Dienstag, 26. Januar 2016
Berlin: Ulrike Ottingers 12 Stunden-Comeback & Dominik Grafs "Verfluchte Liebe deutscher Film"

Helga Anders in "Mädchen mit Gewalt" © Roger Fritz Filmproduktion
Die Berlinale-Reihe Forum ergänzt drei Special-Screenings und einen Schwerpunkt auf japanische 8mm-Indie-Filme aus den Punk-Jahren 1977 bis 1990. Große Freude über den Namen Ulrike Ottinger: Die exzentrische Regisseurin des Neuen Deutschen Films zeigt ihre zwölfstündige Dokumentation "Chamissos Schatten". Darin reist Ottinger auf den Spuren des Weltentdeckers Adelbert von Chamisso auf der gleichen Route von Alaska nach Kamtschatka. Ottinger war mir lange Zeit kein Begriff, bis sie der US-Regisseur Richard Linklater in meinen Fokus rückte. Er schwärmte vor allem von ihrem Film "Bildnis einer Trinkerin" aus dem Jahr 1979, der ohne Dialog auskommt. Linklater bezeichnete Ottinger als noch radikaler und ästhetisch gewagter als die Götzen Rainer Werner Fassbinder oder Werner Herzog. Die amerikanische Website Ioncinema, die immer eine ganz wundervolle Vorschau auf das neue Kinojahr macht, nannte Ottingers Spielfilm "The Beautiful Woman Sleeping" auf Platz vier der am heißesten erwarteten Filme 2016. Der Film soll auf Prosa von Elfriede Jelinek basieren.
Klaus Lemke, Roland Klick & Roger Fritz
Zwölf Stunden werden allerdings auch für die größten Ottinger-Fans eine Herausforderung sein, zumal das Doku-Opus im späteren Verlauf der Berlinale noch mal in drei Teilen gezeigt werden soll. Noch ein bisschen gespannter bin ich allerdings auf die neue Dominik Graf-Doku "Verfluchte Liebe deutscher Film". Sie klingt so, als wäre sie hauptsächlich für mich gemacht worden. Nach langem Zögern entschied ich mich für die deutsche Filmgeschichte als Steckenpferd und große Liebe. Es war allerdings nie eine einfache Beziehung, die mit immensen Anlaufschwierigkeiten verbunden war. Diesen Zwiespalt sehe ich perfekt ausgedrückt im Titel "Verfluchte Liebe deutscher Film". Laut Pressemitteilung soll sich Grafs Doku, die er gemeinsam mit Johannes F. Sievert gemacht hat, auf die Münchner Anti-Clique der 1960er- und 1970er-Jahre konzentrieren. Klaus Lemke, Roland Klick und Roger Fritz, you know what I mean. Dazu passt, dass das Forum auch die Serpil Turhan-Doku "Rudolf Thome – Überall Blumen" zum Programm ergänzt hat. Vielleicht gibt es zwischen Dominik Graf und Serpil Turhan Überschneidungen.
Japano-Cyber-Punk-Retro im Forum
Auch spannend klingt der japanische Schwerpunkt "Hachimiri Madness – Japanese Indies from the Punk Years". Die frühen, digital restaurierten 8mm-Filme späterer Kultregisseure wie Sion Sono oder Sogo Ishii sind international teilweise noch gar nicht gezeigt worden. "In Yamamotos anarchischem Spielfilmdebüt 'Saint Terrorism' schießt ein Mädchen im rosa-gelben Outfit aus ihrer weißen Handtasche scheinbar wahllos auf Unschuldige, und uniformierte Sektenanhänger transportieren die Leichen ab", heißt es da unter anderem in der Pressemitteilung. Klingt so, als könnte man die ein oder andere Entdeckung machen.

Links: - Ioncinema, - Roger Fritz, - Eugène Green in Berlin

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