Montag, 9. Juli 2018
Wie emotional Vicky Krieps Eva Trobischs Film „Alles ist gut“ auf dem Filmfest München feiert

Der "Phantom Thread"-Star Vicky Krieps ist schwer angetan

Die Schauspielerin Vicky Krieps schwärmt auf dem Filmfest München von der großen Entdeckung „Alles ist gut“.

Der Film „Alles ist gut“ von Eva Trobisch hat nicht nur den Förderpreis der Reihe Neues Deutsches Kino für die beste Regie und die beste Schauspielerin gewonnen. Er bekam auf dem Filmfest München auch den FIPRESCI-Preis der internationalen Kritikervereinigung. Einen Kinostart gibt es inzwischen auch: NFP Marketing & Distribution bringt das umfeierte Werk am 27. September in die deutschen Kinos. Die Schauspielerin Vicky Krieps („Phantom Thread“, „Das Zimmermädchen Lynn“), die zusammen mit Uisenma Borchu und Jamila Wenske die Jury des Förderpreises der Reihe Neues Deutsches Kino bildete, schwärmte sehr persönlich von Trobischs Film.

Krieps erzählt am Abend der Preisverleihung in ihrer Laudatio: „Gestern Abend sind wir tanzen gefahren. Und dann fahren wir Taxi von einem Punkt zum anderen Punkt. Ich bin im Taxi und noch zwei, drei andere Jungs. Ich habe meine Schuhe gewechselt und jetzt Turnschuhe an, weil es kalt war. Ich habe auch eine Hose dabei. Dann fragt der Taxifahrer: Haben sie einen Rock an? Dann sage ich: Ja, wieso? Der Taxifahrer: Ja, haben sie eine Unterhose an? Sage ich: Nee, hast du eine an? Sonst sagt auch keiner was im Auto. Dann sagt er plötzlich: Nee, weil man muss ja allzeit bereit sein. Das hat er mir so gesagt. Dann konnte ich darauf nichts sagen. Und es hat auch sonst im Auto keiner was gesagt.“

Weiter sagt sie: „Also wenn ich jetzt hier vor euch stehe, dann bin ich zusammengesetzt wie ihr alle auch aus unterschiedlichen Teilen: also meiner Kindheit, Erziehung und Erfahrung. Und wie ich jetzt hier stehe, bin ich aber schon wieder eine andere, als wenn ich hier vor einer Woche gestanden hätte. Und zwar, weil hier ein Teil von mir wieder hinzugekommen ist – zurückgeführt wurde.
Luft aus- und Augen aufgegangen
Ein Film, der so bescheiden und ehrlich, schonungslos und direkt erzählt, liebevoll und dennoch so trocken wie die Realität mich wie eine Landschaft ausgerollt hat und mir wie ein Knall wieder entzogen wurde. Als ich aus dem Kino kam, war mir die Luft aus- und die Augen aufgegangen. Herzklopfend stand ich im Straßenverkehr und verstand, dass jemand einen Film gemacht und mir durch die Augen seiner bezaubernden Hauptdarstellerin die Hand gereicht hatte.

Ja, deshalb machen wir Filme, habe ich gedacht. Damit jemand wie ich ein kleines Stück weiterkommt, ein Stück mehr in Bewegung kommt und ein Stück wacher wird. Ich habe eigentlich wie immer tausend Stimmen in meinem Kopf, die mir jetzt sagen, dass ich irgendwie schnell und effizient sein soll, ein professionelles Jurymitglied. Bloß nicht zu viel Raum einnehmen und den Betrieb aufhalten. Es läuft ja auch gleich Fußball draußen.
Zusammenreißen ist Gift
Ich habe mich aber heute genau wegen des Films dazu entschieden, darauf nicht zu hören und nicht mehr feige zu sein, sondern ehrlich. Wie vielen Menschen in diesem Raum ist es auch mir passiert, dass mein Nein nicht gehört und getreten wurde. Und wie so viele Frauen habe ich darauf reagiert, indem ich mich zusammengerissen habe, stark sein wollte und sehr gut funktioniert habe.

Wir alle lernen als Kind: Jetzt reiß dich mal zusammen. Bei mir hat dieses Zusammenreißen mein ganzes darauffolgendes Leben bestimmt. Und als ich diesen Film gesehen habe, habe ich zum ersten Mal verstehen und sehen können, welches Gift davon ausgeht, wenn man sich zusammenreißt. Ein Gift, das die Menschen um mich herum vergiftet und mit in den Abgrund gezogen hat.

Der Film Alles ist gut zeigt dies auf eine so subtile und intelligente Art und Weise, dass ich mich nur bedanken kann, dass ein Menschen den Mut und die Kraft hatte, eine Geschichte so und genauso zu erzählen – nicht so, wie es die Geldgeber gerne hätten oder wie es die Moral, der Anstand oder das Entertainment verlangt. Dieser Mensch ist eine Frau und heißt Eva Trobisch und hat mir geholfen, ein Stück mehr zu dem Mensch zu werden, der ich eigentlich bin. Wir können Filme machen, die unterhalten, wir können Filme machen, die zeigen, dass wir Filme machen können. Und manchmal kommt da einer oder eine und macht einen Film, der bewegen will. Danke.“

„What makes this remarkably prescient film so successful, is the nature of the role women face in a contemporary society where male patriarchy is still an issue, and where also women experience a narrower range of options imposed by a society that is far from open and inclusive.“ Das schreibt Peter Krausz aus der FIPRESCI-Jury über den prämierten „Alles ist gut“.

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