Montag, 25. Februar 2013
Oscarmüde 2013
Sich heutzutage die Oscar-Veranstaltung anzusehen, hat etwas von einer eigentümlichen Selbstkasteiung, die ich noch vornehmlich aus reiner Nostalgie betreibe. Aus einem längst vergessenen Gefühl der Naivität und Unwissenheit heraus, das man jetzt einfach nicht mehr nachspielen kann. Dazu weiß man zu viel. Oder wie es das Gafferlein ausdrückte: "Nie wieder Oscars! Bis nächstes Jahr!" Das Enigmatische ist weg. Monate vorher kann man in speziell davon lebenden Blogs lesen, wer die heißesten Favoriten sind. So revolutionär und toll man die Entdeckung der Oscar-Blogs damals fand, so viel Spannung und Überraschungsmoment haben sie aus der Verleihung genommen. Man selbst ist soweit in die Materie eingetaucht, dass im September klar ist, wenn ein Projekt wie "Argo" mit brav ausgefüllter Oscar-Checkliste in Telluride gestartet wird, wohin Ende Februar die Reise geht. Aber das ist heute ein weiteres Problem: Ich sehe gar nicht mehr die Filme, um mich darüber aufzuregen. Ich könnte nicht einmal sagen, dass der "Argo"-Sieg unverdient war, weil ich mir nicht mehr die Mühe gemacht habe. Die Ausdehnung auf zehn Nominierungen als bester Film ist eine Farce, aber da wiederhole ich mich.

Kurz bevor ich den Fernseher ausgemacht habe, nachdem ich noch mal für Tarantinos Preis hochgeschreckt bin, wurde der von mir sehr geschätzte Film "Moonrise Kingdom" genannt. Das war der kleine Moment des Mitfühlens und Interessiertseins von früher, als es mir nicht egal war, wer in welcher Kategorie gewinnt. Als man Roger Ebert hasste, weil er "Crash" gegenüber "Brokeback Mountain" pushte und als ein gewisser Russell Crowe als "Gladiator" auf dem Weg zum Podium dahinschmolz. Aber das scheint ewig her zu sein. Also klammert man sich an die Bewertung des Gastgebers des Abends, an Seth MacFarlane, der seine Sache akzeptabel machte. Seit dem Pärchen James Franco und Anne Hathaway haben sowieso alle Hosts einen Freifahrtschein, weil niemand mehr so schlecht sein wird. Der sofort nach der Verleihung aufgezeichnete Slashfilmcast bezeichnete diesen Job treffenderweise im "Big Bang Theory"-Mode als Kobayashi Maru-Test der Unterhaltungsindustrie. Man kann eigentlich nur verlieren. Die Frage lautet, wie man dabei performt. Ein bisschen sehr weinerlich und ein Zeitphänomen, die Kritik der eigenen Leistung durch die Parodie der selbigen vorwegzunehmen und damit abzufedern. Aber das kann man so machen: Zum Beispiel Mr. Skin spielen und den Hauptdarstellerinnen "We Saw Your Boobs" trällern, William Shatner auf dem Intercom haben, zeigen, dass man singen kann, auch wenn man es nicht live macht. Oder die schlechteren Gags einfach wegklatschen. Oder noch besser: von Channing Tatum und Charlize Theron wegtanzen lassen.

Das Geheimrezept der Oscars für den Rest der Welt lautet sowieso die totale Übermüdung. Denn wenn man sich die Show am nächsten Tag aufgezeichnet anschaut und die Werbung vorspult, was ich ein einziges Mal getan habe, ist das eine ganz schrecklich langweilige Veranstaltung. Erst durch den Schlafentzug und dieses zwei-Stunden-Vakuum, indem kein wichtiger Preis vergeben und ständig gewartet wird, erhält das Ganze seinen Zauber. Und durch die so genannten Oscar-Momente, die ich in diesem Jahr vergeblich gesucht habe. Christoph Waltz' Preis hätte es nicht gebraucht, sowohl Samuel L. Jackson als auch Leo Di Caprio wären würdigere Kandidaten gewesen. Shirley Basseys Stimme ist alt geworden, und Adele hatte das Pech, den Titelsong zu einem schwachen Bond singen zu dürfen. Und ob man jetzt Khediras Freundin neben Annemarie Warnkross und Steven Gätjen stehen hat oder - wie von der Süddeutschen vorgeschlagen - Katrin Bauerfeind - es macht keinen Unterschied. Denn die deutsche Preshow schaut sich doch niemand ernsthaft an. Und auch Twitter ist ziemlich anstrengend geworden. Die bloße Anzahl an amerikanischen Möchtegern-Stand-Up-Comedians ist erdrückend. Und ich klinge immer mehr wie ein knöchriger Dinosaurier, der auf der falschen Party war. Vielleicht lese ich das nächste Mal einfach weniger im Vorfeld und schaue mehr die Filme! Nur weil viel getanzt und gesungen wurde, heißt das nicht automatisch, dass es eine klassische und gute Show war. Und nur weil einer der Produzenten der Mann hinter "Chicago" war, brauchte es nicht unzählige Verweise auf eben jenen egalen Best Picture-Gewinner. Ein kleiner Lichtblick, gerade während des Wartens, war der Audioflick-Live-Podcast der GameOne-Truppe, auch wenn dort kurzzeitig die Lichter ausgingen.

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Freitag, 22. Februar 2013
DVD-Tipp: "Heißes Pflaster Köln"
Diese Rarität fehlt mir noch in meiner Sammlung. Mich verbindet eine Hassliebe mit dem Regisseur Ernst Hofbauer. Zum einen lernte ich ihn als Mitverantwortlichen der schlechtesten Schulmädchenreport-Filme kennen, zum anderen entdeckte ich später von ihm wilde Perlen wie "Wenn die prallen Möpse hüpfen", "Was Schulmädchen verschweigen" und "Mädchen beim Frauenarzt". Und seinem 1967 in den deutschen Kinos angelaufenen Spielfilm "Heißes Pflaster Köln" eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Das dubiose, sich nach ihm benannt habende Hofbauer-Kommando von den Eskalierenden Träumen ging sogar soweit, "Heißes Pflaster Köln" neben so Werken wie "Herbstromanze" und "Macho Man" zu den zehn besten Filmen aller Zeiten zu zählen. Vom Kleinanbieter Kölnprogramm soll der Krautploitation-Klassiker im März auf den DVD-Markt geschmissen werden. Aber man weiß ja, wie so etwas leider meistens läuft: Verschiebungen, Bootlegs, öffentliche Selbstzerfleischung der Macher. Vielleicht erscheint der Film aber auch einfach. Lassen wir uns überraschen! Möglich, dass ich bis dahin endlich ebenso sein anderes wertvolles Frühwerk "Prostitution heute" aufgetrieben habe.

Nachtrag: Die DVD "Heißes Pflaster Köln" erscheint am 8. März und ist zum jetzigen Zeitpunkt einzig und allein über den hausinternen Shop zu bestellen. Zufall oder nicht: Am selben Tag erscheint auch Heinz Strunks neues Buch "Junge rettet Freund aus Teich". Epochal!

Links: - Trailer, - Kölnprogramm, - Hofbauer-Kommando

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Donnerstag, 21. Februar 2013
Wie der Oscar-Bonus kaputt gemacht wurde
Es gab eine gar nicht so lange herseiende Zeit, da war es Tradition, zu versuchen, alle fünf oscarnominierten besten Filme vor der Verleihung zu schauen. Durch die Ausdehnung der Best Picture-Kategorie auf bis zu zehn Kandidaten wurde diese Tradition aber schwer beschädigt. Jetzt ist man bereits zufriedengestellt, wenn man überhaupt einen oder zwei Filme gesehen hat. Alle zehn schafft man jedes Jahr ja doch nicht. Dieser Wandel drückt sich auch am deutschen Boxoffice aus. Das Frühjahr ist eigentlich die Zeit, in der die Oscarfilme die Ernte einholen und weit über ihren ursprünglichen Erwartungen performen. Dieses Jahr ist davon keine Spur mehr: Steven Spielbergs Biopic "Lincoln" schafft nicht einmal eine halbe Million Besucher, Filme wie "Argo", "Silver Linings Playbook", "Beasts of the Southern Wild" oder "Zero Dark Thirty" erreichen im Verhältnis gesehen kaum noch messbare Zuschauerzahlen. Die Ausweitung der Kategorie mag den amerikanischen TV-Stationen zwar kurzfristig mehr - vor allem junge - Zuschauer gebracht haben, dem weltweiten Einspielergebnis an den Kinokassen hat es indes geschadet, weil die Aufmerksamkeit auf zu viele Filme verteilt ist und damit unwirksam wurde. Klar, es gibt unter den nominierten Filmen auch zwei echte Blockbuster, nämlich "Django Unchained" und "Life of Pi". Gerechterweise muss man da aber sagen, dass die beiden Filme quasi unabhängig vom Oscar-Buzz funktioniert haben. Der eine wegen seines Regisseurs, der andere wegen seiner Buchvorlage und des 3D-Effekts. Wenn den Machern daran gelegen ist, dass nominierte Filme von der größtmöglichen Anzahl an Menschen weltweit gesehen werden, sollten sie zum alten System zurückkehren. Ich habe dieses Jahr auch gerade mal zwei Filme ("Django Unchained", "Zero Dark Thirty") geschaut und nur minimales Interesse, das bis zur Verleihung noch zu ändern.

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Montag, 18. Februar 2013
Berlinale-Rückblick 2013

"Vic + Flow Saw a Bear" © Yannick Grandmont
Es braucht kein W-LAN, um auf der Berlinale glücklich zu werden. Und auf Platz eins der U-Bahn-Musikcharts befindet sich weiterhin der „Nossa, Nossa“-Song von Michel Telo. Nur zwei Erkenntnisse in einer letztlich doch rundum zufriedenstellenden ersten Berlinale, bei der Nicholas Cage bestimmt der einzige Mensch war, der eine Fresse zog und nach wenigen Momenten schnell wieder in seiner Luxuskarosse verschwand. Ein Rückblick von Michael Müller

„Möchten Sie sich unserer Lawine anschließen?“, fragt Paul Rudd in einem der mit Abstand schönsten Wettbewerbsfilme der diesjährigen Berlinale eine verwirrt umherirrende Frau. Der Komödienstar, der ansonsten immer nur den eintönigen, besser aussehenden und deshalb auch nur leidlich witzigen Charakter in den vulgär-improvisierten Gag-Sammelbecken von Judd Apatow spielen darf, trägt in „Prince Avalanche“ einen dezenten Schnäuzer und probiert sich bei der fremden Frau in einem noch gebrochenen Deutsch, das er für den geplanten Deutschland-Trip mit seiner Freundin täglich verbessert hat. Eine ganz ähnliche Frage stellte ich mir die letzte Woche hinsichtlich des Berlinale-Wettbewerbs, als ich mir mit Dieter Kosslicks Auswahl die Kante gab. Es ist die eine Sache, alljährlich den Couch-Potatoe zu machen, sich vier Lieblingsfilme aus den hart erarbeiteten Favoriten der Frontkämpfer herauszupicken und diese dann gut zu finden, aber eine ganz andere, selbst im Schützengraben zu liegen. Ganze elf Wettbewerbsfilme habe ich gesehen. Und als ich sie sah, wusste ich nicht viel mehr als das Land und den Namen des Regisseurs, der den jeweiligen Film gemacht hatte. Das kann ziemlich reizvoll sein, gerade wenn man in der zweiten Hälfte des Festivals für den eingebrachten Mut belohnt wird und wenn die Filme beginnen, ineinander zu fließen und selbst die schwachen und vergessenswerten Filme ein Eigenleben entwickeln und gelegentlich wieder hochschwappen. Denn nach dieser Woche sind alle Anstrengungen und ist die Langeweile, die man regelmäßig morgens um 9.30 Uhr im Friedrichstadtpalast durchsaß, vergessen. Übrig bleiben nur Seherfahrungen, die wachsen.

Ein Film zum Beispiel wie „A Long and Happy Life“, der russische Wettbewerbsbeitrag um einen jungen Kolchose-Bauern, der von der Stadtverwaltung zum Verkauf seines Landes gedrängt wird, sich aber widersetzt. Sonntagmorgen, nach einer wachgelegenen Nacht, war der doch eine ziemliche Qual. Ein etwas biederer „High Noon“, ohne Frankie Laines melancholische Hymne und den unwiderstehlichen Gary Cooper. Auch hier sucht der Protagonist die Hilfe seiner Mitmenschen, sich dem System entgegenzustellen. Auch hier haben alle zuerst ein großes Maul, dass sie helfen würden. Auch hier ziehen alle den Schwanz ein. Aber das passiert mehr beiläufig. Hauptsächlich widmet sich der Film nämlich dem Versuch des Bauern, einen Hühnerstall aufzubauen. Quälend lange Einstellungen, in denen nichts passiert. Man wartet auf den Knall. Die Beamten haben angekündigt, vorbeizukommen. Die Angestellten des Bauern rüsten sich mit Schusswaffen und Mistgabeln. Aber irgendwann begreift auch der letzte Zuschauer, dass es nicht nur nicht zu diesem letzten Gefecht kommen wird, sondern auch, dass der Film an diesem Suspense überhaupt nicht interessiert war. Das ist sehr schade, weil der Kameramann Pavel Kostomarov heißt und bereits den von mir geliebten russischen Wettbewerbsbeitrag „How I Ended This Summer“ von vor drei Jahren in Bilder kleidete. Das Potenzial dieser Bildgewalt deutet sich immer wieder an: Ein früher spektakulärer Scheunenbrand, bei dem das Löschwasser, bevor es das Dach erreichen kann, zu großen Teilen in der Luft wieder zu frieren beginnt oder eine wahnsinnige Autofahrt in Nahaufnahme, wo die Verzweiflung des jungen Mannes aus der Leinwand zu fließen scheint. Das klingt heute alles nicht schlecht. Aber Sonntagmorgen war das eine herbe Enttäuschung und auch letztlich einer der schwächsten Filme, die ich auf der Berlinale gesehen habe.

So schlecht kann der Wettbewerb dann ja nicht gewesen sein, oder? Ich kann es ehrlich gesagt gar nicht beurteilen. Mir fehlen mindestens zwei große Kritikerfavoriten, die sich nach dem Wochenende schnell herauskristallisierten. Der chilenische Film „Gloria“, der dann nur den Preis für die beste Hauptdarstellerin gewann und über den in der Süddeutschen stand, dass das eine Farce sei, weil er angeblich zu gut für die Konkurrenz wäre und in seiner eigenen Liga spiele. Die kleine Trailershow während der Eröffnungsfeier, die ich noch von Zuhause aus beobachtete, unterstützte diesen Eindruck. Viele Bilder der vorgestellten Wettbewerbsfilme ließen mich kalt. Nur diese eine Szene einer tanzenden, schon über 50-jährigen Frau, die eine tiefe Verzweiflung ausdrückte, zog mich magisch an. Aber zu dem Zeitpunkt, als klar war, dass „Gloria“ wirklich ein Must-See ist, als nämlich Leute wie Guy Lodge oder Nick James über Twitter ihr Daumenhoch gegeben hatten, waren die Berlinale-Vorstellungen dazu bereits wieder vorbei. Und den Gewinner des Goldenen Bären, „Child’s Pose“, hätte ich auch noch ganz gerne überprüft. Die Berlinale ist eben auch immer eine Zelebrierung der verpassten Chancen. Ansonsten habe ich aber mit Ausnahme der Hollywoodfilme, die sowieso in wenigen Wochen regulär ins Kino kommen, alles gesehen, was der Wettbewerb hergab. Und ich habe eine gute Handvoll sehr empfehlenswerter Werke gefunden. Ob das jetzt eine gute Ausbeute ist, wird die Zeit zeigen. Wie viele Filme braucht es, um von einem guten oder von einem herausragenden Berlinale-Wettbewerb zu schreiben? Mir fehlt da der Erfahrungswert. Ich weiß nur, dass ich am Ende ziemlich zufrieden und glücklich war. Viel mehr konnte ich nicht verlangen.

Zwischenzeitlich brauchte es aber Hoffnungsschimmer. Ulrich Seidl und die Amerikaner retteten für mich den Wettbewerb. Eine eigenartige Vorstellung. Der Misanthrop und das seit Jahren schwächelnde Filmland. „Paradies: Hoffnung“, der Abschluss von Seidls Sehnsucht-Trilogie, hat mir extrem gut gefallen. Irgendwo bei Twitter hatte ich aufgeschnappt, dass das Seidls „Babyspeck und Fleischklößchen“ sein sollte. Und es wurde so viel mehr. Ein echter Crowd Pleaser. Das Publikum tobte wie bei einer erstklassigen Komödie. Seidl spielte auf ihm wie auf einer Klaviatur. Kinder und Jugendliche in einem österreichischen Abnehmcamp. Die einzigen Menschen, die keine Probleme mit ihrem Gewicht haben, sind die Kinder selbst. Die Eltern schieben sie dorthin ab, das Fernsehen und die Gesellschaft sagen ihnen, dass sie so nicht weiterleben dürfen. Sadistisch getriezt werden sie von Fitnesstrainern, die sich zwischenzeitlich für Tierdompteure halten. Nur die heimlichen nächtlichen Saufpartys lassen die Jungen und Mädchen normal und unbefangen sein. Im Kern steht aber eine bizarr-zärtliche Liebesbeziehung zwischen einem 14-jährigen Mädchen und dem örtlichen Arzt. Faszinierend, wie sich mit der Zeit die Machtverhältnisse umkehren, wie Seidl auf der Rasierklinge zwischen Pädophilie und Amour tanzt. Ich mochte Seidl schon immer, aber „Paradies: Hoffnung“ lässt mich an mehr denken. Auch habe ich die Rückkehr von Jesse und Celine geliebt. Mit „Before Midnight“ hat Linklater nun offiziell eine der besten Trilogien der Filmgeschichte abgeliefert. Das Paar, das wir nach 1995 und 2004 wiedertreffen – es gehört inzwischen zur Familie. Man ist mit den beiden aufgewachsen, hat viel projiziert und noch mehr nachgeträumt. Aber auch ohne die Nostalgiesoße würde das funktionieren, weil es großartig geschrieben und gespielt ist. Hoffentlich eine vorerst unendliche Geschichte.

Mein Lieblingsfilm des Wettbewerbs war jedoch „Prince Avalanche“, das Comeback von David Gordon Green, der ganz unverhofft nach den doch ziemlich unsäglichen Mainstream-Komödien „Your Highness“ und „The Sitter“ zu seinen filmischen Wurzeln zurückgekehrt ist und einen Homerun rausgehauen hat. Angeblich das Remake eine isländischen Films, von dem ich vorher noch nichts gehört hatte. Zwei Straßenarbeiter im Amerika der 1980er-Jahre, in einer Gegend, in der vor kurzem schlimme Waldbrände gewütet haben und dem emotionalen Wirren der beiden die visuelle Grundlage spendieren. Hier wird das Rad nicht neu erfunden. Das Ganze hatte sowohl Elemente einer Buddy-Komödie als auch eines Road Movies, aber es wurde schon lange nicht mehr so gut und emotional so befriedigend erzählt wie in „Prince Avalanche“. Ein Feel-Good-Movie auf verbrannter Erde. Melancholisch, sehr komisch, sehr tiefgehend und persönlich. Und somit eigentlich ein Film, der das „Sehr“ auf der Stirn stehen hat, der aber seine Passion und Schmerzen mit solch einer entwaffnenden Leichtigkeit vorträgt, dass der große Rest des Wettbewerbs dabei vollends in den abgebrannten Hintergrund trat. Paul Rudd wird nie wieder besser sein. Und ganz sicher wird er nie wieder in einem Hollywoodfilm so sympathisch-bemüht die deutsche Sprache für seinen Weltschmerz ausbeuten. Mein Lieblings-Lieblingsfilm der Berlinale war aber noch mal ein anderer Kandidat. Er lief im Forum und hieß „Computer Chess“. Alles, was es über unsere Zivilisation zu sagen gibt, destilliert in ein obskures Schachturnier von 1984, bei dem Programmierer ihre Computer gegeneinander antreten lassen. Vielleicht war es kein Zufall, dass der Regisseur Andrew Bujalski wenig später auch als Zuschauer im Panorama-Film „Frances Ha“ auftauchte. Und wenn die Amis bis dahin nicht die Show gerettet hätten, wäre das allein durch den vielleicht gerade einmal zweiminütigen Auftritt von der aufgebretzelten, atemberaubenden Greta Gerwig passiert, die nach ihrem Film auf die Bühne tapste und wieder gut machte, was der Regisseur Noah Baumbach davor in den Sand setzte. Praktisch noch einmal eine Spiegelung des Films auf der Bühne im Zeitraffer.

Es gäbe noch so viel mehr zu schreiben: Über den bizarren Hype um das Studentenfilmchen „Das merkwürdige Kätzchen“; die wundervolle Retrospektive „The Weimar Touch“, aus der ich aber nur den sehr guten Kosterlitz-Film „Peter“ und den okayen Lamprecht-Film „Einmal eine große Dame sein“ (Nazi-Ohrwurm: „Uns geht’s einfach fabelhaft“) sah; über die nicht uninteressanten, wenn auch recht anstrengenden Wettbewerbsleichen „Die Nonne“ (grandiose Huppert, welche die Anti-Nunsploitation zumindest ein bisschen gegen Ende rettet), „Gold“ (schlechte Schauspieler sagen hölzerne Dialoge in schöner Landschaft zu disharmonischer E-Gitarrenmusik auf), „Layla Fourie“ und „Camille Claudel 1915“; über richtig tolle andere Wettbewerbsfilme wie „Vic + Flo“ und „Nobody’s Daughter Haewon“, die bestimmt noch weiter wachsen werden; über Jafar Panahi und „Star Trek II – Der Zorn des Khan“. Und ich könnte auch noch mal eine Liste mit genau so vielen Titeln aufmachen, die mich interessiert hätten, die ich aber nicht gesehen habe. Gerade die wiederentdeckten Keisuke Kinoshita-Klassiker wurden einem geradezu aufgedrängt. Aber für eine erste Berlinale hat mich das Programm komplett ausgefüllt. Wir werden wiederkommen, keine Frage.

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Kritikerspiegel:

Filme --> Schwanenmeister -- Hordak Drummond *

Peter (Sa) --> 8/10 -- 5/10
Paradies: Hoffnung (Sa) --> 9/10 -- 7+/10
A Long and Happy Life (So) --> 3/10 -- 5+/10
Einmal eine große Dame sein (So) --> 4/10 -- 3/10
Upstream Color (So) --> 5/10 -- k.W.
Die Nonne (Mo) --> 3/10 -- 6/10
Vic + Flo (Mo) --> 7/10 -- 6+/10
Das merkwürdige Kätzchen (Mo) --> 4-/10 -- 2+/10
Layla Fourie (Di) --> 4/10 -- 7/10
Computer Chess (Di) --> 10/10 -- 6/10
Before Midnight (Di) --> 9/10 -- 9/10
Pardé (Mi) --> 6/10 -- 10/10
Camille Claudel 1915 (Mi) --> 4-/10 -- 5-/10
Prince Avalanche (Do) --> 9+/10 -- 9+/10
Frances Ha (Do) --> 8+/10 -- 8/10
Gold (Fr) --> 3+/10 -- 2/10
Nobody's Daughter Haewon (Sa) --> 8/10 -- 7/10

*= Pseudonym meines Leidensgenossen und Mitkritikers, ohne dessen Dazutun die Reise keine Reise wert gewesen wäre. Dank dir!

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Sonntag, 17. Februar 2013
Nachschub für "Django Unchained"-Fans
"The Weimar Touch", die von der Deutschen Kinemathek und dem New Yorker Museum of Modern Art kuratierte Retrospektive der diesjährigen Berlinale, las sich bereits ein bisschen wie das Vorbereitungsprogramm, das Tarantino auflegte, als er seinen "Inglourious Basterds" drehte. Insbesondere die so genannten Anti-Nazifilme Hollywoods wie Fritz Langs "Hangmen Also Die" und Detlef Siercks "Hitler's Madman" hatten es ihm besonders angetan. Und andere gezeigte Werke wie zum Beispiel "Glückskinder" oder "Le corbeau" kamen direkt in seinem Film vor. Wen also weiterhin interessiert, was Tarantino bei seinem neuen Film "Django Unchained" durch den Kopf gespukt ist, obwohl bereits vieles darüber geschrieben wurde, den könnte folgendes angehen: In seinem New Beverly Cinema in Los Angeles programmiert der Mann aktuell Double Feature-Vorstellungen. Unter anderem zu sehen sein werden "Buck and the Preacher", "Duel at Diablo", "Für ein paar Dollar mehr", "Skin Game", "Thomasine and Bushrod", "Joshua", "Minnesota Clay" und "Charley One-Eye". Bei den ersten beiden Western drückt sich wohl auch der Dank für die moralische Unterstützung aus, die Tarantino von Sidney Portier beim Drehen von "Django Unchained" widerfahren ist. Andere sind inzwischen häufig gepushte Alltime-Klassiker wie der Leone oder der Corbucci. Aber etwa ein Western wie "Skin Game" mit James Garner ist selbst für treue Begleiter eine Neuentdeckung.

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Freitag, 8. Februar 2013
Berlinale-Pläne 2013
Das wird meine erste Berlinale sein. Und nein, ich werde dazu während des Festivals keine Blogeinträge verfassen. Das Höchste der Gefühle dürften Kurzeinschätzungen bei Twitter sein, wenn ich dafür Muße und W-LAN finde. Das Grundgerüst meines Masterplans steht dafür bereits. Hauptsächlich habe ich bisher Wettbewerbsfilme gebucht, die mich auf die ein oder andere Weise angesprochen haben. Dazu ein bisschen Sundance und die Retrospektive The Weimar Touch. Kandidaten zum Auffüllen gibt es natürlich. Und ich hoffe auch auf ein bisschen Buzz auf dem Festival selbst, der mich inspiriert. Aber sicher sehen werde ich somit in chronologischer Reihenfolge: Peter, Paradies: Hoffnung, A Long and Happy Life, Einmal eine große Dame sein, Upstream Color, Die Nonne, Vic + Flo, Das merkwürdige Kätzchen, Layla Fourie, Before Midnight, Pardé, Camille Claudel 1915, Prince Avalanche, Frances Ha und Nobody's Daughter Haewon. Dann arbeite ich an zwei weiteren Most-Wanteds. Und wenn es hinhaut, will ich ein paar Griechen unterbringen, nicht nur weil Indie-Darling Athina Rachel Tsangari die Jury schmückt.

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Mittwoch, 23. Januar 2013
Tim Lucas liefert wieder geil ab
Da liest man mal ein Jahr nicht im alten Video Watchdog-Blog von Tim Lucas, der zwischenzeitlich sogar ein exklusives Filmtagebuch auf- und jetzt wieder zugemacht hat und schon verpasst man zwei richtig tolle Aktionen. Zum einen die neue Video Watchdog-Ausgabe #172, in der Lucas ein 23-seitiges Interview mit old Quentin über Sequels geführt hat. Stelle ich mir sehr spannend vor. "The Bad News Bears in Breaking Training", anyone? Ist bestellt und kommt in meinen Schrein zu der bisher einzigen anderen Video Watchdog-Ausgabe, in der sich Tim Lucas auf einfühlsamste Weise den Edgar Wallace-Krimis gewidmet hatte. Sehr, sehr lesenswert. Zum anderen gibt es jetzt Tim Lucas' fruchtbare Zusammenarbeit mit dem deutschen DVD-Label Subkultur Entertainment, das den äußerst seltenen und begehrten frühen Jess Franco-Film "Das Geheimnis des Dr. Z" herausgebracht hat. Auf der Doppel-Sammler-Edition befindet sich daher unter anderem ein in Kleinstarbeit hergestellter Audiokommentar von Lucas, der nicht nur einer der weltweit größten Jess Franco-Experten ist, sondern auch "Das Geheimnis des Dr. Z" zu seinen zehn liebsten Jess Franco-Werken zählt. Wie passend, oder?

Links: - Watchdog #172, - Das Geheimnis des Doktor Z

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Donnerstag, 17. Januar 2013
Sundance 2013
Letztes Jahr hatten wir die Oscaranwärter "Beasts of the Southern Wild" und "The Sessions", die Indie-Komödien "Safety Not Guaranteed" und "Celeste and Jessie Forever", die Horror-Geheimtipps "V/H/S" und "Simon Killer", die Dokumentationen "The Ambassador", "How to Survive a Plague", "The Invisible War" und "The Queen of Versailles" und das obligatorische Queer-Movie "Keep the Lights On". Der neue Jahrgang ist nach meiner Vorfreude geordnet, bei der die Berlinale, aber auch meine eigenen Erfahrungen mit früheren Filmen der Regisseure und natürlich der Sundance-Buzz selbst eine Rolle spielen.

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"Why am I noticing nothing but raves coming out of Sundance? Allow those of us at sea level to inject more than a dose of skepticism." (Robert Koehler, Variety)
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★★★★

"Computer Chess": "Better than COMPUTER CHESS? I don't believe it. Kind of a Tim and Eric thing that no one remembered to ask Tim and Eric to show up for." (Russ Fischer, Slashfilm) "It's ultimately unlike anything Bujalski has done before—and unlike just about anything anyone has done before." (Anthony Kaufman, Screen Daily)

"Prince Avalanche": "The film is rambly and sweet and beautiful, the best work either David Gordon Green or Paul Rudd has done in quite a while." (Katey Rich, CinemaBlend) "Wow. PRINCE AVALANCHE is perfect mix of David Gordon Green's indie sensibility & big star comedy. Tiny, hilarious, touching tale." (Ryland Aldrich, Twitch Film) "Tonally strange & slight PRINCE AVALANCHE is like a consolidation of DGG's earlier work & comedies." (Eric Kohn, indieWIRE) "Really liked David Gordon Green's PRINCE AVALANCHE. Feels like something new for all involved." (Scott Macaulay, Filmmaker Magazine)

"Before Midnight": "Complicated, meandering but also wonderful film." (Tim Grierson, Screen Daily) "Now officially one of the best trilogies ever." (Eric Kohn, indieWIRE) "Some really great writing, wonderful balance of drama and comedy. Linklater at the top of his game." (Steven Zeitchick, L.A. Times) "Linklater, Delpy & Hawke find a whole new deeper level in BEFORE MIDNIGHT. Brilliant in that it steers toward epiphany but never gets there." (Kristopher Tapley, InContention) "Rohmer-level stuff." (Guy Lodge, Variety)

"Upstream Color": "A tightly controlled explosion of imagination. An uneasy love story about regaining control. Unique, beautiful." (Russ Fischer, Slashfilm) "Not every audience will be thrilled by the ambiguity or the anxious tone of much of the movie, but I think it is a tremendous return by a gifted filmmaker, and one of the real highlights of this year's Sundance Film Festival." (Drew McWeeny, HitFix) "Shane Carruth's UPSTREAM COLOR is one of the most original, inventive, puzzling & ultimately exciting movies at Sundance 2013." (Eugene Hernandez) "A singular, beautiful, strange sci-fi fable of love's terrifying wonder." (James Rocchi, MSN Movies)

★★★

"S-VHS": "By a mile, it's the best film I have seen at Sundance." (Tim League, Alamo Drafthouse) "Sounds like S-VHS just rocked Sundance. Consensus is it blows the first one away. My not-being-at-Sundance depression has hit a new high." (Eric Vespe, Aintitcool) "Hats off for S-VHS, which is the original with the volume stuck at 11. Totally bonkers. So much fun." (Drew McWeeny, HitFix) "Bloody kinetic, bloody fun, bloody bloody." (Total Film) "S-VHS is fucking proper. Goes bigger and weirder. Eisener and Gareth Evans & Tjahjanto are on some holy shit." (Sam Zimmerman, Fangoria) "S-VHS is every bit the Super POV anthology we were all hoping. A clamshell packed with blood, zombies, ghosts, & aliens. Loved it." (Ryland, Aldrich, Twitch Film) [Alles unter Vorbehalt, da Gareth Evans am Projekt beteiligt ist]

"Two Mothers": "A thoughtful, sexy drama about female friends who start dating each other's sons." (Tim Grierson, Screen Daily) "Rich, ironic, overlong drama about two women who try to remortgage their youth by screwing each other's sons. I think Robin Wright is the performance to beat this year." (Damon Wise, Empire) "Naomi Watts and Robin Wright are fine MILFs in this gauzy erotic-drama." (Lisa Schwarzbaum, EW)

"Escape from Tomorrow": "WOW! Surreal, funny, ballsy, deep, daring. Film of the Fest? Maybe." (Devin Faraci, Badass Digest) "Insane on so many levels. Never seen anything like it. Wally World has nothing on the real thing." (Scott Macaulay, Filmmaker Magazine) "It's a fascinating, surreal indictment of Disneyfied society that Disney will never, ever let you see." (Eric Kohn, indieWIRE)

★★

"The Spectacular Now": "The rare teen drama that earns what you feel, with Oscar-level acting." (James Rocchi, MSN) "The best teen movie in many a season." (Scott Foundas, Village Voice)

"Ain't Them Bodies Saints": "Life after Badlands: chilly, classical Americana. Sounds, images thrill, a bit impressed with its own languor." (Guy Lodge, Variety) "Unsurprisingly, very involving, gorgeous outlaw western (of sorts) w/1st-rate performances all around." (Eric Kohn, indieWIRE) "The first big wow of Sundance ‘13. Quiet, arty, Malicky, off-center, darkly photographed, character- driven. Feels like a grandson of Altman's THIEVES LIKE US." (Jeffrey Wells, Hollywood Elsewhere) "Has got to be frontrunner for grand jury prize. Gorgeously crafted sorta western. All actors amazing." (Peter Knegt, indieWIRE)

"Stoker": "My favourite Sundance film so far is Park Chan-wook's demented, ragingly beautiful STOKER." (Guy Lodge, Variety)

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Samstag, 5. Januar 2013
Most-Wanted: Januar 2013
Eberhard Schröder - Die Klosterschülerinnen.
Ernst Hofbauer - Prostitution heute.
Kurt Nachmann - Die nackte Gräfin, Mache alles mit.
Alfred Vohrer - Verbrechen nach Schulschluss, Gl. H. am Pinnasberg.
Franz Antel - Liebe durch die Hintertür, Turm d. verbotenen Liebe.
Rolf Thiele - Grimms Märchen, Gelobt sei was hart macht.
Adrian Hoven - Der wilde Blonde mit der heißen Maschine.
Jozef Zachar - Komm liebe Maid und mache.
Hans Schott-Schöbinger - Die nackte Bovary.
Ulli Lommel - Jodeln is ka Sünd.
Rolf Olsen - In Frankfurt sind die Nächte heiß.
Eckhart Schmidt - Erotik auf der Schulbank.
Gustav Ehmck - Die Spalte.
Michael Verhoeven - Der Bettenstudent.
Günter Hendel - Graf Porno und seine Mädchen.
Alois Brummer - Obszönitäten.
Diverse - Die Helga-Filme, Van de Velde-Filme.

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Buchtipp: "Alpenglühn 2011" (Ulrich Mannes)
Was ich nie ganz verstanden habe, ist die Tatsache, warum sich heutige Filmenthusiasten, wenn sie etwa über German Sexploitation schreiben, hinter Pseudonymen verstecken müssen. Wer im Steinhaus sitzt, der werfe den ersten Glasstein. Schön und gut. Ich schreibe hier selbst im Blog unter einem anderen Namen. Aber nun nicht, um meine Identität zu verschleiern, sondern weil das Ganze hier aus einer Laune meines Bruders erwachsen und das Anmelden mit richtigem Namen im Internet schlicht langweilig ist. Weder beim aktuell angesagten Hofbauer-Kommando von den Eskalierenden Träumen noch jetzt bei Ulrich Mannes' fiktivem Dialog zwischen dem Autor Erich Lusmann und seiner Nachbarin Roswita Neumann verstehe ich das. Es ist nicht die Motivation, seine wahre Identität aus Scham zu verbergen, so wie es etwa Sigi Rothemund, der Sexfilm-Regisseur, der in "Alpenglühn 2011" im Mittelpunkt steht, getan hat. Es hat wohl mehr den Hintergrund, der filmgeschichtlichen Aufbereitung ein Augenzwinkern mitzugeben.

Ich weiß nur nicht, ob das in diesem Zusammenhang wirklich förderlich ist. Die Lederhosen- und Reportfilme der 1970er-Jahre sind ja selbst mit solch einem Gestus gedreht worden. Möglich, dass eine knallhart-auteuristische Herangehensweise, wie sie zum Beispiel Andrew Sarris mit seinem Klassiker "American Cinema" in die Diskussion brachte, mehr Erkenntnisgewinn schaffen könnte. Aber nichts würde mir ferner liegen, Ulrich Mannes' Bemühen nicht ordentlich honorieren zu wollen. Ich finde es eine ganz großartige Idee, überhaupt ein solch schmales, in einem Zug durchlesbares Bändchen zu einem wenig geehrten deutschen Filmregisseur aus einem meiner deutschen Lieblingsgenres zu veröffentlichen. Aber ich hätte es gerne noch tiefer gehabt. Ein Buch, wie es der Filmhistoriker Tim Bergfelder etwa über die internationalen Co-Produktionen deutscher Filmfirmen in den 1960er- und 1970er-Jahren geschrieben hat, nur eben vollständig über die geschätzte German Sexploitation. Letztlich ist es wohl einfach auch der Appetit auf mehr, der mich zu diesem Blogeintrag getrieben hat.

Denn Mannes' Buch ist gut komponiert, kann mit Detailwissen und Feldforschungen glänzen, aber ständig hatte ich das Gefühl: Da müsste man jetzt reingehen, weiter ausführen, nach links und rechts schauen und auch echte Liebe durchscheinen lassen. Denn von der Ausnahme "Summer Night Fever" einmal abgesehen, habe ich nie das Gefühl erhalten, dass der Autor wirklich vernarrt in sein Thema war und der Text aus einer tiefen Bewunderung heraus entstanden wäre, was schade ist. Denn Sigi Rothemund hat tolle Filme gemacht: "Geh, zieh dein Dirndl aus" war einer der ersten Lederhosenfilme, der mir persönlich gezeigt hat, dass dieser Teil der deutschen Filmgeschichte eine Menge Spaß machen kann. "Bohr weiter, Kumpel" war dann bereits der melancholische Abgesang auf ein dahinsiechendes Genre, in dem die fertig dreinschauenden Darsteller nach nur wenigen Jahren ganz im Sinne von Norma Desmond bereit für ihre letzte bedeutende Großaufnahme waren. Und von hochgeschätzten Nostalgiebomben wie "Piratensender Powerplay" und "Die Einsteiger", den ich unter meinen 100 Lieblingsfilmen hatte und stets wieder haben werde, sobald ich eine neue Liste mache, will ich gar nicht erst anfangen.

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Samstag, 29. Dezember 2012
Meine Top Ten 2012

© Why Not Productions
01. V/H/S - Joe Swanberg & Co.
02. MOONRISE KINGDOM – Wes Anderson
03. LES BIEN-AIMÉS - Christophe Honoré
04. DAS UNSICHTBARE MÄDCHEN – Dominik Graf
05. UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING - John Hyams
06. DAMSELS IN DISTRESS - Whit Stillman
07. ZOMBIE ASS – Noboru Iguchi
08. TURN ME ON DAMMIT - Jannicke Systad Jacobsen
09. SLEEP TIGHT - Jaume Balagueró
10. SAFETY NOT GUARANTEED - Colin Trevorrow

Lieblings-Doku: The Queen of Versailles, Natalie – Der Klang nach der Stille, Ein deutscher Boxer, Lawinen der Erinnerung + Most-Wanted: The Lords of Salem, The Spring Breakers, Potechi, Dead Sushi, Meteora + Lieblingsbuch: Imperium, Die Freibadclique + Lieblingsserie: Louis C.K. (1. und 2. Staffel) + Lieblings-DVD-Box: Angelique-Reihe + Lieblingskritiker: Guy Lodge + Held: Kyriakos Papadopoulos, der nicht nach St. Petersburg wechselte + Lieblings-Olympia: Boll, Ovtcharov, Streams & Paralympics + R.I.P.: Raúl + Epic Fail: Karina Longworths Auszeit + Entdeckungen: Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn, Der Mörder mit dem Seidenschal, Weiberregiment, Captain Lightfoot, Mutter Krausens Fahrt ins Glück + Comeback: Lana Wachowski, Arnie auf der Buchmesse + Lieblings-Fiktion: Steadycam-Sondernummer zu Harald Reinl, Der böse Watz, Durch die Nacht mit Klaas & Friedmann

Links: - 2011, - 2010, - 2009

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