Donnerstag, 28. Dezember 2017
Läuft Luca Guadagninos "Suspiria" auf der Berlinale 2018?

Ein erstes Poster | © Amazon Studios / Frenesy Film Company
Keine ganz wilde Spekulation mehr: Was spricht alles dafür, dass Luca Guadagninos "Suspiria"-Neuinterpretation auf der Berlinale 2018 läuft?

Als vor einigen Wochen das vorläufige Programm des Sundance-Filmfestival veröffentlicht wurde, drehte sich die größte Nachricht darum, welcher Film im Januar nicht dabei sein wird: Der eigentlich fest gesetzte neue Luca-Guadagnino-Film "Suspiria" war nirgendwo aufzufinden. Hatte der Italiener nicht von Sundance aus seinen weltweiten Triumphzug mit dem jetzigen Oscarkandidaten "Call Me by Your Name" angetreten? Die Abwesenheit konnte auf zweierlei Weise interpretiert werden: Entweder hatte die Berlinale den Zuschlag erhalten oder die Produzenten planten, mit dem fertigen Film bis Cannes im Mai zu warten.

Jeder Regisseur geht, wenn er kann, nach Cannes. Dort erhält man die höchsten Weihen, dort ist das Medienaufkommen am größten, dort ist die Karriere gemacht, wenn man im Wettbewerb abliefert. Aber was ist, wenn der Film bereits fertig ist? Wenn ihn Quentin Tarantino bereits gesehen hat und weinen musste? Wenn Guadagnino das Setting des Horrorklassikers von der Freiburger Tanzschule nach Berlin verlegt hat? Wenn "Die Blechtrommel"-Legende Angela Winkler im Cast ist? Wenn Guadagnino ein besonderes Verhältnis zum deutschen Film hat? Wenn er als Teenager ein Interview-Buch von Rainer Werner Fassbinder gelesen hat, das ihn dazu inspirierte, Regisseur zu werden? Denn genau das trifft alles zu.
Größenwahnsinniger Teenagertraum
In einem Guardian-Interview vom 22. Dezember sagte Guadagnino über seinen "Suspiria"-Film: "Jeder Film, den ich drehe, ist ein weiterer Schritt in meine Träume, die ich als Teenager hatte. Suspiria ist der genaueste und größenwahnsinnigste Teenagertraum. Ich habe das Poster des Originals gesehen, als ich elf Jahre alt war. Als ich 14 Jahre alt war, sah ich Argentos Film, der mich stark berührte. Schon damals begann ich davon zu träumen, eines Tages meine eigene Version zu drehen." Der Italiener sagte im Interview weiterhin einen ganz bemerkenswerten Satz, als er auf den Backlash der Horrorfans angesprochen wurde, die eine Neufassung fürchten: "In der menschlichen Kunst geht es nicht um die ständige Erfindung von Originalität. Es geht darum, einen eigenen Blickwinkel auf die Dinge zu finden. Der Kapitalismus will uns weis machen, dass immer etwas Neues herauskommt. Aber das ist nicht wahr."
Fassbinder-Aktrice im Cast
Der große italienische Meister Dario Argento drehte 1977 den Horrorklassiker "Suspiria". Es geht um die junge Amerikanerin Suzy Banyon (Jessica Harper), die in einer Tanzakademie in Freiburg studieren will. Tanzschülerinnen verschwinden oder werden ermordet aufgefunden. Und dann bricht wirklich die Hölle los. Bei Guadagninos Neuinterpretation spielt Dakota Johnson ("Fifty Shades of Grey") die Tanzschülerin Susie Bannion. Sie drehte bereits mit dem Italiener "A Bigger Splash". Die Original-Suzy Jessica Harper steht auch im Cast. Dazu gesellen sich Chloë Grace Moretz, die bereits erwähnte Angela Winkler, Tilda Swinton als Madame Blanc, Sylvie Testud ("Jenseits der Stille") und Renée Soutendijk ("Der vierte Mann").


Fassbinder auf der Berlinale: Ein warmer Empfang sieht anders aus

Es ist auch kein Zufall, dass die Fassbinder-Aktrice Ingrid Caven ("Händler der vier Jahreszeiten", "Götter der Pest") bei Guadagnino eine tragende Rolle spielt. Fassbinders Karriere begann im Jahr 1969 auf der Berlinale. Sein Debütfilm "Liebe ist kälter als der Tod" lief im internationalen Wettbewerb. Guadagnino beschrieb einmal seinen Ansatz für die Neuinterpretation des Horrorklassikers: "Wie hätte wohl Fassbinder Suspiria gedreht?" Der Italiener hat nie eine Filmschule besucht. Er orientierte sich an der Fassbinder-Methode: Drei Filme pro Tag zu schauen und Filmbücher über Regisseure zu verschlingen. Unter Guadagninos zehn absoluten Lieblingsfilmen befindet sich auch Fassbinders Werk "Die Sehnsucht der Veronika Voss".
Deutscher Generationenkonflikt im Fokus
Guadagnino interessiert sich stark für den deutschen Film und die deutsche Literatur. Sein "Suspiria" fokussiert sich deshalb sehr auf das Jahr 1977, in dem das Original gedreht wurde. Wie er in einem Interview mit dem britischen Filmmagazin Empire erklärte, geht es bei ihm um die deutsche Teilung. "Es geht auch um die nächste Generation in Deutschland, die das Verhalten der Eltern im Krieg hinterfragte und die Schuldfrage thematisierte, welche die Eltern von sich weisen wollten", sagte Guadagnino.

Zur vergangenen Berlinale hat sich Negative Space weiter aus dem Fenster gelehnt und dachte, Terrence Malicks "Song to Song" für den Wettbewerb vorhersagen zu können. Malick ging lieber zum kleinen South-By-Southwest-Festival nach Austin. Der stargespickte Film verschwand in der Versenkung. Aber dieser Blog sagte gleichzeitig Aki Kaurismäkis "The Other Side of Hope" richtig voraus. Auch, was den kommenden Eröffnungsfilm der Berlinale, "Isle of Dogs" von Wes Anderson, angeht, bewies Negative Space früh den richtigen Riecher. Es ist zwar noch ein wenig geträumt, dass einer der aktuell angesagtesten Regisseure im kommenden Wettbewerb aufschlägt. Aber es gibt auch genügend Indizien, die auf eine Teilnahme hinweisen. Inoffiziell verdichten sich zudem die Stimmen, welche die Zusage andeuten. Wenn neben dem neuen Wes Anderson auch noch "Suspiria" in Berlin liefe, wäre das Festival zu einem absoluten Pflichttermin für jeden Cineasten geworden, der etwas auf sich hält.

Links: - Guardian, - Empire, - Malick-Spekulation

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