Mittwoch, 21. Dezember 2016
Perspektive Deutsches Kino muss liefern

"Back for Good" von Mia Spengler © Zum Goldenen Lamm
Die Perspektive Deutsches Kino ist etwas in Zugzwang. Der letzte Jahrgang war durchschnittlich. Andere Festivals bieten häufig aufregendere deutsche Entdeckungen.

Als Anfang Dezember bekannt gegegeben wurde, dass Helene Hegemanns Verfilmung "Axolotl Overkill" auf dem Sundance-Festival laufen wird, war das auf allen U-Bahn-Monitoren Berlins zu lesen. Alle überregionalen Feuilletons berichteten über den Coup von Hegemann und dem Festival. Warum, fragt man sich, läuft solch ein Film nicht auf der Berlinale in der Perspektive Deutsches Kino? Warum geht Nicolette Krebitz mit ihrer Genreperle "Wild" auch lieber nach Sundance? Ist es die größere Bühne oder ist die Perspektive einfach ein zu kleines Schaufenster, das während der Berlinale höchstens marginal wahrgenommen wird?

Ich habe vergangenen Februar in der Perspektive den tollen Film "Agonie" entdeckt, mich aber auch mehr oder weniger durch Werke wie "Meteorstraße" oder "Lotte" gepflegt gelangweilt. Mein Gefühl sagt mir, dass Filme hier immer großes Glückspiel sind. Zumindest der Eröffnungsfilm der kommenden Perspektive klingt jetzt verheißungsvoll. Zumal der Titel nicht wieder nur aus einem einzigen Wort besteht, sondern gleich noch an einen der besten Boygroup-Songs der 1990er-Jahre erinnert.

Ode an die Menschlichkeit

Die ersten sieben Filme sind für das Programm der Perspektive Deutsches Kino 2017 eingeladen, nämlich vier lange Abschlussfilme und drei 30-Minüter. „Es lohnt sich mehr denn je, in den Perspektive-Eröffnungsfilm zu gehen und sich dann in den folgenden neun Tagen in den Berlinale-Kinos gemütlich einzurichten. Kommen, um dazubleiben, verspricht zehnfaches Glück“, behauptet Sektionsleiterin Linda Söffker.

Mia Spenglers Abschlussfilm "Back for Good" eröffnet die Perspektive mit der Geschichte von Angie, einem ehemaligen Trash-TV-Starlet ("Verbotene Liebe"-Starlet Kim Riedle), ihrer verhassten Mutter (Juliane Köhler) und ihrer pubertierenden Schwester (Leonie Wesselow). Angie bringt mit der Rückkehr in das Kaff ihrer Kindheit das Gefüge zwischen den Frauen ordentlich durcheinander, so dass alle drei ihre Rolle im Leben neu definieren müssen.

"Back for Good" - so heißt es schwärmerisch in der Pressemitteilung - sei eine Ode an die Menschlichkeit – leise gesummt während ein Auto-Tune-Popsong aus dem Radio dröhne. Der 30-minütige Kurzfilm, den die Regisseurin Mia Spengler vor "Back for Good" gedreht hat ("Nicht den Boden berühren"), hat im Trailer einen angenehmen Andrea-Arnold-Vibe, der an "Fish Tank" denken lässt.

Film über Shaolin-Kung-Fu-Mannschaft

Der an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf entstandene Spielfilm "Ein Weg" ist die behutsame Annäherung an eine lange Liebesbeziehung bis hin zu ihrer Trennung. Während der Sohn Max langsam erwachsen wird, begleiten wir Andreas (Mike Hoffmann) und Martin (Mathis Reinhardt) über 15 Jahre hinweg durch die Höhen und Tiefen des alltäglichen Beziehungslebens. Wie ein Dokumentarfilm gedreht, ist "Ein Weg" mit kleinem Team und Budget an realen Orten mit großer Intensität und Flexibilität entstanden und hat im Prozess der Montage zu seiner besonderen Form über Zeit zu erzählen, gefunden.

Der in China aufgewachsene Regisseur Tian Dong hat an der KHM Köln studiert und schließt dort mit seinem Dokumentarfilm "Eisenkopf" über eine junge Shaolin-Kung-Fu-Fußballmannschaft ab. Tian Dong besucht die jungen Leute in ihrer Sportschule und redet mit ihnen über ihren Alltag und ihre Träume und zeichnet über diesen Weg ein aufwühlendes Bild chinesischer Politik.

Mehr wagen, mehr sehen

Im neuen Film von Julian Radlmaier, "Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes", gesteht ein bürgerlicher Windhund, wie er vom verliebten Filmemacher zum Apfelpflücker, Revolutionsverräter und schließlich zum Vierbeiner wurde. In einer politischen Komödie voller burlesker Kapriolen begegnen wir der jungen Kanadierin Camille (Deragh Campbell), den zwei wundergläubigen Proletariern Hong und Sancho, einem stummen Mönch mit magischen Kräften und einer Menge merkwürdiger Feldarbeiter, die alle utopischen Träumen nachhängen.

Ja, die Perspektive Deutsches Kino brachte Entdeckungen wie "Der Samurai", "Der Bunker" oder "Agonie" hervor. Aber die Qualitätsdichte müsste höher, die Projekte außergewöhnlicher sein, um auch international wahrgenommen zu werden. Vielleicht müsste ich auch einfach mehr Filme aus der Reihe selbst sehen. Das ist ein ernsthaftes Vorhaben.

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