Montag, 11. Dezember 2017
Streaming-Tipp: Rüdiger Suchslands Doku „Hitlers Hollywood“

Hitler und Goebbels bei der UFA | Bundesarchiv, Bild 183-1990-1002-500 (CC-BY-SA 3.0)
Heute um 23.35 Uhr strahlt Arte Rüdiger Suchslands Doku „Hitlers Hollywood“ in die Nacht aus. Danach gibt es aber in der Mediathek eine Woche lang die Gelegenheit, den Film nicht zu verpassen. Ein Streaming-Tipp von Michael Müller

Der von mir einst verehrte, heute eher zwiespältig wahrgenommene deutsche Filmkritiker Rüdiger Suchsland hat den Dokumentarfilm „Hitlers Hollywood – Das deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945“ gedreht. Damit schaffte er es im September sogar auf das prestigeträchtige Telluride-Festival, wo ansonsten die Oscar-Filme der Saison ausgerufen werden. Das passt: Denn in den verschneiten Bergen von Colorado wurde in den 1970er-Jahren auch die Regisseurin Leni Riefenstahl wieder in den cineastischen Pantheon aufgenommen – übrigens vor allem durch New Hollywood-Regisseure. Da schließt sich also ein Kreis.

Vom 11. bis zum 18. Dezember 2017 ist Suchslands Doku in der Arte-Mediathek zu sehen (unten verlinkt). Am Montag ist er in den letzten Programmtag der 100-Jahre-Ufa-Retrospektive des deutsch-französischen Senders eingebunden: Erst läuft von Sternbergs „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich, dann Veit Harlans „Opfergang“ mit Kristina Söderbaum. Zum Abschluss zur Geisterstunde folgt Suchslands Werk.
Braucht es Schutzpatron Kracauer?
Ich hätte mir doch noch mehr die filmjournalistische Schule eines Eric Rentschlers („Ministry of Illusion“) gewünscht als den erhobenen Zeigefinger von Erwin Leiser („Deutschland, erwache!"). Braucht es denn immer noch den ewigen Film-Paten Siegfried Kracauer, der einem den intellektuellen Unterbau bereitet? Sind dessen Thesen nicht bereits beim Weimarer Kino widerlegt worden? Und wie kann man eine Doku über den Film des Dritten Reiches drehen, aber mit keinem einzigen Wort Werner Hochbaum erwähnen? Und wenn schon von einem der besten deutschen Regisseure aller Zeiten, nämlich Helmut Käutner, schwärmen, müsste die Doku nicht 200 anstatt 100 Minuten laufen? Fragen über Fragen.

„Hitlers Hollywood“ ist etwas wirr und sprunghaft, das Konzept erschließt sich mir nie so ganz. Irgendwann darf Susan „Fascinating Fasicm“ Sontag noch einen Satz in die Kamera sagen und Hannah Arendt wird irgendwo noch reingequetscht. Aber es ist eine wahre Freude, so viele digital restaurierte Ausschnitte in formidabler Bildqualität wiederzusehen. Suchsland Film richtet sich eher an Einsteiger denn an Filmhistoriker. Wenn Suchsland schwärmt, wagt er etwas. Dann sind seine Beobachtungen spannend. Ansonsten werden viele klassische Eckpunkte pflichtschuldig abgehakt (Der antisemitische Film, der Genie-Film, die Morgengaben 1933 usw.).

So machen die Schnappschüsse und angerissenen Regie-Biografien vor allem Lust auf mehr. Die Karl-May-Verfilmung „Durch die Wüste“ (1936), „Großstadtmelodie“ (1943) von Wolfgang Liebeneiner oder „Zwei in einer großen Stadt“ (1942) von Volker von Collande will ich jetzt nachholen. Es ist letztlich ein schlampig sortierter, wenn auch anregender Gemischtwarenladen. Wer richtig in die Tiefe gehen will, macht mit Eric Rentschler oder dem französischen Duo Francis Courtade und Pierre Cadars („Geschichte des Films im Dritten Reich“) weiter.

Arte-Stream | 100 Jahre Ufa

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