Mittwoch, 20. Februar 2019
Berlinale-Geheimtipp: „Die Letzten, die sie leben sahen“ (Sara Summa)

Eine Ahnung vom Sterben | © Katharina Schelling
Einer der besten Filme des Forums auf der Berlinale war der zärtlich beobachtete Film „Die Letzten, die sie leben sahen“. Debütantin Sara Summa sollte man im Auge behalten.

Die Ausgangsidee zu Sara Summas Debütfilm „Die Letzten, die sie leben sahen“ ist an Künstlichkeit nicht zu überbieten: Sie nahm den wahren Mordfall, der auch Pate für Truman Capotes Klassiker „In Cold Blood“ stand, nämlich die Ermordung einer Familie im Kansas des Jahres 1959. Und sie transferierte ihn in das heutige Italien, in die Gegend, wo schon Alice Rohrwachers magischer Film „Glücklich wie Lazzaro“ spielte. Als Vater, Mutter, Sohn und Tochter castete sie Laien, die sich die Szenen erarbeiteten.

Eigentümlicherweise ist „Die Letzten, die sie leben sahen“ trotzdem oder gerade deswegen einer der lebendigsten Filme der diesjährigen Berlinale gewesen. Er ist von einem inneren Leuchten getragen. Immer wieder sieht man das Auto, was die Gangster ein Stück näher an das Haus der Familie bringt. So werden die Routinen und die alltäglichen Beschäftigungen mit einer schweren Bedeutung aufgeladen. Zum letzten Mal spülen Mutter und Tochter gemeinsam das Geschirr mit der Hand, obwohl sie eigentlich eine Spüllmaschine haben; zum letzten Mal kommt der Freund der Tochter ins Haus und sie schauen Fernsehen, wobei der Bruder natürlich stört.

Der Sohn soll die Olivenplantage übernehmen | © Katharina Schelling
Ganz unaufgeregt erzählt Regisseurin Summa davon, wie der Vater an diesem verfluchten Tag eine Lebensversicherung abschließt; wie die Mutter sich mit ihrer Depression aus dem Bett quält, um für die Kinder da zu sein; im Hintergrund wird die Hochzeit eines Familienmitglieds vorbereitet. Dass sie aus dem Leben scheiden, war nicht für sie vorgesehen. Und trotzdem werden sie am Ende des Tages nicht mehr sein. Der Kinozuschauer ist ihr letzter Zeuge. Er sieht absolut künstliche Figuren, aber kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihr Ableben tragisch und schmerzhaft ist.

Regisseurin Sara Summa am Set | © Marie Sanchez

Ein Kunstwerk von Poster | © Basile Carel
Die Bilder Süditaliens haben eine Wärme, sind unheimlich sinnlich – so als würde Summa ein letztes Mal in das volle und schlichte Leben eintauchen wollen. Der Film ist eben auch wie das Leben: Der Tod lauert am Ende der Straße. Bis er zuschlägt, ist nicht klar, an welcher Kurve er sich ins Leben drängen wird. „Die Letzten, die sie leben sahen“ vergegenwärtigt durch ein simples dramaturgisches Mittel, wie kostbar die alltäglichen Momente und das Miteinander doch sind. Er rückt das Vergrößerungsglas auf das Gewöhnliche, ohne dabei prätentiös daherzukommen. „Gli ultimi a vederli vivere“, so der italienische Originaltitel des Films der DFFB-Studentin, ist ein echtes Geschenk.

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