Donnerstag, 16. Februar 2017
Berlinale 2017: Marvin Krens Gangster-Kracher "4 Blocks"

© Turner Entertainment Networks, Inc. A Time Warner Company
Eine neue deutsche TV-Serie wagt sich in die Untiefen des Gangstergenres mit seinen unzähligen Meilensteinen, die nur schwer abzuschütteln sind. Das will Marvin Kren mit "4 Blocks" auch gar nicht erreichen, sondern die Tradition in Neukölln mit einem libanesischen Familienclan fortführen. Serien-Gourmet Michael Müller hat die ersten beiden Episoden gesehen.

Der Wiener Regisseur Marvin Kren, der seit einiger Zeit zu den großen deutschsprachigen Genre-Hoffnungen zählt, stutzt kurz auf der Bühne des Hauses der Berliner Festspiele. Hatte er da in Gegenwart der TNT Serie-Produzenten von seinem neuen Baby „4 Blocks“ als Film und nicht als TV-Serie gesprochen. Umso herzhafter drückte er anschließend die beiden auf die Bühne gekommenen Verantwortlichen des Pay-TV-Senders.

Anhand der anderen Menschen, die auf die Bühne gestürmt gekommen waren, ließ sich am Mittwochabend eigentlich ganz gut ablesen, welches Gewicht diese Serienproduktion für Szene und Industrie hat: Frederick Lau, Ronald Zehrfeld, der Jung-Produzentenstar Quirin Berg, Rapper wie Massiv oder Charakterdarsteller wie Oliver Masucci klatschten sich ab. Die Stars des Cast füllten beinahe die gesamte Bühne. Die Leute hinter der Kamera machten gut die Hälfte des Publikums im Haus der Festspiele aus.
"4 Blocks" muss Ramadans Durchbruch werden
Star des Abends war aber sicherlich Kida Khodr Ramadan. Die TV-Serie „4 Blocks“ müsste, wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, der endgültige Durchbruch für den Schauspieler mit dem formvollendeten Bart werden. Ramadan ist eventuell noch am meisten bekannt durch seine Rolle in der Eko Fresh-Serie „Blockbustaz“ auf ZDF Neo. In „4 Blocks“ geht es um einen libanesischen Gangsterclan in Neukölln, der von der Polizei infiltriert und von konkurrierenden Rockerbanden in seinem Revier unter Druck gesetzt wird. Ramadan spielt dabei unheimlich charismatisch das Familienoberhaupt, das – warum lange darum herumreden – an Tony Soprano angelehnt ist. Der Bademantel, die menschliche Familienseite, aber auch der knallharte Geschäftsmann – alle vorhanden, nur die Psychiaterin fehlt. Das kann aber noch kommen. Schließlich gab es am Mittwoch nur die ersten beiden Episoden zu sehen.

Diese beiden Folgen haben aber sofort süchtig gemacht: Wenn auch der Drehbuchkniff um Frederick Laus Undercover-Einsatz im libanesischen Clan etwas sehr konstruiert wirkt, weil gerade erst einer der Brüder verhaftet wurde und es keinen Sinn macht, einen Fremden mit wackeliger Vergangenheit in die Familiengeschäfte hineinzulassen. Nur ist das Kleinstaaterei. Es ist der Gestus der Produktion, mit der Actionszenen inszeniert und Genremomente heraufbeschworen werden. Es sind die geilen Schauspieler, die grenzenlose Lust versprühen, die faszinierenden Charaktere, die ein Eigenleben entwickeln, die kulturellen Feinheiten von Neukölln – all das lässt „4 Blocks“ frisch erscheinen.

Der Regisseur Kren ist ein Macher. Als Debütfilm drehte er für ein Ultra-Low-Budget den sehenswerten Zombiefilm „Rammbock“. „Blutgletscher", die schöne Reminiszenz auf „Das Ding aus einer anderen Welt“ in der John-Carpenter-, aber auch der Howard-Hawks-Interpretation, war eine konsequente Weiterentwicklung. Den Sat.1-Film „Mordkommission Berlin 1“ haben nicht sonderlich viele wahrgenommen, obwohl es eine ganz famose Neuinterpretation des Gangster-Reigens war, den Fritz Lang in den 1920er-Jahren in Berlin etabliert hatte. Jetzt also hartes, testosterongeschwängertes Männerkino als 6-teilige TV-Serie, die es nicht zu verpassen gilt.

Links: - "Tiger Girl", - "Offene Wunde deutscher Film"

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