Montag, 15. Januar 2018
Ein echter Cannes-Film und viele Fragezeichen
Paula Beer und Franz Rogowski in „Transit“ | © Schramm Film / Marco Krüger
Christian Petzolds Weltkriegsfilm „Transit“ ist ein Geschenk für den Berlinale-Wettbewerb 2018. Ansonsten heißt es beim zweiten Stoß an Filmtiteln: Selbst ausprobieren!

Der Blog Negative Space hatte auf seiner Spekulationsliste vom 20. November des vergangenen Jahres nur vier Filme in der Erwünscht-Kategorie für die Berlinale genannt. Da standen Luca Guadagninos „Suspiria“ und Ulrich Köhlers „In My Room“ drauf, die es wohl beide eher nach Cannes an die Croisette ziehen wird. Aber da stand auch der neue Christian-Petzold-Film „Transit“. Von den dreien war letzterer eigentlich der unwahrscheinlichste Kandidat. Klar, Guadagnino feiert gerade seinen absoluten Durchbruch in der Filmszene. Aber da gibt es doch die Verbundenheit zum deutschen Film, insbesondere zu Rainer Werner Fassbinder, die einen Platz im Berliner Wettbewerb gerechtfertigt hätte. Aber wenn der Film eben noch nicht fertig ist ...

Aber Petzold hatte mit seinem letzten Film „Phoenix“ auch endgültig seinen internationalen Durchbruch gefeiert. Damit war er Titelthema bei der US-Filmzeitschrift Film Comment, damit landete er auf unzähligen Bestenlisten. Wenn die deutsche Filmbranche „Phoenix“ für den besten fremdsprachigen Film eingereicht hätte, wäre das wahrscheinlich auch der Gewinner geworden. Und jetzt hat Petzold einen Anna-Seghers-Roman verfilmt, den sie 1941 und 1942 geschrieben hat. Er hat mit Franz Rogowski („Fikkefuchs“, „Love Steaks“) und Paula Beer („Frantz“) zwei der angesagtesten deutschen Jungschauspieler als Hauptdarsteller. „Transit“ stinkt förmlich vor epischer Qualität und schaut einfach nach dem nächsten großen Schritt für Petzold aus. Eigentlich hätte die Geschichte um einen Mann, der in Frankreich vor den Nazis flieht und die Identität eines toten Autors annimmt, in Cannes laufen müssen. Aber offenbar war der Film fertig. So einfach kann das manchmal sein. „Transit“ ist zusammen mit Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs“ die große Nummer des Berlinale-Wettbewerbs. Ein Film mit internationaler Strahlkraft.
Denkmal Romy Schneider
Die sucht man ansonsten auf den ersten Blick bei den anderen bekanntgegebenen Wettbewerbsfilmen der Berlinale vergeblich. Das sind scheinbar viele unbekannte Regienamen, Projekte, von denen man noch nichts gehört hat und auf die nur wenige warten. Es wird sich zeigen, dass auch dort Spannendes dabei ist. Negative Space freut sich schon mal besonders auf „3 Tage in Quiberon“ von Emily Atef über die letzten drei Tage von Romy Schneider. Die Schwarzweiß-Produktion lässt natürlich sofort an die herzzerbrechende Hans-Jürgen-Syberberg-Dokumentation „Romy – Portrait eines Gesichts“ denken. Wir setzen auf den Debütfilm von Adina Pintilie („Touch Me Not“) und glauben an den iranischen Film „Khook“ von Mani Haghighi. Auch „La prière“ von Cédric Kahn klingt interessant. Natürlich ist davon auszugehen, dass es bei der traditionellen 50-Prozent-Trefferquote im Wettbewerb bleibt. Aber das macht doch auch ein bisschen den Reiz aus: Dass man eben nicht weiß, welche Rumänen man sehen muss und dass der neue Lars von Trier Pflicht ist. Auf der Berlinale muss man eben Filme noch selbst entdecken.

Aber die Frage an das Festival muss schon erlaubt sein: Warum bislang kein „Red Sparrow“ mit Jennifer Lawrence, kein „Cold War“ von Pawel Pawlikowski, kein „Mute“ von Duncan Jones, kein „7 Days in Entebbe“ mit Daniel Brühl oder Peter Greenaway? Ist das alles noch nicht fertig oder nicht gut genug? Die Hoffnung bleibt, dass der ein oder andere unterhaltsame Genrefilm doch noch irgendwo im Programm auftaucht.

Auf der To-Watch-Liste (nach Interesse geordnet):

* Transit (Christian Petzold)
* 3 Tage in Quiberon (Emily Atef)
* Touch Me Not (Adina Pintilie)
* Damsel (David & Nathan Zellner)
* Khook (Mani Haghighi)
* La prière (Cédric Kahn)

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