Mittwoch, 18. Juli 2018
Filmfest Hamburg: „Ella & Nell“ ist erster Film der neuen deutschen Sektion Große Freiheit

Erster Kandidat: „Ella & Nell“ | © DFFB
Das Filmfest Hamburg arbeitet mit Hochdruck an seiner neuen deutschen Sektion Große Freiheit. Es gibt einen ersten unscheinbaren Kandidaten. Dazu gesellen sich am Mittwoch auch die ersten Schwergewichte aus Cannes. Ein Überblick von Michael Müller

Die Berlinale bekommt mit Carlo Chatrian einen neuen Chef, und das Filmfest München rüstet finanziell wahnsinnig auf. Das Filmfest Hamburg nimmt die Herausforderung als drittwichtigstes Festival in Deutschland mit einer neuen Reihe an: In der Sektion Große Freiheit konkurrieren ab diesem Jahr bis zu zwölf deutsche Spielfilme um ein Preisgeld von 25.000 Euro. Am Mittwoch ist der erste Kandidat bekannt gegeben worden. Es handelt sich um Aline Chukwuedos Debütwerk „Ella & Nell“.

Der Film feierte seine Weltpremiere Ende Januar auf dem Festival von Rotterdam in der Reihe Bright Future. Das große Echo blieb aus. Katrin Doerksen schrieb auf Kino-Zeit eine Kritik, aus der nicht herauszulesen ist, ob der Film ihr gefallen hat oder nicht. Aber das ist relativ egal. Denn das Filmfest Hamburg braucht die Reihe Große Freiheit, um mit dem Filmfest München mithalten zu können. Dort ist seit Jahren die wunderschön von Christoph Gröner kuratierte Reihe Neues Deutsches Kino ein Zuschauer- und Kritikermagnet. Dort werden die Stars von morgen entdeckt und aufregendes deutsches Kino gefunden – viel häufiger etwa als in der Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale. Auch den Hofer Filmtagen und dem Max-Ophüls-Preis hat München inzwischen den Rang als Förderzentrum Nummer eins abgelaufen.
Zeit zu experimentieren
Als ich vergangenes Jahr das erste Mal das Filmfest Hamburg besuchte, war ich begeistert von dem Programm, der Infrastruktur und den Menschen. Es fehlte nur die Reihe, in der das Festival nicht nach-, sondern vorspielt. Die Weltpremieren und eigenen Entdeckungen sind es, die den Marktwert eines Festivals ausmachen. Und ich erwarte dieses Jahr überhaupt nicht, dass in der Großen Freiheit umgehend ein halbes Dutzend Perlen präsentiert wird. Aber ich finde es sehr spannend, dass das Festival diese Talentschau beginnt. Das mögen jetzt zu Anfang nachgespielte Filme wie „Ella & Nell“ sein. Vielleicht ist Chukwuedos Film in Rotterdam tatsächlich übersehen worden und verdient einen zweiten Blick. Im ersten Jahr kann das Filmfest da auch ein Zeichen setzen, welche Art von deutschen Filmen es fördern und pushen will.

Mittelfristig muss es aber das Ziel sein, überwiegend Weltpremieren nach Hamburg zu locken. Allein der an den großen Helmut Käutner erinnernde Sektionsname verpflichtet da. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ist nicht klein. In ihrer letzten Förderentscheidung hat sie etwa Filme wie Fatih Akins Film „Der goldene Handschuh“, den neuen Anne Zohra Berrached („Die Frau des Piloten“), Markus Gollers „25 Km/h“ oder den nächsten Film von der Berlinale-Gewinnerin Ildikó Enyedi („The Story of My Wife“) finanziell unterstützt. Potenzial, Talente und Beziehungen zur Branche sind da.
2x Cannes, 1x Karlovy Vary Gewinner
Unter den anderen neun bekannt gegebenen Filmen des Hamburger Filmfests am Mittwoch befinden sich auch zwei Filme aus dem Cannes-Wettbewerb: Matteo Garrones „Dogman“ und Nuri Bilge Ceylans „The Wild Pear Tree“. Große Vorfreude auch auf den Gewinnerfilm aus Karlovy Vary, Radu Judes „I Do Not Care If We Go Down In History as Barbarians“. Außerdem klingt der palästinensische Film „The Reports on Sarah & Saleem“, der auch in Rotterdam seine Weltpremiere hatte, ultraspannend: Arthouse trifft auf Genre, West- auf Ostjerusalem.

Gleiches gilt für die Europapremiere von „Who Will Write our History?“, einem Hybriden aus Spiel- und Dokumentarfilm, dessen Weltpremiere wahrscheinlich in Telluride oder Toronto stattfinden wird. Die Alexander McQueen Dokumentation aus Tribeca soll spitze sein. Auch laufen werden „Another Day of Life“ aus Cannes, „Butterflies“ aus Sundance und die Dokumentation „Westwood: Punk, Icon, Activist“ – offenbar sind Modedesigner 2018 in Hamburg ein Schwerpunkt.

Im Hinblick auf die deutschen Kinostarts sind folgende Filme weitere heiße Kandidaten für das Filmfest: „Werk ohne Autor“ (Florian Henckel von Donnersmarck, 03.10.), „A Star Is Born“ (Bradley Cooper, 04.10.), „Abgeschnitten“ (Christian Alvart, 11.10.), „Aufbruch zum Mond“ (Damien Chazelle, 11.10.), „Roads“ (Sebastian Schipper, 25.10.), „Sorry Angel“ (Christophe Honoré, 25.10.), „Wuff“ (Detlev Buck, 25.10.), „25 km/h“ (Markus Goller, 01.11.), „Leto“ (Kirill Serebrennikow, 08.11.), „Trautmann“ (Markus H. Rosenmüller, 08.11.), „Loro“ (Paolo Sorrentino, 15.11.), „Was uns nicht umbringt“ (Sandra Nettelbeck, 15.11.), „So viel Zeit“ (Philipp Kadelbach, 22.11.), „Verschwörung“ (Fede Alvarez, 22.11.), „Widows – Tödliche Witwen“ (Steve McQueen, 22.11.), „Beautiful Boy“ (Felix van Groeningen, 29.11.), „100 Dinge“ (Florian David Fitz, 06.12.), „Der Junge muss an die frische Luft“ (Caroline Link, 27.12.) und „The Favourite“ (Yorgos Lanthimos, 03.01.).

Das Filmfest Hamburg findet vom 27. September bis 6. Oktober statt. Das komplette Programm wird am 11. September bekannt gegeben.

Links: - Filmfest Hamburg Podcast 2017 | - Rangliste 2017

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