Donnerstag, 3. September 2009
Hey, ab in den Süden ...
Nachdem “Inglourious Basterds” so glücklich in die Charts eingestiegen ist, bleiben eigentlich nur zwei Fragen offen: Können die Basterds die rund 200 Millionen Dollar von "Pulp Fiction" knacken? Und was lässt Tarantino darauf folgen? Zukünftige Buchadaptionen anderer Autoren schloss er kategorisch aus. Ansonsten wollte er abwarten, aber nicht mehr allzu lange von der Bildfläche verschwinden. Die biologische Uhr tickt. Mit sechzig Jahren soll Schluss sein.

... read more?

... comment

 
Als letzten Film stellt er sich ein Biopic über den Abolitionisten John Brown vor, der mit seinen Söhnen weißes Blut vergoss, um die Sklaverei in Amerika zu beenden. Ein Thema, das Tarantino seit längerem umtreibt und welchem er auch in "Inglourious Basterds" ursprünglich mehr Zeit einräumen wollte. Er erzählt gerne von einem seiner Lieblingsplots - afroamerikanische Soldaten, die hinter feindlichen Linien feststecken -, den er leider rausnehmen musste, da der Film ansonsten eine zwölfteilige TV-Miniserie geworden wäre. Eines der Bücher, das ihn für "Inglourious Basterds" inspirierte, war Ulysses Lees Aufklärungsbuch "The Employment of Negro Troops", das er als das Klügste bezeichnet, was jemals über den Krieg und den amerikanischen Rassismus in den 1940er-Jahren geschrieben wurde. Kleine Relikte davon finden sich im Film noch wieder, spiegeln sich in Hans Landas Eröffnungsmonolog über seine Interpretation der Rattenmetapher, manifestieren sich in der Figur des Filmvorführers Marcel und explodieren kurzzeitig in der effektiven Pointe, dass Major Hellstrom spaßeshalber zuerst auf die Leidensgeschichte der Schwarzen in Amerika tippt, bevor er King Kong errät.

Tarantinos neueste Lieblingsfilmliste im britischen Empire Magazin gab dagegen keinen Hinweis, was auf die Basterds folgen könnte. Dort hielt er an den meisten Konstanten fest, feierte wieder „The Good, the Bad and the Ugly“, „Taxi Driver“, „His Girl Friday“, „Carrie“ sowie „Die Ungetreue“ und zollte „Kill Bill“ mit „Five Fingers of Death“ Tribut. Das „Basterds“-Projekt hatte unzweifelhaft Spuren hinterlassen: Zum ersten Mal tauchte ein deutscher Film in der Top Ten auf, nämlich Georg Wilhelm Pabsts „Die Büchse der Pandora“. Und zum ersten Mal stand da ein Billy Wilder-Kriegsfilm über Erwin Rommel. Einzig und allein „Der weiße Hai“ auf Platz elf wollte nicht ganz reinpassen. Nachdem man seine Nazis gesehen hat, glaubte man doch langsam zu verstehen, warum er unbedingt einem Monsterfilm die Ehre geben musste. Suspense hieß die Lösung.

Tarantino erzählte einmal, er plane ein neues Genre, eine Art Spaghetti Western im tiefsten Süden der USA, den er dann einen ‚Southern’ nennen würde. Er würde gerne etwas machen, was niemand zuvor gewagt hätte: Einen Film zu schaffen, der sich mit der schrecklichen amerikanischen Vergangenheit um die Sklaverei auseinandersetzt, aber das Thema in einen unterhaltsamen Genrefilm verpackt und kein moralinsaures Prestigeprojekt würde. Er könnte mit diesem Thema, für das sich Amerika schämt und über das andere Länder keine Filme machen, weil sie glauben, kein Recht dazu zu haben, sensibel umgehen. Tarantino braucht das Genre, ja, eher noch das Subgenre. Darin fühlt er sich wohl, darin kennt er sich aus, darin kann er gegen Regeln verstoßen oder gleich neue aufstellen. Dort weiß er mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen.

In diesem Fall wäre es das Subgenre der Hicksploitation, für die es auch unzählige andere Namen gibt: Good Ol’ Boy Movies, Redneck Films, Moonshine & Bootleg Movies oder Trucker-Streifen. Einige der frühen Burt Reynolds-Filme fallen darunter, „Deliverance“ zum Beispiel oder „White Lightning“. Andere bekanntere Beispiele sind Jonathan Demmes „Fighting Mad“, „Jackson County Jail“, „Macon County Line“, „Walking Tall“ oder „Redneck Miller“. Letzteren zeigte Tarantino beim letzten großen eigenen Filmfestival im Double Feature unter dem Titel ‚Regional Redneck Night’. Wirklich einiges deutet darauf hin, dass es das sein könnte, was er als nächstes machen will. Ich glaube an kein „Basterds“-Sequel oder -Prequel, obwohl er angeblich schon ein halbfertiges Script in der Schublade liegen hat. Der Mann wiederholt sich nicht gern. Nach Pulp Fiction gab es die „Vega Brothers“, nach „Jackie Brown“ vier weitere Elmore Leonard-Bücher, an denen die Weinstein Company die Rechte hielt, nach „Kill Bill“ unzählige Gerüchte, wie es weitergehen könnte. Sogar von einem Anime wurde geträumt. Na ja. Was daraus geworden ist, haben wir gesehen bzw. nicht gesehen.

Mein größter Anhaltspunkt jedoch ist die Figur des Aldo Raine. Der Film erzählt uns fast gar nichts über ihn, nur dass er ein verrückter Hillbilly ist und in Sizilien gekämpft haben will. Seine tieferen Beweggründe bleiben im Dunkeln, genauso wie die Herkunft seiner tellergroßen Halsnarbe. Manch einer spekulierte, sie könnte auf den Edgar Wallace-Film "Der rote Kreis" verweisen, was nicht total abwegig ist. Im Drehbuch wird nur angedeutet, dass sie das Zeichen eines Lynchversuchs war. Tarantino indes erzählte im Interview, dass Aldo vor dem Zweiten Weltkrieg im amerikanischen Süden den Ku Klux Klan bekämpfte. Und bekanntlich liebt der Regisseur wenig mehr, als versteckte Hinweise zu geben und Querverbindungen zu eigenen späteren Filmen einzubauen: Die Vega-Brüder-Connection in „Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“, das Gerede über Pam Grier in „Reservoir Dogs“, Uma Thurman, die in „Pulp Fiction“ die komplette Storyline von „Kill Bill“ umreißt, wenn sie von ihrem Serienpiloten erzählt, Bruce Willis, der beim Pfandleiher an der Wand durch die Filmgeschichte geht, indem er die richtige Waffe für die blutige Rache sucht und natürlich zum Samuraischwert greift usw. Ich glaube, Aldo Raine könnte genau solch ein Link sein. Ein Link zu Quentin Tarantinos kommendem Film. Einem Southern. Ich lasse mich aber auch gerne eines besseren belehren.

... link  


... comment