Donnerstag, 6. Dezember 2018
Lone Scherfigs „The Kindness of Strangers“ eröffnet Berlinale

Zoe Kazan und Tahar Rahim | © Per Arnesen
Ein erlesener Cast und eine Dogma-Regisseurin eröffnen die Berlinale 2019: Der Episodenfilm „The Kindness of Strangers“ von Lone Scherfig erzählt von Lebenskrisen im New Yorker Winter.

Mit der Weltpremiere von Lone Scherfigs neuem Film „The Kindness of Strangers“ wird die 69. Berlinale am 7. Februar eröffnet. In dem Episodenfilm mit Zoe Kazan („The Ballad of Buster Scruggs“), Tahar Rahim („Ein Prophet“), Andrea Riseborough („Mandy“) und Bill Nighy („Tatsächlich Liebe“) versuchen krisengeschüttelte Personen, durch den New Yorker Winter zu kommen. Ihre Wege kreuzen sich im einem russischen Restaurant.

Die dänische Regisseurin Scherfig begann ihre Filmkarriere mit dem Werk „Die Geburtstagsreise“, das 1990 in der Berlinale-Sektion Panorama gezeigt wurde. Ihren internationalen Durchbruch erlebte sie im Jahr 2000 mit der Dogma-Komödie „Italienisch für Anfänger“. In Berlin erhielt sie dafür den Silbernen Bären der Jury. Auch ihre Werke „Wilbur Wants Kill Himself“ und der oscarnominierte „An Education“ liefen auf dem deutschen Festival.

„Ich fühle mich geehrt, dass Dieter Kosslick unseren Film ausgewählt hat, um solch einen festlichen und besonderen Abend zu feiern. Es wird eine große Freude sein, den Film zum ersten Mal mit dem renommierten Berlinale-Publikum zu sehen“, sagt Scherfig zur Einladung. „Wie schön, dass Lone Scherfig zurück ist und ihr jüngster Film die Berlinale 2019 eröffnet. Ihr Gespür für Charaktere, große Emotionen und subtilen Humor versprechen einen wunderbaren Festivalauftakt“, kommentiert Berlinale-Direktor Dieter Kosslick.
Der winterliche Film passt auf die Berlinale
Negative Space hält „The Kindness of Strangers“ für eine gute Wahl als Eröffnungsfilm: Scherfig hat in ihrer Karriere schon mal bei den Oscars mitspielen dürfen, weiß aber auch ganz genau, wie sich Flops anfühlen. Sie ist ein weiblicher Auteur, schreibt, wenn sie kann, ihre Drehbücher selbst oder ist beteiligt. Sie schreibt sogar für andere Regisseure. Andrea Arnold half sie zum Beispiel gemeinsam mit Anders Thomas Jensen die Figuren von „Red Road“ zu entwickeln. Die Dänin hat jetzt einen winterlichen Film gedreht, in dem sich die Protagonisten in einer kalten Welt Wärme spenden, was perfekt in den Berlinale-Februar passen wird. Der Berlinale-Twitter-Account nennt den Film ein „modernes Märchen“.

Der Cast besteht nicht aus Superstars wie George Clooney, bei denen sich der gesamte Abend nur um sie drehen würde. Stattdessen darf man sich auf Zoe Kazan freuen, die in Hollywood mit „The Big Sick“ und „The Ballad of Buster Scruggs“ durchgestartet ist. Sie hat im Film offenbar eine Liaison mit dem französischen Schauspieler Tahar Rahim, dem man seit seinem Cannes-Durchbruch in „Ein Prophet“ eine große Karriere wünscht, was bislang noch nicht so recht geklappt hat. Die Britin Andrea Risebourough bereicherte dieses Jahr den Kultfilm „Mandy“ und soll fabelhaft in „Nancy“ gewesen sein. Und Bill Nighy hat noch nie einem Episodenfilm geschadet.
Kosslicks Eröffnungsfilm-Historie
Der beste Eröffnungsfilm, den die Berlinale unter der Leitung Kosslicks überhaupt hatte, war wohl das Edith-Piaf-Biopic „La Vie en Rose“: eine Weltpremiere, welche die internationale Karriere der französischen Schauspielerin Marion Cotillard startete; ein richtig toller, emotional mitreißender Film, der auch durch die Biografie Edith Piafs Glamour auf dem roten Teppich im Jahr 2007 verbreitete. Aber solch ein Volltreffer, der gleichzeitig schwer und leicht daherkommt, ist ultraselten. Auch das übermächtige Filmfestival von Cannes, das programmtechnisch als Branchenprimus immer aus dem Vollen schöpfen kann, bekommt das fast nie hin.

Seine stärkste Phase hatte der Berlinale-Direktor Kosslick von 2012 bis 2014: Der Eröffnungsfilm „Leb wohl, meine Königin!“ mit Diane Kruger und Léa Seydoux leitete den Reigen ein. Es folgte 2013 Wong Kar-wais lange erwartetes Martial-Arts-Glanzstück „The Grandmaster“. Der startete zwar schon am 8. Januar in den chinesischen Kinos. Aber für den Westen war es quasi eine Weltpremiere. Die Krönung war dann 2014 Wes Andersons Babelsberg-Extravaganza „The Grand Budapest Hotel“ mit allen seinen Hollywoodstars. Dieses Jahr kehrte Anderson mit „Isle of Dogs“ zurück. Für Kosslick selbst war wahrscheinlich doch Martin Scorseses Dokumentation „Shine a Light“ der größte Triumph, bei deren Weltpremiere 2008 tatsächlich die Hauptdarsteller, nämlich die Rolling Stones, vorbeischauten.

Schwierig und meistens Notlösungen sind immer Berlinale-Eröffnungsfilme, an die man sich im Folgejahr schon nicht mehr aus Scham oder Egalsein erinnert: „Django“, „Nobody Wants the Night“, „Tuan Yuan“, „Snow Cake“ oder „Man to Man“. Für Hollywood verzichtete Kosslick auch gerne auf die Exklusivität: „Hail, Caesar!“, „True Grit“, „Cold Mountain“ und „Chicago“ hatten Monate vorher ihre Weltpremieren in den Vereinigten Staaten, um sich für das Oscar-Rennen zu qualifizieren. Das Problem wird er bei Lone Scherfigs Eröffnungsfilm, der lange Zeit für Sundance gehandelt wurde, im kommenden Jahr nicht haben. Wenn die Filmqualität stimmt, könnte das ein charmanter und sympathischer Eröffnungsabend 2019 werden.

HanWay Films übernimmt den Weltvertrieb sowie die Verleihrechte von „The Kindness of Strangers“ und wird hierbei von Ingenious Media und Apollo Media unterstützt. Entertainment One wird den Film in Kanada vertreiben, SF Studios in Skandinavien. Unter den verschiedenen Produzenten befinden sich auch die deutsche Firma Nadcon sowie der WDR und Arte. Die 69. Berlinale findet vom 7. bis 17. Februar 2019 statt.

Link: - Was auch auf der Berlinale 2019 laufen könnte

... comment