Freitag, 9. Dezember 2016
Paul Verhoeven wird Berlinale-Jury-Präsident

© Lex de Meester
Der niederländische Star-Regisseur Paul Verhoeven wird Jury-Präsident der 67. Internationalen Filmfestspiele Berlin.

„Mit Paul Verhoeven (im Bild) haben wir einen Regisseur als Jury-Präsidenten, der in den unterschiedlichsten Genres sowohl in Europa als auch in Hollywood gearbeitet hat. In der Bandbreite seines Filmschaffens spiegelt sich seine kreative, vielfältige Verwegenheit und sein Experimentierwillen“, sagte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick laut einer Mitteilung des Festivals.

Der Niederländer Paul Verhoeven ist für meine Generation, die in den 1980er-Jahren aufgewachsen ist, ein Gigant. Zum einen hat er mit "RoboCop", "Total Recall" und "Starship Troopers" einige der prägendsten und besten Hollywood-Popcornfilme geschaffen, die jeweils auch dank seines europäischen Gespürs beißende Satiren sind. Und ich liebe Verhoeven ganz besonders für "Showgirls", ein verdrängtes Meisterwerk, das immer leicht hinten über fällt. Andererseits ist Verhoevens niederländische Phase fast noch spannender: "Türkische Früchte" ist einer der schönsten Liebesfilme aller Zeiten. "Spetters" ist eine Entdeckung wert. Und auch sein einheimisches Comeback mit "Black Book" vor einigen Jahren zeigte einen Regisseur, der sich seine Qualitäten über die Jahrzehnte bewahrt hatte.

Verhoeven ist gerade dieses Jahr wieder in aller Munde, weil seine "Elle" mit Isabelle Huppert eines der Highlights des diesjährigen Cannes-Jahrgangs war. Verhoeven folgt auf Jurypräsidentin Meryl Streep und Darren Aronofsky. Drücken wir die Daumen, dass es kontrovers-gewagte Filme im Wettbewerb geben wird, die sich eines Verhoevens als würdig erweisen. Interessant ist auch am exzentrischen Niederländer, dass er seine gesamte Filmkarriere praktisch ohne die Hilfe von Festivals bestritten hat. Er war nie auf sie angewiesen, weil er von Anfang publikumswirksame Zuschauererfolge gedreht hat. Auch die Filmfestivals kamen erst spät auf Verhoeven zurück, die Berlinale zum Beispiel programmierte mal im Jahr 2000 "RoboCop" in einer Retrospektive. Da zeigte sie aber auch die beiden Fortsetzungen als Teil einer Science-Fiction-Reihe. "Black Book" war der erste richtige Verhoeven-Film, der auf dem Filmfestival von Venedig dieses bestimmte Klima atmete.
Mathestudent, der nach Hollywood auszog
Die Berlinale schreibt zu Verhoeven: Nach einem Mathematik- und Physikstudium wandte sich Paul Verhoeven Mitte der 1960er-Jahre dem Film zu und startete seine Regiekarriere 1969 mit der erfolgreichen niederländischen TV-Serie "Floris – Der Mann mit dem Schwert". Auf sein Spielfilmdebüt "Was sehe ich… Was sehe ich!" (1971) über zwei Prostituierte, die von einem bürgerlichen Leben träumen, folgte 1973 der erotisch aufgeladene Thriller "Türkische Früchte", der ihm neben großer Popularität auch eine Nominierung als Bester fremdsprachiger Film bei den Oscars 1974 einbrachte. Nach seinem internationalen Durchbruch mit "Der Soldat von Oranien" (1977) – der für den Golden Globe nominiert wurde - und "Der vierte Mann" (1983) zog Paul Verhoeven nach Hollywood, um sich einem stilistischen Wandel in seiner Arbeit zuzuwenden.

Mit actionreichen Großproduktionen wie "RoboCop" (1987) und insbesondere "Total Recall – Die totale Erinnerung" (1990), beides gegenwartskritische Reflexionen der Zukunft, feierte Paul Verhoeven beeindruckende Boxoffice-Hits, revolutionierte das Science-Fiction-Genre und blieb sich dabei als Autorenfilmer treu.

Mit dem provokanten Erotikthriller "Basic Instinct" (1992) kehrte er zu Themen seiner niederländischen Filme zurück. "Basic Instinct" machte Sharon Stone zum Star und erhielt zwei Oscar-Nominierungen. 1997 wandte sich Verhoeven mit "Starship Troopers" erneut dem Science-Fiction-Genre zu, im Jahr 2000 folgte der Sci-Fi-Horrorfilm "Hollow Man – Unsichtbare Gefahr".

Nach nahezu 20 Jahren verließ Paul Verhoeven Hollywood und ging 2006 in die Niederlande zurück, um "Black Book" (2006) zu drehen, der auf der Geschichte einer niederländischen Widerstandskämpferin während des Zweiten Weltkrieges basiert. Ab 2007 widmete sich Verhoeven mehr dem Schreiben und feierte erst 2016 mit der französisch-deutschen Produktion "Elle" sein Comeback. Darin führt Paul Verhoeven seine Themen auf überraschende Weise fort. Isabelle Huppert spielt eine Frau, die durch sado-masochistische Abgründe wandelt und dabei ein Kindheitstrauma überwindet.

Die 67. Berlinale findet vom 9. bis zum 19. Februar 2017 statt. Erste Programmdetails des Wettbewerbs werden in den kommenden Tagen erwartet.

Links: - Kaurismäki im Wettbewerb?, - Suspiria auf Berlinale

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