Donnerstag, 9. September 2010
Venedig-Ticker: 9. September
schwanenmeister, 02:07h
Schönes, beinahe allumfassendes Fazit von Susanne Ostwald (NZZ). Die spanische Ballade von der traurigen Trompete ist auch für sie ein Meisterwerk. Nach so vielen Lobpreisungen bleibt Regisseur Álex de la Iglesia beinahe keine andere Möglichkeit, als im Kino zu enttäuschen. Mal den Samstag abwarten, Tarantino unterwandert ja sehr gerne die Erwartungen. Letztes Jahr beschrieb er in Cannes zum Beispiel auch nicht Johnnie To eine Serviette, sondern Brillante Mendoza und Jane Campion.
Standard-Kritikerin Isabella Reicher hat mit "Vénus noire" und "The Ditch" zwei so monumentale Werke gesehen, dass sie dankbar für die Abwechslung durch mediokere Leichtgewichte wie Ben Afflecks "The Town" und Vincent Gallos "Promises Written in Water" ist. Mehr Buzz zu "Vénus noire" liefert Felicitas Kleiner im Filmdienst-Blog. Es ist vielleicht ein Zufall, dass die ersten drei geposteten Reaktionen von Frauen stammen. Auch Zufall, dass Abdellatif Kechiches Film als Aufhänger für Barbara Schweizerhof dient?
Ein Nachtrag zu den gutbrüllenden Löwen: Jan Schulz-Ojala hat den dicksten, glaubt er jedenfalls: "'Balada triste' dürfte kein Favorit auf den Goldenen Löwen sein, denn der Jury-Vorsitzende heißt Quentin Tarantino." Schachmatt! Schulz-Ojala tippt beim Hauptpreis auf "Vénus noire", sehr gut begründet, wie ich finde: "Abdellatif Kechiche geht es ganz offenkundig um das Bewusstsein für eine historische Schuld, aber er inszeniert das überlieferte Geschehen so brillant nahe an gefühlter Authentizität, dass durch das bloße Zuschauen eine neue Schuld zu entstehen scheint." Die Schuldthematik ist nämlich das Thema, was seit Jahren in Tarantino schlummerte, in "Inglourious Basterds" vor allem auch im Bezug auf die Rassenproblematik in den USA zum Ausdruck kommen sollte, dann aber nur unterirdisch durchschimmerte und auf seinen Southern verschoben wurde. Dann wiederum besteht die Wettbewerbsjury aus sieben unabhängigen Köpfen, beispielsweise dem mexikanischen Drehbuchstar Guillermo Arriaga, dem umfeierten Regie-Franzosen Arnaud Desplechin oder etwa Score-Barde Danny Elfman, um nur mal die bekanntesten Namen zu nennen.
Zu schön, um wahr zu sein, wenn Takashi Miike endlich wieder mal einen großen Wurf raushauen würde. Guy Lodge gibt, knapp an der Höchstwertung vorbei, dreieinhalb Sterne und schreibt weiter: "13 Assassins" is one of the most unexpected joys of the Competition lineup: a straight-up, even classical, samurai spectacular that trades in bone-dry humor without placing itself entirely in genre-film quote marks." Dafür hasste Lodge "A Sad Trumpet Ballad" und mochte "Attenberg".
Diesmal ohne Kollegenschelte, aber wieder mit Jurypräsidenten-Tipp zelebriert Rüdiger Suchsland in seiner wohl vorletzten Kolumne die durchgekauten Highlights der letzten Tage: "Potiche", "Detective Dee" und "Meek's Cutoff". Wobei vorletzte Kolumne übertrieben ist, denn Suchsland mixt für Artechock gerade noch mal alle Filmgazette-Artikel neu zusammen. Und wo ist eigentlich Derek Elley geblieben? Film Asia Business hat das Kritikenschreiben vor Tagen eingestellt.
Und bei Michael Althens wahrscheinlich letztem FAZ-Artikel vom Lido gehen einem die Augen über vor lauter beglückendem Lob, das die Hymnen der Kollegen weiter bestätigt. Die Dreifaltigkeit des Glückes heißt bei Althen "Attenberg", "A Sad Trumpet Ballad" und "Vénus noire". Fehlt nur noch der Home Run für Tom Tykwer am Freitag!
Standard-Kritikerin Isabella Reicher hat mit "Vénus noire" und "The Ditch" zwei so monumentale Werke gesehen, dass sie dankbar für die Abwechslung durch mediokere Leichtgewichte wie Ben Afflecks "The Town" und Vincent Gallos "Promises Written in Water" ist. Mehr Buzz zu "Vénus noire" liefert Felicitas Kleiner im Filmdienst-Blog. Es ist vielleicht ein Zufall, dass die ersten drei geposteten Reaktionen von Frauen stammen. Auch Zufall, dass Abdellatif Kechiches Film als Aufhänger für Barbara Schweizerhof dient?
Ein Nachtrag zu den gutbrüllenden Löwen: Jan Schulz-Ojala hat den dicksten, glaubt er jedenfalls: "'Balada triste' dürfte kein Favorit auf den Goldenen Löwen sein, denn der Jury-Vorsitzende heißt Quentin Tarantino." Schachmatt! Schulz-Ojala tippt beim Hauptpreis auf "Vénus noire", sehr gut begründet, wie ich finde: "Abdellatif Kechiche geht es ganz offenkundig um das Bewusstsein für eine historische Schuld, aber er inszeniert das überlieferte Geschehen so brillant nahe an gefühlter Authentizität, dass durch das bloße Zuschauen eine neue Schuld zu entstehen scheint." Die Schuldthematik ist nämlich das Thema, was seit Jahren in Tarantino schlummerte, in "Inglourious Basterds" vor allem auch im Bezug auf die Rassenproblematik in den USA zum Ausdruck kommen sollte, dann aber nur unterirdisch durchschimmerte und auf seinen Southern verschoben wurde. Dann wiederum besteht die Wettbewerbsjury aus sieben unabhängigen Köpfen, beispielsweise dem mexikanischen Drehbuchstar Guillermo Arriaga, dem umfeierten Regie-Franzosen Arnaud Desplechin oder etwa Score-Barde Danny Elfman, um nur mal die bekanntesten Namen zu nennen.
Zu schön, um wahr zu sein, wenn Takashi Miike endlich wieder mal einen großen Wurf raushauen würde. Guy Lodge gibt, knapp an der Höchstwertung vorbei, dreieinhalb Sterne und schreibt weiter: "13 Assassins" is one of the most unexpected joys of the Competition lineup: a straight-up, even classical, samurai spectacular that trades in bone-dry humor without placing itself entirely in genre-film quote marks." Dafür hasste Lodge "A Sad Trumpet Ballad" und mochte "Attenberg".
Diesmal ohne Kollegenschelte, aber wieder mit Jurypräsidenten-Tipp zelebriert Rüdiger Suchsland in seiner wohl vorletzten Kolumne die durchgekauten Highlights der letzten Tage: "Potiche", "Detective Dee" und "Meek's Cutoff". Wobei vorletzte Kolumne übertrieben ist, denn Suchsland mixt für Artechock gerade noch mal alle Filmgazette-Artikel neu zusammen. Und wo ist eigentlich Derek Elley geblieben? Film Asia Business hat das Kritikenschreiben vor Tagen eingestellt.
Und bei Michael Althens wahrscheinlich letztem FAZ-Artikel vom Lido gehen einem die Augen über vor lauter beglückendem Lob, das die Hymnen der Kollegen weiter bestätigt. Die Dreifaltigkeit des Glückes heißt bei Althen "Attenberg", "A Sad Trumpet Ballad" und "Vénus noire". Fehlt nur noch der Home Run für Tom Tykwer am Freitag!
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Mittwoch, 8. September 2010
Venedig-Ticker: 8. September
schwanenmeister, 01:07h
Ja, man sollte eigentlich immer einen Festival-Ticker mit den neuesten Gedanken von Rüdiger Suchsland beginnen, wenn sie denn verfügbar und frisch sind. Dieses Mal holt er sich die Tapferkeitsmedaille für seine Verteidigung eines Zirkusfilms ab. "A Sad Trumpet Ballad" ist der neue Film von Alex de la Iglesia und Suchsland sein neuester Fan: "Iglesia ist hier etwas wirklich Neues und Anderes geglückt, ein Film, wie ein Alptraum, ein katholischer Exorzismus, der sich am Teufel Franco abarbeitet und an seinen Spuren in Spaniens Gesellschaft bis heute."
Damon Wise hat inzwischen seiner Euphorie Ausdruck verliehen. Der italienische Crime-Thriller "Vallanzasca" war sein Heureka-Moment in Venedig: "This rock'n'roll outlaw thriller really hits the spot."
Die höchsten Weihen für Marco Müllers Festivalprogramm, die auch meinen Eindruck widerspiegeln: Lakonisch lobt der Sight & Sound-Herausgeber Nick James: "This is a staggeringly good festival this year, probably the best here I've attended. At halfway through, Venice has consistently entertained, surprised and stimulated with a confident selection that wafts breezily across moods, modes and genres, being neither careless nor preachy." Seine Highlights waren "Post mortem", "Potiche", "Meek's Cutoff", "Attenberg" und "Sorelle mai". Seine absoluten Lieblinge waren aber "Reign of Assassins" und "Detective Dee". Ich ahnte, dass Venedig das bessere Cannes würde. In your face, Deadline Hollywood!
Das erste Corbucci-Fitzelchen bei Daniel Kothenschulte: "Auch den Vergleich mit Amerikanern wie Sam Peckinpah brauche der Meister nicht zu scheuen: 'Wo sonst gibt es denn in einem Western 38 Tote?', lobte Tarantino Corbuccis 'Minnesota Clay'. 'Und ich spreche nur von der ersten Hälfte!'" Weniger pointiert, dafür umso schöner und wahrer Tarantino weiter: "Die Gewalt ging bei Corbucci auf in einer Mischung aus italienischer Oper und Douglas-Sirk-Melodram." Und auch in Jay Hobermans überraschendem Zwischenfazit gibt es ein klein bisschen Sergio Corbucci: "Tarantino told me that he planned to hold forth on Corbucci at a special panel. With my own jury work completed, I regret that I won't be in Venice to hear him, but I'll be watching for his performance on YouTube."
Und noch etwas zu Dani Kothenschulte: Der Videobeweis, dass seine Spencer & Hill-Spekulation ins Leere lief, weil keiner ihrer Filme in der Komödien-Retrospektive gezeigt wurde. Das andere große Traumduo, Barbara Bouchet & Lino Banfi, traf Tarantino dagegen sehr wohl.
Apropos YouTube, die Qualität der Videotagebücher vom emsigen Filmstarts-Chef Björn Becher wird einfach nicht besser. Aber wer es schafft, innerhalb weniger Minuten fünf Mal den Namen Tarantino auszusprechen, der packt es auch wieder in den Venedig-Ticker. Außerdem sah sich Becher Sergio Corbuccis "Minnesota Clay" in der Mitternachtsvorstellung an, was ja beinahe eine Nachricht wert ist. Peter Claus nennt dagegen den Namen des Jurypräsidenten nur einmal im Gespräch mit D-Radio Kultur, zählt inzwischen aber dafür den anfangs von ihm gescholtenen Tsui Hark-Film "Detective Dee" zu den Highlights des Wettbewerbs. Auch lobend erwähnt werden "The Ditch", "Promises Written in Water", "A Sad Trumpet Ballad", "Post mortem" und "Potiche". Der Provokateur Vincent Gallo hat somit den ersten offiziellen Fan hier gefunden. Und zum Abschluss wird Jimmy Hughes mit 'I'm So Glad' gespielt.
Peter Bradshaw (Guardian) und Anne Thompson (indieWIRE) sind weg, David Jenkins (Time Out London) reist heute ab, nicht ohne noch mal zusammenzufassen. Seine Top-3: 1. "Surviving Life" 2. "Meek's Cutoff" 3. "Black Swan". Runners Up: "Norwegian Wood", "Potiche", "Silent Souls" und - Gesellschaft für Peter Claus - "Promises Written in Water". Tobias Kniebe scharrt bestimmt auch schon mit den Hufen!
Ein Hauch Recherche: Die Zusammenstellung des Sergio Corbucci-Panels ließ mir keine Ruhe. Des Rätsels Lösung ist: Ganz regulär fanden vor drei Jahren in Venedig zwei von Peter Cowie moderierte Panels statt. 'Eastern Western: The Impact of the Spaghetti Western in Asia and America' hieß der Panel, zu dem unter anderem Richard Corliss, Marco Giusti und Jay Hoberman geladen waren. Und im Panel 'The Impact of the Mostra on the Circulation of Quality Films' saßen Michel Ciment und Derek Malcom. Es wird eine relativ spontane Aktion gewesen sein, dass Tarantino sagte, er würde gerne etwas über Sergio Corbucci machen. Dafür spricht auch die fehlende Ankündigung im Vorfeld. Der wohlsituierte Elvis Mitchell war offenbar als Entourage mit dem Jurypräsidenten gereist. Und Zacharek bloggte so vor sich hin.
Jeder Wettbewerbstag bringt einen neuen Favoriten, so hat man das Gefühl. Stephanie Zacharek, die morgen nach Toronto aufbricht, hat spät den einen Film gefunden, den sie nicht mehr abschütteln kann: "Venus Noire". Und sie legt ihren Lesern einige Sergio Corbucci-Filme ans Herz, besonders "Leichen pflastern seinen Weg", wobei dieser bezeichnenderweise nur als Region 2 disc zu haben wäre.
Gut gebrüllt, Löwe!Die Spekulationen um potentielle Löwengewinner nehmen zu und der Wettkampf darum, wer glaubt, den Geschmack Tarantinos am besten einschätzen zu können. "Filmischer Expressionismus, und das wird Tarantino mögen, darum kann man wetten, dass dieser starke, konsequente Film aus einem Guss einen Preis bekommt, warum nicht sogar den Goldenen Löwen?", schreibt Suchsland über "A Sad Trumpet Ballad". Nichts da, denkt sich Michael Althen: "Tarantino müsste eigentlich gefallen, was Francois Ozon in 'Potiche' macht. Denn der Franzose lässt mit derselben Liebe und Hingabe die Komödie der siebziger Jahre auferstehen, wie das Tarantino in 'Death Proof' mit den amerikanischen Billigfilmen jenes Jahrzehnts getan hat." Auf keinen Fall, Suchsland hat Recht, erwidert Peter Zander: "De la Iglesias brennt ein Sperrfeuer an bildgewaltigen Fantasien ab und bedient sich schamlos an Monster- und Splatterfilmen. Eine einzige große Befreiungsorgie, den 'Inglourious Basterds' nicht unähnlich, was Tarantino entzücken dürfte." Und Peter Claus will wissen: "Am Lido macht das Gerücht die Runde, Jury-Vorsitzender Quentin Tarantino habe geradezu euphorisch reagiert. Der Goldene Löwe? Wir werden es am Samstag sehen."
Damon Wise hat inzwischen seiner Euphorie Ausdruck verliehen. Der italienische Crime-Thriller "Vallanzasca" war sein Heureka-Moment in Venedig: "This rock'n'roll outlaw thriller really hits the spot."
Die höchsten Weihen für Marco Müllers Festivalprogramm, die auch meinen Eindruck widerspiegeln: Lakonisch lobt der Sight & Sound-Herausgeber Nick James: "This is a staggeringly good festival this year, probably the best here I've attended. At halfway through, Venice has consistently entertained, surprised and stimulated with a confident selection that wafts breezily across moods, modes and genres, being neither careless nor preachy." Seine Highlights waren "Post mortem", "Potiche", "Meek's Cutoff", "Attenberg" und "Sorelle mai". Seine absoluten Lieblinge waren aber "Reign of Assassins" und "Detective Dee". Ich ahnte, dass Venedig das bessere Cannes würde. In your face, Deadline Hollywood!
Das erste Corbucci-Fitzelchen bei Daniel Kothenschulte: "Auch den Vergleich mit Amerikanern wie Sam Peckinpah brauche der Meister nicht zu scheuen: 'Wo sonst gibt es denn in einem Western 38 Tote?', lobte Tarantino Corbuccis 'Minnesota Clay'. 'Und ich spreche nur von der ersten Hälfte!'" Weniger pointiert, dafür umso schöner und wahrer Tarantino weiter: "Die Gewalt ging bei Corbucci auf in einer Mischung aus italienischer Oper und Douglas-Sirk-Melodram." Und auch in Jay Hobermans überraschendem Zwischenfazit gibt es ein klein bisschen Sergio Corbucci: "Tarantino told me that he planned to hold forth on Corbucci at a special panel. With my own jury work completed, I regret that I won't be in Venice to hear him, but I'll be watching for his performance on YouTube."
Und noch etwas zu Dani Kothenschulte: Der Videobeweis, dass seine Spencer & Hill-Spekulation ins Leere lief, weil keiner ihrer Filme in der Komödien-Retrospektive gezeigt wurde. Das andere große Traumduo, Barbara Bouchet & Lino Banfi, traf Tarantino dagegen sehr wohl.
Apropos YouTube, die Qualität der Videotagebücher vom emsigen Filmstarts-Chef Björn Becher wird einfach nicht besser. Aber wer es schafft, innerhalb weniger Minuten fünf Mal den Namen Tarantino auszusprechen, der packt es auch wieder in den Venedig-Ticker. Außerdem sah sich Becher Sergio Corbuccis "Minnesota Clay" in der Mitternachtsvorstellung an, was ja beinahe eine Nachricht wert ist. Peter Claus nennt dagegen den Namen des Jurypräsidenten nur einmal im Gespräch mit D-Radio Kultur, zählt inzwischen aber dafür den anfangs von ihm gescholtenen Tsui Hark-Film "Detective Dee" zu den Highlights des Wettbewerbs. Auch lobend erwähnt werden "The Ditch", "Promises Written in Water", "A Sad Trumpet Ballad", "Post mortem" und "Potiche". Der Provokateur Vincent Gallo hat somit den ersten offiziellen Fan hier gefunden. Und zum Abschluss wird Jimmy Hughes mit 'I'm So Glad' gespielt.
Peter Bradshaw (Guardian) und Anne Thompson (indieWIRE) sind weg, David Jenkins (Time Out London) reist heute ab, nicht ohne noch mal zusammenzufassen. Seine Top-3: 1. "Surviving Life" 2. "Meek's Cutoff" 3. "Black Swan". Runners Up: "Norwegian Wood", "Potiche", "Silent Souls" und - Gesellschaft für Peter Claus - "Promises Written in Water". Tobias Kniebe scharrt bestimmt auch schon mit den Hufen!
Ein Hauch Recherche: Die Zusammenstellung des Sergio Corbucci-Panels ließ mir keine Ruhe. Des Rätsels Lösung ist: Ganz regulär fanden vor drei Jahren in Venedig zwei von Peter Cowie moderierte Panels statt. 'Eastern Western: The Impact of the Spaghetti Western in Asia and America' hieß der Panel, zu dem unter anderem Richard Corliss, Marco Giusti und Jay Hoberman geladen waren. Und im Panel 'The Impact of the Mostra on the Circulation of Quality Films' saßen Michel Ciment und Derek Malcom. Es wird eine relativ spontane Aktion gewesen sein, dass Tarantino sagte, er würde gerne etwas über Sergio Corbucci machen. Dafür spricht auch die fehlende Ankündigung im Vorfeld. Der wohlsituierte Elvis Mitchell war offenbar als Entourage mit dem Jurypräsidenten gereist. Und Zacharek bloggte so vor sich hin.
Jeder Wettbewerbstag bringt einen neuen Favoriten, so hat man das Gefühl. Stephanie Zacharek, die morgen nach Toronto aufbricht, hat spät den einen Film gefunden, den sie nicht mehr abschütteln kann: "Venus Noire". Und sie legt ihren Lesern einige Sergio Corbucci-Filme ans Herz, besonders "Leichen pflastern seinen Weg", wobei dieser bezeichnenderweise nur als Region 2 disc zu haben wäre.
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Dienstag, 7. September 2010
Venedig-Ticker: 7. September
schwanenmeister, 00:30h
Merke: Um 15.30 Uhr soll der Sergio Corbucci-Panel losgehen. Der Countdown für den gar nicht so sonderlich gewagten filmhistorischen Eingriff läuft. Bin gespannt, wie sehr das Ganze in den kommenden Monaten ausstrahlen wird.
Mein Liebling unter den absoluten Klassikern der deutschen Filmkritik, Michael Althen, taut auf und gerät ins Schwärmen. So ist die FAZ geschmückt von dem inzwischen berüchtigten Bild der Deneuve im rot-gelben Trainingsanzug. Dazu Althens Lob für "Potiche", "Post mortem", "Meek's Cutoff" und "Detective Dee". Vom Tsui Hark-Film schwärmt er in den höchsten Tönen, nämlich, dass das einer der tollsten Abenteuerfilme seit "Indiana Jones" sei.
James Mottram hat die eigenartige Joaquin Phoenix-Mockumentary "I'm Still Here" gesehen. Der bärtige Mumblecore-Auftritt bei David Letterman yadayadayada, wir erinnern uns alle. Jedenfalls schreibt Mottram dann etwas sehr Interessantes über eben jenen Casey Affleck-Film: "Funny, tragic, moving and just jaw-dropping at times, it’s arguably one of the films of the festival so far. Indeed, even if Phoenix’s career is over, Affleck’s has only just begun." Die immer noch daseiende Anne Thompson hat die Hintergründe. Im Biennale-Channel von YouTube kann man doch einige Interviewschnipsel der Pressekonferenz absahnen.
Nicht ganz uninteressant für die Goldene Löwen-Vergabe am Samstag: Jan Schulz-Ojala berichtet vom Überraschungsfilm, dem chinesischen "The Ditch", der von einem kommunistischen Umerziehungslager an der Grenze zur Mongolei handelt. "Man muss sich das etwa so vorstellen, als hätte ein Deutscher nach fünfzig Jahren den ersten Film über Auschwitz gedreht – und die ideologischen Nachfahren Hitlers wären noch immer am Ruder", schreibt der Tagesspiegel-Kritiker und findet, dass nach dieser gewaltigen Detonation von einem Film alle anderen Wettbewerbsbeiträge nur verlieren können. Wirklich toller Text. Der Originaltitel lautet "Le fossé", der Regisseur heißt Wang Bing, den Weltvertrieb hält die französische Firma Wild Bunch.
Kritiker-Enfant terrible Rüdiger Suchsland lästert, wie es nun mal seine Art ist, wieder ausgiebig und anhaltend über seine Kollegen. Ich lese dieses regelmäßige Waschen der schmutzigen Wäsche in der Öffentlichkeit dann immer mit wohlwollendem Abscheu und angeekelter Faszination. Und ein weiteres Geständnis: Wer wissen will, woran amerikanische Highbrow-Kritiker von der Ostküste wirklich denken, wenn sie osteuropäische Filme auf Festivals anschauen, der lese Stephanie Zacharek. Stichwort The Shmenges!
Björn Becher twittert, Tsui Harks Abenteuerspektakel "Detective Dee" (7,6 Pkt.) würde überraschend den internationalen Pressespiegel (wahrscheinlich Screen Daily) anführen. Es folgen "La passione" und "Post mortem" (jeweils 7,5 Pkt.) vor "The Ditch" (7,4 Pkt.). Sein Favorit "Meek's Cutoff" würde mit einem Punkteschnitt von 6,0 abgeschlagen zurückliegen.
Gekauft: Der "Attenberg"-Trailer ist bei Twitch Film online gegangen. "Dogtooth" ist immer noch mein Lieblingsfilm des Jahres. "Attenberg" sieht auch sehr stark aus. David Jenkins twittert: "Another dark, Greek missive from the DOGTOOTH kennel. Less conceptually surefooted, but still eccentric fun." Wirtschaftskrisen sind eben sehr gut für die Filmkultur.
Fundstücke: Bin durch den italienischen Blog ZorroBiennale auf eine Filmreihe des Senders Rai Movie aufmerksam geworden, die sich schlicht "Visioni Tarantiniane" nennt. Darin programmiert der Jurypräsident Tarantino pro Festivaltag ein einheimisches Midnight Movie. Die Liste ist von erlesenem Geschmack:
Trommelwirbel: Es gibt die allererste Höchstwertung des Time Out London-Filmkritikers David Jenkins, und sie geht an einen echten Dino des Kunstkinos, nämlich Jan Svankmajers "Surviving Life": Fünf Sterne & "That rare beast: a movie about dreams that's surreal, perspicacious and dramatically involving all at once."
Mein Liebling unter den absoluten Klassikern der deutschen Filmkritik, Michael Althen, taut auf und gerät ins Schwärmen. So ist die FAZ geschmückt von dem inzwischen berüchtigten Bild der Deneuve im rot-gelben Trainingsanzug. Dazu Althens Lob für "Potiche", "Post mortem", "Meek's Cutoff" und "Detective Dee". Vom Tsui Hark-Film schwärmt er in den höchsten Tönen, nämlich, dass das einer der tollsten Abenteuerfilme seit "Indiana Jones" sei.
James Mottram hat die eigenartige Joaquin Phoenix-Mockumentary "I'm Still Here" gesehen. Der bärtige Mumblecore-Auftritt bei David Letterman yadayadayada, wir erinnern uns alle. Jedenfalls schreibt Mottram dann etwas sehr Interessantes über eben jenen Casey Affleck-Film: "Funny, tragic, moving and just jaw-dropping at times, it’s arguably one of the films of the festival so far. Indeed, even if Phoenix’s career is over, Affleck’s has only just begun." Die immer noch daseiende Anne Thompson hat die Hintergründe. Im Biennale-Channel von YouTube kann man doch einige Interviewschnipsel der Pressekonferenz absahnen.
Nicht ganz uninteressant für die Goldene Löwen-Vergabe am Samstag: Jan Schulz-Ojala berichtet vom Überraschungsfilm, dem chinesischen "The Ditch", der von einem kommunistischen Umerziehungslager an der Grenze zur Mongolei handelt. "Man muss sich das etwa so vorstellen, als hätte ein Deutscher nach fünfzig Jahren den ersten Film über Auschwitz gedreht – und die ideologischen Nachfahren Hitlers wären noch immer am Ruder", schreibt der Tagesspiegel-Kritiker und findet, dass nach dieser gewaltigen Detonation von einem Film alle anderen Wettbewerbsbeiträge nur verlieren können. Wirklich toller Text. Der Originaltitel lautet "Le fossé", der Regisseur heißt Wang Bing, den Weltvertrieb hält die französische Firma Wild Bunch.
Kritiker-Enfant terrible Rüdiger Suchsland lästert, wie es nun mal seine Art ist, wieder ausgiebig und anhaltend über seine Kollegen. Ich lese dieses regelmäßige Waschen der schmutzigen Wäsche in der Öffentlichkeit dann immer mit wohlwollendem Abscheu und angeekelter Faszination. Und ein weiteres Geständnis: Wer wissen will, woran amerikanische Highbrow-Kritiker von der Ostküste wirklich denken, wenn sie osteuropäische Filme auf Festivals anschauen, der lese Stephanie Zacharek. Stichwort The Shmenges!
Björn Becher twittert, Tsui Harks Abenteuerspektakel "Detective Dee" (7,6 Pkt.) würde überraschend den internationalen Pressespiegel (wahrscheinlich Screen Daily) anführen. Es folgen "La passione" und "Post mortem" (jeweils 7,5 Pkt.) vor "The Ditch" (7,4 Pkt.). Sein Favorit "Meek's Cutoff" würde mit einem Punkteschnitt von 6,0 abgeschlagen zurückliegen.
Gekauft: Der "Attenberg"-Trailer ist bei Twitch Film online gegangen. "Dogtooth" ist immer noch mein Lieblingsfilm des Jahres. "Attenberg" sieht auch sehr stark aus. David Jenkins twittert: "Another dark, Greek missive from the DOGTOOTH kennel. Less conceptually surefooted, but still eccentric fun." Wirtschaftskrisen sind eben sehr gut für die Filmkultur.
Fundstücke: Bin durch den italienischen Blog ZorroBiennale auf eine Filmreihe des Senders Rai Movie aufmerksam geworden, die sich schlicht "Visioni Tarantiniane" nennt. Darin programmiert der Jurypräsident Tarantino pro Festivaltag ein einheimisches Midnight Movie. Die Liste ist von erlesenem Geschmack:
TEPEPASpaghetti Western, Polizeifilme, Gialli und sogar ein Macaroni Combat Movie. "Tepepa" und "Das Geheimnis des gelben Grabes" kenne ich noch nicht, hatte ich aber zugegebenermaßen schon länger auf dem Zettel. Somit ist das ein freundlicher Anstoß, auch diese endlich einmal aufzuholen.
MILANO KALIBER 9
DIE FARBEN DER NACHT
DREI VATERUNSER FÜR VIER HALUNKEN
SUSPIRIA
DIE ZUM TEUFEL GEHEN
DJANGO
DER KILLER VON WIEN
DER BERSERKER
MINNESOTA CLAY
DAS GEHEIMNIS DES GELBEN GRABES
Trommelwirbel: Es gibt die allererste Höchstwertung des Time Out London-Filmkritikers David Jenkins, und sie geht an einen echten Dino des Kunstkinos, nämlich Jan Svankmajers "Surviving Life": Fünf Sterne & "That rare beast: a movie about dreams that's surreal, perspicacious and dramatically involving all at once."
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Montag, 6. September 2010
Venedig-Ticker: 6. September
schwanenmeister, 01:25h
Feuilleton-Vergleich: Wenn indieWIRE's Anne Thompson sehr bald nach Toronto entschwebt ist, bleiben von den US-Kritikern nur noch der Hollywood Reporter Kirk Honeycutt und Variety's Justin Chang übrig. Aus Großbritannien habe ich dagegen allein acht regelmäßige Quellen. Aber uneinholbar vorne liegt nicht überraschend der Zusammenschluss der deutschen Journaille mit zwanzig verschiedenen Publikationen.
Zu viele Empfehlungen: Wenn man nach den Filmkritikern geht, und momentan bleibt einem dazu keine Alternative, dann hätte man nach vier Tagen Venedig einen so dicken Batzen Beute gemacht, dass man bereits wieder abreisen könnte. "Black Swan", "Norwegian Wood", "Somewhere", "Reign of Assassins", "Meek's Cutoff", "Essential Killing", "Potiche" - und das war ausschließlich der offizielle Wettbewerb.
Nett und zuvorkommend, wenn Regisseurin Kelly Reichardt gleich selbst die Parallelen zwischen ihrem Genrefilm und der politischen Wirklichkeit zieht: "Just following a leader who doesn't know what he's doing, who's maybe ignorant or stupid, that can happen at any time." Das Filmprojekt "Meek's Cutoff" startete ungefähr zur selben Zeit, als die Irakkriegfotos von US-Soldaten, die auf Häftlingen thronen, die Runde machten.
"A very sensual, sexy movie that virtually gorges on its own erotic melancholy. I'm not being entirely facetious when I say that there is intense 'emo' quality to the film – almost a 'Twilight' for the arthouse set – but it is beautifully made, well acted and offers a swoon of pleasure", schreibt Peter Bradshaw über "Norwegian Wood". Von "Black Swan" ist er wiederum nicht ganz überzeugt, vergleicht ihn aber mit den Polanski-Filmen "Ekel" und "Rosemary's Baby". "Machete" fand er so leidenschaftslos, wie er "Miral" enttäuschend fand. Dafür mochte er die italienische Out-of-Competion-Komödie "Gorbaciof" und den russischen Film "Silent Souls" von Aleksei Fedorchenko. Zum Abschluss gibt es noch seine Gedanken zu Francois Ozons "Potiche": "A little over-extended, perhaps, and weighed down a little by theatrical origins, but a tremendously elegant piece of fun."
Zum zwanzigsten Todestag widmet das Venedig-Festival einem der besten Italowestern-Regisseure der 1960er-Jahre, Sergio Corbucci, am Dienstag, den 07.10., eine Podiumsdiskussion unter der Leitung des britischen Filmhistorikers Peter Cowie. Gemeinsam unter anderem mit dem französischen Kritikergott Michel Ciment, Time Magazine-Kritiker Richard Corliss und The Treatment-Moderator Elvis Mitchell wird wohl auch über die beiden Screenings der Corbucci-Western "Minnesota Clay" und "Die Grausamen" diskutiert werden. Das riecht stark nach Tarantino: Hatte Quentin doch erst diesen Februar verlauten lassen, dass er an einer Corbucci-Monografie arbeiten würde. Und wer Tarantinos Italowestern-Lieblinge kennt, wird nicht nur vermuten, dass der Jurypräsident am Panel teilnehmen wird, sondern auch der heimliche Initiator war.
"Sergio Corbucci is not only one of the greatest directors of Macaroni Westerns, he’s one of the greatest directors of Westerns period and I look forward to giving him his due in Venice this year", sagt Venedig-Jurypräsident Quentin Tarantino.
Dass Quentin Tarantino ein besonderes Verhältnis zu Richard Corliss, der als einer der letzten Mohikaner für das Time Magazine aus Venedig berichtet, gehabt hätte, wäre mir neu. Und auch Panel-Leiter Peter Cowie fiel mir eher durch sein kleines, exzellentes Berlinale-Buch im Bertz & Fischer-Verlag auf, als dass er Quentin den Hof gemacht hätte. Ansonsten sind die Herren aber gezeichnet: Der italienische Journalist Marco Giusti etwa, der 2004 gemeinsam mit Tarantino die Retrospektive 'Kings of the B’s' vorbereitete und kuratierte. Michel Ciment, der Herausgeber der Kultpostille Positif, führte in Cannes eines der ersten elementaren Interviews mit dem blutjungen "Reservoir Dogs"-Regisseur. Und der gestrenge Ex-New York Times-Kritiker Elvis Mitchell war anfangs vehementer Gegner Tarantinos, ist jetzt aber zum Beispiel auf dem Zusatzmaterial der "Inglourious Basterds"-Blu-ray zu finden, wo er von Produktionen des Dritten Reichs erzählt.
Stephanie Zacharek (Movieline), eine weitere Sergio Corbucci-Panel-Teilnehmerin, hat Tsui Harks "Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame" besprochen. "What’s not to love about a title like that?", meint sie und hat Recht. Peter Claus (Getidan) kann ihr dafür erzählen, was sonst nicht stimmte: "Der Film hat keine Seele, keinen Witz, keinen Charme. Er ist überflüssig. Eine reine Darbietung von Production Values." Blickpunkt: Film weiß, dass der DVD-Anbieter Koch Media die deutschen Rechte hält. Bei uns gibt's also die wilden Kung Fu-Hirsche nur Direct-to-DVD.
Viel Liebe für die Rückkehr des italienischen Polizeifilms in Gestalt von Moritz Bleibtreu in "Vallanzasca": "Great Italian crime drama", meint Damon Wise.
Zwischenbilanzen: Anke Leweke im D-Radio Kultur. Wir lernen: China ist das neue Hollywood. Aha. Soso. Und Festivalchef Marco Müller spricht tunesisch. Ja, doch, interessant. Unterdessen verabschiedet sich Peter Bradshaw von der Mostra, nicht ohne an seinen Kollegen Xan Brooks zu übergeben und abschließend zwei Filme gesondert hervorzuheben: "Meek's Cutoff" und "Post mortem". Den chilenischen Film von Pablo Larrain empfand auch David Gritten als Highlight, das übrigens wie schon der Goldene Palme-Gewinner "Uncle Boonmee" vom World Cinema Fund der Berlinale gefördert wurde.
Zu viele Empfehlungen: Wenn man nach den Filmkritikern geht, und momentan bleibt einem dazu keine Alternative, dann hätte man nach vier Tagen Venedig einen so dicken Batzen Beute gemacht, dass man bereits wieder abreisen könnte. "Black Swan", "Norwegian Wood", "Somewhere", "Reign of Assassins", "Meek's Cutoff", "Essential Killing", "Potiche" - und das war ausschließlich der offizielle Wettbewerb.
Nett und zuvorkommend, wenn Regisseurin Kelly Reichardt gleich selbst die Parallelen zwischen ihrem Genrefilm und der politischen Wirklichkeit zieht: "Just following a leader who doesn't know what he's doing, who's maybe ignorant or stupid, that can happen at any time." Das Filmprojekt "Meek's Cutoff" startete ungefähr zur selben Zeit, als die Irakkriegfotos von US-Soldaten, die auf Häftlingen thronen, die Runde machten.
"A very sensual, sexy movie that virtually gorges on its own erotic melancholy. I'm not being entirely facetious when I say that there is intense 'emo' quality to the film – almost a 'Twilight' for the arthouse set – but it is beautifully made, well acted and offers a swoon of pleasure", schreibt Peter Bradshaw über "Norwegian Wood". Von "Black Swan" ist er wiederum nicht ganz überzeugt, vergleicht ihn aber mit den Polanski-Filmen "Ekel" und "Rosemary's Baby". "Machete" fand er so leidenschaftslos, wie er "Miral" enttäuschend fand. Dafür mochte er die italienische Out-of-Competion-Komödie "Gorbaciof" und den russischen Film "Silent Souls" von Aleksei Fedorchenko. Zum Abschluss gibt es noch seine Gedanken zu Francois Ozons "Potiche": "A little over-extended, perhaps, and weighed down a little by theatrical origins, but a tremendously elegant piece of fun."
Zum zwanzigsten Todestag widmet das Venedig-Festival einem der besten Italowestern-Regisseure der 1960er-Jahre, Sergio Corbucci, am Dienstag, den 07.10., eine Podiumsdiskussion unter der Leitung des britischen Filmhistorikers Peter Cowie. Gemeinsam unter anderem mit dem französischen Kritikergott Michel Ciment, Time Magazine-Kritiker Richard Corliss und The Treatment-Moderator Elvis Mitchell wird wohl auch über die beiden Screenings der Corbucci-Western "Minnesota Clay" und "Die Grausamen" diskutiert werden. Das riecht stark nach Tarantino: Hatte Quentin doch erst diesen Februar verlauten lassen, dass er an einer Corbucci-Monografie arbeiten würde. Und wer Tarantinos Italowestern-Lieblinge kennt, wird nicht nur vermuten, dass der Jurypräsident am Panel teilnehmen wird, sondern auch der heimliche Initiator war.
"Sergio Corbucci is not only one of the greatest directors of Macaroni Westerns, he’s one of the greatest directors of Westerns period and I look forward to giving him his due in Venice this year", sagt Venedig-Jurypräsident Quentin Tarantino.
Dass Quentin Tarantino ein besonderes Verhältnis zu Richard Corliss, der als einer der letzten Mohikaner für das Time Magazine aus Venedig berichtet, gehabt hätte, wäre mir neu. Und auch Panel-Leiter Peter Cowie fiel mir eher durch sein kleines, exzellentes Berlinale-Buch im Bertz & Fischer-Verlag auf, als dass er Quentin den Hof gemacht hätte. Ansonsten sind die Herren aber gezeichnet: Der italienische Journalist Marco Giusti etwa, der 2004 gemeinsam mit Tarantino die Retrospektive 'Kings of the B’s' vorbereitete und kuratierte. Michel Ciment, der Herausgeber der Kultpostille Positif, führte in Cannes eines der ersten elementaren Interviews mit dem blutjungen "Reservoir Dogs"-Regisseur. Und der gestrenge Ex-New York Times-Kritiker Elvis Mitchell war anfangs vehementer Gegner Tarantinos, ist jetzt aber zum Beispiel auf dem Zusatzmaterial der "Inglourious Basterds"-Blu-ray zu finden, wo er von Produktionen des Dritten Reichs erzählt.
Stephanie Zacharek (Movieline), eine weitere Sergio Corbucci-Panel-Teilnehmerin, hat Tsui Harks "Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame" besprochen. "What’s not to love about a title like that?", meint sie und hat Recht. Peter Claus (Getidan) kann ihr dafür erzählen, was sonst nicht stimmte: "Der Film hat keine Seele, keinen Witz, keinen Charme. Er ist überflüssig. Eine reine Darbietung von Production Values." Blickpunkt: Film weiß, dass der DVD-Anbieter Koch Media die deutschen Rechte hält. Bei uns gibt's also die wilden Kung Fu-Hirsche nur Direct-to-DVD.
Viel Liebe für die Rückkehr des italienischen Polizeifilms in Gestalt von Moritz Bleibtreu in "Vallanzasca": "Great Italian crime drama", meint Damon Wise.
Zwischenbilanzen: Anke Leweke im D-Radio Kultur. Wir lernen: China ist das neue Hollywood. Aha. Soso. Und Festivalchef Marco Müller spricht tunesisch. Ja, doch, interessant. Unterdessen verabschiedet sich Peter Bradshaw von der Mostra, nicht ohne an seinen Kollegen Xan Brooks zu übergeben und abschließend zwei Filme gesondert hervorzuheben: "Meek's Cutoff" und "Post mortem". Den chilenischen Film von Pablo Larrain empfand auch David Gritten als Highlight, das übrigens wie schon der Goldene Palme-Gewinner "Uncle Boonmee" vom World Cinema Fund der Berlinale gefördert wurde.
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Venedig-Ticker: 5. September
schwanenmeister, 02:18h
Kritikerkoryphäe Rüdiger Suchsland auf Filmfestivals zu finden, macht inzwischen fast so viel Spaß wie seine Texte zu lesen. Aus Venedig berichtet er nicht für Artechock, critic.de oder FAZ, sondern für das neu ins Leben gerufene, recht ambitioniert wirkende Onlinemagazin Filmgazette. Suchsland will Anzeichen gefunden haben, dass Tom Tykwer unter Umständen den Goldenen Löwen gewinnen könnte. Er hat in "Black Swan" Qualitäten entdeckt, die vom Feuilleton bisher sträflichst vernachlässigt wurden. Und den anderen Hollywoodfilm, "Somewhere", nennt er eine "vage enttäuschende Erfahrung", obwohl der Film "gut" und "interessant" sei. Vielleicht die größte Überraschung des gesamten Festivals für mich. War Suchsland doch vor ein paar Jahren in Cannes der tapferste Verteidiger von Coppolas "Marie Antoinette".
Eine kleine Rückschau: Als Quentin Tarantino 2004 der Jurypräsident in Cannes war, gewann "Fahrenheit 9/11" die Goldene Palme. Den Großen Preis der Jury erhielt der Koreaner Park Chan-wook für "Oldboy". Den Jurypreis teilten sich der Thailänder Apichatpong Weerasethakul für "Tropical Malady" und die Schauspielerin Irma P. Hall im ansonsten grässlichen Coen-Remake "The Ladykillers". Als bester Schauspieler wurde der junge Japaner Yuya Yagira in "Nobody Knows" und als beste Schauspielerin die Cinesin Maggie Cheung in "Clean" ausgezeichnet. Bester Regisseur wurde Tony Gatlif mit "Exils", das beste Drehbuch gewann der französische Film "Look At Me". Und Kameramann Eric Gautier gewann für "Clean" und "The Motorcycle Diaries" den technischen Preis. Eine große Anzahl der Preise ging an das asiatische Kino, Tarantinos Steckenpferd der letzten beiden Jahrzehnte. Wenn sich der Mann treu bliebe und die Qualität der Produktionen stimmt, dann könnte sich Quentins Liebe nur auf drei asiatische Filme im diesjährigen Wettbewerb verteilen: Takashi Miike, Tsui Hark und Haruki Murakami.
Das Skandal-o-Meter schlägt leicht aus: "Confession. I can't stand Vincent Gallo. Won't go to see him in a movie. In 'Essential Killing', he forces woman to breastfeed him", twittert Anne Thompson. Das scheint auch nicht Guy Lodges Geschmack zu sein. Er gibt nur die Schulnote C und schreibt: "Well-meaning survival tale is nonetheless unilluminatingly gruelling: like 'Cold Mountain' gone Taliban." David Jenkins hat es dagegen gefallen: "Gallo excels in Taliban survival yarn. Taut as hell. Ending fudged. Contained fest's most shocking scene." (vier von fünf Sternen) "Blue Velvet", anyone?
Die Kinoredakteurin Anna Wollner berichtet für den doch relativ neuen Leipziger Internetradiosender Detektor.fm, von dem ich bis dahin noch nichts gehört oder gelesen hatte, in aller Kürze, aber ziemlich amüsant von den venezianischen Feuchtgebieten, die die ersten drei Festivaltage bestimmten. Da darf man sich freuen, wenn sie "Essential Killing" bespricht. Bitte mehr davon!
Der Total Film-Blog von James Mottram ist im Gegensatz zu früheren Ausgaben richtig lesenswert geworden: "Norwegian Wood" wäre sogar ein Anwärter für den Goldenen Löwen. Auf die musikalische Verbindung des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood und der deutschen Band Can auf dem Soundtrack hatte auch noch niemand hingewiesen. Er schwärmt, wie Damon Wise, vom neuen Francois Ozon Film "Potiche" und sagt ihm Hitpotential nach. Und das hier fällt Mottram zu Vincent Gallos Performance in "Essential Killing" ein: "He is no Rambo, which is what makes his desperate attempt at survival fascinating. But what really will blow you away is the film is almost without dialogue." Den Skolimowski-Film nennt er "a sensory experience." Und Kelly Reichardts Western "Meek's Cutoff" fand er toll: "Its old fashioned. But expertly crafted, it is the work of a major filmmaker whose just found a larger canvas to paint on."
Eine kleine Rückschau: Als Quentin Tarantino 2004 der Jurypräsident in Cannes war, gewann "Fahrenheit 9/11" die Goldene Palme. Den Großen Preis der Jury erhielt der Koreaner Park Chan-wook für "Oldboy". Den Jurypreis teilten sich der Thailänder Apichatpong Weerasethakul für "Tropical Malady" und die Schauspielerin Irma P. Hall im ansonsten grässlichen Coen-Remake "The Ladykillers". Als bester Schauspieler wurde der junge Japaner Yuya Yagira in "Nobody Knows" und als beste Schauspielerin die Cinesin Maggie Cheung in "Clean" ausgezeichnet. Bester Regisseur wurde Tony Gatlif mit "Exils", das beste Drehbuch gewann der französische Film "Look At Me". Und Kameramann Eric Gautier gewann für "Clean" und "The Motorcycle Diaries" den technischen Preis. Eine große Anzahl der Preise ging an das asiatische Kino, Tarantinos Steckenpferd der letzten beiden Jahrzehnte. Wenn sich der Mann treu bliebe und die Qualität der Produktionen stimmt, dann könnte sich Quentins Liebe nur auf drei asiatische Filme im diesjährigen Wettbewerb verteilen: Takashi Miike, Tsui Hark und Haruki Murakami.
Das Skandal-o-Meter schlägt leicht aus: "Confession. I can't stand Vincent Gallo. Won't go to see him in a movie. In 'Essential Killing', he forces woman to breastfeed him", twittert Anne Thompson. Das scheint auch nicht Guy Lodges Geschmack zu sein. Er gibt nur die Schulnote C und schreibt: "Well-meaning survival tale is nonetheless unilluminatingly gruelling: like 'Cold Mountain' gone Taliban." David Jenkins hat es dagegen gefallen: "Gallo excels in Taliban survival yarn. Taut as hell. Ending fudged. Contained fest's most shocking scene." (vier von fünf Sternen) "Blue Velvet", anyone?
Die Kinoredakteurin Anna Wollner berichtet für den doch relativ neuen Leipziger Internetradiosender Detektor.fm, von dem ich bis dahin noch nichts gehört oder gelesen hatte, in aller Kürze, aber ziemlich amüsant von den venezianischen Feuchtgebieten, die die ersten drei Festivaltage bestimmten. Da darf man sich freuen, wenn sie "Essential Killing" bespricht. Bitte mehr davon!
Der Total Film-Blog von James Mottram ist im Gegensatz zu früheren Ausgaben richtig lesenswert geworden: "Norwegian Wood" wäre sogar ein Anwärter für den Goldenen Löwen. Auf die musikalische Verbindung des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood und der deutschen Band Can auf dem Soundtrack hatte auch noch niemand hingewiesen. Er schwärmt, wie Damon Wise, vom neuen Francois Ozon Film "Potiche" und sagt ihm Hitpotential nach. Und das hier fällt Mottram zu Vincent Gallos Performance in "Essential Killing" ein: "He is no Rambo, which is what makes his desperate attempt at survival fascinating. But what really will blow you away is the film is almost without dialogue." Den Skolimowski-Film nennt er "a sensory experience." Und Kelly Reichardts Western "Meek's Cutoff" fand er toll: "Its old fashioned. But expertly crafted, it is the work of a major filmmaker whose just found a larger canvas to paint on."
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Samstag, 4. September 2010
Venedig-Ticker: 4. September
schwanenmeister, 13:24h
Sehr viel wird weiterhin über Sofia Coppolas Ennui-Studie (Danke, Cristina Nord!) "Somewhere" geschrieben. Tobias Kniebe will in der Süddeutschen Coppolas zweites großes Meisterwerk ausgemacht haben: "Als jemand, der diesem Zirkus zwar nicht wirklich nahe ist, dann aber eben doch näher als etwa 99 Prozent der restlichen Menschheit, kann dieser Filmreporter bezeugen: Alles, was wir da sehen, ist wahr." Todd McCarthy spekuliert lieber darüber, ob dieser emotional verkrüppelte Film besser hätte sein können: "The film might have been much more interesting had it taken the child’s point of view on rampant adult immaturity rather than adopting the more familiar and less revealing cool hipster stance." Susanne Ostwald (Neue Zürcher Zeitung) ist ganz bei Kniebe: "Ein wunderbarer Film." Und um so länger man Michael Althens FAZ-Text liest, umso mehr gewinnt man den Eindruck, es handele sich um eine dreiste Kinoverfilmung der TV-Serie "Californication" mit David Duchovny: "Wenn man auf Sofia Coppolas Seite ist, kann man sagen, dass das bei Antonioni oft auch so war. Was die Coolness angeht, kann man die beiden durchaus miteinander vergleichen." Und so geht es weiter, wenn auch kritischer: Total Film, Empire und Guardian. Im Daily Telegraph weist etwa David Gritten darauf hin, dass alle bisherigen Sofia Coppola-Filme in ihrer Zweitheimat Italien Zuschauerhits waren und deswegen die Italiener weltweit die Ersten sein werden, die die Kritikerurteile überprüfen dürfen.
Hier gibt es die unglaubliche Danny Trejo-holt-Zigis-Geschichte von Filmstarts-Chef Björn Becher zu bestaunen.
Man müsste einmal ausführlich zusammentragen, was bisher über die ghettoisierten italienischen Wettbewerbsbeiträge geschrieben wurde. Auf der Berlinale regt man sich über das stiefmütterliche Desinteresse der ausländischen Journalisten am deutschen Film auf. In Venedig läuft es andersherum jedoch genauso. Wenigstens jenseits von Hollywood Film Business Asia-Chefkritiker Derek Elley unterbringen, der John Woos co-gefilmten "Reign of Assassins" sehr lobt. Seit "Ip Man 2" bin ich etwas vorsichtiger geworden, was Martial Arts-Empfehlungen von Elley angeht, aber klingt doch ziemlich schmackhaft. Irgendwo stand auch 'der asiatische Mr. & Mrs. Smith'. Und Michelle Yeoh spielt eine der Hauptrollen.
Wer wie ich angesichts des ja überwiegend positiven Feedbacks für "Somewhere" vielleicht kurz ins Zweifeln gekommen ist, ob er oder sie dem neuen Sofia Coppola-Film doch eine Chance geben soll, der lese als Medizin ganz schnell die letzten zwei Absätze auf Kino-Zeit.
Most-Wanted: "Old Joy" und "Wendy & Lucy" waren die mit größten Hoffnungsbringer der letzten Jahre amerikanischen Indie-Kinos. Kelly Reichardts neuer Film "Meek's Cutoff" soll wiederum neue Wege bestreiten: "Slow, mysterious ride on pilgrim trail. Transfixing & rich with ideas on trust/prejudice", twittert David Jenkins (Time Out London) und vergibt vier von fünf Sternen. Da nimmt man dann auch wissbegierig die Höchstwertung von Guy Lodge (InContention) und das 'Groß' von Björn Becher (Filmstarts) mit. "Hey, at least one Terrence Malick film has seen the light of day in 2010. Essential. Distributor, please", schreibt Lodge. Das letzte Mal verglichen wurde Terrence Malick ja mit dem überhypten "Monsters". Die Filmdienst-Kritikerin Felicitas Kleiner hat zumindest ungefähr die gleiche Stoßrichtung: Kelly Reichardt liefere ein weiteres Beispiel dafür, dass der Western zu einem der interessantesten Genre-Felder amerikanischer 'auteurs' geworden sei.
Hier gibt es die unglaubliche Danny Trejo-holt-Zigis-Geschichte von Filmstarts-Chef Björn Becher zu bestaunen.
Man müsste einmal ausführlich zusammentragen, was bisher über die ghettoisierten italienischen Wettbewerbsbeiträge geschrieben wurde. Auf der Berlinale regt man sich über das stiefmütterliche Desinteresse der ausländischen Journalisten am deutschen Film auf. In Venedig läuft es andersherum jedoch genauso. Wenigstens jenseits von Hollywood Film Business Asia-Chefkritiker Derek Elley unterbringen, der John Woos co-gefilmten "Reign of Assassins" sehr lobt. Seit "Ip Man 2" bin ich etwas vorsichtiger geworden, was Martial Arts-Empfehlungen von Elley angeht, aber klingt doch ziemlich schmackhaft. Irgendwo stand auch 'der asiatische Mr. & Mrs. Smith'. Und Michelle Yeoh spielt eine der Hauptrollen.
Wer wie ich angesichts des ja überwiegend positiven Feedbacks für "Somewhere" vielleicht kurz ins Zweifeln gekommen ist, ob er oder sie dem neuen Sofia Coppola-Film doch eine Chance geben soll, der lese als Medizin ganz schnell die letzten zwei Absätze auf Kino-Zeit.
Most-Wanted: "Old Joy" und "Wendy & Lucy" waren die mit größten Hoffnungsbringer der letzten Jahre amerikanischen Indie-Kinos. Kelly Reichardts neuer Film "Meek's Cutoff" soll wiederum neue Wege bestreiten: "Slow, mysterious ride on pilgrim trail. Transfixing & rich with ideas on trust/prejudice", twittert David Jenkins (Time Out London) und vergibt vier von fünf Sternen. Da nimmt man dann auch wissbegierig die Höchstwertung von Guy Lodge (InContention) und das 'Groß' von Björn Becher (Filmstarts) mit. "Hey, at least one Terrence Malick film has seen the light of day in 2010. Essential. Distributor, please", schreibt Lodge. Das letzte Mal verglichen wurde Terrence Malick ja mit dem überhypten "Monsters". Die Filmdienst-Kritikerin Felicitas Kleiner hat zumindest ungefähr die gleiche Stoßrichtung: Kelly Reichardt liefere ein weiteres Beispiel dafür, dass der Western zu einem der interessantesten Genre-Felder amerikanischer 'auteurs' geworden sei.
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Freitag, 3. September 2010
Venedig-Ticker: 3. September
schwanenmeister, 02:52h
Seit "Michael Clayton" ist bei mir die Luft raus, was Thriller mit George Clooney oder Matt Damon betrifft, die sich auf Alan Pakulas Paranoia-Trilogie aus den 1970er-Jahren beziehen. Umso witziger finde ich es, Kirk Honeycutts folgenden Review-Teaser zu lesen: "Back in the 1970s, a film like 'The American' would be labeled existential. Today it feels merely pointless." Auch sehr schön die Bottom Line: "What did George Clooney see in this script?" Daneben schaut der gute George auf einem Bild entgeistert an seinem Zielfernrohr vorbei in die Ferne.
Wenn schon Kritiker mit dem Satz beginnen "The thing I most liked about ...", dann befinden wir uns mitten im Festivaldschungel, und es gibt überwiegend laue Texte zu Filmen, die mich nie oder schlagartig weniger interessieren. Wer lernen will, wie man Filme positiv bespricht, die man gar nicht mochte, der lese beispielsweise den fröhlichen Briten Damon Wise (Empire) zu "Machete". Auch ein sehr guter Versuch im Launeversauen ist Guy Lodge zu Julian Schnabels "Miral". Exotischer ist da Standard-Kritikerin Isabella Reicher, zumindest wenn es um die Filmauswahl geht: sie bespricht unter anderem Catherine Breillats neuen Film "La belle endormie".
Felicitas Kleiner bloggt für den Filmdienst von der Mostra. Hatte ich ganz übersehen bei meiner vergeblichen Suche nach Kritikergrößen wie Rüdiger Suchsland, Wesley Morris und Neil Young. Erschreckend und erwartet zugleich, wie sehr die Amis Venedig fallen gelassen haben. Na ja, Toronto und Telluride vor der Tür und die Zeitungskrise im Nacken. Das ist nachvollziehbar.
IndieWIREs Todd McCarthy verabschiedet sich nach Telluride, wobei zu bezweifeln ist, obwohl er die Filme "Black Swan" und "The American" besprach, ob er überhaupt in Venedig vor Ort war. Damit bleibt nach meinen Notizen einzig und allein Bloggerin Anne Thompson übrig, die die amerikanische Flagge neben der Trade Press hochhält. Die Stellung halten die Deutschen und Briten.
Daily Telegraphs David Gritten schreibt von einem starken Jahrgang, aber verreißt mehr oder weniger im gleichen Atemzug gleich drei Filme: "Miral", "Machete" und "Norwegian Wood". Total Film-Kritiker James Mottram ist auch fleißig, fand "Miral" enttäuschend und schreibt das ebenso in seinem ersten wie letzten Satz zum Film. Sehr praktisch. Außerdem behauptet er, der Film "Incendies" des in Kanada geborenen Regisseurs Denis Villeneuve wäre genau das, was Julian Schnabel erreichen wollte.
Eine der allerersten Kritiken zu Sofia Coppolas Comeback-Versuch "Somewhere" hat David Jenkins von Time Out London geschrieben. Drei von fünf Sternen gibt er und verortet den Film irgendwo zwischen "La dolce vita" und "Entourage": "Formally, this is probably Coppola’s riskiest, artiest movie to date." Mark Adams, der zu Diensten von Sreen Daily als Chefkritiker unterwegs ist, klingt positiver: "Return to form and nearer 'Lost in Translation'. Elle Fanning is great..."
Und noch einen Neuling aufgetan: Kritiker Patrick Wellinski schreibt für Kino-Zeit, zum Beispiel recht wohlwollend über "Miral" und "Black Swan". Einen Twitter-Account hat er auch.
Bisher glänzte die britische Zeitung The Guardian ausschließlich durch Pressekonferenz-Zusammenfassungen. Jetzt ist auch endlich Peter Bradshaw, dessen relaxte Berlinale-Berichterstattung mir sehr gut gefallen hat, back in action. Er wiederum verlinkt auf die italienische Presse, die sich über Tarantinos angestrebte Neutralität lustig macht. Dazu fand er "Black Swan" als Eröffnungsfilm einen sexy Start und macht sich weiterhin lustig über die Formulierungen der einstmaligen Branchenbibel Variety.
Wichtiger als jede Kritik zu Coppolas "Somewhere": Die Track List des Soundtracks. "Marie Antoinette" und "Lost in Translation" habe ich fast vergessen, aber die Musik klingt bis heute nach. Im Film zu hören sein werden unter anderem Phoenix, The Police, Foo Fighters, T.Rex, Gwen Stefanie, natürlich The Strokes und Bryan Ferry.
Wenn schon Kritiker mit dem Satz beginnen "The thing I most liked about ...", dann befinden wir uns mitten im Festivaldschungel, und es gibt überwiegend laue Texte zu Filmen, die mich nie oder schlagartig weniger interessieren. Wer lernen will, wie man Filme positiv bespricht, die man gar nicht mochte, der lese beispielsweise den fröhlichen Briten Damon Wise (Empire) zu "Machete". Auch ein sehr guter Versuch im Launeversauen ist Guy Lodge zu Julian Schnabels "Miral". Exotischer ist da Standard-Kritikerin Isabella Reicher, zumindest wenn es um die Filmauswahl geht: sie bespricht unter anderem Catherine Breillats neuen Film "La belle endormie".
Felicitas Kleiner bloggt für den Filmdienst von der Mostra. Hatte ich ganz übersehen bei meiner vergeblichen Suche nach Kritikergrößen wie Rüdiger Suchsland, Wesley Morris und Neil Young. Erschreckend und erwartet zugleich, wie sehr die Amis Venedig fallen gelassen haben. Na ja, Toronto und Telluride vor der Tür und die Zeitungskrise im Nacken. Das ist nachvollziehbar.
IndieWIREs Todd McCarthy verabschiedet sich nach Telluride, wobei zu bezweifeln ist, obwohl er die Filme "Black Swan" und "The American" besprach, ob er überhaupt in Venedig vor Ort war. Damit bleibt nach meinen Notizen einzig und allein Bloggerin Anne Thompson übrig, die die amerikanische Flagge neben der Trade Press hochhält. Die Stellung halten die Deutschen und Briten.
Daily Telegraphs David Gritten schreibt von einem starken Jahrgang, aber verreißt mehr oder weniger im gleichen Atemzug gleich drei Filme: "Miral", "Machete" und "Norwegian Wood". Total Film-Kritiker James Mottram ist auch fleißig, fand "Miral" enttäuschend und schreibt das ebenso in seinem ersten wie letzten Satz zum Film. Sehr praktisch. Außerdem behauptet er, der Film "Incendies" des in Kanada geborenen Regisseurs Denis Villeneuve wäre genau das, was Julian Schnabel erreichen wollte.
Eine der allerersten Kritiken zu Sofia Coppolas Comeback-Versuch "Somewhere" hat David Jenkins von Time Out London geschrieben. Drei von fünf Sternen gibt er und verortet den Film irgendwo zwischen "La dolce vita" und "Entourage": "Formally, this is probably Coppola’s riskiest, artiest movie to date." Mark Adams, der zu Diensten von Sreen Daily als Chefkritiker unterwegs ist, klingt positiver: "Return to form and nearer 'Lost in Translation'. Elle Fanning is great..."
Und noch einen Neuling aufgetan: Kritiker Patrick Wellinski schreibt für Kino-Zeit, zum Beispiel recht wohlwollend über "Miral" und "Black Swan". Einen Twitter-Account hat er auch.
Bisher glänzte die britische Zeitung The Guardian ausschließlich durch Pressekonferenz-Zusammenfassungen. Jetzt ist auch endlich Peter Bradshaw, dessen relaxte Berlinale-Berichterstattung mir sehr gut gefallen hat, back in action. Er wiederum verlinkt auf die italienische Presse, die sich über Tarantinos angestrebte Neutralität lustig macht. Dazu fand er "Black Swan" als Eröffnungsfilm einen sexy Start und macht sich weiterhin lustig über die Formulierungen der einstmaligen Branchenbibel Variety.
Wichtiger als jede Kritik zu Coppolas "Somewhere": Die Track List des Soundtracks. "Marie Antoinette" und "Lost in Translation" habe ich fast vergessen, aber die Musik klingt bis heute nach. Im Film zu hören sein werden unter anderem Phoenix, The Police, Foo Fighters, T.Rex, Gwen Stefanie, natürlich The Strokes und Bryan Ferry.
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Donnerstag, 2. September 2010
Venedig-Ticker: 2. September
schwanenmeister, 00:41h
"Norwegian Wood" ist der internationale Verleihtitel der japanischen Filmadaption des Haruki Murakami-Kultbuchs "Naokos Lächeln". Ein Buch, das mir mit der Zeit ganz besonders ans Herz gewachsen ist. Time Out London hat ihn gesehen, ist begeistert und gibt fast die Höchstwertung: "Intensely maudlin Murakami adap, transcends ropey opening 45 to build and build into something quite profound." Der Film, in dem Rinko Kikuchi ("Babel") eine der Hauptrollen spielt, wird morgen seine Premiere im Wettbewerb feiern.
Auf Deutsch lese ich momentan am liebsten Björn Lahrmann (Manifest) und seine irrwitzigen Kritiken vom Fantasy Filmfest. Auf Englisch bleibt mein aktueller Kritikerliebling neben Armond White (New York Press) klar Karina Longworth (Village Voice), deren Texte so wirken, als ob sie die kleine, süße Schwester von Pauline Kael wäre. Hier frühstückt sie genüsslich Robert Rodriguez' nächsten Megaflop, "Machete", ab.
Barbara Schweizerhof bloggt für epd-Film aus Venedig. Wie auch bei Jan Schulz-Ojala vom Tagesspiegel beherrscht hier noch ganz der Touristikblick den ersten Text. Dafür nicht ganz uninteressant: "Für Berlinale-Besucher mag das unglaublich klingen: das ganze Programm wird in vier großen und zwei winzigen Sälen gezeigt."
Im abendlichen Nachklapp des deutschen Feuilletons will Kritiker Peter Zander (Welt) ein gespaltenes Fachpublikum wahrgenommen haben, das "Black Swan" sowohl ausbuhte als auch bejubelte. Ansonsten ist auch dort Baustelle und gibt es zur Abwechslung unglaubliche vier Bilderserien zum Durchklicken. Für Cristina Nord (taz) ist Natalie Portman schlicht und ergreifend ein "gerupftes Huhn". Schöner kann das auch Christoph Huber (Presse) nicht zusammenfassen, aber folgendes schreiben: "Ob 'Black Swan', wie vorab kolportiert, wieder ein Oscar-Kandidat ist, darf bezweifelt werden. Denn trotz des respektablen Hochkulturanstrichs ist der Film im Herzen ein trashiger Sex-Schocker." Die Verrisse machen mehr Lust auf Aronofsky als die Lobeshymnen.
Auf Deutsch lese ich momentan am liebsten Björn Lahrmann (Manifest) und seine irrwitzigen Kritiken vom Fantasy Filmfest. Auf Englisch bleibt mein aktueller Kritikerliebling neben Armond White (New York Press) klar Karina Longworth (Village Voice), deren Texte so wirken, als ob sie die kleine, süße Schwester von Pauline Kael wäre. Hier frühstückt sie genüsslich Robert Rodriguez' nächsten Megaflop, "Machete", ab.
Barbara Schweizerhof bloggt für epd-Film aus Venedig. Wie auch bei Jan Schulz-Ojala vom Tagesspiegel beherrscht hier noch ganz der Touristikblick den ersten Text. Dafür nicht ganz uninteressant: "Für Berlinale-Besucher mag das unglaublich klingen: das ganze Programm wird in vier großen und zwei winzigen Sälen gezeigt."
Im abendlichen Nachklapp des deutschen Feuilletons will Kritiker Peter Zander (Welt) ein gespaltenes Fachpublikum wahrgenommen haben, das "Black Swan" sowohl ausbuhte als auch bejubelte. Ansonsten ist auch dort Baustelle und gibt es zur Abwechslung unglaubliche vier Bilderserien zum Durchklicken. Für Cristina Nord (taz) ist Natalie Portman schlicht und ergreifend ein "gerupftes Huhn". Schöner kann das auch Christoph Huber (Presse) nicht zusammenfassen, aber folgendes schreiben: "Ob 'Black Swan', wie vorab kolportiert, wieder ein Oscar-Kandidat ist, darf bezweifelt werden. Denn trotz des respektablen Hochkulturanstrichs ist der Film im Herzen ein trashiger Sex-Schocker." Die Verrisse machen mehr Lust auf Aronofsky als die Lobeshymnen.
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Dienstag, 31. August 2010
Venedig-Ticker: 1. September
schwanenmeister, 19:35h
Nikki Finkes rechte Hand Tim Adler lästert über das Venedig-Festival. Zusammengefasst: Zu teuer, nicht mehr besonders, US-Stars bleiben weg. Der Daily Mail-Kritiker Baz Bamigboye bleibt zu Hause. Guardian-Kritiker Peter Bradshaw sieht auch den Abwärtstrend in der Relevanz des Festivals. Laut Xan Brooks würde sich Venedig den zweiten Platz inzwischen mit Toronto, Sundance, Berlin und dem SXSW teilen. Und Daily Telegraph-Kritiker David Gritten tippt auf Darren Aronofskys "Black Swan" als Goldenen Löwen-Gewinner. Somit hat der London-Korrespondent von Deadline Hollywood also ausschließlich britische Filmjournalisten ausgeschlachtet und nebenbei das Venedig-Logo von vor drei Jahren verwendet.
Filmstarts resp. Björn Becher macht sich indes Hoffnung, dass das Gerücht stimmen könnte, Terrence Malicks "Treef of Life" würde als Überraschungfilm gezeigt werden. Die "Hart aber fair"-Tagline: Wenn Wunschdenken auf Wirklichkeit trifft.
Eric J. Lyman weist in The Hollywood Reporter auf den niedrigsten Altersdurchschnitt (47 Jahre) in der Geschichte des Wettbewerbs hin. Und das trotz Regielegenden wie Monte Hellman (78 Jahre) und Jerzy Skolimowski (72 Jahre). Festivaldirektor Marco Müller: "The times are changing. Big films with a big publicity budget aren't helped as much as they used to be by the big festivals, and they don't help the festivals either, with the main players just jetting in and out for a day."
Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau widerspricht Deadline Hollywood vor allem beim Thema Superstars und dann doch irgendwie nicht. Viel Amerika, wenig Hollywood, scheint sein Fazit zu sein. Und er freut sich auf ein Gipfeltreffen zwischen Jurypräsident Tarantino, Bud Spencer und Terence Hill, die Teil der diesjährigen Komödien-Retrospektive sein werden. Ich weiß, dass der Quentin zumindest großer Fan der Blödel-Komödie "Der Supercop" ist, Sergio Corbuccis halben amerikanischen Film ohne Spencer, aber mit Hill. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tarantino eher auf Genregrößen wie Lino Banfi stürzen wird, der unter anderem einmaliger Fernando di Leo-Darsteller und dauerhafter Partner von Göttin Edwige Fenech in den berüchtigten italienischen Sexkomödien der 1970er-Jahre war.
So funktioniert das heutzutage: 9 Uhr Pressevorführung, etwas später die ersten Twitter-Reaktionen, noch etwas später die ersten Kritiken der Trade Press, noch etwas später eine Zusammenfassung von Slashfilm: Der Eröffnungsfilm Black Swan wird gleich mal abgefeiert. Peter Sciretta macht die Texte von Variety und Screen Daily hinter der Paywall lesbar. Was mich etwas fasziniert, ist die untypische, beinahe euphorische Reaktion von Boyd van Hoeij: "It was superb. Would have been a masterpiece if slightly shorter/more compact." Und Kirk Honeycutt hat eher ein Instant Guilty Pleasure gesehen: "A gorgeously shot, visually complex film whose badness is what's so good about it."
Cargo Film hat wieder den hauseigenen SMS-Service am Start, den Cristina Nord (taz), Isabella Reicher (Standard) und Michael Althen (FAZ) täglich füttern sollen. Althen berichtet von einem Eastern, in dem es Donnie Yen an die deutsche Westfront 1918 verschlägt.
Ein recht umständliches, weil von Englisch auf Deutsch übersetztes Interview hat D-Radio Kultur mit Festivalchef Marco Müller geführt. Ist dafür aber schön ausführlich geworden.
The Smallest Oscar Buzz: Der Sunday Mirror-Kritiker Mark Adams will definitiv eine sehr oscarwürdige Performance in "Black Swan" entdeckt haben. Seiner Meinung nach schafft es Darren Aronofsky nach Mickey Rourke, auch Natalie Portman wieder in Scheinwerferlicht zu drängen. Unter Vorbehalt, weil Adams wohl befangen ist: er sah den Film drei Tage vor dem Rest der Welt.
Mehr "Black Swan"-Schnellschüsse: Todd McCarthy (indieWIRE) und Guy Lodge (InContention). Mich spricht jetzt auch "Red Shoes" auf Acid nicht sonderlich an. Überhaupt Ballett, ich muss da immer an Homer Simpson denken und wie er sich einen solchen Abend vorstellt. David Gritten (Daily Telegraph): "As for Portman, she can expect a busy few months at awards dinners."
Filmstarts resp. Björn Becher macht sich indes Hoffnung, dass das Gerücht stimmen könnte, Terrence Malicks "Treef of Life" würde als Überraschungfilm gezeigt werden. Die "Hart aber fair"-Tagline: Wenn Wunschdenken auf Wirklichkeit trifft.
Eric J. Lyman weist in The Hollywood Reporter auf den niedrigsten Altersdurchschnitt (47 Jahre) in der Geschichte des Wettbewerbs hin. Und das trotz Regielegenden wie Monte Hellman (78 Jahre) und Jerzy Skolimowski (72 Jahre). Festivaldirektor Marco Müller: "The times are changing. Big films with a big publicity budget aren't helped as much as they used to be by the big festivals, and they don't help the festivals either, with the main players just jetting in and out for a day."
Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau widerspricht Deadline Hollywood vor allem beim Thema Superstars und dann doch irgendwie nicht. Viel Amerika, wenig Hollywood, scheint sein Fazit zu sein. Und er freut sich auf ein Gipfeltreffen zwischen Jurypräsident Tarantino, Bud Spencer und Terence Hill, die Teil der diesjährigen Komödien-Retrospektive sein werden. Ich weiß, dass der Quentin zumindest großer Fan der Blödel-Komödie "Der Supercop" ist, Sergio Corbuccis halben amerikanischen Film ohne Spencer, aber mit Hill. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tarantino eher auf Genregrößen wie Lino Banfi stürzen wird, der unter anderem einmaliger Fernando di Leo-Darsteller und dauerhafter Partner von Göttin Edwige Fenech in den berüchtigten italienischen Sexkomödien der 1970er-Jahre war.
So funktioniert das heutzutage: 9 Uhr Pressevorführung, etwas später die ersten Twitter-Reaktionen, noch etwas später die ersten Kritiken der Trade Press, noch etwas später eine Zusammenfassung von Slashfilm: Der Eröffnungsfilm Black Swan wird gleich mal abgefeiert. Peter Sciretta macht die Texte von Variety und Screen Daily hinter der Paywall lesbar. Was mich etwas fasziniert, ist die untypische, beinahe euphorische Reaktion von Boyd van Hoeij: "It was superb. Would have been a masterpiece if slightly shorter/more compact." Und Kirk Honeycutt hat eher ein Instant Guilty Pleasure gesehen: "A gorgeously shot, visually complex film whose badness is what's so good about it."
Cargo Film hat wieder den hauseigenen SMS-Service am Start, den Cristina Nord (taz), Isabella Reicher (Standard) und Michael Althen (FAZ) täglich füttern sollen. Althen berichtet von einem Eastern, in dem es Donnie Yen an die deutsche Westfront 1918 verschlägt.
Ein recht umständliches, weil von Englisch auf Deutsch übersetztes Interview hat D-Radio Kultur mit Festivalchef Marco Müller geführt. Ist dafür aber schön ausführlich geworden.
The Smallest Oscar Buzz: Der Sunday Mirror-Kritiker Mark Adams will definitiv eine sehr oscarwürdige Performance in "Black Swan" entdeckt haben. Seiner Meinung nach schafft es Darren Aronofsky nach Mickey Rourke, auch Natalie Portman wieder in Scheinwerferlicht zu drängen. Unter Vorbehalt, weil Adams wohl befangen ist: er sah den Film drei Tage vor dem Rest der Welt.
Mehr "Black Swan"-Schnellschüsse: Todd McCarthy (indieWIRE) und Guy Lodge (InContention). Mich spricht jetzt auch "Red Shoes" auf Acid nicht sonderlich an. Überhaupt Ballett, ich muss da immer an Homer Simpson denken und wie er sich einen solchen Abend vorstellt. David Gritten (Daily Telegraph): "As for Portman, she can expect a busy few months at awards dinners."
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Donnerstag, 29. Juli 2010
Venedig-Wettbewerb: QT trifft alte Bekannte
schwanenmeister, 15:01h
Der Hollywood-Mainstreamfilm war lange nicht mehr so schlecht und einfallslos wie dieses Jahr. Da überrascht es überhaupt nicht, dass sich die Aushängeschilder der US-Industrie als Jurypräsidenten von Cannes und Venedig neue Inspirationen holen. Tim Burton sah diesen Mai zum ersten Mal in seinem Leben einen Film aus Thailand. So viel Glück wird Quentin Tarantino nicht haben: kennt er doch sehr viele der Regisseure, die diesen September im offiziellen Wettbewerb um den Goldenen Löwen konkurrieren.
Ihm und Regisseurin Sofia Coppola wurde hartnäckig eine Liaison unterstellt. Zumindest ihren oscarprämierten Film "Lost in Translation" liebte er aufrichtig und bedingungslos in der Öffentlichkeit. Wie das mit "Somewhere", Coppolas spätem Versuch, "Marie Antoinette" wie einen Ausrutscher aussehen zu lassen, weitergeht, steht in den Sternen. Bessere Chancen auf Liebe hat Tom Tykwer, der Tarantino beim Übersetzen der deutschen Dialoge des "Inglourious Basterds"-Script half: Dessen "Drei" mit Devid Striesow und Sophie Rois, die Rückkehr in die eigene Sprache und kurzzeitige Lossagung von internationalen Großprojekten, wird besonders sehnsüchtig erwartet werden.
Tarantino wird seine asiatischen Buddies Takashi Miike und Tsui Hark wiedersehen: "13 Assassins" und "Detective Dee and the Mystery of Phantom Flame" heißen deren neue Werke. Tatsächlich war es Takashi Miike noch nie vergönnt, einen Preis auf einem der großen A-Festivals einzustreichen. Ihm blieben bisher die Segnungen auf Genrefestivals wie Sitges oder dem Fantasporto. Venedig holte ihn das erste Mal mit "Sukiyaki Western Django" in den Wettbewerb, in dem - richtig - Tarantino eine selten dämliche Gastrolle spielte.
Wohin man blickt, Verknüpfungen: Darren Aronofskys Spielfilm "Black Swan" etwa; die offene Rechnung, dass nicht Tarantino, sondern Aronofsky die Karriere des Mickey Rourke reaktivierte; oder Monte Hellmans "Road to Nowhere"; über Monte Hellman schrieb Tarantino seinen einzigen ernsten Film-Essay, "A rare sorrow", im Sight & Sound-Magazin, wo er die kühne Behauptung aufstellte, einen Regisseur im Westernkanon wegen eines einzigen Films nach ganz oben schreiben zu können.
Und dann natürlich die italienische Filmindustrie, die er disste und provozierte, wo er nur konnte. Nur schwere, lustlose Familientragödien kämen aus dem ehemaligen Genre-Nirvana, dem er vor einigen Jahren in der Venedig-Retrospektive "Italian Kings of the B's" ein weiteres Denkmal setzte. Genügend einheimische Filme sind dieses Jahr im Wettbewerb, um ihn eines besseren zu belehren: "La pecora nera", "La solitudine dei numeri primi", "Noi credevamo" (204 Minuten lang) und "La passione". Nach Genre und Fun klingen die Namen schon einmal nicht. Vielleicht hätte man zur Sicherheit wenigstens den Neo-Giallo "Amer" für den Wettbewerb nominieren sollen, nur um Tarantinos Blutdurst zu stillen. Aber das wäre ehrlich gesagt eine französisch-belgische Produktion.
Am spannendsten werden aber sicherlich die Filmemacher, zu denen Tarantino noch keine Beziehung hat aufbauen können: Francois Ozons "Potiche", Kelly Reichardts "Meek's Cutoff", Julian Schnabels "Miral" und Yorgos Lanthimos in "Attenberg". Und die Filme, die auch Venedig nicht bekam: Terrence Malicks "Tree of Life" und Peter Weirs "The Way Back".
Link: - Offizieller Wettbewerb
Ihm und Regisseurin Sofia Coppola wurde hartnäckig eine Liaison unterstellt. Zumindest ihren oscarprämierten Film "Lost in Translation" liebte er aufrichtig und bedingungslos in der Öffentlichkeit. Wie das mit "Somewhere", Coppolas spätem Versuch, "Marie Antoinette" wie einen Ausrutscher aussehen zu lassen, weitergeht, steht in den Sternen. Bessere Chancen auf Liebe hat Tom Tykwer, der Tarantino beim Übersetzen der deutschen Dialoge des "Inglourious Basterds"-Script half: Dessen "Drei" mit Devid Striesow und Sophie Rois, die Rückkehr in die eigene Sprache und kurzzeitige Lossagung von internationalen Großprojekten, wird besonders sehnsüchtig erwartet werden.
Tarantino wird seine asiatischen Buddies Takashi Miike und Tsui Hark wiedersehen: "13 Assassins" und "Detective Dee and the Mystery of Phantom Flame" heißen deren neue Werke. Tatsächlich war es Takashi Miike noch nie vergönnt, einen Preis auf einem der großen A-Festivals einzustreichen. Ihm blieben bisher die Segnungen auf Genrefestivals wie Sitges oder dem Fantasporto. Venedig holte ihn das erste Mal mit "Sukiyaki Western Django" in den Wettbewerb, in dem - richtig - Tarantino eine selten dämliche Gastrolle spielte.
Wohin man blickt, Verknüpfungen: Darren Aronofskys Spielfilm "Black Swan" etwa; die offene Rechnung, dass nicht Tarantino, sondern Aronofsky die Karriere des Mickey Rourke reaktivierte; oder Monte Hellmans "Road to Nowhere"; über Monte Hellman schrieb Tarantino seinen einzigen ernsten Film-Essay, "A rare sorrow", im Sight & Sound-Magazin, wo er die kühne Behauptung aufstellte, einen Regisseur im Westernkanon wegen eines einzigen Films nach ganz oben schreiben zu können.
Und dann natürlich die italienische Filmindustrie, die er disste und provozierte, wo er nur konnte. Nur schwere, lustlose Familientragödien kämen aus dem ehemaligen Genre-Nirvana, dem er vor einigen Jahren in der Venedig-Retrospektive "Italian Kings of the B's" ein weiteres Denkmal setzte. Genügend einheimische Filme sind dieses Jahr im Wettbewerb, um ihn eines besseren zu belehren: "La pecora nera", "La solitudine dei numeri primi", "Noi credevamo" (204 Minuten lang) und "La passione". Nach Genre und Fun klingen die Namen schon einmal nicht. Vielleicht hätte man zur Sicherheit wenigstens den Neo-Giallo "Amer" für den Wettbewerb nominieren sollen, nur um Tarantinos Blutdurst zu stillen. Aber das wäre ehrlich gesagt eine französisch-belgische Produktion.
Am spannendsten werden aber sicherlich die Filmemacher, zu denen Tarantino noch keine Beziehung hat aufbauen können: Francois Ozons "Potiche", Kelly Reichardts "Meek's Cutoff", Julian Schnabels "Miral" und Yorgos Lanthimos in "Attenberg". Und die Filme, die auch Venedig nicht bekam: Terrence Malicks "Tree of Life" und Peter Weirs "The Way Back".
Link: - Offizieller Wettbewerb
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