Dienstag, 1. August 2017
Trash ist Gold

Die Kunst des Trash: Trailer zu „The Disaster Artist“ mit James Franco

Mancher Trash ist reinstes Gold. Filme, die billig produziert wurden und auch genau so daher kommen, kennen wir alle. Je später der Abend, desto grandioser die Unterhaltung. Endlich hat sich mal ein Filmwissenschaftler mit dem Phänomen Trash-Film beschäftigt. Ein Artikel von Jörn Schumacher

Im vergangenen Jahr brachte der Forscher Keyvan Sarkhosh seine Studie „Enjoying trash films“ heraus. Der Mann arbeitet beim „Max-Planck-Institut fur empirische Ästhetik“ in Frankfurt am Main. Ja, diese Menschen forschen tatsächlich daran, wieso Kunst beim Menschen einen Kitzel hervorruft; sei es nun ein Gedicht, ein Bild oder ein Film.

„Wieso schaut man sich sowas an?“, fragte Sarkhosh seine Studienteilnehmer. Die waren ausgemachte Trash-Fans. Die erste Auffälligkeit: 90 Prozent der Teilnehmer an der Studie waren Männer, im Durchschnitt 35 Jahre alt. Der typische Trashfilmfan ist also männlich. Offenbar liegt das daran, dass es sehr oft um exzessive Darstellung von Sex und Gewalt geht, vermutet der Wissenschaftler.

Die häufigsten Filme, die als typische Trashfilme genannt wurden, waren „Sharknado“, „The Toxic Avenger“ und „Plan 9 from Outer Space“ von Ed Wood.

Zweite wichtige Erkenntnis: Das Publikum dieser Trashfilme ist keineswegs dumm. „Die Testpersonen stellten sich als überdurchschnittlich gebildet heraus“, sagte Sarkhosh im Magazin der Max Planck-Gesellschaft (Ausgabe 1/2017). „Sie haben viele Kulturinteressen, gehen ins Theater oder Museum und schauen sich Spartenkanale wie Arte an.“ Drei Viertel der Studienteilnehmer haben entweder Abitur oder einen Hochschulabschluss.
Erinnerung an Teenagerzeiten
Und warum nun schaut man so etwas? „Aus Langeweile am Mainstream, aus Frustration uber das sich immer wieder reproduzierende Hollywood“, stellt die Studie fest. Sarkhosh sagt: „Für die Liebhaber von Trashfilmen ist das Wort Trash ein Qualitätsmerkmal. Es wertet den Film eher auf.“

Trash-Fans schauen diese Filme gezielt und sehr bewusst und analysieren sie auch anschließend fleißig in Filmforen. Offenbar ist es so: Wer schlecht Gemachtes sieht, versteht besser, wie gut Gemachtes funktioniert. Oder anders ausgedrückt: Wer einem schlechten Film zusieht, versteht auf einmal besser, warum ein guter Film gut ist.

Und dann kommen natürlich noch die vielen Anspielungen auf frühere (Trash-)Filme hinzu. Wir mögen es offenbar, „aus ästhetischem Interesse“ die „Umsetzung von Klischees oder Anspielungen aus bereits gesehenen B-Movies“ zu genießen, drückt es der Experte aus. Die Ästhetik-Experten sprechen hier vom „Familiaritätsprinzip“, das angeblich „eine der stärksten Determinanten ästhetischen Gefallens“ ist.

In der Mythologie tritt der Satyr Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. auf
Sich an etwas zu ergötzen, was allgemein als „hässlich“ gilt, gab es schon immer. Schon in der Antike hätten Darstellungen etwa von Satyrn, Monstern mit Glatzen und Tiermerkmalen, einen ähnlichen Effekt gehabt, sagt der Wissenschaftler. Fur Kenner von Trashfilmen bedeute „guilty pleasure“ – die vermeintlich schuldige Lust am Abartigen – eine Art cineastisches Fest der Geschmacklosigkeit, welche nach Sarkhosh zur Kultur des Karnevalesken gezählt werden kann, also zu einer „Gegenkultur, in der unorthodoxe Freiheiten möglich sind“.

Sarkosh selbst empfiehlt als besonders trashigen Leckerbissen „Rabbits“ aus dem Jahr 1972. Hier mutieren Kaninchen zu menschenfressenden Bestien. In der Hauptrolle: Janet Leigh aus Hitchcocks „Psycho“. „Ein unglaublich charmanter Film, obwohl er einfach nur peinlich ist“, sagt der Filmwissenschaftler. Er trifft damit wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf, warum man Trash (manchmal) so mag.
Wissenschaft sucht Wohlfühlfilm
Übrigens: Keyvan Sarkhosh führt schon wieder eine neue Studie durch: Diesmal geht es um das Phänomen „Wohlfühlfilm: Genre-Merkmale und emotionale Effekte eines populären Filmtypus“. Was macht den zuckersüßen, rosaroten und Happy-End-sicheren „Feel-good-Movie“ à la „Pretty Woman“ oder „Dirty Dancing“ so unwiderstehlich? Offenbar konsumiert ein bestimmtes Publikum diese Filme gezielt eben wegen eines bestimmten „Wohlfühl-Faktors“. Ich lehne mich hier einmal weit aus dem Fenster und vermute, dass dieses Mal die Männer nicht in der Mehrzahl sein werden.

Das „Institut für empirische Ästhetik“ in Frankfurt am Main sucht übrigens immer mal wieder Versuchsteilnehmer. Manche Studien kann man online mitmachen, für andere muss man nach Frankfurt reisen. Auf der Webseite des Instituts kann man aktuelle Aufrufe zu Experimenten finden. Vielleicht darf man sich dort demnächst im Dienste der Wissenschaft dem „Wohlfühlfilm“ hingeben.

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