Donnerstag, 13. Juli 2017
Gedankensammlung zu Tarantinos Projekt über die Manson-Morde

Foto: Sir Mildred Pierce, flickr (CC BY 2.0)
Quentin Tarantinos nächster Film dreht sich um die Manson-Morde. Brad Pitt, Jennifer Lawrence und Margot Robbie sind angefragt. Ein paar Gedanken und Verweise:

* „Natural Born Killers“ sollte ursprünglich Tarantinos Debütfilm werden. Die Serienkiller, die Medien, Hollywood und das Pop-Phänomen waren also immer schon da. Nur: Oliver Stone verfilmte Tarantinos 1989 geschriebenes Drehbuch. Stones Änderungen verabscheute Tarantino. Er verabscheute überhaupt den Prozess, dass jemand sein Kunstwerk bearbeiten durfte. Es war ein Stachel, der bis heute tief sitzt. Mit dem neuen Projekt über die Manson-Morde schließt sich für Tarantino ein Kreis.

* Karina Longworth war die beste Filmkritikerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Dann sagte sie sich vom Tagesgeschäft los, schrieb Bücher für die Cahiers du Cinema und traf den Regisseur Rian Johnson. Aber sie rief den sehr hörenswerten Podcast You Must Remember This ins Leben. Innerhalb des Podcast startete sie im Jahr 2015 eine zwölfteilige Podcastreihe zu den Manson-Morden. Wer Interesse hat, diesen Fall aus allen nur erdenklichen Perspektiven durchleuchtet zu sehen und sich auch für die popkulturellen Dimensionen des Ganzen interessiert, ist hier richtig. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass diese Podcast-Reihe zumindest Tarantinos Dringlichkeit an dem Projekt beeinflusst haben könnte.
Tarantinos Urangst war die Manson-Family
* Der erste Film, der Tarantino als kleinen Jungen traumatisiert hat, heißt „Last House on the Left“ von Wes Craven. Als er den Film damals als Fünftklässler im Autokino sah, wurde ihm richtiggehend schlecht vor Angst. Denn dieser Terrorfilm spiegelte die größte Befürchtung des kleinen Quentin, der mit seiner Mutter in Los Angeles wohnte: Fremde Menschen, die in dein Haus einbrechen, deine Familie als Geiseln nehmen, terrorisieren und ermorden. Manson lebte mit seinen „Jüngern“ zu der Zeit auf einer Ranch nicht unweit von Los Angeles, die ein früheres Filmgelände war. Wenn Tarantino jetzt einen Film über die Manson-Morde dreht, setzt er sich auch mit einer seiner Urängste auseinander.

* Auf dem Filmfestival von Busan im Jahr 2013 sagte Tarantino: „Ein Serienkillerfilm würde meine eigene Abartigkeit zu sehr offenbaren. Der Planet Erde kann meine Version eines Serienkillerfilms nicht ertragen.“

* Der Filmkritiker Owen Gleiberman schrieb zu 40 Jahre Manson-Morde einen sehr anregenden Text für Entertainment Weekly. Darin empfahl er das TV-Biopic „Helter Skelter“ aus dem Jahr 2004. Wer sich noch gar nicht auskennt, findet dort eine erste interessante Interpretation der Biografie von Charles Manson.

* 2014 berichtete das Branchenblatt Variety, dass der „American Psycho“-Autor Bret Easton Ellis und der Regisseur und Rockmusiker Rob Zombie einen Film zu Charles Manson planen. Irgendwie hat das nichts mit Tarantino zu tun, ich fand es trotzdem interessant. ;)
Hollywood Reporter stört den Künstler
* Wenn man mal davon ausgeht, dass Tarantino wirklich nach dem zehnten Film seine Regiekarriere an den Nagel hängt, steigt auch der Druck und die Erwartungshaltung. Was sind die letzten beiden Filme, mit denen sich der Kalifornier in die Filmgeschichte eintragen will? Der allerletzte Film könnte für den Amerikaner John Brown reserviert sein. Es war Tarantino, der diverse große Regisseure für ihre schwachen letzten Werke kritisiert hat. Und er ist immer dann schwach, wenn er sich entspannt und zu sicher fühlt. Bei seinem vorletzten Film und der Manson-Thematik ist so viel Druck da, dass sich Tarantino nicht gehen lassen kann. Er ist ein Regisseur, der besser wird, umso größer der Druck ist.

* So wie man liest, ist Tarantino verstimmt, dass der Hollywood Reporter, noch bevor er mit dem Drehbuch fertig geworden ist, die frohe Kunde in die Welt getragen hat: Tarantino macht Manson. Das berichtet jedenfalls die Filmjournalistin Anne Thompson, die mit Tarantino bei Facebook befreundet ist. Wollen wir hoffen, dass das nicht wieder zu einem Herumgeeiere wie bei „The Hateful Eight“ führt.

* Bei der Vergegenwärtigung von Mansons wahnsinnigen Theorien über die schwarze Weltherrschaft kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Tarantinos Manson-Film höchstwahrscheinlich noch deutlich politischer wird als „The Hateful Eight“. Tarantino jagt den Zeitgeist, will politische Stimmung und Geschichte einfangen, wie das etwa „Bonnie und Clyde“ Ende der 1960er-Jahre geschafft hat. In diesem Falle wird das bein Manson auch der Zeitgeist eines Donald Trump sein.
Biopic-Vorbild Elvis Presley
* Tarantino hat sich jetzt jahrelang mit dem Übergang vom alten zum neuen Hollywood beschäftigt. Ganz besonders fixiert war er auf das Filmjahr 1970. Bei dieser Rückschau war das Mark-Harris-Filmbuch „Pictures at a Revolution“ maßgeblich. Es würde mich von daher wundern, wenn Tarantino den Hollywood-Aspekt nicht auch jenseits der Polanski-Tate-Achse entscheidend einsetzen wird.

* Biopics gehören zu Tarantinos unbeliebtesten Genres. Das Leben von A bis Z nachzuerzählen, sei dramaturgisch mit einem Film nicht auf interessante Art und Weise zu lösen. Das würde eine stinklangweiliger Film werden. „Wenn ich einen Film über Elvis Presley mache, drehe ich keinen Film über sein ganzes Leben. Ich würde einen einzelnen Tag herausgreifen, zum Beispiel als Elvis zum amerikanischen Label Sun Records ging. Ich würde einen ganzen Film über den Tag machen, bevor Elvis bei Sun Records aufschlug. Und der Film würde damit enden, wenn er durch die besagte Tür läuft.“

* Ich habe mir zur Einstimmung das Buch „The Girls“ von Emma Cline bestellt. Darüber waren alle Teilnehmer des neuen Literarischen Quartetts im vergangenen Jahr völlig aus dem Häuschen. Da war auch noch der unersetzbare Maxim Biller dabei. Es ist keine Manson-Biografie oder ein Sachbuch über die Family, sondern ein Roman, der an die Manson-Morde angelehnt ist und seinen Fokus auf die jungen Frauen legt, die in diesem Zirkel unterwegs waren.

Link: - Tarantino verlobt mit Israelin Daniella Pick

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