Montag, 12. Dezember 2016
Käutners Meisterwerk "Schwarzer Kies" bei Berlinale Classics

© Deutsche Kinemathek
Auf "Suspiria" folgt Käutners Meisterstück "Schwarzer Kies". Das Programm der Berlinale-Reihe Classics kann sich sehen lassen. Auch ein wiederentdeckter israelischer Film sieht spannend aus.

Der Film "Schwarzer Kies" (im Bild) ist ein absoluter Glücksfall für die deutsche Filmgeschichte. Im großen Maße ist das Werk von Helmut Käutner ("Romanze in Moll", "Große Freiheit Nr. 7") diesen Sommer bei der Retrospektive zum bundesrepublikanischen Film in Locarno wiederentdeckt worden. Die von Olaf Möller kuratierte Reihe, die auch im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main zu sehen war, kommt jetzt zumindest in Form dieses Films auch auf die Berlinale. Die Classics-Reihe zeigt das aufwühlende, bitterböse, vor Leben nur so schreiende Sozial-Melodram über orientierungslose GIs, illegale Kiesfahrer und Bardamen, die einfach weg wollen und doch immer wieder im selben Nest landen, im kommenden Februar.

Neben der deutschen Produktion "Schwarzer Kies" werden "Avanti Popolo" von Rafi Bukaee aus Israel und die mexikanische Produktion "Canoa" von Felipe Cazals als digital restaurierte Fassungen im Rahmen der Berlinale Classics gezeigt. Seit 2013 stellt die Reihe im Rahmen der Retrospektive Filmklassiker und Entdeckungen in neu digitalisierten Fassungen vor und begeistert damit ein großes Publikum.
Ursprüngliche Premierenfassung
"Schwarzer Kies" von Helmut Käutner aus dem Jahr 1961 entstand im Stil eines amerikanischen B-Pictures. Die Presse reagierte nach der Premiere kritisch auf den Film, der einen pessimistischen Blick auf die Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland warf. Käutner wurde zudem aufgrund einer Szene in dem Film Antisemitismus vorgeworfen. Für den deutschen Verleih überarbeitete Käutner den Film und versah ihn mit einem weniger düsteren Ende. Im Archiv der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung überdauerte neben der Verleihfassung auch die ursprüngliche Premierenfassung. Diese wird nun von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung digitalisiert und für die Zukunft gesichert.

„Käutners Film ist ein herausragendes Beispiel für den unverstellten Blick auf die Abgründe der westdeutschen Nachkriegsrealität. Dass er sich dabei der direkten und kontrastreichen Sprache des B-Pictures bediente, macht ihn zu einer Rarität, die nun wieder entdeckt werden kann“, kommentiert Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek.
Absurdität des Krieges aus Israel
Mit seinem Erstlingswerk "Avanti Popolo" schuf Regisseur Rafi Bukaee 1986 eine Tragikomödie über die Absurdität des Krieges, welche zu den bedeutendsten Autorenfilmen des israelischen Kinos zählt. Der Film war 1987 Israels Oscar-Kandidat. In der Geschichte zweier versprengter ägyptischer Soldaten, die am Ende des Sechstagekrieges durch die Sinai-Wüste irren, spielt Bukaee mit den stereotypen Vorstellungen von Israelis und Arabern und stellt überkommene Rollenmodelle auf den Kopf. In dem Film, in dem überwiegend Arabisch gesprochen wird, werden erstmals in der israelischen Filmgeschichte arabische Protagonisten von arabischen Schauspielern dargestellt. Die Jerusalem Cinematheque Israel Film Archive restaurierte den Film auf der Grundlage des originalen 16-mm-Negativs.

"Canoa" (Hetzjagd in Canoa) des mexikanischen Regisseurs Felipe Cazals erhielt 1976 bei der Berlinale einen Silbernen Berliner Bären (Spezialpreis der Jury) und wurde nun anlässlich seines 40. Jubiläums von The Criterion Collection in Zusammenarbeit mit dem Instituto Mexicano de Cinematografía (IMCINE) digital restauriert. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten, welche sich 1968 in dem entlegenen Dorf San Miguel Canoa zutrugen: Eine Gruppe junger Mitarbeiter der Universität Puebla strandet während eines Wochenendausflugs in Canoa und wird dort fälschlicherweise für kommunistische Studenten gehalten – eine Hetzjagd durch das Dorf beginnt. Der Regisseur Felipe Cazals wirkte bei der digitalen Restaurierung des Films mit. Mit der Aufführung von "Canoa" steht das Filmland Mexiko im Fokus, das 2017 auch Partnerland des European Film Market (EFM) ist.

Links: - Suspiria jagt Bären, - Science-Fiction-Retrospektive

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