Montag, 11. Dezember 2017
Streaming-Tipp: Rüdiger Suchslands Doku „Hitlers Hollywood“

Hitler und Goebbels bei der UFA | Bundesarchiv, Bild 183-1990-1002-500 (CC-BY-SA 3.0)
Heute um 23.35 Uhr strahlt Arte Rüdiger Suchslands Doku „Hitlers Hollywood“ in die Nacht aus. Danach gibt es aber in der Mediathek eine Woche lang die Gelegenheit, den Film nicht zu verpassen. Ein Streaming-Tipp von Michael Müller

Der von mir einst verehrte, heute eher zwiespältig wahrgenommene deutsche Filmkritiker Rüdiger Suchsland hat den Dokumentarfilm „Hitlers Hollywood – Das deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945“ gedreht. Damit schaffte er es im September sogar auf das prestigeträchtige Telluride-Festival, wo ansonsten die Oscar-Filme der Saison ausgerufen werden. Das passt: Denn in den verschneiten Bergen von Colorado wurde in den 1970er-Jahren auch die Regisseurin Leni Riefenstahl wieder in den cineastischen Pantheon aufgenommen – übrigens vor allem durch New Hollywood-Regisseure. Da schließt sich also ein Kreis.

Vom 11. bis zum 18. Dezember 2017 ist Suchslands Doku in der Arte-Mediathek zu sehen (unten verlinkt). Am Montag ist er in den letzten Programmtag der 100-Jahre-Ufa-Retrospektive des deutsch-französischen Senders eingebunden: Erst läuft von Sternbergs „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich, dann Veit Harlans „Opfergang“ mit Kristina Söderbaum. Zum Abschluss zur Geisterstunde folgt Suchslands Werk.
Braucht es Schutzpatron Kracauer?
Ich hätte mir doch noch mehr die filmjournalistische Schule eines Eric Rentschlers („Ministry of Illusion“) gewünscht als den erhobenen Zeigefinger von Erwin Leiser („Deutschland, erwache!"). Braucht es denn immer noch den ewigen Film-Paten Siegfried Kracauer, der einem den intellektuellen Unterbau bereitet? Sind dessen Thesen nicht bereits beim Weimarer Kino widerlegt worden? Und wie kann man eine Doku über den Film des Dritten Reiches drehen, aber mit keinem einzigen Wort Werner Hochbaum erwähnen? Und wenn schon von einem der besten deutschen Regisseure aller Zeiten, nämlich Helmut Käutner, schwärmen, müsste die Doku nicht 200 anstatt 100 Minuten laufen? Fragen über Fragen.

„Hitlers Hollywood“ ist etwas wirr und sprunghaft, das Konzept erschließt sich mir nie so ganz. Irgendwann darf Susan „Fascinating Fasicm“ Sontag noch einen Satz in die Kamera sagen und Hannah Arendt wird irgendwo noch reingequetscht. Aber es ist eine wahre Freude, so viele digital restaurierte Ausschnitte in formidabler Bildqualität wiederzusehen. Suchsland Film richtet sich eher an Einsteiger denn an Filmhistoriker. Wenn Suchsland schwärmt, wagt er etwas. Dann sind seine Beobachtungen spannend. Ansonsten werden viele klassische Eckpunkte pflichtschuldig abgehakt (Der antisemitische Film, der Genie-Film, die Morgengaben 1933 usw.).

So machen die Schnappschüsse und angerissenen Regie-Biografien vor allem Lust auf mehr. Die Karl-May-Verfilmung „Durch die Wüste“ (1936), „Großstadtmelodie“ (1943) von Wolfgang Liebeneiner oder „Zwei in einer großen Stadt“ (1942) von Volker von Collande will ich jetzt nachholen. Es ist letztlich ein schlampig sortierter, wenn auch anregender Gemischtwarenladen. Wer richtig in die Tiefe gehen will, macht mit Eric Rentschler oder dem französischen Duo Francis Courtade und Pierre Cadars („Geschichte des Films im Dritten Reich“) weiter.

Arte-Stream | 100 Jahre Ufa

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Ich rieche was, was Du grad siehst

Sweet Smell of Success | © Luca Mascaro, flickr (CC BY-SA 2.0)
Ein Kinofilm kann viele unterschiedliche Gefühle auslösen: Stress, Spaß, Angst und so weiter. Und diese Emotionen rufen wiederum körperliche Reaktionen hervor. Und die können Wissenschaftler messen. Nur anhand der Atemluft in einem Kinosaal können Forscher erkennen, welcher Film geschaut wird. Ein Beitrag von Jörn Schumacher

Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz haben in Kinosälen während der Vorstellungen die Zusammensetzung der Atemluft im Saal gemessen und dabei Erstaunliches festgestellt. Die Atemluft spiegelte die Gefühle wider, die im Saal vorherrschten, während der Film lief. Mehr noch: Anhang der Konzentrationen der biologischen Spurengase konnten die Forscher letztendlich sogar erkennen, welcher Film gezeigt wurde.

Die Forscher um Jonathan Williams maßen zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 14. Januar 2014 im Mainzer Cinestar die abgesaugte Luft während einer Kinovorstellung – alle 30 Sekunden. Die Klimaanlage lief dabei wie bei jeder anderen Vorstellung auch. Insgesamt untersuchten sie 108 Vorführungen mit insgesamt 9.500 Kinozuschauern. Sie hatten 16 unterschiedliche Filme aus den Genres Comedy, Horror und Romantik ausgewählt. Darunter waren etwa „Der Hobbit: Smaugs Einöde“, „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, „Die Tribute von Panem - Mockingjay: Teil 2“ und „Carrie“. (Die volle Liste findet sich innerhalb der Original-Studie. Für das Experiment wurden keine personenbezogenen Daten erfasst, lediglich die Anzahl der Kinobesucher wurde registriert.
Kampf ums Überleben
Im Ergebnis konnten die Forscher genau sehen, wann ein Film lustig, spannend oder langweilig ist. Am Beispiel der chemischen Signatur von „Tribute von Panem“ erklärt Forschungsleiter Jonathan Williams: „An der Stelle, an der die Heldin um ihr Leben kämpft, stiegen die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer deutlich an“. Isopren (C5H8) und Aceton (C3H6O) sind die beiden häufigsten organischen Spurengase. Sie und die Menge an Kohlendioxid maßen die Forscher. Eine Erklärung für ihre Ergebnisse sehen die Wissenschaftler darin, dass die Kinobesucher bei aufregenden Filmszenen unruhig werden und schneller atmen.

Theoretisch wäre es damit für die Werbeindustrie möglich, mal in einen Kinosaal „reinzuschnuppern“, wie da gerade so die Stimmung ist. Oder wie ein Werbeclip ankommt.
Zuschauermanipulation möglich?
Der nächste Schritt wäre dann der umgekehrte: Warum nich die Luft im Saal so abändern, dass bestimmte Stimmungen entstehen? Es hält sich ja schon lange das Gerücht, dass Kinobetreiber besonderen Wert auf den ganz speziellen „Popcorn-Duft“ legen. Es soll sogar Kinos geben, die über die Klimaanlage diesen Kino-Duft extra in den Saal leiten, damit das Publikum Lust auf Popcorn bekommt und konsumiert.

So weit scheint der Weg zum duft-manipulierten Kino gar nicht zu sein: Der Künstler und Geruchsexperte Wolfgang Georgsdorf hat eine elektronische „Geruchsorgel“ entwickelt, die den einfallsreichen Namen „Smeller“ trägt. Damit lassen sich Düfte komponieren wie ein Musikstück. Werden wir also demnächst das Geruchs-Kino erleben, in dem die Gefühle auf der Leinwand mit Gefühlen aus einem chemischen Cocktail über die Atemluft kombiniert werden?

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Samstag, 9. Dezember 2017
Cahiers du Cinema wählen David Lynch

Kyle MacLachlan in „Twin Peaks: The Return“ | © Showtime

Eine TV-Serie auf Platz eins? Typisch, Franzosen! ;) Auch wenn man keinen der Kritiker mehr kennt, die für die Cahiers du Cinema schreiben, funktioniert heute immer noch die von der Nouvelle Vague etablierte Marke. Ihre Jahresliste hat schöne exzentrische Spitzen.

01. Twin Peaks: The Return (David Lynch)
02. Jeannette (Bruno Dumont)
03. Certain Women (Kelly Reichardt)
04. Get Out (Jordan Peele)
05. The Day After (Hong Sang-soo)
06. Lover for a Day (Philippe Garrel)
07. Good Time (Josh & Benny Safdie)
08. Split (M. Night Shyamalan)
09. Jackie (Pablo Larraín)
10. Billy Lynn's Long Halftime Walk (Ang Lee)

Links: - Cahiers du Cinema-Liste, - Lieblinge 2016

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Mittwoch, 6. Dezember 2017
„Get Out“ rockt Sight & Sound-Liste


Es ist die wohl wichtigste Top-Ten-Liste einer Vereinigung von internationalen Filmkritikern: Auf Platz eins des britischen Filmmagazins Sight & Sound landete der US-Horrorfilm "Get Out". Auch ein deutscher Film steht in der Top Ten.

01. Get Out (Jordan Peele)
02. Twin Peaks: The Return (David Lynch)
03. Call Me by Your Name (Luca Guadagnino)
04. Zama (Lucrecia Martel)
05. Western (Valeska Grisebach)
06. Faces Places (Agnès Varda)
07. Good Time (Josh & Benny Safdie)
08. Loveless (Andriy Zvyagintsov)
09. Dunkirk (Christopher Nolan)
10. The Florida Project (Sean Baker)

Link: - Sight & Sound Liste 2017

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Restaurierte Berlinale-Weltpremiere des seltenen Stummfilms „Das alte Gesetz“

„Das alte Gesetz“ | © Deutsche Kinemathek
Seltener deutscher Stummfilm „Das alte Gesetz“ feiert restaurierte Weltpremiere auf der Berlinale 2018.

In der Reihe Berlinale Classics präsentieren die 68. Berlinale mit Ewald André Duponts „Das alte Gesetz“ aus dem Jahr 1923 ein besonderes Stummfilm- und Konzert-Highlight. Die digitale Restaurierung der Deutschen Kinemathek erlebt mit einer neuen Musik des französischen Komponisten Philippe Schoeller am 16. Februar 2018 im Friedrichstadt-Palast ihre Weltpremiere. „Das alte Gesetz“, ein wichtiges Werk der deutsch-jüdischen Filmgeschichte, kontrastiert die in sich gekehrte Welt eines osteuropäischen Schtetls mit dem liberalen Wien der 1860er-Jahre und thematisiert die Assimilation der Juden im Europa des 19. Jahrhunderts.

Eine erste Rekonstruktion dieses Films hatte die Deutsche Kinemathek bereits 1984 unternommen und dabei versucht, sich der Originalfassung so weit anzunähern, wie die damalige Quellenlage das zuließ. Als später der Fund der Zensurkarte bekannt wurde, wurde dies der Auslöser für eine erneute weltweite Recherche und schließlich für eine neue, digitale Bearbeitung.
Erstmals verschollene Premierenfassung verwendet
Für die digitale Neubearbeitung standen zeitgenössische Nitrokopien in fünf verschiedenen Sprachen aus Archiven in Europa und den USA zur Verfügung. Erst anhand der Zensurkarte jedoch konnte das Restauratorenteam der Deutschen Kinemathek die bisher verloren geglaubten originalen Zwischentitel wiederherstellen sowie die Montage vervollständigen und korrigieren. Das Konzept für die Rekonstruktion einer farbigen Fassung orientierte sich vor allem an zwei hinsichtlich des Farbschnitts und der Farbwerte identischen Kopien. Erstmals wird jetzt die verschollene deutsche Premierenfassung in ihrer ursprünglichen Länge und in einer zeitgenössischen Einfärbung wieder zugänglich.

„Mit seiner authentischen Ausstattung und einem exzellenten Schauspielerensemble, großartig in Szene gesetzt von Kameramann Theodor Sparkuhl, ist 'Das alte Gesetz' ein herausragendes Beispiel für die Kreativität jüdischer Filmschaffender im Deutschland der 1920er Jahre", so Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen.

Die Aufführung des Films bei der Berlinale ist der Auftakt einer Tournee durch einstmals bedeutende Zentren jüdischen Lebens vor allem in Osteuropa. Zu den Stationen dieser Tour gehören Vilnius, Budapest, Warschau und Wien. In San Francisco wird er beim Silent Film Festival vorgestellt. Ihre TV-Premiere erlebt die restaurierte Fassung am 19. Februar 2018 auf Arte. Die digitale Neubearbeitung von „Das alte Gesetz“ durch die Deutsche Kinemathek wurde ermöglicht durch das persönliche Engagement von Cynthia Walk (University of California, San Diego) und die großzügige Unterstützung der Sunrise Foundation for Education and the Arts.

Link: - Retrospektive Weimarer Schätze 2018

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Mittwoch, 6. Dezember 2017
Berlinale-Abrechnung: Negative Space zu Gast beim hochverehrten Wollmilchcast

Joaquin Phoenix in „A Beautiful Day“ | © Why Not Productions
Über die Berlinale mit und nach Dieter Kosslick: Negative Space war zu Gast im Wollmilchcast.

Wann lädt einen schon der Wollmilchcast in seine heiligen Hallen? Der Berlin-Aufenthalt für Negative Space-Chefredakteur Michael Müller hätte sich bereits allein für diesen Podcast-Besuch gelohnt gehabt. Ausgangspunkt des Gesprächs mit Jenny Jecke und Matthias Hopf war die Erklärung der 79 Regisseure, die sich einen Neuanfang bei der Berlinale wünschen. Darüber hinaus ist es aber vor allem ein ziemlich hörenswertes Gespräch über Filmfestivals geworden – und was man von ihnen erwartet.

Ab 00:55:35 diskutieren wir auch den neuen Lynne-Ramsay-Film „You Were Never Really Here“, der in Deutschland jetzt „A Beautiful Day“ heißen wird. Und ab 01:12:00 machen wir noch einen kleinen Hofknicks vor der französischen Entdeckung „Ava“. Beides Filme, die auf dem famosen Around-the-World-in-14 Films-Festival in der Berliner Kulturbrauerei liefen.



Links: - Mehr Wollmilchcasts, - The Gaffer, - Das Film Feuilleton

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Dienstag, 5. Dezember 2017
Toldja: Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs“ eröffnet Berlinale 2018
© 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation
Wird auch Yoko Ono über den Roten Teppich der Berlinale 2018 laufen? Als Stimme in Wes Andersons neuem Film „Isle of Dogs“, der das Festival eröffnet, könnte das passieren.

Zum Auftakt der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin am 15. Februar 2018 wird Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs – Ataris Reise“ seine Weltpremiere im Berlinale Palast feiern. Und in alter Nikki-Finke-Manier sagt der Blog Negative Space: Toldja. Das haben wir schon lange kommen sehen.

Wes Anderson hat bisher drei Filme im Berlinale Wettbewerb präsentiert: „Die Royal Tenenbaums“ (2002), „Die Tiefseetaucher“ (2005) und „Grand Budapest Hotel“ (2014), der die 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnete und den Silbernen Bären Großer Preis der Jury gewann. „Ich freue mich sehr, dass Wes Anderson wieder den Berlinale-Wettbewerb eröffnet. Mit 'Isle of Dogs – Ataris Reise' wird erstmals ein Animationsfilm zum Auftakt des Festivals gezeigt – ein Film, der mit dem verzaubernden Wes-Anderson-Stil begeistert“, sagt Festivaldirektor Dieter Kosslick.
Starparade auf dem Roten Teppich
„Isle of Dogs – Ataris Reise“ erzählt die Geschichte von Atari Kobayashi, dem zwölfjährigen Pflegesohn des korrupten Bürgermeisters Kobayashi. Als durch einen Regierungserlass alle Hunde der Stadt Megasaki City auf eine riesige Mülldeponie verbannt werden, macht sich Atari allein in einem Miniatur-Junior-Turboprop auf den Weg und fliegt nach Trash Island auf der Suche nach seinem Bodyguard-Hund Spots. Dort freundet er sich mit einem Rudel Mischlingshunde an und bricht mit ihrer Hilfe zu einer epischen Reise auf, die das Schicksal und die Zukunft der ganzen Präfektur entscheiden wird.

Die Besetzung der Stimmen umfasst Bryan Cranston, Koyu Rankin, Edward Norton, Liev Schreiber, Bill Murray, Bob Balaban, Jeff Goldblum, Scarlett Johansson, Kunichi Nomura, Tilda Swinton, Ken Watanabe, Akira Ito, Greta Gerwig, Akira Takayama, Frances McDormand, F. Murray Abraham, Courtney B. Vance, Yojiro Noda, Fisher Stevens, Mari Natsuki, Nijiro Murakami, Yoko Ono, Harvey Keitel und Frank Wood. „Isle of Dogs – Ataris Reise“ startet in den USA am 23. März 2018 in den Kinos. Weltweit wird der Film ab April 2018 in die Kinos kommen.

Link: - Mehr Berlinale-News

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Der Klassiker unter den Best-of-Videos: David Ehrlichs Top-25-Liste

THE 25 BEST FILMS OF 2017: A VIDEO COUNTDOWN from David Ehrlich on Vimeo.

Immer ein audiovisueller Augenschmaus. Gefühlt wahnsinnig viel 90er-Trash auf der Songliste, mit dem man damals so aufgewachsen ist. Die Top-25-Liste des amerikanischen Filmkritikers David Ehrlich gehört seit längerem zu den festen Traditionen am Ende des Jahres. Wir warten weiterhin auf sein erstes eigenes Filmprojekt!

David Ehrlichs Top Ten 2017:

01. Call Me by Your Name
02. Dunkirk
03. A Ghost Story
04. Personal Shopper
05. The Florida Project
06. Columbus
07. Lady Bird
08. The Post
09. Faces Places
10. Phantom Thread

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Was New York und Los Angeles für die Oscars empfehlen

Die Doku „Faces Places“ von Agnes Varda

Wie die wichtigsten US-Kritiker von der Ost- und der Westküste abgestimmt haben:

Die beiden bedeutendsten Kritikerverbände der Vereinigten Staaten von Amerika haben über ihres Jahresfavoriten abgestimmt. Einen Frontrunner bestimmen sie nicht. Aber sie definieren einige Favoriten in ausgewählten Kategorien: Timothée Chalamet als bester Hauptdarsteller für „Call Me by Your Name“, Willem Dafoe als bester Nebendarsteller in „The Florida Project“, das französische Werk „120 BPM“ als bester fremdsprachiger Film und Agnes Vardas „Faces Places“ als bester Dokumentarfilm:

BEST PICTURE

N.Y.: Lady Bird
L.A.: Call Me by Your Name

BEST DIRECTOR

N.Y.: Sean Baker (The Florida Project)
L.A.: Guillermo del Toro (The Shape of Water) & Luca Guadagnino (Call Me by Your Name)

BEST SCREENPLAY

N.Y.: Paul Thomas Anderson (Phantom Thread)
L.A.: Jordan Peele (Get Out)

BEST ACTOR

N.Y.: Timothée Chalamet (Call Me by Your Name)
L.A.: Timothée Chalamet (Call Me by Your Name)

BEST ACTRESS

N.Y.: Saoirse Ronan (Lady Bird)
L.A.: Sally Hawkins (The Shape of Water)

BEST SUPPORTING ACTOR

N.Y.: Willem Dafoe (The Florida Project)
L.A.: Willem Dafoe (The Florida Project)

BEST SUPPORTING ACTRESS

N.Y.: Tiffany Haddish (Girls Trip)
L.A.: Laurie Metcalf (Lady Bird)

BEST FOREIGN LANGUAGE FILM

N.Y.: 120 BPM (Frankreich)
L.A.: 120 BPM (Frankreich) & Loveless (Russland)

BEST DOCUMENTARY

N.Y.: Faces Places (Agnes Varda)
L.A.: Faces Places (Agnes Varda)

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Samstag, 2. Dezember 2017
Streaming-Tipp: Das neue RBTV-Format „Film Fights“

„Film Fights“: Auf den Spuren von Screen Junkies | © Rocket Beans TV

Am Freitag lief der Pilot zur neuen Sendung „Film Fights“ auf Rocket Beans TV. Es war erstaunlich hitzig – und ziemlich unterhaltsam.

Was sich nach der ersten Ausgabe „Film Fights“ von Rocket Beans TV festhalten lässt: Es ist von einem amerikanischen Format der Screen Junkies entlehnt, aber das haben die Raketenbohnen mit offenen Karten gespielt; es ist extrem unterhaltsam und reizvoll; es ließen sich aber auch kritische Nachfragen stellen: Ist es auf Dauer nicht ein bisschen sehr subjektiv, wenn eine einzige Person darüber entscheidet, wer am besten argumentiert hat? Verschwindet bei diesem Konzept letztlich nicht die eigene Meinung im Hintergrund und geht es dann fast ausschließlich um das Debattiertalent?

Für eine Live-Show mit den vielen Unwegbarkeiten war das auf jeden Fall großes Tennis. Bei „Film Fights“ diskutieren drei Experten über Fragen nach der besten Eröffnungssquenz der Filmgeschichte, oder sie pitchen eine Drehbuchidee zum wichtigsten Weltereignis des Jahres. Vor allem die frischen Kräfte Stefan Titze und Sophie Passmann wussten dabei zu überzeugen. Aber auch die Stammkräfte Etienne Gardé, Florentin Will und Daniel Schröckert fügten sich gut in ihr Aufgabenfeld. Obendrauf gab es eine eher grenzwertige Diskussion zum Thema #metoo und Weinstein-Tornados.
„Film Fights“ jagte „heute-show“ bei Twitter
Es ist vor allem eine Show, bei der man irgendwie immer gerne etwas dazwischenrufen, widersprechen oder zustimmen will. Die angeregte Interaktivität von „Film Fights“ zahlte sich aus: Die Spartensendung schaffte es hinter die „heute-show“ in die Trending Topics bei Twitter. Der Pilotfolge wäre es zu wünschen, dass sie in Serie geht. An den Feinheiten des Konzepts könnte dann gearbeitet werden.

Als Nächstes schlage ich den Raketenbohnen eine Adaption von „Das literarische Quartett“ mit Filmen vor: Die Sendung kommt einmal im Monat; alle vier Diskutanten haben alle zu besprechenden Filme gesehen; jeder Diskutant darf dabei einen Film vorschlagen; ein Diskutant stellt neutral einen Film vor; dann schlagen sich die Teilnehmer verbal für eine Viertelstunde die Köpfe ein. Es gibt drei Stammkräfte und einen wechselnden Gast. Das kann bei Gelegenheit auch mal ein Regisseur oder Drehbuchschreiber sein. Warum dann nicht mal einen internationalen Star wie Edgar Wright einladen, wenn er gerade auf Promo-Tour ist.

Link: - Mehr RBTV-News

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Unterzeichner von Berlinale-Aufruf fühlen sich für Anti-Kosslick-Kampagne ausgenutzt

Regisseur Dominik Graf | © JCS, Wikipedia (CC BY-SA 3.0)
Der Blog Negative Space berichtete, dass 79 Regisseure eine Erklärung unterschrieben haben, welche die Nachrichtenseite Spiegel Online am 24. November veröffentlicht hat. Darin forderten die Filmemacher einen Erneuerungsprozess der Berlinale und eine transparente, internationale Ausschreibung für die Nachfolge des Festivalleiters Dieter Kosslick. Gefahren wurde die Veröffentlichung von Spiegel Online, aber auch von anderen Publikationen, vor allem als Abrechnung mit dem aktuellen Berlinale-Chef, der im Jahr 2019 aus seinem Amt ausscheidet.

Wie man aber am Donnerstag in der Wochenzeitung Die Zeit nachlesen konnte, war das zumindest von einigen Regisseuren, die unterzeichnet hatten, überhaupt nicht die Absicht. Einer der prominentesten Filmemacher unter den 79 Regisseuren, Dominik Graf („Die geliebte Schwestern“, „Die Katze“), stellte das jetzt klar: „Wenn ich gewusst hätte, dass unser Schreiben in das publizistische Fahrwasser einer Abrechnung mit Kosslick gezogen wird, hätte ich nie unterschrieben.“
„Es wird immer hintenrum draufgehauen“
Weiter führte Graf aus: „Genau das nervt mich an der deutschen Filmbranche: Dieses 'Kopf ab!'-Geschrei, dieser Mangel an direkter Auseinandersetzung, an Differenzierung – und stattdessen wird dann immer hintenrum draufgehauen. Wir wollten mit der Petition nach vorne blicken, ohne nach hinten zu treten.“ Diese Stoßrichtung unterstricht auch Regisseur Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“, „Halbe Treppe“): „Es ging uns weder um Abrechnung noch um Kritik noch um die Kampagne, die daraus gemacht wurde. Die ganze Debatte ist in höchstem Maße unfair.“

Montag, den 4. Dezember, findet im Haus der Kulturen der Welt in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Filmfestivals heute“ statt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters führt in die Debatte ein. Es diskutieren die Chefin des Medienboards Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, die als Nachfolgerin von Kosslick gehandelt wird; der Regisseur Christoph Hochhäusler, der Unterzeichner der Erklärung ist sowie die Kulturchefin des Tagesspiegel, Christiane Peitz.

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Mittwoch, 29. November 2017
Und so beginnt es ...

Vicky Krieps in „Phantom Thread“ | © Annapurna Pictures / Focus Features

Das National Board of Review startet den traditionellen Oscar-Reigen. Steven Spielberg mischt die bisherigen Favoriten auf.

Das Oscar-Rennen ist offiziell eröffnet. Der erste richtungsweisende Kritikerverband, das National Board of Review, hat seine Gewinner gekürt. Als bester Film wurde Steven Spielbergs Werk „The Post“ ausgezeichnet. Beste Regisseurin wurde Greta Gerwig mit ihrem Film „Lady Bird“. Auch die beiden Hauptdarstellerpreise gehen an Spielbergs Zeitungsfilm: Tom Hanks wird bester Schauspieler, Mery Streep beste Schauspielerin. Am wichtigsten ist aber immer die Liste der zehn besten Filme des Jahres:
Platz eins: THE POST

* BABY DRIVER
* CALL ME BY YOUR NAME
* THE DISASTER ARTIST
* DOWNSIZING
* DUNKIRK
* THE FLORIDA PROJECT
* GET OUT
* LADY BIRD
* LOGAN
* PHANTOM THREAD
In einem normalen Jahr würde ich die Liste des National Board of Review nicht mehr posten. Ich würde sie amüsiert zur Kenntnis nehmen. Zu dubios ist eigentlich die Zusammensetzung der Kritikervereinigung, zu weit habe ich mich von den Oscar Bloggern entfernt. Aber in diesem Jahr sind einfach sehr viele Filme im Rennen, denen ich die Daumen drücke.

Das gilt selbst für einen von mir noch nicht gesehenen Film wie Paul Thomas Andersons „Vertigo“-Variation „Phantom Thread“ mit Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps. Wie cool ist das denn? Da ist auf einmal die famose Luxemburgerin aus „Das Zimmermädchen Lynn“ und „Der junge Karl Marx“ in einem potenziellen Oscar-Film zu sehen. Übrigens feierte der tolle „Karl Marx“ in der angeblich so überflüssigen Berlinale-Special-Reihe seine Weltpremiere.
Spannender ist fast, wer nicht drauf steht
Steven Spielberg erhält einen größeren Push mit den diversen Preisen. Mich amüsiert zwar ein bisschen der Spruch „Der beste Spielberg seit ...“, weil ganz klar „Bridge of Spies“ sein bester Film seit den frühen 2000er-Jahren ist. Und das war quasi sein bis dato letztes Werk. Aber ansonsten bestätigt das National Board frühe Favoriten wie „Call Me by Your Name“, „Dunkirk“, „The Florida Project“, „Get Out“ und „Lady Bird“. So schön ich auch die Nennung von „Logan“ finde, der wird in diesem Umfeld zu vernachlässigen sein. Auch „Baby Driver“ und „The Disaster Artist“ wirken wie Zeichen der versuchten Jugend. „Downsizing“ ist auch eigentlich schon in Toronto verbrannt worden.

Überraschenderweise außen vor sind hier auf jeden Fall „Shape of Water“, „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, „Darkest Hour“ und „The Big Sick“. Die Liste zeigt letztlich eigentlich nur, wie offen das Oscar-Rennen zu diesem Zeitpunkt noch ist. Die Kritiker positionieren sich, die letzten Kandidaten werden gesichtet. Spannend wird sein, wie sich „The Post“ und „Phantom Thread“ auf mittelfristige Sicht unter den Favoriten einsortieren werden.

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Freitag, 24. November 2017
Deutsche Regisseure wünschen sich Neuanfang auf der Berlinale

Entscheidet über die Zukunft der Berlinale: Kulturstaatsministerin Monika Grütters | Christof Rieken, Wikipedia CC BY-SA 3.0
Die wichtigsten deutschen Regisseure haben eine Erklärung veröffentlicht. Sie wollen frischen Wind auf der Berlinale. Festivalleiter Dieter Kosslick antwortet. Eine Zusammenfassung von Michael Müller

Die Nachrichtenseite Spiegel Online hat am Freitag eine Erklärung von 79 deutschen Filmemachern veröffentlicht. Darunter befinden sich die bekanntesten Regisseure der vergangenen 40 Jahre. Zum Beispiel sind es Fatih Akin, Maren Ade und Christian Petzold, aber auch Altmeister wie Volker Schlöndorff und Doris Dörrie. Es geht wohl vor allem darum, Namen und Konstellationen zu verhindern, die nach dem Vertragsende des Berlinale-Chefs Dieter Kosslick im Jahr 2019 Realität werden könnten:

„Die Berlinale ist eines der drei führenden Filmfestivals weltweit. Die Neubesetzung der Leitung bietet die Chance, das Festival programmatisch zu erneuern und zu entschlacken. Wir schlagen vor, eine internationale, zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzte Findungskommission einzusetzen, die auch über die grundlegende Ausrichtung des Festivals nachdenkt. Ziel muss es sein, eine herausragende kuratorische Persönlichkeit zu finden, die für das Kino brennt, weltweit bestens vernetzt und in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen. Wir wünschen uns ein transparentes Verfahren und einen Neuanfang.“

Wenige Stunden später antwortete Dieter Kosslick darauf mit einer Pressemitteilung:

„Ich kann den Wunsch der Regisseur*innen nach einem transparenten Prozess der Neugestaltung der Berlinale verstehen. Die Zukunft der Berlinale ist uns allen ein Anliegen. Das Berufungsverfahren liegt in Händen der Staatsministerin für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters. Mein Vertrag endet am 31. Mai 2019. Der Aufsichtsrat hatte mich aufgefordert, einen Vorschlag zu einer möglichen Neustrukturierung der Berlinale zu unterbreiten. Diesen Vorschlag werde ich – völlig unabhängig von meiner Person – dem Aufsichtsrat vorlegen.“
„Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“
Zusammenfassend ließe sich dazu das Zitat dier Figur Ranger aus dem „Schuh des Manitu“ anbringen: „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ 17 Jahre Dieter Kosslick haben ihre Spuren bei den Filmschaffenden hinterlassen. Aus ihrem Schreiben spricht die Angst, dass der Nachfolger oder die Nachfolgerin wieder aus der Filmförderungslandschaft kommen könnte. Und es existiert die leise Hoffnung, dass ihr kleinster gemeinsamer Nenner in Form dieser veröffentlichten Erklärung daran etwas ändern könnte. Eine Quelle kolportierte, dass die Erklärung der Regisseure bereits im Mai verfasst wurde, aber nicht die passende Reaktion bei Kulturstaatsministerin Grütters ausgelöst habe, die über Kosslicks Nachfolge entscheidet.

Am Donnerstag waren bereits zwei Texte im deutschen Feuilleton erschienen, die sich mit der Zukunft der Berlinale auseinandersetzten. Matthias Dell im Freitag bot auch gleich alternative Namen für die Festivalleitung mit den beiden Österreichern Christine Dollhofer und Alexander Horwath an. Lukas Foerster vom Perlentaucher glänzte mit dem insgesamt spannendsten und originellsten Vorschlag: Fortan solle das berüchtigte Hofbauer-Kommando die Retrospektive der Berlinale übernehmen.
Erklärung taugt nicht zur Generalabrechnung
Einer der Unterzeichner der Erklärung, Christoph Hochhäusler („Unter dir die Stadt“, „Dreileben: Eine Minute Dunkel“), gab am Freitag dem Deutschlandfunk Kultur ein eher schwammiges Interview, weil er auch nicht als der Vertreter der Gruppe sprechen wollte. Von Neuanfang und einem Nachfolger mit Visionen ist da die Rede. Interessanterweise könnte man einem der Hauptvorwürfe Hochhäuslers Lukas Foersters Text entgegenhalten: Hochhäusler fordert eine Entschlackung der Berlinale wegen der zahlreichen Nebenreihen. Foerster sieht gerade in der Verästelung des Programms den Reiz, weil sie gesellschaftliche Prozesse widerspiegelt. An dieser einen Stellschraube zeigt sich also bereits, dass die Erklärung der Regisseure überhaupt nicht zur Generalabrechnung mit Kosslick taugt. Was aber Hannah Pilarczyk von Spiegel Online oder auch Rüdiger Suchsland von Artechock nicht davon abgehalten hat, genau dies zu tun.

So oder so werden es spannende Zeiten: Ein Blick auf die anderen beiden bedeutenden A-Festivals der Welt reicht, um den Prozess auch kritischer betrachten zu können. Es gibt, glaube ich, wenige Kritiker, die behaupten, dass Cannes nach der Staffelstabübergabe von Gilles Jacob zu Thierry Frémaux ein besseres Programm bekommen hätte. Das Gegenteil ist eher der Fall. Und Venedig hat das Problem, dass die amerikanischen Weltpremieren mittlerweile gar nicht mehr als Venedig-Filme wahrgenommen werden. Denn sie laufen ein paar Tage später in Telluride und Toronto und erhalten dort die größere und auffälligere Berichterstattung. Nimmt man Venedig die drei Oscar-Filme, die dort zwangsläufig ihre Weltpremiere feiern, weg, was bleibt dann noch vom Wettbewerb 2017? Was schreibt eigentlich die italienische Presse über Alberto Barbera, der Marco Müller 2012 in Venedig abgelöst hatte?

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Dienstag, 21. November 2017
Weimarer Schätze auf der Berlinale heben!

„Das Lied vom Leben“ (Alexis Granowsky, 1931) | © Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Wiedermal hat die Berlinale-Retrospektive den Weimar Touch. 2018 gibt es aber restaurierte, teils verschollen geglaubte Schätze zu heben. Außerdem laufen Werke von Werner Hochbaum, Hermann Kosterlitz und Erich Waschneck.

Die Retrospektive der 68. Berlinale stellt das Weimarer Kinos ins Zentrum. Vor rund 100 Jahren, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und mit der Ausrufung der Weimarer Republik, entwickelte sich eine der produktivsten und einflussreichsten Phasen des deutschen Filmschaffens, die dessen internationale Wahrnehmung bis heute prägt. 28 Programme mit Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus den Jahren 1918 bis 1933 werden bei „Weimarer Kino – neu gesehen“ auf der großen Leinwand zu erleben sein.

„Quer durch die Genres dokumentiert die Retrospektive den Zeitgeist der Weimarer Republik und reflektiert Identitätsfragen. Das Spektrum reicht von der schwungvollen Tonfilmoperette über wortwitzige Komödien bis hin zu sozial und politisch engagierten Filmen. Die Filme sind von enormer Frische und Aktualität“, kommentiert Berlinale-Direktor Dieter Kosslick.
Verloren geglaubte Schätze restauriert
Zu den Höhepunkten der Retrospektive gehören die Erstaufführungen einiger aktueller Restaurierungsvorhaben wichtiger deutscher Archive und Filminstitutionen. Präsentiert werden der Bergfilm „Kampf ums Matterhorn“ (Mario Bonnard, Nunzio Malasomma, 1928), Robert Reinerts Monumentalfilm „Opium“ (1919) sowie ein lange Zeit als verschollen geltender zweiteiliger Film Urban Gads, der auf Jakob Wassermanns literarischer Vorlage von 1919 „Christian Wahnschaffe“ basiert (Teil 1: Weltbrand, 1920, Teil 2: Die Flucht aus dem goldenen Kerker, 1921).

Die Retrospektive konzentriert sich auf drei thematische Schwerpunkte: „Exotik“, „Alltag“ und „Geschichte“. In ferne, exotische Welten führen Clärenore Stinnes und Carl Axel Söderström mit ihrer abenteuerlichen Reise „Im Auto durch zwei Welten“ (1927–31). Friedrich Dalsheim und Gulla Pfeffer beobachten in ihrem frühen ethnologischen Film „Menschen im Busch“ (1930) den unspektakulären Alltag einer togolesischen Familie und gehen dabei neue Wege, wenn sie die Porträtierten selber zu Wort kommen lassen, statt aus dem Off zu kommentieren. Dokumentaristen wie Ella Bergmann-Michel, Winfried Basse und Ernö Metzner fangen mit ihren Kurzfilmen das Leben der 1920er-Jahre in Berlin und Frankfurt am Main ein.
Hochbaum, Kosterlitz & Waschneck
Werner Hochbaum richtet seinen Blick mit „Brüder“ (1929) auf das von materieller Not geprägte Dasein einer proletarischen Familie. Dieser von der SPD unterstützte Film, der eine besondere Glaubwürdigkeit durch die Mitwirkung von Laiendarsteller erhält, nimmt den Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97 als Folie, um auf aktuelle politische Kontroversen der 1920er-Jahre anzuspielen. Ebenso kritisch und nüchtern inszeniert Heinz Paul in „Die andere Seite“ (1931) jüngste historische Ereignisse: Mit Conrad Veidt als kriegstraumatisiertem britischen Hauptmann im Ersten Weltkrieg legt er die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Grabenkriegs schonungslos offen.

Die Vielfalt des Weimarer Kinos lässt sich insbesondere anhand der Werke von Filmschaffenden begreifen, die üblicherweise nicht zu den prominenten Regiegrößen jener Zeit gezählt werden. Der Reichtum der Filme so unterschiedlicher Regisseure wie Franz Seitz sen. („Der Favorit der Königin“, 1922), Hermann Kosterlitz („Das Abenteuer einer schönen Frau“, 1932) oder Erich Waschneck („Die Carmen von St. Pauli“, 1928) zeigt sich nicht nur im Variantenreichtum ihrer Themen, Stoffe und Figuren, sondern auch in ihrer ästhetischen Gestaltung. Die legendäre Epoche der deutschen Filmgeschichte wird, aus einer neuen Perspektive betrachtet, ihrem exzellenten künstlerischen Ruf abermals gerecht.

Die Weimarer Filmklassik geht immer. Kein anderer Teil der deutschen Filmgeschichte besitzt solch einen Weltruhm – und das zurecht. Die Gefahr besteht bei solch einer Retrospektive allerdings immer, die selben Kanonfilme zu spielen. Die bislang veröffentlichten Titel lassen aber auch für den Cineasten teils verschollene Leckerbissen erwarten. Man muss sich nur die rennende Margot Ferra in Alexis Granowskys Film „Das Lied vom Leben“ (Bild oben) anschauen und ahnt, welche Explosivität in einigen Filme der Retro stecken könnte. Dazu zählen sicherlich auch Reinerts Monumentalepos „Opium“, die verschollenen Hälften von Urban Gad oder die Kosterlitz-Komödie „Das Abenteuer einer schönen Frau“.

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Montag, 20. November 2017
Berlinale-Spekulation: Was 2018 laufen könnte

„Isle of Dogs“ | © Fox Searchlight /Indian Paintbrush

Mitte Dezember sind wohl die ersten Programmdetails der Berlinale 2018 (15.-25.02.) zu erwarten. Umso mehr Spaß bringt es, jetzt bereits einige Namen in den Hut zu schmeißen. Wilde Spekulationen von Michael Müller

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Ziemlich sicher

* ISLE OF DOGS (Wes Anderson)

Der potenzielle Eröffnungsfilm der Berlinale 2018, wenn alles klappt. US-Start ist der 23. März. Drei Anderson-Filme liefen bereits im Wettbewerb: „The Royal Tenenbaums“, „Die Tiefseetaucher“ und „The Grand Budapest Hotel“. Sein bislang letztes, zu großen Teilen in Görlitz und Babelsberg gedrehtes Werk war im Jahr 2014 der Berlinale-Eröffnungsfilm. Stefan-Zweig-Aficionado Anderson erzählt in „Isle of the Dogs“ die Odyssee eines kleinen Jungen auf der Suche nach seinem Hund in Japan. Es sprechen: Scarlett Johansson, F. Murray Abraham, Greta Gerwig, Bryan Cranston, Frances McDormand, Bill Murray, Jeff Goldblum, Edward Norton und Yoko Ono.

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Möglich

* MOVIE NO. 1 (Josephine Decker)

Josephine Deckers Heimat ist das Forum der Berlinale. Mit dem Doppelschlag „Butter on the Latch“ und „Thou Was Mild and Lovely“ feierte die amerikanische Independent-Hoffnung im Jahr 2014 Weltpremiere in Berlin. Miranda July spielt die Hauptrolle in Deckers neuem Film „Movie No. 1“.

* SUPPORT THE GIRLS (Andrew Bujalski)

Der Mumblecore-Vorreiter Andrew Bujalski bleibt Sundance treu, ist aber auch anschließend ein gern gesehener Gast in Berlin. „Computer Chess“ war 2013 eine echte Sensation auf der Berlinale.

* MARY MAGDALENE (Garth Davis)

Die Geschichte von Maria Magdalena (Rooney Mara) scheint mit seinem weltweiten Kinostart ab Mitte März prädestiniert für die Berlinale zu sein. Jaoquin Phoenix spielt Jesus, Tahar Rahim („Un prophete“) gibt den Judas. Ariane Labed („Attenberg“) ist auch dabei.

* UNSANE (Steven Soderbergh)

Der neue Soderbergh-Film hat am 23. März einen US-Start. Der Regisseur hat eine sehr wechselvolle Beziehung mit der Berlinale. Die Hauptrollen seines Asylum-Films spielen Juno Temple und Claire Foy.

* SUBS (Oskar Roehler)

Roehler verfilmt den rechten Autor Thor Kunkel, der sich als Werber für die Wahlkampagne der AfD verantwortlich zeichnete. Es spielen Katja Riemann, Oliver Masucci, Samuel Finzi und Lize Feryn.

EMMAÜS (Benoît Delépine & Gustave Kervern)

Der neue Film des französischen Doppelgespanns hinter „Mammuth“ und „Saint Amour“. In den Hauptrollen spielen Jean Dujardin und die unwiderstehliche Belgierin Yolande Moreau („Crash Test Aglaé“).

KURSK (Thomas Vinterberg)

Der Däne Thomas Vinterberg („Die Jagd“, „Die Kommune“) hat mit einem internationalen Allstar-Cast das U-Boot-Unglück der Kursk verfilmt. Mit dabei sind Léa Seydoux, Colin Firth, Matthias Schoenaerts, aber auch Matthias Schweighöfer und August Diehl.

SO WAS VON DA (Jakob Lass)

Die erste improvisierte Romanadaption. Keine Ahnung, warum sich niemand Lass' fantastischen „Tiger Girl“ im Kino angesehen hat. Ich bin bei allem dabei, was er aktuell rausbringt.

GORILLAS (Detlev Buck)

Nach einer Kurzgeschichte von Ferdinand von Schirach. Steht in der Liste vor allem wegen seines Cast: Samuel Schneider, Ella Rumpf, Kida Khodr Ramadan, Uisenma Borchu und Georg Friedrich.

A WRINKLE OF TIME (Ava DuVernay)

Startet Anfang März. Falls Kosslick Oprah Winfrey, Chris Pine, Reese Witherspoon und Mindy Kaling über den Roten Teppich laufen sehen will. Der Trailer sieht ja eher nicht so gut aus.

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Erwünscht

* SUSPIRIA (Luca Guadagnino)

Tarantino hat geweint, als er den Film sah. Das bedeutet, das Werk ist fertig. Es gibt deutsche Elemente: Argentos Horrorklassiker „Suspiria“ spielte in einer Freiburger Tanzschule. Luca Guadagnino verlegte das Setting nach Berlin. Die große deutsche Aktrice Angela Winkler („Die Blechtrommel“) spielt mit. Es wäre mehr als ein Traum, wenn dieses Remake von einem der besten gegenwärtigen Regisseure auf der Berlinale liefe.

* TRANSIT (Christian Petzold)

Christian Petzold hat einen Anna-Seghers-Roman von 1942 in Marseilles verfilmt. Die Dreharbeiten sind seit Juli abgeschlossen. Franz Rogowski („Fikkefuchs“, „Radegun“) spielt die Hauptrolle. Von den Dimensionen müsste die Produktion nach Cannes. Aber vielleicht können die Produzenten nicht so lange warten.

* WHERE'D YOU GO, BERNADETTE? (Richard Linklater)

Annapurna peilt einen amerikanischen Kinostart im Mai an. Linklater mag Berlin, hat hier Geschichte geschrieben („Before Sunrise“, „Boyhood“). Gegen Stars wie Kristen Wiig, Cate Blanchett, Laurence Fishburne, Judy Greer und Billy Crudup auf dem Roten Teppich hätte Kosslick gewiss nichts einzuwenden.

In MY ROOM (Ulrich Köhler)

Der neue Film von Ulrich Köhler dreht sich um einen 40-jährigen Mann (Hans Löw), der viel Tagesfreizeit, aber wenig Geld hat. Von dem einen auf den anderen Tag verschwindet die Menschheit. Köhler gewann für seinen letzten Film „Schlafkrankheit“ den Silbernen Bären für die beste Regie.

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Roulette

* RADEGUND (Terrence Malick)

Stinkt geradezu nach Cannes, aber man darf ja wohl noch träumen: Malicks Film über den katholischen Nazi-Widerständler Franz Jägerstätter mit Franz Rogowski.

* READY PLAYER ONE (Steven Spielberg)

Das Veröffentlichungsdatum Ende März ist spitze. Aber so große Hollywood-Blockbuster kommen nur noch selten auf ein Filmfestival wie die Berlinale. Da braucht es schon besondere Lobbyarbeit und eine ganz besondere Beziehung zwischen Regisseur und Festivaldirektor.

* DON'T WORRY, HE WON'T GET FAR ON FOOT (Gus Van Sant)

Hiermit könnte Gus Van Sant wieder auftauchen: Ein Biopic des amerikanischen Comickünstlers John Callahan mit Joaquin Phoenix, Rooney Mara, Jonah Hill und Jack Black. Außerdem spielt Udo Kier mit.

* DAMSEL (David & Nathan Zellner)

Das Gebrüder-Gespann hinter „Kid-Thing“ und „Kumiko, the Treasure Hunter“ hat einen Western mit Robert Pattinson und Mia Wasikowska gedreht. Sundance first, Berlinale second.

* WENDY (Benh Zeitlin)

Wenn die Berlinale den Nachfolgefilm des „Beasts of the Southern Wild“- Regisseurs Benh Zeitlin exklusiv bekommen könnte, würde Dieter Kosslick sofort zuschlagen. Wenn er denn rechtzeitig fertig ist, wird Sundance aber wohl das Vorrecht haben.

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