Freitag, 30. September 2011
Listen-Update 2011
Nur auf die Gefahr hin, den viel zu vielen guten Filmen 2011 am Ende sowieso nicht gerecht werden zu können, mal wieder ein Update:
Top-17 (alphabetisch):
ATTENBERG – Athina Rachel Tsangari
A BOY AND HIS SAMURAI - Yoshihiro Nakamura
LES ÉMOTIFS ANONYMES – Jean-Pierre Améris
GERMAN GRUSEL – Oliver Schwehm
KILL LIST – Ben Wheatley
KLOVN: THE MOVIE – Mikkel Nørgaard
LOVE IN A PUFF – Pang Ho-Cheung
MIDNIGHT IN PARIS - Woody Allen
LOS OJOS DE JULIA – Guillem Morales
OUR GRAND DESPAIR – Seyfi Teoman
PINA – Wim Wenders
SAINT – Dick Maas
SECUESTRADOS – Miguel Àngel Vagas
TERRI – Azazel Jacobs
THE WOMAN – Lucky McKee
WOMB – Benedek Fliegauf
WU XIA – Peter Chan

Runners-Up (wertende Reihenfolge): Confessions, Hanna, Bedevilled, Urban Explorer, Dreileben, Haunters, Thor, Sennentuntschi

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Dienstag, 27. September 2011
Dieter Hallervorden spielt Kinderschänder
Man stelle sich vor, eine deutsche Kinoproduktion wäre so kühn und besetzte Dieter Hallervorden als pädophiles Monster. Gibt's nicht? Gibt es doch! Der Thriller heißt "Das Kind" und basiert auf einem Bestseller von Sebastian Fitzek. Der Film, gespickt mit Hollywoodgesichtern wie Eric Roberts ("The Dark Knight") und Peter Greene ("Pulp Fiction") sowie einigen deutschen Schauspielgrößen (Ben Becker, Dieter Landuris), soll kommendes Jahr in die Kinos kommen. Die Story klingt schön spekulativ und schaurig: Ein mysteriöser zehnjähriger Junge bestellt einen Strafverteidiger in einen gottverlassenen Industriepark. Der schmächtige Knabe behauptet, in seinem früheren Leben ein Serienkiller gewesen zu sein. Als Beweis zeigt er dem Anwalt Skelette, die offenbar von einer Axt gespalten wurden. Die ersten Set-Fotos sehen so aus, als würden die Filmemacher ihr Handwerk verstehen. Und ich will schon seit einigen Monaten meinen ersten Fitzek-Roman lesen. Vielleicht motiviert mich ja jetzt, herauszufinden, wie groß Hallervordens Rolle geworden ist.

Links: - IMDb, - Set-Besuch

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Montag, 26. September 2011
"German Grusel: Die Edgar Wallace-Serie"

Der Joe Hembus des neuen Jahrtausends: Tim Bergfelder
"Kein Geringerer als Tarantino outete sich als Edgar Wallace-Fan. Kein Wunder! Experimentell wie massentauglich, der German Grusel ist ein echtes Kinophänomen. Sehen sie selbst!" Das drohte jedenfalls die Frauenstimme am späten Sonntag. Der Arte-Themenabend hatte gerade so gemütlich mit "Das Gasthaus an der Themse" begonnen, als dieser Ausruf Oliver Schwehms Dokumentation "German Grusel" (aka "Frissons Teutons") ankündigte. Abschließend folgte der allererste Edgar Wallace-Film von 1931, nämlich "Der Zinker".
Heutzutage ist es schlicht unmöglich, von Edgar Wallace zu sprechen und den Namen des kalifornischen Regisseurs nicht unnütz im Munde zu führen. War es doch Tarantino, der bei der Berlin-Premiere seines Films "Kill Bill" in den dunklen Kinosaal hauchte: "Alfred Vohrer is a genius!" Ein Umstand, der dem leider viel zu früh verstorbenen FAZ-Journalisten Michael Althen zum Kinostart von „Der Wixxer“ eine elegante Einleitung wert war, die ungefähr die Hälfte seiner Kritik ausmachte und so die Republik über das Coolness-Level eines ihrer Filmgötzen aufklärte.
Der Einarmige ist unter den Zweiarmigen König
Das muss man sich heute immer klar machen: Die Edgar Wallace-Krimis sind längst nicht mehr nur die nostalgisch gefärbte Kindheitserinnerung so vieler Deutscher, sondern seit einiger Zeit eben auch eine der wertvollsten, international geschätzten Genrereihen, die die deutsche Filmgeschichte hergibt. Filmhistoriker wie Tim Bergfelder ("International Adventures") haben darüber Bücher geschrieben, Ikonen wie der Video Watchdog-Herausgeber Tim Lucas haben dazu geniale Sondernummern herausgegeben, Regisseure wie Edgar Wright haben Wallace etwa in "Hot Fuzz" zitiert. Und dass Tarantinos spaßbringendste Metapher in seinem Weltkriegs-Thriller "Inglourious Basterds" insgeheim um eben jenen Edgar Wallace kreist wie die Flugzeuge um das Empire State Building in "King Kong", dürfte inzwischen auch einigen Cineasten klar geworden sein. Die Edgar Wallace-Krimis sind ein Kulturschatz. Und in seiner knapp einstündigen SWR-Dokumentation schwingt sich Oliver Schwehm, auch der Regisseur von "Winnetou darf nicht sterben" und "Christopher Lee: Gentleman des Grauens", dazu auf, der Filmserie das erste brauchbare TV-Denkmal zu setzen.
Wie Laubsäge und Hubschrauber zusammenpassen
Wer mit Harald Reinls Heimatfilm "Almenrausch und Edelweiß" anfängt und mit Dario Argentos Horror-Klassiker "Suspiria" abschließt, muss einfach ein Guter sein. Und wer neben den üblichen Talking Heads wie den Schauspielern Blacky Fuchsberger, Karin Dor, Karin Baal, den Rialto Film-Geschäftsführer Felix Wendlandt, Peter Thomas und den immer sympathischen Oliver Kalkofe (die Stimme von OSS-117!) eben auch Menschen wie den von mir hoch geschätzten Filmhistoriker Tim Bergfelder oder Umberto Lenzi, den mit wichtigsten italienischen Genre-Regisseur der entscheidenden Jahrzehnte, gewinnen konnte, gehört mein Respekt. Wenn Schwehm dann aber auch noch putzige Sequenzen dazwischenschneidet, in denen ein maskierter Mr. X zum Beispiel mit einer Rasierklinge das Band des Heimatfilms im Projektor zerschneidet und Edgar Wallace einlegt, zeugt das von cineastischer Qualität. Oder wenn der Regisseur die Aussagen des FSK-Mitglieds zum Thema 'Verrohende Wirkung von Gewalt' einige der hübschesten Gore-Highlights der Serie untermischt oder die Gedächtnisschwäche der deutschen Stars hinsichtlich ihrer italienischen Produktionen mit eigenen widersprüchlichen Filmdialogen konterkariert, hat er mich vollends für seine Sache gewonnen.
Von der Themse an den Tieber
Als Fan der Serie lernt man nichts elementar Neues. Aber das muss die Filmdoku auch gar nicht bewerkstelligen. Man muss ihr die Liebe, die aber auch keine bedingungslose, fanboyhafte Liebe sein darf, ansehen und Lust bekommen auf das Wiedersehen oder das Entdecken dieses Teils der Filmgeschichte. Und die Liebe ist hier in jedem Detail zu spüren, besonders in den Animationen der Bilder. Wie die Kommissare Fuchsberger und Drache in mysteriösen Rauch getaucht werden oder der Stempel vom Frosch mit der Maske zum Cover des Edgar Wallace-Taschenbuchs wird, steht für eine hohe Produktionsqualität und fachkundiges Personal. Und so ist auch der Weg frei, sich an kleineren appetitlichen Informationshäppchen zu deliktieren. Artur Brauners CCC-Produktionsfirma etwa stand im Volksmund laut Fuchsberger für „zahlt ziemlich zögernd“. Darauf gibt es seltene Filmausschnitte von Edgar Wallace zu bestaunen, wie er, einem König gleich, über sein britisches Domizil stolziert oder Wallace' opulentes Begräbnis einem Staatsakt ähnelt. Dazu Wochenschau-Aufnahmen hinter den Kulissen, die teils als plumpe Werbung aufgebaut sind und Alfred 'Genius' Vohrer mit nur einem Arm zeigen, mit dem er aber seinen Schauspielern zeigt, wie man eine Pistole richtig zu schwingen hat. Bei all den Ufa-Stars aus dem Dritten Reich, Klaus Kinski und den Artur Brauner-Ripoffs ist mir aber eigentlich am liebsten gewesen, auf welche Weise Schwehm die Brücke zu den so genannten Spaghetti Krimis schlägt. Ich könnte jetzt jedenfalls direkt wieder "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" und "Das Gesicht im Dunkeln" schauen.

Auch gut: - Die Horst Wendlandt-Story

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Sonntag, 25. September 2011
"Miss Schweiz Massaker" in Planung
Schon am Freitag wird Michael Steiner, der Regisseur des sehr feinen Horrorfilms "Sennentuntschi", den Final Draft seines neuen Drehbuchs "Miss Schweiz Massaker" bei der Schweizer Filmförderung einreichen. Neunzigtausend Franken hat sich das der stets neutrale Nachbarstaat in der Förderung kosten lassen. Etwas bedauerlich nur, dass Steiner das Script, das er gemeinsam mit Michael Sauter und Daniel Casparis geschrieben hat, nicht selbst inszenieren will. Zwar bietet das von der Umwelt weit abgeschnittene Setting eines Vorbereitungscamp für potenzielle Schönheitsköniginnen dank natürlicher Gefühle wie Neid und Missgunst den idealen Nährboden für Gewaltausbrüche. Gegenüber FrightFest-Chef Alan Jones ließ der 41-Jährige nur durchblicken, dass er sich uncoolerweise zu alt für das Genre des Slasherfilms fühlt, aber durchaus an ein langlebiges Franchise glaubt, das bei Erfolg in andere Länder importiert werden soll.
Globalisiertes Geschnetzel erwünscht
Auf "Miss Switzerland Massacre" könnte dann "Miss Spain Massacre" oder "Miss Iceland Massacre" folgen. Letztlich hieße der Film, der nach einer zwingenden Alieninvasion alles zusammenbringen würde, schlicht "Miss Universe Massacre". Steiners letzter Film "Sennentuntschi", die moderne Neuverfilmung des Schweizer Urmythos von dem aus Stroh auferstandenen, Männer verführenden und in den Wahnsinn treibenden Sukkubus, war in seiner Heimat ein großer Zuschauererfolg - weit über hunderttausend Schweizer sahen den "Kaboom"-Star Roxane Mesquida spielend die Männerköpfe auf der Alm verdrehen - und wird aktuell auf internationalen Genrefestivals wie dem britischen FrightFest oder dem amerikanischen Fantastic Fest bestaunt. Dass dabei trotzdem die Produktionsfirma wegen des für dortige Verhältnisse zu kostspieligen Budgets (gut vier Millionen Euro) Insolvenz anmelden musste und letztlich nur die Zweigstelle der deutschen Constantin Film half, das Projekt fertigzubekommen, mag bei Steiners Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt haben. Leider hat er doch nicht die Eier, um der Erwin C. Dietrich des neuen Jahrtausends zu werden!

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Freitag, 23. September 2011
Fantastic Fest-Entdeckungen 2011
Tim League, der Organisator des Fantastic Fest, ist ein kluger Kopf. In jedem Interview, das er gegeben hat, empfahl er eine andere Handvoll Werke seines knapp achtzig Filme schweren Programmes. So bin ich eigentlich auf wahnsinnig viele potenzielle Genreperlen gespannt. Und da die meisten der Kritiker, die vom Fantastic Fest berichten, zu einer eingeschworenen Gruppe gehören, die in den meisten Fällen sowieso keiner Fliege ein Haar krümmen kann, wird es jede Menge reizvolle Empfehlungen hageln. Die Kunst besteht darin, die für einen selbst passenden Filme auszumachen. Meine verlässlichsten Lieblingskritiker aus der Austin-Brut sind James Rocchi, Drew McWeeny, Eric Vespe, Matt Singer, Scott Weinberg und Todd Brown, wobei Karina Longworth wohl auch mal vorbeischauen will, das dann aber nur für zwei Tage als Teil ihrer Hochzeitsreise (Gag?) sein wird. Kritisch werde ich die Texte von Devin Faraci und seiner Alamo Drafthouse-zugehörigen Badass Digest-Crew beäugen, genauso wie der frische Fangoria-Chefkritiker Samuel Zimmerman noch beweisen muss, dass er sich tatsächlich im Genre auskennt. Harry Knowles schreibt wie immer außer Konkurrenz. Und Blogs wie Slashfilm, FirstShowing und Sound on Sight nehme ich nur der Chronistenpflicht wegen auf. Auch bleibt es abzuwarten, was die Austiner Lokalpresse macht und ob gern gelesene Netz-Größen wie Alison Willmore, Jen Yamato oder Katey Rich ihr Stell-dich-ein geben werden.

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Dienstag, 20. September 2011
Who the fuck is Björn Lahrmann?

© Convergence Entertainment
Phantome. Das sind sie! Diese neueren deutschen Filmkritiker! Nichts gegen die Rampensäue und Showstars von früher: Siegfried Kracauer, Willy Haas und Enno Patalas. You know what I mean. Nein, aber man hat es heute schon nicht leicht, wenn man einen neuen Helden unter den deutschen Filmkritikern entdeckt. Im Zweifelsfall schreibt dieser einfach nach ein paar Monaten nichts mehr. Oder er schreibt gleich so selten, dass man ihn vergisst. Der Manifest-Kritiker Björn Lahrmann ist laut seinem Moviepilot-Profil 29 Jahre alt. Er liebt "Tokyo Drifter" und "Happiness" und hasst "L.A. Crash" und "Palermo Shooting". Über den Filmemacher Shunji Iwai ("Vampire") schreibt er: "Seine Filme waren immer schon wie Blut: Nicht jeder verträgt es, sie zu sehen." Zu "Rubber" dichtet er ein bisschen: "Der Film ergibt von vorn bis hinten absolut und überhaupt nicht das geringste bisschen Sinn. Gute Idee, eigentlich." Er hat jetzt wieder eine neue Kritik geschrieben. Drüben beim Manifest. In kräftigen Sätzen schwärmt er von einem "Film, der immerhin der beste des laufenden Kinojahres ist" und meint "Copie conforme" von Kiarostami, der in Deutschland unter dem Titel "Die Liebesfälscher" herauskommen wird. "Ramschig und x-beliebig", heißt es dazu weiter.
Kritisches Ratatouille à la Ulrich Gregor
Gäbe es eine Filmzeitschrift, in der er regelmäßig publizierte, wäre ich Stammleser. Seine Texte vom letztjährigen Fantasy Filmfest waren köstlich. Voller Humor, Fachwissen und analytischer Schärfe. Aber ich bin auch ein einfaches Gemüt. Mich freut es ja schon, wenn er im Zusammenhang mit dem uruguayischen Geisterhausfilm "The Silent House" Bob Koehler zitiert. "La casa mierda". Das beschissene Haus. Zustimmendes Schmunzeln. Ein kleiner Wunschtraum: Björn Lahrmann, Rüdiger Suchsland, Ulrich Kriest, Jochen Werner und Thomas Groh geben ein eigenes Filmmagazin heraus. Natürlich schriebe Hans Schifferle immer ausufernde Gastbeiträge. Aber eigentlich gab es genug Experimente auf dem Zeitschriftenmarkt, die schief gegangen sind. Eigentlich gibt es auch genug Filmzeitschriften, die nur die richtigen Autoren bekehren müssten. Vielleicht ist aber die imaginäre Zeitschrift, die ich mir aus ihren Meinungen im Netz zusammenbastle, die ideale. Denn dann kann ich die Podcast-Einwürfe eines Viktor Pop daruntermischen, das Ganze mit der Ferroni Brigade abschmecken und immer schön mit Katja Nicodemus, SigiGötz-Entertainment und Rochus Wolff nachwürzen. Ja, wenn es denn wenigstens eine vernünftige Suchmaske auf der Manifest-Seite für Lahrmanns Texte gäbe. Aber das hat diese Filmseite nicht exklusiv. Will man etwa Schnitt-Texte von Jochen Werner lesen, muss man sich auch dumm und dämlich suchen. Phantome waren sie. Phantome werden sie bleiben. Aber eben meine Phantome.

Link: - Die Liebesfälscher

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Freitag, 16. September 2011
Karina Longworths Toronto-Lieblingsfilm: "Damsels in Distress" (Whit Stillman)
Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, da lief "The Last Days of Disco" durch die deutschen Kinomagazine und niemand wollte sich finden, den anzupreisen. Jetzt lese ich, dass Whit Stillman Kult ist. Umso besser, wollte ich doch immer schon einen Blick in "Last Days of Disco" werfen, weil Sonsee Neu in einer kleineren Rolle zu sehen ist. Und jeder neue Greta Gerwig-Film ist gesetzt. Wenn er Karina so gut gefallen hat, spricht das nicht gegen "Damsels in Distress".

Links: - L.A. Weekly, - Clip #1, - Clip #2

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Oscar-Chancen für Wim Wenders' "Pina"
In Mexiko wird die Tage zwischen "Miss Bala" und "We Are What We Are" entschieden, wenn es darum geht, den richtigen Vertreter zu den Oscars zu schicken. Wirklich keine schlechte Auswahl. Ich will nicht behaupten, dass die Kategorie des besten fremdsprachigen Films ganz plötzlich cool geworden ist. Aber es ist doch kein Zufall, wenn im letzten Jahr unter den fünf nominierten Filmen das wilde griechische Meisterwerk "Dogtooth" auftauchte. Ok, es gewann dann Susanne Bier mit dem Tränendrücker "In a Better World", aber hey, den hatte immerhin Drehbuchgott Anders Thomas Jensen geschrieben. Wenn man sich mit der Ungerechtigkeit abgefunden hat, dass die Welt nur fünf Startplätze in einer klein gehaltenen Nebenkategorie hat und dafür meist erschreckend einfallslose Hollywoodware mehrere Stunden in aller epischen Breite abgefeiert und beworben wird, dann macht das richtig Spaß.
"Tanzt, tanzt - sonst sind wir verloren"
Und zwar schon in der Vorauswahl-Phase, wenn die einzelnen Länder von Kommissionen brav ihre vielversprechendsten Werke einreichen lassen. Deutschland schickte nach "Die Fremde" in diesem Jahr Wim Wenders' Bausch-Hommage "Pina" ins Rennen, was mutig ist. Denn weder Hitler, Terroristen noch die Stasi kommen ausdrücklich vor. Dann ist es ein 3D-Dokumentarfilm. Das wird schwer, aber nicht unmöglich. Auf der Berlinale lagen die internationalen Filmkritiker der Filmerfahrung zu Füßen. Und so ging es beim Telluride-Festival, dem ersten echten Gradmesser der Oscar-Season, weiter. "Waltz with Bashir" wurde 2008 für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Auch das macht Hoffnung. Und dass Wenders für die Academy kein Fremder ist, sondern bereits 2000 einen Oscar für "Buena Vista Social Club" mit nach Hause nehmen durfte, könnte letztlich hilfreich sein. Die noch junge, im Oscarspiel eher unerfahrene Verleihfirma Sundance Selects bringt "Pina" in die US-Kino.
Von Palmen, Bären und Löwen
Die aktuell größten Konkurrenten heißen "A Separation" (Iran) und "Le Havre" (Finnland). Festivalpreise schaden inzwischen nicht mehr. So haben etwa auch Griechenland ("Attenberg") und Ungarn ("The Turin Horse") auf ihre prämierten Aushängeschilder gesetzt. Der polnischen Einsendung von Agnieszka Hollands Weltkriegsdrama "In Darkness", das auch in Telluride gezeigt wurde, wird eine rosige Zukunft prophezeit. Aber wir stehen noch ganz am Anfang. Über sechzig Länder werden Filme einschicken. Nur knapp ein Drittel der Auswahl steht schon fest. "The Skin I Live In" von Almodóvar scheint in Spanien wahrscheinlich, nachdem er von der Oscarschmiede Sony Pictures Classics für den US-Markt gekauft wurde. Auch der israelische Film "Footnote" gehört zu ihrem Repertoire. Belgien wird wohl die Dardenne-Brüder mit "The Kid with a Bike" schicken. In der Türkei deutete einiges auf das Epos "Once Upon a Time in Anatolia" hin. Die schmächtige Kategorie des besten fremdsprachigen Films ist zu einem Stell-dich-ein der Festival-Darlings geworden, die dann aber wiederum nicht selten von Out-of-the-Blue-Nennungen verdrängt werden. Exotik und großes Gefühlskino spielen keine untergeordnete Rolle. Es bleibt spannend.

Link: - Wikipedia

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Wann startet RP Kahls "The Lost Love"?
Gestern lief RP Kahls "Bedways" auf Arte. Ein viel tollerer Film, wenn man ihn ein zweites Mal schaut. Ich musste viel an Oskar Roehlers "Silvester Countdown" denken, wo Rolf Peter gleichzeitig Produzent und Hauptdarsteller war. Aber auch daran, dass jetzt ein paar tausend Zapper mehr diesen von der Kritik gefeierten Film kennen. 2010 war kein schlechtes Jahr für die German Sexploitation. Zusammen mit "Schmutziger Süden" und "Engel mit schmutzigen Flügeln" bildete "Bedways" ein herrlich seltsames Triptychon deutschen Filmschaffens unter der allgemeinen Wahrnehmungsgrenze. Daniel Bickermann zitierte in seiner wundervoll knappen Schnitt-Kritik David Cronenberg: "Long Live the New Flesh!" Rüdiger Suchsland entdeckte für mich den Film auf der Berlinale. Es war aber auch einer der wenigen Fälle, dass Variety berauscht von einem deutschen Film berichtete. Bei den Amis war dann auch zu lesen, wie es mit Kahl weitergehen sollte.
"Was geht?" - "Ne Menge!"
Die kleinen Berliner Filmschmieden Independent Partners Films und Mogador Films wollten dessen neuen Film "The Lost Love" stemmen. "The supernatural thriller follows a woman who has lost the ability to feel and who is ready to kill in her search for love and passion", heißt es da. Melanie Kretschmann sollte die Hauptrolle spielen. In Jochen Werners aufschlussreichem Deadline-Interview verrät RP Kahl zur Director's Cut-Veröffentlichung seines Debütfilms "Angel Express" augenzwinkernd, er habe zusätzlich das Ende seiner Berlin-Trilogie für 2022 und eine Buchadaption, wenn er 60 Jahre alt wird, im Blick. Aber er stehe genialen Drehbüchern, die gerne hereinflattern dürfen, total offen gegenüber. Ich fände es ja ganz cool, wenn RP Kahl demnächst den RomCom-Reigen um Schweiger, Fitz und Schweighöfer etwas aufmischen würde. Darkrooms und Fußmassagen haben noch keinem Film geschadet!

Links: - Deadline, - Variety, - Schnitt

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Rudolf Thome dreht wieder - "Ins Blaue"
Ja, es ist eine Schande, dass ich "Das rote Zimmer" immer noch nicht gesehen habe. Aber zumindest studiere ich regelmäßig und voller Eifer Ulrich Kriests Thome-Lesebuch "Formen der Liebe". Ich erfreue mich aktuell am allermeisten an Olaf Möllers Gespräch mit Klaus Lemke über Thome. Denn dort kann man noch wirklich etwas über authentische Filmgeschichte und die noch authentischere Legendenbildung lernen. Es ist ja auch ein unglaublich gut besetztes Best-of der deutschen Filmkritikerzunft, das da zusammen gefunden hat. Am schönsten schreibt der Meister aber selbst - etwa in seinem Blog: "Ich gestehe ihr auch, dass ich, als ich das Drehbuch vor zwei Jahren schrieb, stark daran gedacht habe, dass INS BLAUE mein letzter Film sein sollte. Und dass ich jetzt wieder daran denke, wenn irgendwie möglich, noch gut zehn weitere Filme zu drehen."

Link: - Thome-Blog

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Dienstag, 13. September 2011
Sony lässt "The Raid"-Buzzblase steigen
"Not since Tony Jaa has an action star exploded onto the world stage with such fireworks. And as he demonstrates in The Raid, Iko Uwais has the potential to be twice the star", schreibt Twitch Film. "I had no expectations, and no idea how hard my ass was going to get kicked by this Indonesian action movie. This is the best action film I’ve seen in years", schwärmt Slashfilm. "Holy shit I haven't seen an action movie this good in years! I felt that way only 30 minutes in, but after the full 100 minutes, I still felt the same and had to exclaim that here, right upfront, because it deserves that much praise", schwurbelt First Showing. Egal, welchen amerikanischen Movie Blog man derzeit liest, man stolpert immer über den kleinen indonesischen Actioner "The Raid". Überall stehen die gleichen Superlative - als ob dahinter eine riesige Werbemaschinerie steckt.

Und es stimmt auch. Denn dahinter steht niemand geringeres als der Weltkonzern Sony, der sich frühzeitig, nach ersten Ausschnitten in Cannes, die Verleih- und Remakerechte für "The Raid" sicherte. Daran ist nichts verwerfliches. Eigentlich sollte ich mich darüber freuen, dass ein asiatischer Actionfilm mit Power in den amerikanischen Kinomarkt gedrängt wird, vor allem wenn er so kompromisslos und blutrünstig ausschaut. Aber da fangen meine ersten kleineren Probleme schon an. Eine Spezialeinheit, die sich in einer einzigen Adrenalinhatz durch ein mehrstöckiges Gebäude voller ultrabrutaler Gangster kämpfen muss. Moment, den Film kenne ich schon. Er heißt "Revenge of the Warrior", Tony Jaa spielte die Hauptrolle. Und der brauchte dafür weder Knarren, noch Macheten. Wie nun aber der "The Raid"-Trailer den Gore und die halsbrecherischen Stunts verkauft, lässt darauf schließen, dass im Film noch weniger Wert auf Handlung und Figuren gelegt wird. Aber ehrlich, noch weniger Wert darauf als etwa "Ong-Bak" oder "Revenge of the Warrior"? Das verträgt kein guter Film. So etwas heißt auch "Chocolate" und müffelt.

Und dann stand auch noch eine der ersten wahnsinnig begeisterten Kritiken im Hollywood Reporter. Dort schrieb David Rooney: "Ultra-violent action movies don’t get much more exciting or inventive than this kick-ass feature from Indonesia." Ehrlich, das ist für mich jenseits einer Entdeckung, das ist die ähnliche Hollywood'sche Dröhnung, die bei teuren Blockbustern über die Blogs ausgestrahlt wird. Die trägt "The Raid" selbst in die kleinsten deutschen Blogs und Foren. Und es geht weiter: Das Linkin Park-Bandmitglied Mike Shinoda soll für den US-Markt einen neuen, noch trendigeren Score beisteuern. Ich kann nur schreiben: Herzlichen Glückwunsch, Sony, für diesen Netz-Coup! Aber mich persönlich hat das ganze Theater mehr abgeturnt, als angemacht. Normalerweise interessieren mich die Highlights der Midnight Madness-Reihe aus Toronto sehr. Aber nicht so. Deutlich mehr interessieren mich die bisher eher buzzlosen "Sleepless Night", "The Day" und "Livid".

Nachtrag: Dass der kanadische Twitch Film-Chef Todd Brown mit der US-Firma XYZ Films auch hinter "The Raid" steht und die Fäden zieht, erklärt zusätzlich den so organisiert wirkenden Buzz. Das hat schon ein Geschmäckle. Der Filmkritiker hinter der einflussreichsten Genreseite des Internets ist ausführender Produzent eines idonesischen Actioner, der in Toronto von seinen Kollegen abgefeiert wird. Also nee!

Links: - IMDb, - Trailer

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Freitag, 9. September 2011
Buzz-Ticker: "Faust" (Aleksandr Sokurov)
"That FAUST is able to take place before these works about real men allows us finally to see the origins, the temptation, the decision and the precipice of the descent—and since we are yet before hell, the path to get there is, remarkably, a vibrantly soulful, terrible and funny feast." (Daniel Kasman, Mubi.com) "Certain moments, like Faust courting Margarethe whose expression in a huge, gradually discoloring close-up, are breathtaking, others, like the vast frozen spaces that Faust is facing at the end, truly scary." (Dan Fainaru, Screen Daily) "Sokurov's FAUST is a flawless piece of filmmaking, surely a front-runner for the top prize here in Venice." (Kieron Corless, Sight & Sound) "Walkouts galore in Sokurov's FAUST (C-). And no wonder: like being trapped in an elevator with Terry Gilliam's id, rendered in AlgaeVision." (Guy Lodge, In Contention) "Die Geschichte soll zurückgedreht werden, durch Hitler hindurch vor Hitler zur halbherzigen Unschuld eines Murnau zurück. Also das Gegenteil von 'Von Caligari zu Hitler': Von Hitler zu Caligari, besser zu Murnau." (Rüdiger Suchsland, Negativ) "Das Wechselspiel von Adasinskiy und Zeiler ist jedenfalls bestechend, und FAUST zählt zu den Höhepunkten der zweiten Hälfte der Konkurrenz." (Christoph Huber, Die Presse) "Wenn dieser Film ohne Preis ausgehen sollte, bin ich der Jury ernsthaft böse. Das schreibe ich nicht aus Patriotismus, sondern weil ich eine so kühne, freie, verstiegene Adaption des Stoffs noch nicht gesehen habe." (Cristina Nord, taz) "Goethes Verse werden herbeizitiert, auseinandergenommen, von einer Figur auf die andere übertragen, modifiziert und erweitert. Ein Gefühl von dramaturgischer Strukturierung, von einzelnen Akten, geht einem dabei verloren, stattdessen zieht einen der Film in sich ausbreitende visuelle und erzählerische Kreise hinein." (Felicitas Kleiner, Filmdienst) "Sokurovs FAUST, soeben mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet, war mir zu manieriert, gewissermaßen auch zu 'sokurovesk'. Die Farben, das Stimmengeraune, die verzerrten und verspiegelten Objektivaufnahmen, das Somnambule, das war alles wie gehabt." (Barbara Schweizerhof, epd-Film) "The expressionistic filmmaking lets loose in an idiosyncratic style of chaotic slapstick, in which frenetic theatrical acting contrasts with deformed visuals that can barely contain the actors." (Deborah Young, Hollywood Reporter)

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Mittwoch, 7. September 2011
Fantastic Fest-Programm 2011 komplett
Die Nachricht des Tages ist natürlich, dass das Fantastic Fest - nicht wirklich überraschend - den Zuschlag für "The Human Centipede II: Full Sequence" als Eröffnungsfilm bekommen hat. Darüber hinaus würde man aber auch gerne ein Ticket nach Austin, Texas buchen. Jedes Jahr wächst das Fantastic Fest nämlich mehr zum Trendsetter für Genrefans heran, was auch kein Wunder ist, weil die Hälfte der Internet-Meinungsmacher inzwischen für Festival-Chef Tim League arbeitet. Ob die Aintitcool-Crew um Harry Knowles, der ehemalige CHUD-Kritiker Devin Faraci oder Todd Brown von Twitch Film - sie alle unterstützen, wo sie können. Und gemeinsam werden die Netz-Geeks währenddessen wieder für den nötigen Buzz sorgen, der erklären wird, warum die begrenzten Programm-Slots international so heiß begehrt sind. Eingeladen wird aber nur, was den Machern abgefahren genug und anders erscheint. Das Fantastic Fest ist das Telluride-Festival für Exploitation-Freunde geworden.

Da schockt es auch nicht, dass Tim League so jemanden wie das ehemalige Serien- und Kinosternchen Kristen Bell als Vorzeigegesicht für sein Programm gewinnen konnte. Während also Veronica Mars nun die Ansagen übernimmt und offiziell als neuer Director vorgestellt wird, zieht League im Verborgenen die Fäden. Zu seinen größten Coups des aktuellen Jahrgangs wird man sicherlich die schon mit zahlreichen Schlagzeilen dekorierte Fortsetzung des regelrecht sagenumwobenen menschlichen Tausendfüßlers zählen. Noch mehr begeistert mich aber ehrlich gesagt die Lucio Fulci-Retrospektive ("Woodoo", "Das Haus an der Friedhofmauer") und die potenziellen Toronto-Highlights "Livid", "Sleepless Night" und "The Day". Dazu kommt, dass die erfolgreiche Aufnahme ins Fantastic Festival-Programm mittlerweile einem echten Qualitätsstempel entspricht. Wenn also kleine deutschsprachige Produktionen wie der großartige Schweizer Film "Sennentuntschi", der noch bessere Berlin-Film "Urban Explorer" oder der im letzten Jahr völlig übersehene "Snowman's Land" in der Liste auftauchen, wird auch deren internationaler Marktwert stärker aufgewertet.

Aber wohin man greift, man findet etwas Lohnenswertes. Und wenn nicht, dann ist es zumindest etwas, was man nicht alle Tage geboten bekommt. "Beyond the Black Rainbow", ein mysteriöser Sci-Fi-Film, der sehr an 1970er-Kultfilme wie "Logan's Run" erinnert, ist zum Beispiel so ein Fall von Film, bei dem nur die bloße Fantastic Fest-Nennung im Zusammenwirken mit einem Still-Foto ausreichte, um mich für das Projekt zu gewinnen. Der asiatische Film "Body Temperature" soll das Werk geworden sein, zu dem sich "Lars and the Real Girl" nicht getraut hat. Es läuft das nächste skandinavische Filmphänomen nach "The Girl with the Dragon Tattoo", nämlich die in Deutschland noch völlig unbekannte Bestsellerverfilmung "Headhunters". Dazu der kubanische Zombiefilm "Juan of the Dead". Aber nicht nur deutschsprachige Festivalfilme bekommen im Best-of des Fantastic Fest Kudos: Auch alte Bekannte wie "The Innkeepers", "The Loved Ones", "New Kids Turbo" oder "The Yellow Sea" finden ein Zuhause. In Ausnahmefällen schert man sich nicht um das Haltbarkeitsdatum. Das spricht für die Integrität des Programms.

Link: - Programm, - Fantastic Fest

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