrich Mannes' fiktivem Dialog zwischen dem Autor Erich Lusmann und seiner Nachbarin Roswita Neumann verstehe ich das. Es ist nicht die Motivation, seine wahre Identität aus Scham zu verbergen, so wie es etwa Sigi Rothemund, der Sexfilm-Regisseur, der in "Alpenglühn 2011" im Mittelpunkt steht, getan hat. Es hat wohl mehr den Hintergrund, der filmgeschichtlichen Aufbereitung ein Augenzwinkern mitzugeben.

Ich weiß nur nicht, ob das in diesem Zusammenhang wirklich förderlich ist. Die Lederhosen- und Reportfilme der 1970er-Jahre sind ja selbst mit solch einem Gestus gedreht worden. Möglich, dass eine knallhart-auteuristische Herangehensweise, wie sie zum Beispiel Andrew Sarris mit seinem Klassiker "American Cinema" in die Diskussion brachte, mehr Erkenntnisgewinn schaffen könnte. Aber nichts würde mir ferner liegen, Ulrich Mannes' Bemühen nicht ordentlich honorieren zu wollen. Ich finde es eine ganz großartige Idee, überhaupt ein solch schmales, in einem Zug durchlesbares Bändchen zu einem wenig geehrten deutschen Filmregisseur aus einem meiner deutschen Lieblingsgenres zu veröffentlichen. Aber ich hätte es gerne noch tiefer gehabt. Ein Buch, wie es der Filmhistoriker Tim Bergfelder etwa über die internationalen Co-Produktionen deutscher Filmfirmen in den 1960er- und 1970er-Jahren geschrieben hat, nur eben vollständig über die geschätzte German Sexploitation. Letztlich ist es wohl einfach auch der Appetit auf mehr, der mich zu diesem Blogeintrag getrieben hat.

Denn Mannes' Buch ist gut komponiert, kann mit Detailwissen und Feldforschungen glänzen, aber ständig hatte ich das Gefühl: Da müsste man jetzt reingehen, weiter ausführen, nach links und rechts schauen und auch echte Liebe durchscheinen lassen. Denn von der Ausnahme "Summer Night Fever" einmal abgesehen, habe ich nie das Gefühl erhalten, dass der Autor wirklich vernarrt in sein Thema war und der Text aus einer tiefen Bewunderung heraus entstanden wäre, was schade ist. Denn Sigi Rothemund hat tolle Filme gemacht: "Geh, zieh dein Dirndl aus" war einer der ersten Lederhosenfilme, der mir persönlich gezeigt hat, dass dieser Teil der deutschen Filmgeschichte eine Menge Spaß machen kann. "Bohr weiter, Kumpel" war dann bereits der melancholische Abgesang auf ein dahinsiechendes Genre, in dem die fertig dreinschauenden Darsteller nach nur wenigen Jahren ganz im Sinne von Norma Desmond bereit für ihre letzte bedeutende Großaufnahme waren. Und von hochgeschätzten Nostalgiebomben wie "Piratensender Powerplay" und "Die Einsteiger", den ich unter meinen 100 Lieblingsfilmen hatte und stets wieder haben werde, sobald ich eine neue Liste mache, will ich gar nicht erst anfangen.

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Zum ersten Absatz müsste man einiges schreiben, weil das Ganze doch etwas komplizierter ist. Und wie du eingestehst natürlich in der Tat kurios, das von jemandem zu lesen, der noch nicht mal ein Impressum auf seiner Seite hat. :) Was das HK betrifft kann ich nur sagen, dass ausgestelltes Augenzwinkern unsere Sache durchaus nicht ist, die heutige "so bad it's good"-Mentalität geht uns selbst auf den Zeiger. Ironie mögen wir trotzdem, aber vor allem in Form von Selbstironie, und nur im Notfall bzw. Notwehr gegen die Filme gerichtet. Und mit der Anonymität ist das so eine Sache: Das Internet vergisst halt nichts, da muss man schon abwägen, ob der Preis den Gegenwert aufwiegt. Nicht jeder potenzielle Arbeitgeber ist begeistert, wenn er beim Googlen des Namens dann gleich mal auf Filme wie BABYSTRICH IM SPERRBEZIRK oder WENN DIE PRALLEN MÖPSE HÜPFEN stößt. Dazu leben wir leider in einer zu doppelmoralischen, heuchlerischen und intoleranten Gesellschaft. Um so einen Scheiß möchte ich mir einfach keine Gedanken machen, da setzt dann schnell auch die Schere im Kopf ein. Die Halb-Anonymität lässt mir da einfach mehr Freiheiten. Bei anderen Publikationen, insbesondere Print, habe ich dagegen kein Problem, entsprechende Beispiele kennst du ja. Habe auch beim HK-Interview für Klarnamen votiert, da stand es aber intern 2:2, daher die Notlösung mit Pseudonymen, mit der ich nicht ganz glücklich bin. Auch wenn es andererseits zumindest den Ansatz unterstreicht, dass wir uns schlicht selbst nicht zu ernst nehmen wollen, unseren Gegenstand aber sehr wohl. Die Bewunderung ist da schon aufrichtig, das sollte eigentlich auch immer wieder anklingen.

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Das Hofbauer-Kommando hat im Blog aber schon einen anderen - ich würde behaupten gekünstelten - Ton drauf, der einen zuerst einmal auf Distanz bringt. Dann wägt man ab, was wirklich ernst gemeint ist und kommt dann erst zum eigentlichen Thema, nämlich den Filmen. Wer bin ich, dass ich das euch vorwerfen kann, aber wie du siehst, nutze ich hier die Gelegenheit, meine wirren Gedanken an den Mann zu bringen. ;)

Und zur Anonymität: Es ist ja nicht so, dass jetzt zum Beispiel auf "Alpenglühen 2011" nicht auch groß der Name des Autors stehen würde. Warum also dieser fiktive Dialog, der ja nicht wirklich großartig auf Lacher aus ist. Für mich ist da dann etwas dazwischengeschaltet, was auch wieder Distanz bringt. Immer noch oder immer wieder ist das ein Thema: die richtige Herangehensweise an die Sexploitation. Wir sind uns ja alle einig, dass die Blödeltexte eines Stefan Rechmeier nicht gerade der optimale Ansatz sind. Wie Goldnuggets muss man Texte suchen, die da den absolut richtigen Ton getroffen haben: Hans Schifferle in epd-Film, früher Henryk M. Broder oder eben auch Rolf Thissen und Leo Phelix in "Pioniere und Prominente des modernen Sexfilms". Es ist ein sehr schmaler Grat.

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Natürlich, das HK ist eben auch eine Kunstfigur, das eine Kunstsprache spricht. Das hat mit der Entstehungsgeschichte, mit eigenwilligen sprachlichen Vorlieben, mit der Lust am konterkarierenden Unterlaufen herkömmlicher Seriositätsgesten zu tun, nicht zuletzt auch mit einer Vorliebe für Duktus und Sprachbilder früherer reißerischer Vermarktungsstrategien. Eine gewisse Irritation kann ich da schon verstehen, zumal der Fundus der HK-Idiome sich aus Offline- und Online-Einflüssen zugleich speist und wohl komplexer Erklärungen bedürfte, um komplett transparent zu sein. Aber ein Thema, das sich vermutlich im Februar einfacher vertiefen lässt.
Falls noch nicht geschehen, empfehle ich aber unbedingt ein genaueres Eintauchen in das STB von HK-Christian, das - spezielle HK-Idiome mal beiseite gelassen - in seiner oft auch sehr persönlichen und empathischen Herangehensweise an Sexploitation und auch Hardcore eigentlich durchaus in eine ähnliche Kerbe schlägt, die du als richtigen Ton skizzierst.

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Kenne ich tatsächlich schon und finde ich auch mehr oder weniger interessant, gerade seine Hardcore-Einsprengsel, wobei ich eure Tagebuchsektion inzwischen deutlich seltener frequentiere, seit die alten kino.de-Recken verstummt sind. Zum einen fehlt mir natürlich die persönliche Beziehung zu eurem Christian, was das Reinstöbern weitaus weniger interessant macht, zum anderen verliert man mich als Leser auch schon sehr leicht durch so eindeutige Fehlurteile wie jetzt bei Max Ophüls.

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Was natürlich nicht einer gewissen Ironie entbehrt, wenn du einerseits bei Hitchcock und Ford geschmackliche Freiheit forderst, aber bei Ophüls plötzlich offenbar zur Kanon-Dogmatik neigst... ;)

Die alten kino.de-Recken werden wohl leider vorerst stumm bleiben. Bei mir liegt es an Zeit und Motivation, und bei Alex sieht es leider ganz so aus, als hätten wir ihn an die Cinephobie verloren, die er schon seit über zwei Jahren nicht überwunden hat. Ein tragischer Fall.

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Nennen Sie mich altmodisch, aber ich mache leichtsinnigerweise noch einen Unterschied zwischen einem nachvollziehbaren Argument und einer bloßen Zahl! Und ach, den habt ihr doch weggemobbt, weil er Geschmack bewies und gegen die Hofbauer-Doktrin aufmuckte! ;)

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