Samstag, 16. Dezember 2017
Die verpasste Chance der Berlinale, „A Quiet Passion“ in den Wettbewerb einzuladen

Cynthia Nixon in „A Quiet Passion“ | © Hurricane Films
Die aktuellen Jahreslisten der amerikanischen Kritiker erinnern daran, wie die Berlinale im Jahr 2016 das Emily-Dickinson-Biopic „A Quiet Passion“ verschlief. Ein Seitenblick von Michael Müller

Ich finde, es ist ein großes Glück, dass es in Deutschland ein A-Festival wie die Berlinale gibt. Was für ein Luxus, was für ein Haufen Filme, der jedes Jahr exklusiv in die Hauptstadt gekarrt wird. Das bietet quasi unbeschränkte Entdeckungsmöglichkeiten für den Cineasten. Aber natürlich habe ich auch ganz konkrete Kritik an der Programmierung einiger Filme. Sie fällt mir zum Beispiel wieder ein, wenn ich über die diesjährigen Jahres-Listen der Filmkritiker und Filmzeitschriften blicke.

Die wichtigste amerikanische Filmpublikation Film Comment hatte das Emily-Dickinson-Biopic „A Quiet Passion“ auf dem zweiten Platz. Der Film hatte sich gegen alle aktuellen Oscarkandidaten und gebuzzten Kritikerdarlinge durchgesetzt. Nur die Safdie Brothers landeten noch mit „Good Time“ davor. Das sublime Drama des britischen Auteur Terence Davies mit Cynthia Nixon („Sex and the City“) in der Hauptrolle taucht jetzt ständig auf Bestenlisten auf: ob beim Variety-Chefkritiker Justin Chang oder bei unserem liebsten Über-Hipster-Kritiker David Ehrlich. Das ist eine späte Genugtuung. Aber sie hätte nicht so spät erfolgen müssen.
Negative Space würdigte „A Quiet Passion“ zeitnahe
„A Quiet Passion“ feierte im Februar 2016 seine Weltpremiere auf der Berlinale. Leider packten die Verantwortlichen den Film nicht in den offiziellen Wettbewerb, wo er definitiv hingehört hätte, sondern ließen ihn als Special in einer Nebenreihe verhungern. Eine Handvoll britischer Kritiker feierte Terence Davies, weil er auf der Insel schon lange mehr als ein Geheimtipp ist. Der Blog Negative Space war auch sehr begeistert und spekulierte damals zur Premiere im Zoopalast über potenzielle Oscarnominierungen für Cynthia Nixon, Keith Carradine und Jennifer Ehle. Im vergangenen Jahr war „A Quiet Passion“ auch auf unserer Top-Ten-Liste zu finden. Aber international startete der Film nie durch. Es gab keinen Buzz, der von der Berlinale ausgegangen wäre. „A Quiet Passion“ blieb ein Geheimtipp, der sich mühsam über zwei Jahre wieder in das Wahrnehmungsfeld der Öffentlichkeit kämpfen musste.

„A Quiet Passion“ hatte alles: Er besaß die Stars, die Qualität, einen in Cineastenkreisen bedeutenden Auteur – das war einfach ein Film, der einen zärtlich verschlang und hinterher verzaubert wieder ausspuckte. Ein Werk, das den Zuschauer einerseits die Poesie der Emily Dickinson entdecken ließ. Eine Filmerfahrung, die andererseits ein schmerzvolles Charakterportrait eines Menschen zeigt, dessen Sinne für diese Welt zu fein gestimmt waren und der daran zerbrach. Eine große Tragödie mit einem schwer zu ertragenden Schlussdrittel. Ein kleines Meisterwerk, das 2016 schon entdeckt hätte werden können, wenn die Berlinale es in den offiziellen Wettbewerb eingeladen hätte. Als Auswechselkandidat hätte sich der belanglose kanadische Film „Boris without Béatrice“ vom ansonsten geschätzten Denis Côté angeboten.

Link: - Unsere damalige Kritik zu „A Quiet Passion"

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Freitag, 15. Dezember 2017
Auf zur Trüffeljagd: Die Berlinale-Sektion Panorama präsentiert die ersten elf Filme

Die brasilianische Doku „Bixa Travesty“ | © Nubia Abe
Die Leitung der Panorama-Sektion hat gewechselt. Es lohnt sich, die ersten elf ausgewählten Filme von Chefin Paz Lázaro für 2018 genau unter die Lupe zu nehmen. Ein Überblick von Michael Müller

Wieland Speck ist nicht mehr, der bärtige Mann mit den Anzügen ist einen Schritt zurück getreten. Die neue Leiterin der Sektion Panorama heißt Paz Lázaro. Mit Spannung wurden ihre ersten Entscheidungen erwartet. Vor allem lateinamerikanische Entdeckungen erhofft man sich vom Programm im kommenden Jahr. Die ersten elf am Freitag veröffentlichten Titel geben einen Vorgeschmack.

Ich habe sehr viel Lust auf den nächsten Kiyoshi-Kurosawa-Film. Im Jahr 2016 hätte dessen Horrorfilm „Creepy“, der auf meiner Jahres-Top-Ten gelandet ist, auch sehr gut im offiziellem Wettbewerb der Berlinale laufen können. Kurosawas neuer Film „Foreboding“ basiert auf seiner gleichnamigen fünfteiligen TV-Serie. In der Science-Fiction-Geschichte bemächtigen sich Aliens menschlicher Gefühle. „Ihr unheimliches Unterwerfungssystem entzündet eine Paranoia, die jede individuelle Bestrebung in Gefügigkeit umwandelt“, schreibt die Berlinale. Laut dem „Japan Times“-Kritiker und ausgewiesenen Asien-Experten Mark Schilling handelt es sich bei dem 140-minütigen Film um einen Zusammenschnitt der TV-Episoden, so wie es in den 1990er-Jahren zum Beispiel David Lynch mit „Twin Peaks“ gemacht hat. Schilling vergleicht den Horror in „Foreboding“ unter anderem mit Kubricks „The Shining“.

Auch gut klingt Karim Aïnouz Dokumentarfilm „Zentralflughafen THF“. Darin begleitet der brasilianisch-algerische Regisseur, der im Jahr 2014 den Sleeper „Praia do Futuro“ im Berlinale-Wettbewerb mit Clemens Schick hatte, den Alltag von Geflüchteten. Sie träumen in den Hangars des stillgelegten Berliner Flughafens davon, endlich anzukommen, während nebenan auf dem Tempelhofer Feld Berliner ihrem Alltag entfliehen. Der Gegensatz klingt spannend, vor allem wenn er von einem Regiekönner inszeniert ist.
Traumwandlerischer Film-Poem aus Brasilien
Man liest auch tolle Dinge über die griechische Regisseurin Evangelia Kranioti, die im Jahr 2015 mit „Exotica, Erotica“ zumindest in bestimmten Kreisen auf der Berlinale Aufmerksamkeit erhaschte. Ihren neuen Film „Obscuro Barroco“ nennt das Festival einen „traumwandlerischen Film-Poem“. Es geht um eine brasilianische Berühmtheit, die queere Subkultur-Ikone Luana Muniz.

Aber es ist viel Interessantes unter den ersten elf Panorama-Filmen 2018 zu finden: Der Schwede Göran Hugo Olsson ist zurück, der vor einigen Jahren „The Black Power Mixtape 1967-1975“ in Berlin vorstellte. Wieder zaubert er verlorenen geglaubtes Dokumentations-Material hervor. Dieses Mal geht es um den Sommer 1972 und Andy Warhol, Jonas Mekas, Albert Maysles und Vincent Fremont. Der österreichische Film „L'Animale“ von Katharina Mückstein hört sich super an: „Eine 18-jährige Abiturientin macht mit ihrer Motocross-Clique die Gegend unsicher. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, maskuline Überlegenheit und leidenschaftliche Hingabe wecken widersprüchliche Kräfte in ihr.“
„Ben Hur“-Regisseur will Neuanfang
Auch „River's Edge“ von Isao Yukisada nach einer Manga-Vorlage könnte etwas sein: „Kurz nach dem Zusammenbruch des japanischen Wirtschaftsbooms in den Neunzigerjahren ringt eine Gruppe Jugendlicher um Verbindung zu ihren Gefühlen. Frustration und Wut entladen sich in einem Rausch aus Sex und Aufruhr.“ Der Regisseur ist nicht unumstritten. Aber eventuell gibt es eine Verbindungslinie zum gleichnamigen 1980er-Jahre-Hollywood-Geheimtipp mit Keanu Reeves?

Ob ich mich dagegen auf die Weltpremiere des neuen Timur-Bekmambetov-Films „Profile“ freuen soll, weiß ich noch nicht. Die Zeiten von „Night Watch“ sind lange her. Zuletzt fuhr der bei Roger Corman in die Schule gegangene Russe die „Ben Hur“-Neuverfilmung spektakulär gegen die Wand. Die britisch-amerikanisch-zypriotische Co-Produktion um eine Journalistin, die undercover beim „Islamischen Staat“ recherchiert, hat nicht einmal einen interessanten Cast. Aber vielleicht erfindet sich Bekmambetov ja hier neu. Gerade bei den mit Spannung erwarteten lateinamerikanischen Produktionen herrschen vorerst auch noch viele Fragezeichen: Bei „Bixa Travesty“ (Bild), „Ex Shaman“, „Malambo, the Good Man“ und „The Omission“ braucht es Bewegtbild, um sich eine richtige Meinung zu bilden.

Auf der To-Watch-Liste (nach Interesse geordnet):

* Foreboding (Kiyoshi Kurosawa)
* Obscuro Barroco (Evangelia Kranioti)
* L'Animale (Katharina Mückstein)
* Zentralflughafen THF (Karim Aïnouz)
* River's Edge (Isao Yukisada)
* That Summer (Göran Hugo Olsson)

Link: - Wer sind die drei Nachfolger von Wieland Speck?

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Berlinale auf Oscar-Shortlist gleichauf mit Cannes - Fatih Akins „Aus dem Nichts“ dabei

„A Fantastic Woman“ | © Piffl Medien
Fatih Akin ist unter den weltweit letzten neun Filmen für den „besten fremsprachigen Film“ bei den Oscars. Ansonsten heißt es Berlinale Vs. Cannes.

Einerseits wird sich immer über das Auswahlverfahren der Academy Awards beschwert und beklagt, dass da weiße alte Männer wählen, die keine Ahnung vom Weltkino haben. Andererseits gibt es in der Filmbranche keine härtere Währung als eine Oscarnominierung. Auf der diesjährigen Oscar-Shortlist, der Vorstufe zur Nominierung, liefern sich die beiden großen A-Festivals Berlinale und Cannes ein Fernduell.

Die Berlinale stellt überraschenderweise drei der neun auserwählten Filme: Sebastián Lelios „A Fantastic Woman“ (Chile), Ildikó Enyedis „On Body and Soul“ (Ungarn) und Alain Gomis' „Félicité“ (Senegal) sind allesamt im viel gescholtenen Wettbewerb 2017 gelaufen. Die Berlinale selbst rechnet auch John Trengoves „The Wound“ (Südafrika) zu den eigenen Entdeckungen, weil der Film die Panorama-Sektion eröffnete. Seine Weltpremiere feierte er aber auf dem Sundance-Festival.
Frankreichs „120 BPM“ wäre Pflicht gewesen
Das prestigeträchtigste Filmfestival der Welt in Cannes schickt Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland), Ruben Östlunds „The Square“ (Schweden) und Andrey Zvyagintsevs „Loveless“ (Russland) ins Rennen. Den lautesten Protestschrei der Filmkritiker gab es bei der Ignoranz der Jury, nicht den französischen Beitrag „120 BPM“ auf die Shortlist eingeladen zu haben. Eine berechtigte Kritik, weil Robin Campillos Film über die Aktivistengruppe Act Up im ausgehenden Aids-Zeitalter zu den besten Werken des Jahres zählt.

Aber ehrlicherweise muss man dann schon sagen, dass diverse Festival-Highlights auf der Shortlist der Academy gelandet sind. Es sei denn, man wollte irgendwie noch Superstar Angelina Jolie mit ihrem kambodschanischen Film „First They Killed My Father“ reindrücken. Aber wir sind hier nicht bei den Golden Globes, wo es einen Promi-Counter gibt. Klar, übersehen werden immer Filme: Wo ist „Zama“ von Lucrecia Martel, warum nicht „Tom of Finland“ von Dome Karukoski, „Barrage“ aus Luxemburg oder „Die göttliche Ordnung“ aus der Schweiz? Aber verglichen mit anderen Jahrgängen ist das eine geschmackvolle Auswahl.

Die Shortlist (9 Filme):

* Aus dem Nichts (Deutschland)
* A Fantastic Woman (Chile)
* Félicité (Senegal)
* Foxtrot (Israel)
* The Insult (Libanon)
* Loveless (Russland)
* On Body and Soul (Ungarn)
* The Square (Schweden)
* The Wound (Südafrika)

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Dienstag, 12. Dezember 2017
Film Comment liebt die Safdie Brothers

Ehre wem Ehre gebührt: die Wiseman-Doku „Ex Libris“

Die wichtigste amerikanische Filmzeitschrift Film Comment wählt „Good Time“ auf Platz eins der Jahrescharts. Es ist die erste große Liste, welche die Genialität der Wiseman-Doku „Ex Libris“ aufgreift.

01. Good Time (Josh & Benny Safdie)
02. A Quiet Passion (Terence Davies)
03. Personal Shopper (Olivier Assayas)
04. Get Out (Jordan Peele)
05. Nocturama (Bertrand Bornello)
06. Ex Libris: New York Public Library (Frederick Wiseman)
07. The Death of Louis XIV. (Albert Serra)
08. Faces Places (Agnes Varda)
09. The Lost City of Z (James Gray)
10. Lady Bird (Greta Gerwig)

Link: Film-Comment-Liste 2017

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Montag, 11. Dezember 2017
Streaming-Tipp: Rüdiger Suchslands Doku „Hitlers Hollywood“

Hitler und Goebbels bei der UFA | Bundesarchiv, Bild 183-1990-1002-500 (CC-BY-SA 3.0)
Heute um 23.35 Uhr strahlt Arte Rüdiger Suchslands Doku „Hitlers Hollywood“ in die Nacht aus. Danach gibt es aber in der Mediathek eine Woche lang die Gelegenheit, den Film nicht zu verpassen. Ein Streaming-Tipp von Michael Müller

Der von mir einst verehrte, heute eher zwiespältig wahrgenommene deutsche Filmkritiker Rüdiger Suchsland hat den Dokumentarfilm „Hitlers Hollywood – Das deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945“ gedreht. Damit schaffte er es im September sogar auf das prestigeträchtige Telluride-Festival, wo ansonsten die Oscar-Filme der Saison ausgerufen werden. Das passt: Denn in den verschneiten Bergen von Colorado wurde in den 1970er-Jahren auch die Regisseurin Leni Riefenstahl wieder in den cineastischen Pantheon aufgenommen – übrigens vor allem durch New Hollywood-Regisseure. Da schließt sich also ein Kreis.

Vom 11. bis zum 18. Dezember 2017 ist Suchslands Doku in der Arte-Mediathek zu sehen (unten verlinkt). Am Montag ist er in den letzten Programmtag der 100-Jahre-Ufa-Retrospektive des deutsch-französischen Senders eingebunden: Erst läuft von Sternbergs „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich, dann Veit Harlans „Opfergang“ mit Kristina Söderbaum. Zum Abschluss zur Geisterstunde folgt Suchslands Werk.
Braucht es Schutzpatron Kracauer?
Ich hätte mir doch noch mehr die filmjournalistische Schule eines Eric Rentschlers („Ministry of Illusion“) gewünscht als den erhobenen Zeigefinger von Erwin Leiser („Deutschland, erwache!"). Braucht es denn immer noch den ewigen Film-Paten Siegfried Kracauer, der einem den intellektuellen Unterbau bereitet? Sind dessen Thesen nicht bereits beim Weimarer Kino widerlegt worden? Und wie kann man eine Doku über den Film des Dritten Reiches drehen, aber mit keinem einzigen Wort Werner Hochbaum erwähnen? Und wenn schon von einem der besten deutschen Regisseure aller Zeiten, nämlich Helmut Käutner, schwärmen, müsste die Doku nicht 200 anstatt 100 Minuten laufen? Fragen über Fragen.

„Hitlers Hollywood“ ist etwas wirr und sprunghaft, das Konzept erschließt sich mir nie so ganz. Irgendwann darf Susan „Fascinating Fasicm“ Sontag noch einen Satz in die Kamera sagen und Hannah Arendt wird irgendwo noch reingequetscht. Aber es ist eine wahre Freude, so viele digital restaurierte Ausschnitte in formidabler Bildqualität wiederzusehen. Suchsland Film richtet sich eher an Einsteiger denn an Filmhistoriker. Wenn Suchsland schwärmt, wagt er etwas. Dann sind seine Beobachtungen spannend. Ansonsten werden viele klassische Eckpunkte pflichtschuldig abgehakt (Der antisemitische Film, der Genie-Film, die Morgengaben 1933 usw.).

So machen die Schnappschüsse und angerissenen Regie-Biografien vor allem Lust auf mehr. Die Karl-May-Verfilmung „Durch die Wüste“ (1936), „Großstadtmelodie“ (1943) von Wolfgang Liebeneiner oder „Zwei in einer großen Stadt“ (1942) von Volker von Collande will ich jetzt nachholen. Es ist letztlich ein schlampig sortierter, wenn auch anregender Gemischtwarenladen. Wer richtig in die Tiefe gehen will, macht mit Eric Rentschler oder dem französischen Duo Francis Courtade und Pierre Cadars („Geschichte des Films im Dritten Reich“) weiter.

Arte-Stream | 100 Jahre Ufa

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Ich rieche was, was Du grad siehst

Sweet Smell of Success | © Luca Mascaro, flickr (CC BY-SA 2.0)
Ein Kinofilm kann viele unterschiedliche Gefühle auslösen: Stress, Spaß, Angst und so weiter. Und diese Emotionen rufen wiederum körperliche Reaktionen hervor. Und die können Wissenschaftler messen. Nur anhand der Atemluft in einem Kinosaal können Forscher erkennen, welcher Film geschaut wird. Ein Beitrag von Jörn Schumacher

Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz haben in Kinosälen während der Vorstellungen die Zusammensetzung der Atemluft im Saal gemessen und dabei Erstaunliches festgestellt. Die Atemluft spiegelte die Gefühle wider, die im Saal vorherrschten, während der Film lief. Mehr noch: Anhang der Konzentrationen der biologischen Spurengase konnten die Forscher letztendlich sogar erkennen, welcher Film gezeigt wurde.

Die Forscher um Jonathan Williams maßen zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 14. Januar 2014 im Mainzer Cinestar die abgesaugte Luft während einer Kinovorstellung – alle 30 Sekunden. Die Klimaanlage lief dabei wie bei jeder anderen Vorstellung auch. Insgesamt untersuchten sie 108 Vorführungen mit insgesamt 9.500 Kinozuschauern. Sie hatten 16 unterschiedliche Filme aus den Genres Comedy, Horror und Romantik ausgewählt. Darunter waren etwa „Der Hobbit: Smaugs Einöde“, „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, „Die Tribute von Panem - Mockingjay: Teil 2“ und „Carrie“. (Die volle Liste findet sich innerhalb der Original-Studie. Für das Experiment wurden keine personenbezogenen Daten erfasst, lediglich die Anzahl der Kinobesucher wurde registriert.
Kampf ums Überleben
Im Ergebnis konnten die Forscher genau sehen, wann ein Film lustig, spannend oder langweilig ist. Am Beispiel der chemischen Signatur von „Tribute von Panem“ erklärt Forschungsleiter Jonathan Williams: „An der Stelle, an der die Heldin um ihr Leben kämpft, stiegen die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer deutlich an“. Isopren (C5H8) und Aceton (C3H6O) sind die beiden häufigsten organischen Spurengase. Sie und die Menge an Kohlendioxid maßen die Forscher. Eine Erklärung für ihre Ergebnisse sehen die Wissenschaftler darin, dass die Kinobesucher bei aufregenden Filmszenen unruhig werden und schneller atmen.

Theoretisch wäre es damit für die Werbeindustrie möglich, mal in einen Kinosaal „reinzuschnuppern“, wie da gerade so die Stimmung ist. Oder wie ein Werbeclip ankommt.
Zuschauermanipulation möglich?
Der nächste Schritt wäre dann der umgekehrte: Warum nich die Luft im Saal so abändern, dass bestimmte Stimmungen entstehen? Es hält sich ja schon lange das Gerücht, dass Kinobetreiber besonderen Wert auf den ganz speziellen „Popcorn-Duft“ legen. Es soll sogar Kinos geben, die über die Klimaanlage diesen Kino-Duft extra in den Saal leiten, damit das Publikum Lust auf Popcorn bekommt und konsumiert.

So weit scheint der Weg zum duft-manipulierten Kino gar nicht zu sein: Der Künstler und Geruchsexperte Wolfgang Georgsdorf hat eine elektronische „Geruchsorgel“ entwickelt, die den einfallsreichen Namen „Smeller“ trägt. Damit lassen sich Düfte komponieren wie ein Musikstück. Werden wir also demnächst das Geruchs-Kino erleben, in dem die Gefühle auf der Leinwand mit Gefühlen aus einem chemischen Cocktail über die Atemluft kombiniert werden?

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Samstag, 9. Dezember 2017
Cahiers du Cinema wählen David Lynch

Kyle MacLachlan in „Twin Peaks: The Return“ | © Showtime

Eine TV-Serie auf Platz eins? Typisch, Franzosen! ;) Auch wenn man keinen der Kritiker mehr kennt, die für die Cahiers du Cinema schreiben, funktioniert heute immer noch die von der Nouvelle Vague etablierte Marke. Ihre Jahresliste hat schöne exzentrische Spitzen.

01. Twin Peaks: The Return (David Lynch)
02. Jeannette (Bruno Dumont)
03. Certain Women (Kelly Reichardt)
04. Get Out (Jordan Peele)
05. The Day After (Hong Sang-soo)
06. Lover for a Day (Philippe Garrel)
07. Good Time (Josh & Benny Safdie)
08. Split (M. Night Shyamalan)
09. Jackie (Pablo Larraín)
10. Billy Lynn's Long Halftime Walk (Ang Lee)

Links: - Cahiers du Cinema-Liste, - Lieblinge 2016

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Mittwoch, 6. Dezember 2017
„Get Out“ rockt Sight & Sound-Liste


Es ist die wohl wichtigste Top-Ten-Liste einer Vereinigung von internationalen Filmkritikern: Auf Platz eins des britischen Filmmagazins Sight & Sound landete der US-Horrorfilm "Get Out". Auch ein deutscher Film steht in der Top Ten.

01. Get Out (Jordan Peele)
02. Twin Peaks: The Return (David Lynch)
03. Call Me by Your Name (Luca Guadagnino)
04. Zama (Lucrecia Martel)
05. Western (Valeska Grisebach)
06. Faces Places (Agnès Varda)
07. Good Time (Josh & Benny Safdie)
08. Loveless (Andriy Zvyagintsov)
09. Dunkirk (Christopher Nolan)
10. The Florida Project (Sean Baker)

Link: - Sight & Sound Liste 2017

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Restaurierte Berlinale-Weltpremiere des seltenen Stummfilms „Das alte Gesetz“

„Das alte Gesetz“ | © Deutsche Kinemathek
Seltener deutscher Stummfilm „Das alte Gesetz“ feiert restaurierte Weltpremiere auf der Berlinale 2018.

In der Reihe Berlinale Classics präsentieren die 68. Berlinale mit Ewald André Duponts „Das alte Gesetz“ aus dem Jahr 1923 ein besonderes Stummfilm- und Konzert-Highlight. Die digitale Restaurierung der Deutschen Kinemathek erlebt mit einer neuen Musik des französischen Komponisten Philippe Schoeller am 16. Februar 2018 im Friedrichstadt-Palast ihre Weltpremiere. „Das alte Gesetz“, ein wichtiges Werk der deutsch-jüdischen Filmgeschichte, kontrastiert die in sich gekehrte Welt eines osteuropäischen Schtetls mit dem liberalen Wien der 1860er-Jahre und thematisiert die Assimilation der Juden im Europa des 19. Jahrhunderts.

Eine erste Rekonstruktion dieses Films hatte die Deutsche Kinemathek bereits 1984 unternommen und dabei versucht, sich der Originalfassung so weit anzunähern, wie die damalige Quellenlage das zuließ. Als später der Fund der Zensurkarte bekannt wurde, wurde dies der Auslöser für eine erneute weltweite Recherche und schließlich für eine neue, digitale Bearbeitung.
Erstmals verschollene Premierenfassung verwendet
Für die digitale Neubearbeitung standen zeitgenössische Nitrokopien in fünf verschiedenen Sprachen aus Archiven in Europa und den USA zur Verfügung. Erst anhand der Zensurkarte jedoch konnte das Restauratorenteam der Deutschen Kinemathek die bisher verloren geglaubten originalen Zwischentitel wiederherstellen sowie die Montage vervollständigen und korrigieren. Das Konzept für die Rekonstruktion einer farbigen Fassung orientierte sich vor allem an zwei hinsichtlich des Farbschnitts und der Farbwerte identischen Kopien. Erstmals wird jetzt die verschollene deutsche Premierenfassung in ihrer ursprünglichen Länge und in einer zeitgenössischen Einfärbung wieder zugänglich.

„Mit seiner authentischen Ausstattung und einem exzellenten Schauspielerensemble, großartig in Szene gesetzt von Kameramann Theodor Sparkuhl, ist 'Das alte Gesetz' ein herausragendes Beispiel für die Kreativität jüdischer Filmschaffender im Deutschland der 1920er Jahre", so Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen.

Die Aufführung des Films bei der Berlinale ist der Auftakt einer Tournee durch einstmals bedeutende Zentren jüdischen Lebens vor allem in Osteuropa. Zu den Stationen dieser Tour gehören Vilnius, Budapest, Warschau und Wien. In San Francisco wird er beim Silent Film Festival vorgestellt. Ihre TV-Premiere erlebt die restaurierte Fassung am 19. Februar 2018 auf Arte. Die digitale Neubearbeitung von „Das alte Gesetz“ durch die Deutsche Kinemathek wurde ermöglicht durch das persönliche Engagement von Cynthia Walk (University of California, San Diego) und die großzügige Unterstützung der Sunrise Foundation for Education and the Arts.

Link: - Retrospektive Weimarer Schätze 2018

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Mittwoch, 6. Dezember 2017
Berlinale-Abrechnung: Negative Space zu Gast beim hochverehrten Wollmilchcast

Joaquin Phoenix in „A Beautiful Day“ | © Why Not Productions
Über die Berlinale mit und nach Dieter Kosslick: Negative Space war zu Gast im Wollmilchcast.

Wann lädt einen schon der Wollmilchcast in seine heiligen Hallen? Der Berlin-Aufenthalt für Negative Space-Chefredakteur Michael Müller hätte sich bereits allein für diesen Podcast-Besuch gelohnt gehabt. Ausgangspunkt des Gesprächs mit Jenny Jecke und Matthias Hopf war die Erklärung der 79 Regisseure, die sich einen Neuanfang bei der Berlinale wünschen. Darüber hinaus ist es aber vor allem ein ziemlich hörenswertes Gespräch über Filmfestivals geworden – und was man von ihnen erwartet.

Ab 00:55:35 diskutieren wir auch den neuen Lynne-Ramsay-Film „You Were Never Really Here“, der in Deutschland jetzt „A Beautiful Day“ heißen wird. Und ab 01:12:00 machen wir noch einen kleinen Hofknicks vor der französischen Entdeckung „Ava“. Beides Filme, die auf dem famosen Around-the-World-in-14 Films-Festival in der Berliner Kulturbrauerei liefen.



Links: - Mehr Wollmilchcasts, - The Gaffer, - Das Film Feuilleton

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Dienstag, 5. Dezember 2017
Toldja: Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs“ eröffnet Berlinale 2018
© 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation
Wird auch Yoko Ono über den Roten Teppich der Berlinale 2018 laufen? Als Stimme in Wes Andersons neuem Film „Isle of Dogs“, der das Festival eröffnet, könnte das passieren.

Zum Auftakt der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin am 15. Februar 2018 wird Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs – Ataris Reise“ seine Weltpremiere im Berlinale Palast feiern. Und in alter Nikki-Finke-Manier sagt der Blog Negative Space: Toldja. Das haben wir schon lange kommen sehen.

Wes Anderson hat bisher drei Filme im Berlinale Wettbewerb präsentiert: „Die Royal Tenenbaums“ (2002), „Die Tiefseetaucher“ (2005) und „Grand Budapest Hotel“ (2014), der die 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnete und den Silbernen Bären Großer Preis der Jury gewann. „Ich freue mich sehr, dass Wes Anderson wieder den Berlinale-Wettbewerb eröffnet. Mit 'Isle of Dogs – Ataris Reise' wird erstmals ein Animationsfilm zum Auftakt des Festivals gezeigt – ein Film, der mit dem verzaubernden Wes-Anderson-Stil begeistert“, sagt Festivaldirektor Dieter Kosslick.
Starparade auf dem Roten Teppich
„Isle of Dogs – Ataris Reise“ erzählt die Geschichte von Atari Kobayashi, dem zwölfjährigen Pflegesohn des korrupten Bürgermeisters Kobayashi. Als durch einen Regierungserlass alle Hunde der Stadt Megasaki City auf eine riesige Mülldeponie verbannt werden, macht sich Atari allein in einem Miniatur-Junior-Turboprop auf den Weg und fliegt nach Trash Island auf der Suche nach seinem Bodyguard-Hund Spots. Dort freundet er sich mit einem Rudel Mischlingshunde an und bricht mit ihrer Hilfe zu einer epischen Reise auf, die das Schicksal und die Zukunft der ganzen Präfektur entscheiden wird.

Die Besetzung der Stimmen umfasst Bryan Cranston, Koyu Rankin, Edward Norton, Liev Schreiber, Bill Murray, Bob Balaban, Jeff Goldblum, Scarlett Johansson, Kunichi Nomura, Tilda Swinton, Ken Watanabe, Akira Ito, Greta Gerwig, Akira Takayama, Frances McDormand, F. Murray Abraham, Courtney B. Vance, Yojiro Noda, Fisher Stevens, Mari Natsuki, Nijiro Murakami, Yoko Ono, Harvey Keitel und Frank Wood. „Isle of Dogs – Ataris Reise“ startet in den USA am 23. März 2018 in den Kinos. Weltweit wird der Film ab April 2018 in die Kinos kommen.

Link: - Mehr Berlinale-News

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Der Klassiker unter den Best-of-Videos: David Ehrlichs Top-25-Liste

THE 25 BEST FILMS OF 2017: A VIDEO COUNTDOWN from David Ehrlich on Vimeo.

Immer ein audiovisueller Augenschmaus. Gefühlt wahnsinnig viel 90er-Trash auf der Songliste, mit dem man damals so aufgewachsen ist. Die Top-25-Liste des amerikanischen Filmkritikers David Ehrlich gehört seit längerem zu den festen Traditionen am Ende des Jahres. Wir warten weiterhin auf sein erstes eigenes Filmprojekt!

David Ehrlichs Top Ten 2017:

01. Call Me by Your Name
02. Dunkirk
03. A Ghost Story
04. Personal Shopper
05. The Florida Project
06. Columbus
07. Lady Bird
08. The Post
09. Faces Places
10. Phantom Thread

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Was New York und Los Angeles für die Oscars empfehlen

Die Doku „Faces Places“ von Agnes Varda

Wie die wichtigsten US-Kritiker von der Ost- und der Westküste abgestimmt haben:

Die beiden bedeutendsten Kritikerverbände der Vereinigten Staaten von Amerika haben über ihres Jahresfavoriten abgestimmt. Einen Frontrunner bestimmen sie nicht. Aber sie definieren einige Favoriten in ausgewählten Kategorien: Timothée Chalamet als bester Hauptdarsteller für „Call Me by Your Name“, Willem Dafoe als bester Nebendarsteller in „The Florida Project“, das französische Werk „120 BPM“ als bester fremdsprachiger Film und Agnes Vardas „Faces Places“ als bester Dokumentarfilm:

BEST PICTURE

N.Y.: Lady Bird
L.A.: Call Me by Your Name

BEST DIRECTOR

N.Y.: Sean Baker (The Florida Project)
L.A.: Guillermo del Toro (The Shape of Water) & Luca Guadagnino (Call Me by Your Name)

BEST SCREENPLAY

N.Y.: Paul Thomas Anderson (Phantom Thread)
L.A.: Jordan Peele (Get Out)

BEST ACTOR

N.Y.: Timothée Chalamet (Call Me by Your Name)
L.A.: Timothée Chalamet (Call Me by Your Name)

BEST ACTRESS

N.Y.: Saoirse Ronan (Lady Bird)
L.A.: Sally Hawkins (The Shape of Water)

BEST SUPPORTING ACTOR

N.Y.: Willem Dafoe (The Florida Project)
L.A.: Willem Dafoe (The Florida Project)

BEST SUPPORTING ACTRESS

N.Y.: Tiffany Haddish (Girls Trip)
L.A.: Laurie Metcalf (Lady Bird)

BEST FOREIGN LANGUAGE FILM

N.Y.: 120 BPM (Frankreich)
L.A.: 120 BPM (Frankreich) & Loveless (Russland)

BEST DOCUMENTARY

N.Y.: Faces Places (Agnes Varda)
L.A.: Faces Places (Agnes Varda)

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Samstag, 2. Dezember 2017
Streaming-Tipp: Das neue RBTV-Format „Film Fights“

„Film Fights“: Auf den Spuren von Screen Junkies | © Rocket Beans TV

Am Freitag lief der Pilot zur neuen Sendung „Film Fights“ auf Rocket Beans TV. Es war erstaunlich hitzig – und ziemlich unterhaltsam.

Was sich nach der ersten Ausgabe „Film Fights“ von Rocket Beans TV festhalten lässt: Es ist von einem amerikanischen Format der Screen Junkies entlehnt, aber das haben die Raketenbohnen mit offenen Karten gespielt; es ist extrem unterhaltsam und reizvoll; es ließen sich aber auch kritische Nachfragen stellen: Ist es auf Dauer nicht ein bisschen sehr subjektiv, wenn eine einzige Person darüber entscheidet, wer am besten argumentiert hat? Verschwindet bei diesem Konzept letztlich nicht die eigene Meinung im Hintergrund und geht es dann fast ausschließlich um das Debattiertalent?

Für eine Live-Show mit den vielen Unwegbarkeiten war das auf jeden Fall großes Tennis. Bei „Film Fights“ diskutieren drei Experten über Fragen nach der besten Eröffnungssquenz der Filmgeschichte, oder sie pitchen eine Drehbuchidee zum wichtigsten Weltereignis des Jahres. Vor allem die frischen Kräfte Stefan Titze und Sophie Passmann wussten dabei zu überzeugen. Aber auch die Stammkräfte Etienne Gardé, Florentin Will und Daniel Schröckert fügten sich gut in ihr Aufgabenfeld. Obendrauf gab es eine eher grenzwertige Diskussion zum Thema #metoo und Weinstein-Tornados.
„Film Fights“ jagte „heute-show“ bei Twitter
Es ist vor allem eine Show, bei der man irgendwie immer gerne etwas dazwischenrufen, widersprechen oder zustimmen will. Die angeregte Interaktivität von „Film Fights“ zahlte sich aus: Die Spartensendung schaffte es hinter die „heute-show“ in die Trending Topics bei Twitter. Der Pilotfolge wäre es zu wünschen, dass sie in Serie geht. An den Feinheiten des Konzepts könnte dann gearbeitet werden.

Als Nächstes schlage ich den Raketenbohnen eine Adaption von „Das literarische Quartett“ mit Filmen vor: Die Sendung kommt einmal im Monat; alle vier Diskutanten haben alle zu besprechenden Filme gesehen; jeder Diskutant darf dabei einen Film vorschlagen; ein Diskutant stellt neutral einen Film vor; dann schlagen sich die Teilnehmer verbal für eine Viertelstunde die Köpfe ein. Es gibt drei Stammkräfte und einen wechselnden Gast. Das kann bei Gelegenheit auch mal ein Regisseur oder Drehbuchschreiber sein. Warum dann nicht mal einen internationalen Star wie Edgar Wright einladen, wenn er gerade auf Promo-Tour ist.

Link: - Mehr RBTV-News

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Unterzeichner von Berlinale-Aufruf fühlen sich für Anti-Kosslick-Kampagne ausgenutzt

Regisseur Dominik Graf | © JCS, Wikipedia (CC BY-SA 3.0)
Der Blog Negative Space berichtete, dass 79 Regisseure eine Erklärung unterschrieben haben, welche die Nachrichtenseite Spiegel Online am 24. November veröffentlicht hat. Darin forderten die Filmemacher einen Erneuerungsprozess der Berlinale und eine transparente, internationale Ausschreibung für die Nachfolge des Festivalleiters Dieter Kosslick. Gefahren wurde die Veröffentlichung von Spiegel Online, aber auch von anderen Publikationen, vor allem als Abrechnung mit dem aktuellen Berlinale-Chef, der im Jahr 2019 aus seinem Amt ausscheidet.

Wie man aber am Donnerstag in der Wochenzeitung Die Zeit nachlesen konnte, war das zumindest von einigen Regisseuren, die unterzeichnet hatten, überhaupt nicht die Absicht. Einer der prominentesten Filmemacher unter den 79 Regisseuren, Dominik Graf („Die geliebte Schwestern“, „Die Katze“), stellte das jetzt klar: „Wenn ich gewusst hätte, dass unser Schreiben in das publizistische Fahrwasser einer Abrechnung mit Kosslick gezogen wird, hätte ich nie unterschrieben.“
„Es wird immer hintenrum draufgehauen“
Weiter führte Graf aus: „Genau das nervt mich an der deutschen Filmbranche: Dieses 'Kopf ab!'-Geschrei, dieser Mangel an direkter Auseinandersetzung, an Differenzierung – und stattdessen wird dann immer hintenrum draufgehauen. Wir wollten mit der Petition nach vorne blicken, ohne nach hinten zu treten.“ Diese Stoßrichtung unterstricht auch Regisseur Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“, „Halbe Treppe“): „Es ging uns weder um Abrechnung noch um Kritik noch um die Kampagne, die daraus gemacht wurde. Die ganze Debatte ist in höchstem Maße unfair.“

Montag, den 4. Dezember, findet im Haus der Kulturen der Welt in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Filmfestivals heute“ statt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters führt in die Debatte ein. Es diskutieren die Chefin des Medienboards Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, die als Nachfolgerin von Kosslick gehandelt wird; der Regisseur Christoph Hochhäusler, der Unterzeichner der Erklärung ist sowie die Kulturchefin des Tagesspiegel, Christiane Peitz.

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Mittwoch, 29. November 2017
Und so beginnt es ...

Vicky Krieps in „Phantom Thread“ | © Annapurna Pictures / Focus Features

Das National Board of Review startet den traditionellen Oscar-Reigen. Steven Spielberg mischt die bisherigen Favoriten auf.

Das Oscar-Rennen ist offiziell eröffnet. Der erste richtungsweisende Kritikerverband, das National Board of Review, hat seine Gewinner gekürt. Als bester Film wurde Steven Spielbergs Werk „The Post“ ausgezeichnet. Beste Regisseurin wurde Greta Gerwig mit ihrem Film „Lady Bird“. Auch die beiden Hauptdarstellerpreise gehen an Spielbergs Zeitungsfilm: Tom Hanks wird bester Schauspieler, Mery Streep beste Schauspielerin. Am wichtigsten ist aber immer die Liste der zehn besten Filme des Jahres:
Platz eins: THE POST

* BABY DRIVER
* CALL ME BY YOUR NAME
* THE DISASTER ARTIST
* DOWNSIZING
* DUNKIRK
* THE FLORIDA PROJECT
* GET OUT
* LADY BIRD
* LOGAN
* PHANTOM THREAD
In einem normalen Jahr würde ich die Liste des National Board of Review nicht mehr posten. Ich würde sie amüsiert zur Kenntnis nehmen. Zu dubios ist eigentlich die Zusammensetzung der Kritikervereinigung, zu weit habe ich mich von den Oscar Bloggern entfernt. Aber in diesem Jahr sind einfach sehr viele Filme im Rennen, denen ich die Daumen drücke.

Das gilt selbst für einen von mir noch nicht gesehenen Film wie Paul Thomas Andersons „Vertigo“-Variation „Phantom Thread“ mit Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps. Wie cool ist das denn? Da ist auf einmal die famose Luxemburgerin aus „Das Zimmermädchen Lynn“ und „Der junge Karl Marx“ in einem potenziellen Oscar-Film zu sehen. Übrigens feierte der tolle „Karl Marx“ in der angeblich so überflüssigen Berlinale-Special-Reihe seine Weltpremiere.
Spannender ist fast, wer nicht drauf steht
Steven Spielberg erhält einen größeren Push mit den diversen Preisen. Mich amüsiert zwar ein bisschen der Spruch „Der beste Spielberg seit ...“, weil ganz klar „Bridge of Spies“ sein bester Film seit den frühen 2000er-Jahren ist. Und das war quasi sein bis dato letztes Werk. Aber ansonsten bestätigt das National Board frühe Favoriten wie „Call Me by Your Name“, „Dunkirk“, „The Florida Project“, „Get Out“ und „Lady Bird“. So schön ich auch die Nennung von „Logan“ finde, der wird in diesem Umfeld zu vernachlässigen sein. Auch „Baby Driver“ und „The Disaster Artist“ wirken wie Zeichen der versuchten Jugend. „Downsizing“ ist auch eigentlich schon in Toronto verbrannt worden.

Überraschenderweise außen vor sind hier auf jeden Fall „Shape of Water“, „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, „Darkest Hour“ und „The Big Sick“. Die Liste zeigt letztlich eigentlich nur, wie offen das Oscar-Rennen zu diesem Zeitpunkt noch ist. Die Kritiker positionieren sich, die letzten Kandidaten werden gesichtet. Spannend wird sein, wie sich „The Post“ und „Phantom Thread“ auf mittelfristige Sicht unter den Favoriten einsortieren werden.

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