Freitag, 20. Juli 2018
Fantasy Filmfest früh hochwertig aufgestellt
schwanenmeister, 23:40h
„Nicolas Cage gives the performance of a lifetime“ (Russ Fisher, The Playlist)
Auch das Fantasy Filmfest muss bei den Herbstfestivals im Auge behalten werden. Denn schon hat es mit seinen ersten Nennungen einige der attraktivsten Genreperlen 2018 versammelt.
Das Fantasy Filmfest, das am 5. September in Berlin beginnt und am 30. September seine Städtetour in Nürnberg, Frankfurt und Stuttgart beendet, ist programmtechnisch schon sehr gut aufgestellt. Eröffnet wird das Fest von der Sundance-Sensation „Mandy“, in der Regisseur Panos Cosmatos Nicholas Cage auf Dämonenjagd schickt. Den Film umweht ein Kult, seit die ersten Hype-Tweets der US-Kritiker im Januar abgesetzt wurden. Trotz der spektakulären Bilder bleibt aber eine gewisse Grundskepsis. War doch Cosmatos' Vorgängerfilm „Beyond the Black Rainbow“ die stilisierte Langeweile. Aber wie schrieb der Filmkritiker Robert Koehler doch so schön: „Fucking Mandy. Is there anything else? No.“
Dazu gesellen sich zwei andere heiße Eisen: Im Centerpiece läuft die schwedische Cannes-Entdeckung „Border“. Außerdem ist bereits Gaspar Noés neuer Film „Climax“ im Programm bestätigt, der mit sehr vielen Vorschusslorbeeren aus Cannes kommt. Weiter gibt es den deutschen Dämonen-Film „Luz“ zu bestaunen, der auf der Berlinale durchstartete und inzwischen auch international so langsam Fahrt aufnimmt. Mit diesen vier Genre-Leckerbissen kann im September schon mal nichts mehr schief gehen.
Links: - Fantasy Filmfest | - Berlinale-Entdeckung Luz
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Dienstag, 25. August 2015
„Dogtooth“ mit Knödeln und Fips Asmussen
schwanenmeister, 22:12h
Die aufregende, erfrischend andere deutsche Genreperle „Der Bunker“ geht auf Welttournee; nächstes Jahr auch in den deutschen Kinos. Eine Filmkritik von Michael Müller
© Kataskop Film & GFF KG
Was tut sich im deutschen Film? Genau so heißt eine langlebige Veranstaltungsreihe im deutschen Filmmuseum, die gemeinsam mit der Filmzeitschrift epd-Film konzipiert wurde. So lautet auch generell die Selbsteinschätzung der deutschen Filmindustrie: Immer den eigenen Zustand skeptisch beäugend und in Frage stellend. Die tatsächliche Antwort darauf gibt normalerweise der letzte erinnerungswürdige deutsche Film. Aktuell hat man mal wieder einen, den man gerne vorzeigt, zitiert und ausruft: „Victoria“. Sechs deutsche Filmpreise. Silberner Berlinale-Bär. Eine One-Cut-Sensation. Virtuoses Genrekino aus deutschen Landen. Eigentlich ein Paradoxon. Fast oscarnominiert, wenn es da nicht diese dumme Regel mit der Originalsprache gäbe. Angeblich hat sich sogar Jennifer Lawrence eine Privatvorführung zeigen lassen. Und Quentin Tarantino arbeitet auch schon an einer Art Western-Reboot mit Christoph Waltz und Bill Cosby. Oder zumindest: Til Schweiger will ein Hollywood-Remake drehen. Oder so ähnlich.
Ein anderer Blickwinkel auf den deutschen Film: Talent und gute Filme sind immer da. Es ändert sich nur die Wahrnehmung. Wenn sich die Rezeption auf die Filme von Schweighöfer & Co. beschränkt und auf die Frage, ob ein deutscher Film im Cannes-Wettbewerb mitmachen darf oder für den Auslands-Oscar nominiert wird, kann man nur verlieren. Wenn man allerdings genauer hinsieht und die Nuancen wahrnimmt, dann fällt auf, dass dieses Jahr auf dem sommerlichen Filmfest München viel von deutschen Filmen geschwärmt wurde (z. B. „Der Nachtmahr“, „Staatsdiener“, „Schau mich nicht so an“). Und auch im Vorfeld des Fantasy Filmfest, das gerade durch die Großstädte der Republik tourt, lobte die Organisatorin Frederike Dellert ausdrücklich die deutschen Genrebeiträge. Und das von einem Festival, das in den letzten Jahren nicht gerade dadurch aufgefallen wäre, eine echte Plattform für deutsche Genrefilme gewesen zu sein. Allerorts hört und liest man von interessanten Projekten: Auf der Genrenale, der Indie-Gegenveranstaltung zur Berlinale, wurden Projekte wie „Schneeflöckchen“ und „Radio Silence“ gefeiert. Insider-Tipps wie „Von jetzt an kein Zurück“, „Top Girl“, „Liebe mich!“, „Und am Ende sind alle allein“ sowie „Das Zimmermädchen Lynn“ machen die Runde. Damit will ich keine Wellenbewegung behaupten oder ein neues Goldenes Zeitalter heraufbeschwören wollen. Kann ich auch gar nicht. Vielleicht liegt die Fülle der Empfehlungen auch einfach nur an meiner Horizonterweiterung durch zwei, drei neue Tippgeber über Twitter.
Mutter Beimer griff unter die ArmeNikias Chryssos' surreale, zum Schreien komische Gesellschaftssatire „Der Bunker“ ist einer der besten Filme des Jahres. Seine Weltpremiere feierte der Debütfilm im Schatten von „Victoria“ in der Berlinale-Nebenreihe Perspektive Deutsches Kino. Sein richtiges Zuhause scheint er aber erst jetzt auf den Genrefestivals dieser Welt zu finden. In Frankreich, auf dem Festival Mauvais Genre, gewann der Film zwei Jurypreise. Ich wurde auf ihn aufmerksam, weil er im Programm des amerikanischen Fantastic Fest auftauchte. Letzteres Festival hat sich über die Jahre, neben dem großen spanischen Vorbild Sitges, zu dem weltweiten Genre-Mekka entwickelt. Allein die Nominierung ist bereits eine Auszeichnung. Die Existenz von „Der Bunker“ grenzt dabei an ein kleines Wunder, die Finanzierung wurde ausschließlich mit der Hilfe des "Lindenstraßen"-Godfather Hans W. Geißendörfer und seiner gleichnamigen Produktionsfirma („Uncle Boonmee“) gestemmt. Es ist kein Zufall, dass Pit Bukowski eine der Hauptrollen spielt. Jener Schauspieler, der auf den ersten Blick wie eine schnoddrige Version des schon wieder in Vergessenheit geratenen Paul Bettany daherkommt, aber ungleich wandlungsfähiger, geladener und aufregender ist, wie seine andere große, kinskieske Genre-Rolle in „Der Samurai“ gezeigt hat. Ich habe „Der Bunker“ auf dem Frankfurter Fantasy Filmfest erleben dürfen.
Irgendwo in der Einöde betritt ein Student (Pit Bukowski) den Bunker einer dreiköpfigen Familie. Er sucht die Abgeschiedenheit für seine wissenschaftliche Abschlussarbeit. Gut, der versprochene Seeblick fehlt, aber ansonsten scheinen die Voraussetzungen ideal zu sein. Nur die Familie ist ein wenig speziell: Das Kind sieht aus, als sei es schon über dreißig Jahre alt. Es ist angezogen, als hätte Wilhelm Busch die Leibchen mit kurzer Hose designt. Und während zu Tisch gesessen wird und der Vater penibel die Anzahl der Klöße und Servietten notiert, die der Student in Anspruch nimmt, harrt der Kleine bei Minusgraden vor dem Fenster aus. Irgendetwas läuft hier gewaltig schief. Als der Student von den Eltern finanziell und sexuell genötigt wird, den Hausunterricht von Klaus (Daniel Fripan) zu übernehmen, kommt er der hier betriebenen schwarzen Pädagogik auf die Spur.
Regisseur und Drehbuchschreiber Chryssos hat dieses anarchische Kammerspiel in einer surrealen Hyperrealität angeordnet, die voller Humor und verdrängter Erotik ist. Das ist einerseits wahnsinnig unterhaltsam anzuschauen: Wie der Sohnemann etwa, bereits im dunklen Klassenzimmer sitzend, quasi die gesamte Nacht auf den Hauslehrer gewartet zu haben scheint, wie er als einziger Teilnehmer des Unterrichts sein Namensschild dekorativ vor sich rückt, wie ihm das Konzept des Spielens total fremd ist; oder wie der Vater versucht, mit hochtrabender Sprache und leeren Phrasen einem Idealbild des Bildungsbürgers zu entsprechen und wie er am regelmäßigen Witzeabend mit weiß geschminktem Clownsgesicht die ältesten Kalauer der Witzegeschichte in bester Fips Asmussen-Tradition vorträgt, um sie danach intellektuell-schwachsinnig zu unterfüttern.
Stoßtrupp Venus bläst zum AngriffAndererseits drängt sich auf spielerische Art die Leseweise einer Gesellschaftssatire auf. Kammerspiele in ihrer Reduzierung dienten schon immer als Vergrößerungsglas auf aktuelle Verhältnisse. So gesehen ist „Der Bunker“ ein beißender Kommentar auf unser familiäres und gesellschaftliches Rollenverständnis. Der vor sich her forschende Besucher, der je nach Gemütslage mal Student, mal Professor genannt wird, steht mit seiner endlosen Forschungsarbeit für den sanften Unsinn des universitären Lehrbetriebs. Das Mannskind in Lederhosen, das noch von seiner Mutter gesäugt wird, soll durch stupides Auswendiglernen der Hauptstädte darauf vorbereitet werden, Präsident zu werden. Samt charmanter Marilyn Monroe-Reminiszenz. Der Vater ist in diesem Familienkonzept überflüssig geworden: Er versucht seine Rolle als Oberhaupt über starre Rituale und peinliche Bildungshuberei wenigstens im Schein zu rechtfertigen. Am spannendsten ist allerdings die Rolle der Mutter (Oona von Maydell). Sie dirigiert im Stillen über die verschiedensten Methoden die Familie. Interessanterweise hat ihr der Film wörtlich einen Klotz ans Bein gehängt. Eine offene Beinwunde ist gleichzeitig eine Art von Lebensform, die sie Heinrich nennt und die vor allem mit zunehmender Zeit die Verantwortung für die aggressiven Anwandlungen der Mutter übernimmt.
„Der Bunker“ wirkt auf mich so, als würde er aus dem innersten der deutschen Seele entspringen; quasi unter der Reichskanzlei gelegen, das deutsche Unterbewusstsein mit klassischer Musik (neben einem Heavy Metal-Song glaube ich als Ausnahme auch noch ein Score-Stück aus „Der Killer von Wien“ erkannt zu haben) und visuellen Verweisen anzapfend, um sie wild und neu miteinander zu kombinieren; auf wahnsinnig witzige Weise vom Hier und Jetzt erzählend, aber mit den Mitteln großer Film-Satiriker wie Stanley Kubrick und David Lynch. In einem Wort: Lust. Die Lust an der Sprache, den Schauspielern, der Improvisation, der blutvollen Strenge, den Abgründen und Grenzen. Und man könnte „Der Bunker“ auch als Bruderfilm zu Giorgos Lanthimos' Meisterwerk „Dogtooth“ betrachten, der einen ähnlichen erzählerischen Rahmen gewählt hat, aber zu völlig anderen Antworten kommt.
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Montag, 18. Juni 2012
Fantasy Filmfest-Wünsche 2012
schwanenmeister, 13:58h
Nachdem das Fantasy Filmfest inzwischen die ersten Riesengurken ('God Bless America' my ass) herausgehauen hat, hier dagegen einmal ein Ausblick auf 21 Filme, auf die man sich wirklich freuen könnte, wenn es dann Mitte August wieder losgeht:
UNE PURE AFFAIRE - Französische Komödie vom letzten Frühjahr, in der es um ein Pärchen geht, dem unverhofft ein Koffer voll Kokain in die Hände fällt. Klingt natürlich erst einmal ausgelutscht, lief aber auf dem Fantastic Fest 2011 und ist mit meinem aktuellen belgischen Lieblingsdarsteller François Damiens in der Hauptrolle toll besetzt.
MISHEN - Ferroni Brigaden-Gewinner des Golden Donkey von Berlin und Cannes 2011. Eine russische Sci-Fi-Variation von Tolstois "Anna Karenina", in der es um Sex, Sex und noch mal Sex gehen soll. Fand gerade unter den Highbrow-Leitmedien wie Sight & Sound und der New York Times große Beachtung.
DREI KREUZE FÜR EINEN BESTSELLER - Verschollener Fuerteventura-Klaus-Lemke-Film, den die Eskalierenden Träumer bereits mit Jess Franco verglichen haben und der längstens im Spätprogramm des ZDF hätte laufen müssen.
DIE FARBE - Der Trailer sieht eigentlich 'meh' aus, aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, einen deutschen Schwarzweißfilm nach H.P. Lovecraft auf der großen Leinwand zu sehen.
DAS KIND - Der Sebastian Fitzek-Thriller um einen Jungen, der glaubt, in seinem früheren Leben einmal Massenmörder gewesen zu sein, steht in der langen Tradition des deutschen Serienkillerfilms. Und dass der international gespickte Cast mit Didi Hallervorden nicht als Schnüffler oder Doppelgänger, sondern als Kinderschänder angereichert wurde, macht die Sache nicht weniger interessant.
JACKPOT - Den norwegischen Krimiexperten Jo Nesbø zu verfilmen, ist aktuell sehr trendy: "Headhunters" war brauchbare Genreware, Martin Scorsese dreht gerade "The Snowman". Aber die Norweger haben selbst schon wieder einen fertig: eine Tippgemeinschaft, die sich gegenseitig über den Haufen metzelt. Das hat den FrightFest-Chef Alan Jones bereits zu einer kleinen Hymne inspiriert.
CARRÉ BLANC - Französischer Experimental-Sci-Fi, der ziemlich toll aussieht, dabei aber hoffentlich kein neuer "Beyond the Black Rainbow" ist. Außerdem einer der zehn Lieblingsfilme 2011 von Twitch Film-Chef und "The Raid"-Produzent Todd Brown.
SHADOW DANCER - In Sundance noch eher verschmähter, dann auf der Berlinale gefeierter IRA-Thriller, der genau mein Ding sein könnte. Bisher größte Fans: Norbert Grob und Katja Nicodemus!
À MOI SEULE - Das in Berlin eher zwiespältig aufgefasste Companion Piece zu Markus Schleinzers Kinderschänder-Horror "Michael", das sich mit einer weiblichen Hauptfigur noch deutlich mehr an den Natascha Kampusch-Fall anzulehnen scheint. Sieht sehr spannend aus.
HOLY MOTORS - Der Wahnsinn in Dosen. Der "Tabu" von Cannes, was heißt, dass eigentlich jeder Cineast an der Croisette den neuen Leos Carax-Film für seine Ideenfreude und Ausgefallenheit abgöttisch geliebt hat. Pflichttermin.
SIGHTSEERS - Eigentlich ist es doch unmöglich, nach dem düsteren Monolithen "Kill List" einen neuen Film herauszubringen und seine Anhänger nicht zu enttäuschen. Ben Wheatley scheint aber genau das in Cannes mit seiner tiefschwarzen Killerkomödie geglückt zu sein. Most-Wanted.
JAGTEN - Thomas Vinterbergs straighter Comeback-Film, der schon mit Selbstjustizklassikern wie "Straw Dogs" verglichen wurde. Schönerweise aber auch kein Film, der unumstritten ist und einhellig gefeiert wurde.
VULGARIA - Ho-Cheung Pang ist für mich das größte Hongkong-Regietalent, was der Gegenwartsfilm hergibt. Er kann Slasher ("Dream Home") wie RomCom ("Love in a Puff"). Sein Neuester soll sehr kurz sein und von Zoophilie handeln.
VAMPIRE - Nach Sundance völlig in der Versenkung verschwundener, mich an George Romeros "Martin" erinnernder Film von Shunji Iwai, welcher einem ausgewählten Cineastenzirkel als Regisseur von "All About Lily Chou-Chou" bekannt sein dürfte.
YOU'RE NEXT - Fantastic Fest-Hit 2011, von dem ich viel mehr gar nicht wissen will.
V/H/S - Compilation-Film, Sundance-Geheimtipp 2012 für Genrefans und spielerische Neuinterpretation des Found Footage-Subgenres, bei dem unter anderem Ti West Regie geführt hat.
SIMON KILLER - Der zweite große Sundance-Geheimtipp. Erdacht von den Leuten hinter "Martha Marcy May Marlene". Könnte auch heißen: Ein Psycho-Amerikaner in Paris.
SAFETY NOT GUARANTEED - Zeitreise-Dramödie für Fans von Weepies wie "Garden State" und "500 Days of Summer". Höchstwahrscheinlich wieder nur das Sprungbrett eines Jungregisseurs für das nächste Spider-Man-Reboot. Vielleicht aber auch eine brauchbare, nett-süße US-Entdeckung am Wegesrand.
ROOM 237 - Alles, was sie schon immer über "The Shining" wissen wollten, sich aber nie zu fragen wagten.
THE PAPER BOY - Nicole Kidman pinkelt auf Zac Efron. Nuff said. Soll Potenzial zum Camp-Klassiker haben. Mag man sich beim Macher von "Precious" kaum vorstellen.
THE TALL MAN - Der neue Film von "Martyrs"-Regisseur Pascal Laugier, der immerhin einmal kein US-Remake eines Horrorfilmklassikers ist und wenigstens Jessica Biel in seinem Cast aufweist. FrightFest-Chef Alan Jones zeigte sich begeistert.
UNE PURE AFFAIRE - Französische Komödie vom letzten Frühjahr, in der es um ein Pärchen geht, dem unverhofft ein Koffer voll Kokain in die Hände fällt. Klingt natürlich erst einmal ausgelutscht, lief aber auf dem Fantastic Fest 2011 und ist mit meinem aktuellen belgischen Lieblingsdarsteller François Damiens in der Hauptrolle toll besetzt.
MISHEN - Ferroni Brigaden-Gewinner des Golden Donkey von Berlin und Cannes 2011. Eine russische Sci-Fi-Variation von Tolstois "Anna Karenina", in der es um Sex, Sex und noch mal Sex gehen soll. Fand gerade unter den Highbrow-Leitmedien wie Sight & Sound und der New York Times große Beachtung.
DREI KREUZE FÜR EINEN BESTSELLER - Verschollener Fuerteventura-Klaus-Lemke-Film, den die Eskalierenden Träumer bereits mit Jess Franco verglichen haben und der längstens im Spätprogramm des ZDF hätte laufen müssen.
DIE FARBE - Der Trailer sieht eigentlich 'meh' aus, aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, einen deutschen Schwarzweißfilm nach H.P. Lovecraft auf der großen Leinwand zu sehen.
DAS KIND - Der Sebastian Fitzek-Thriller um einen Jungen, der glaubt, in seinem früheren Leben einmal Massenmörder gewesen zu sein, steht in der langen Tradition des deutschen Serienkillerfilms. Und dass der international gespickte Cast mit Didi Hallervorden nicht als Schnüffler oder Doppelgänger, sondern als Kinderschänder angereichert wurde, macht die Sache nicht weniger interessant.
JACKPOT - Den norwegischen Krimiexperten Jo Nesbø zu verfilmen, ist aktuell sehr trendy: "Headhunters" war brauchbare Genreware, Martin Scorsese dreht gerade "The Snowman". Aber die Norweger haben selbst schon wieder einen fertig: eine Tippgemeinschaft, die sich gegenseitig über den Haufen metzelt. Das hat den FrightFest-Chef Alan Jones bereits zu einer kleinen Hymne inspiriert.
CARRÉ BLANC - Französischer Experimental-Sci-Fi, der ziemlich toll aussieht, dabei aber hoffentlich kein neuer "Beyond the Black Rainbow" ist. Außerdem einer der zehn Lieblingsfilme 2011 von Twitch Film-Chef und "The Raid"-Produzent Todd Brown.
SHADOW DANCER - In Sundance noch eher verschmähter, dann auf der Berlinale gefeierter IRA-Thriller, der genau mein Ding sein könnte. Bisher größte Fans: Norbert Grob und Katja Nicodemus!
À MOI SEULE - Das in Berlin eher zwiespältig aufgefasste Companion Piece zu Markus Schleinzers Kinderschänder-Horror "Michael", das sich mit einer weiblichen Hauptfigur noch deutlich mehr an den Natascha Kampusch-Fall anzulehnen scheint. Sieht sehr spannend aus.
HOLY MOTORS - Der Wahnsinn in Dosen. Der "Tabu" von Cannes, was heißt, dass eigentlich jeder Cineast an der Croisette den neuen Leos Carax-Film für seine Ideenfreude und Ausgefallenheit abgöttisch geliebt hat. Pflichttermin.
SIGHTSEERS - Eigentlich ist es doch unmöglich, nach dem düsteren Monolithen "Kill List" einen neuen Film herauszubringen und seine Anhänger nicht zu enttäuschen. Ben Wheatley scheint aber genau das in Cannes mit seiner tiefschwarzen Killerkomödie geglückt zu sein. Most-Wanted.
JAGTEN - Thomas Vinterbergs straighter Comeback-Film, der schon mit Selbstjustizklassikern wie "Straw Dogs" verglichen wurde. Schönerweise aber auch kein Film, der unumstritten ist und einhellig gefeiert wurde.
VULGARIA - Ho-Cheung Pang ist für mich das größte Hongkong-Regietalent, was der Gegenwartsfilm hergibt. Er kann Slasher ("Dream Home") wie RomCom ("Love in a Puff"). Sein Neuester soll sehr kurz sein und von Zoophilie handeln.
VAMPIRE - Nach Sundance völlig in der Versenkung verschwundener, mich an George Romeros "Martin" erinnernder Film von Shunji Iwai, welcher einem ausgewählten Cineastenzirkel als Regisseur von "All About Lily Chou-Chou" bekannt sein dürfte.
YOU'RE NEXT - Fantastic Fest-Hit 2011, von dem ich viel mehr gar nicht wissen will.
V/H/S - Compilation-Film, Sundance-Geheimtipp 2012 für Genrefans und spielerische Neuinterpretation des Found Footage-Subgenres, bei dem unter anderem Ti West Regie geführt hat.
SIMON KILLER - Der zweite große Sundance-Geheimtipp. Erdacht von den Leuten hinter "Martha Marcy May Marlene". Könnte auch heißen: Ein Psycho-Amerikaner in Paris.
SAFETY NOT GUARANTEED - Zeitreise-Dramödie für Fans von Weepies wie "Garden State" und "500 Days of Summer". Höchstwahrscheinlich wieder nur das Sprungbrett eines Jungregisseurs für das nächste Spider-Man-Reboot. Vielleicht aber auch eine brauchbare, nett-süße US-Entdeckung am Wegesrand.
ROOM 237 - Alles, was sie schon immer über "The Shining" wissen wollten, sich aber nie zu fragen wagten.
THE PAPER BOY - Nicole Kidman pinkelt auf Zac Efron. Nuff said. Soll Potenzial zum Camp-Klassiker haben. Mag man sich beim Macher von "Precious" kaum vorstellen.
THE TALL MAN - Der neue Film von "Martyrs"-Regisseur Pascal Laugier, der immerhin einmal kein US-Remake eines Horrorfilmklassikers ist und wenigstens Jessica Biel in seinem Cast aufweist. FrightFest-Chef Alan Jones zeigte sich begeistert.
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Dienstag, 6. September 2011
Fantasy Filmfest-Fazit 2011
schwanenmeister, 15:16h
Das sind doch mal Erkenntnisse: Ich bin definitiv noch nicht zu alt für diesen Scheiß! Aber die Jahre, in denen ich mir vier Filme am Stück hinter die Binde kippen konnte, scheinen unwiederbringlich vorbei zu sein. Gediegene Double Features dominierten mein so kleines wie feines Programm. Große Teile des Fantasy Filmfest-Angebots gibt es mittlerweile ja schon vorher auf ausländischen DVDs einzusammeln, was ein Abturner sein kann. Und doch gibt es fast nichts schöneres, als einige der wichtigsten Genreperlen des Jahres, wie etwa "The Innkeepers", "Kill List" oder "Urban Explorer", vorzeitig im vollbesetzten Kinosaal unter Gleichgesinnten entdecken zu dürfen. Mit minimalem Vorwissen und offenen, kindlichen Augen. Da mag das Frankfurter Metropolis durch Wegrationalisierung der Meinungs-Pinnwände noch so sehr daran arbeiten, das Fantasy Filmfest optisch komplett in den trüben Blockbuster-Alltag des Multiplexes einzugliedern - der nerdige Spirit der Dauerkartenträger ist nicht klein zu kriegen.
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Sonntag, 4. September 2011
Fantasy Filmfest-Nachklapp #2
schwanenmeister, 15:36h
"Point Blank" (Fred Cavayé) ★★★
"Á bout portant" ist ein grundsolider Thriller im klassischen Stile von Alfred Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte", an dem der doch sehr charismatische Hauptdarsteller Gilles Lellouche und die Genrewolke, die ihn umgibt, am interessantesten sind. Sieht man sich nur Lellouches Filmografie an, erahnt man, wie vielfältig und anregend der aktuelle französische Genrefilm ist: "Anthony Zimmer", "Kein Sterbenswort", "Die Kammer der toten Kinder", "Public Enemy No. 1", "Adèle und das Geheimnis des Pharaos" und "Kleine wahre Lügen", um nur einmal die Highlights zu nennen. Die eine Hälfte davon sind Lieblingsfilme von mir, aus der anderen Hälfte hat Hollywood Remakes versucht. Ein bisschen ironisch ist es da schon, dass sein neuester Film den internationalen Verleihtitel "Point Blank" trägt, was bekanntlich einer der wichtigsten Klassiker des amerikanischen Gangsterfilms ist. Nun, es gibt keinerlei Berührungspunkte. Und doch wirkt der französische "Point Blank" wie eine gekonnte Abkupferung - aber aus seinem eigenen Land. Der unschuldige Bürger, der in eine politische Intrige hineingezogen wird und mit Angst und Überlebenswillen gerade noch die brenzligsten Situationen meistert. Ja, das kennt man doch besser und süchtiger machend etwa aus "Kein Sterbenswort". Aber wenn Lellouche für das Leben seiner hochschwangeren Frau einen angeschossenen Gangster aus dem Krankenhaus schleust, die zahlreichen Verwicklungen immer undurchsichtiger werden und der Zuschauer nicht mehr weiß, wem er jetzt trauen soll, dann macht "Point Blank" eine Menge Spaß und ist dabei gekonnt und ohne unnötige Mätzchen erzählt. Fred Cavayés Weg nach Hollywood ist vorgezeichnet, wurde doch schon sein Diane Kruger-Thriller "Ohne Schuld" von den Amis mit dem Prügelbarden Russell Crowe nachgedreht ("The Next Three Days"). Und der gute Gilles Lellouche taucht demnächst neben Noomi Rapace im neuen "Sherlock Holmes"-Blockbuster auf. Hollywood hat schon eine sehr verquere Art, europäischen Schauspieltalenten Tribut zu zollen; indem sie nämlich weitgehend in schlechten Nebenrollen verheizt werden.
"The Prey" (Eric Valette) ★★★
Mhm. Wieder grundsolide Thrillerkost aus Frankreich, wieder fehlt das Außergewöhnliche. Der kleine Entdecker in mir freute sich über einen in Teilen schön morricone-esken Soundtrack, die sehr heiße Alice Taglioni als investigative Polizistin mit gottgegebener weiblicher Intuition und Schießhemmung und den großen Sergi López in einer viel zu kleinen, eigentlich herrlich egalen Nebenrolle. Die Story um einen Bankräuber, der mit einem Kinderschänder im Knast sitzt und vorzeitig ausbrechen muss, da sein Bettkamerad scharf auf seine Familie ist, lebt von der kriminellen Energie des Pädophilen, als dieser fälschlicherweise nach Intervention seines Anwalts entlassen wird. Weniger interessiert die Hatz, die der Protagonist veranstaltet, um seine Frau und sein Kind zu retten. Zu sehr Profi ist der gute Mann, zu sehr kennt er sich mit Waffen und Schlossknacken aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er seinen Gegenspieler ausgemacht hat. Auch die Recherche der Polizei nervt zunehmend trotz attraktiven Ermittlerin. Die Staatsmacht lässt sich hier ablenken wie Schiedsrichter beim Wrestling. Natürlich sind sie hinter dem falschen Häftling her. Natürlich gibt es nur Eine, die es besser weiß. Und natürlich will ihr bis zuletzt niemand Glauben schenken. Nein, wenn "The Prey" fasziniert, dann durch die bizarr abstoßende Dynamik zwischen dem Kinderschänder und seiner herzallerliebsten Frau, die für ein eigenes kleines Kind wortwörtlich über Leichenberge geht. In dem Hollywoodfilm "Running Scared" mit Paul Walker gibt es eine ziemlich ähnliche Episode eines solchen Pädo-Pärchens, das in schalldichten Kinderzimmern mit Videokameras die unglaublichsten Grausamkeiten anstellen, die unsere Fantasie zulassen. Und auch dort war bereits das größte Problem, dass die Kinderschänder zu unmenschlichen Monstren aufgebauscht werden. So sehr, dass sie letztlich nicht mehr sind als emotionale Punching Balls, an denen sich die Volksseele abreagieren kann. Wenn ich dagegen etwa Stefan Kurts Molesch-Figur in der Serienkiller-Geschichte "Eine Minute Dunkel" des "Dreileben"-Projekts der ARD halte, verflacht der schicke französische Thriller umso mehr.
"Á bout portant" ist ein grundsolider Thriller im klassischen Stile von Alfred Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte", an dem der doch sehr charismatische Hauptdarsteller Gilles Lellouche und die Genrewolke, die ihn umgibt, am interessantesten sind. Sieht man sich nur Lellouches Filmografie an, erahnt man, wie vielfältig und anregend der aktuelle französische Genrefilm ist: "Anthony Zimmer", "Kein Sterbenswort", "Die Kammer der toten Kinder", "Public Enemy No. 1", "Adèle und das Geheimnis des Pharaos" und "Kleine wahre Lügen", um nur einmal die Highlights zu nennen. Die eine Hälfte davon sind Lieblingsfilme von mir, aus der anderen Hälfte hat Hollywood Remakes versucht. Ein bisschen ironisch ist es da schon, dass sein neuester Film den internationalen Verleihtitel "Point Blank" trägt, was bekanntlich einer der wichtigsten Klassiker des amerikanischen Gangsterfilms ist. Nun, es gibt keinerlei Berührungspunkte. Und doch wirkt der französische "Point Blank" wie eine gekonnte Abkupferung - aber aus seinem eigenen Land. Der unschuldige Bürger, der in eine politische Intrige hineingezogen wird und mit Angst und Überlebenswillen gerade noch die brenzligsten Situationen meistert. Ja, das kennt man doch besser und süchtiger machend etwa aus "Kein Sterbenswort". Aber wenn Lellouche für das Leben seiner hochschwangeren Frau einen angeschossenen Gangster aus dem Krankenhaus schleust, die zahlreichen Verwicklungen immer undurchsichtiger werden und der Zuschauer nicht mehr weiß, wem er jetzt trauen soll, dann macht "Point Blank" eine Menge Spaß und ist dabei gekonnt und ohne unnötige Mätzchen erzählt. Fred Cavayés Weg nach Hollywood ist vorgezeichnet, wurde doch schon sein Diane Kruger-Thriller "Ohne Schuld" von den Amis mit dem Prügelbarden Russell Crowe nachgedreht ("The Next Three Days"). Und der gute Gilles Lellouche taucht demnächst neben Noomi Rapace im neuen "Sherlock Holmes"-Blockbuster auf. Hollywood hat schon eine sehr verquere Art, europäischen Schauspieltalenten Tribut zu zollen; indem sie nämlich weitgehend in schlechten Nebenrollen verheizt werden.
"The Prey" (Eric Valette) ★★★
Mhm. Wieder grundsolide Thrillerkost aus Frankreich, wieder fehlt das Außergewöhnliche. Der kleine Entdecker in mir freute sich über einen in Teilen schön morricone-esken Soundtrack, die sehr heiße Alice Taglioni als investigative Polizistin mit gottgegebener weiblicher Intuition und Schießhemmung und den großen Sergi López in einer viel zu kleinen, eigentlich herrlich egalen Nebenrolle. Die Story um einen Bankräuber, der mit einem Kinderschänder im Knast sitzt und vorzeitig ausbrechen muss, da sein Bettkamerad scharf auf seine Familie ist, lebt von der kriminellen Energie des Pädophilen, als dieser fälschlicherweise nach Intervention seines Anwalts entlassen wird. Weniger interessiert die Hatz, die der Protagonist veranstaltet, um seine Frau und sein Kind zu retten. Zu sehr Profi ist der gute Mann, zu sehr kennt er sich mit Waffen und Schlossknacken aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er seinen Gegenspieler ausgemacht hat. Auch die Recherche der Polizei nervt zunehmend trotz attraktiven Ermittlerin. Die Staatsmacht lässt sich hier ablenken wie Schiedsrichter beim Wrestling. Natürlich sind sie hinter dem falschen Häftling her. Natürlich gibt es nur Eine, die es besser weiß. Und natürlich will ihr bis zuletzt niemand Glauben schenken. Nein, wenn "The Prey" fasziniert, dann durch die bizarr abstoßende Dynamik zwischen dem Kinderschänder und seiner herzallerliebsten Frau, die für ein eigenes kleines Kind wortwörtlich über Leichenberge geht. In dem Hollywoodfilm "Running Scared" mit Paul Walker gibt es eine ziemlich ähnliche Episode eines solchen Pädo-Pärchens, das in schalldichten Kinderzimmern mit Videokameras die unglaublichsten Grausamkeiten anstellen, die unsere Fantasie zulassen. Und auch dort war bereits das größte Problem, dass die Kinderschänder zu unmenschlichen Monstren aufgebauscht werden. So sehr, dass sie letztlich nicht mehr sind als emotionale Punching Balls, an denen sich die Volksseele abreagieren kann. Wenn ich dagegen etwa Stefan Kurts Molesch-Figur in der Serienkiller-Geschichte "Eine Minute Dunkel" des "Dreileben"-Projekts der ARD halte, verflacht der schicke französische Thriller umso mehr.
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Samstag, 3. September 2011
Fantasy Filmfest-Nachklapp
schwanenmeister, 21:10h
"Attack the Block" (Joe Cornish) ★★★
Der Brite Edgar Wright hat aktuell die Scheiße am Schuh. Egal ob der ehemals umfeierte und immer noch von den Geeks dieser Welt hofierte Regisseur von "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" im Moment etwa als Regisseur, Produzent oder auch nur Buddy auftritt: seine Beteiligungen bringen Pech. Zu dem gigantischen Flop "Grindhouse" steuerte er in freundschaftlicher Verbundenheit mit Tarantino den Fake-Trailer "Don't" bei. Sein eigenes ambitioniertes Hollywoodprojekt "Scott Pilgrim vs. the World" scheiterte sowohl künstlerisch als auch kommerziell. Und auch bei seinem neuesten Film, "Attack the Block", welchen er als ausführender Produzent betreute, ließen ihn die Zuschauer im Stich. Ob dieses Pech auch auf Spielbergs angedachten Welt-Blockbuster "Tim & Struppi" übergehen wird, muss sich zeigen. Jedenfalls schrieben dort jener Wright gemeinsam mit dem "Attack the Block"-Regisseur Joe Cornish das Drehbuch. Wie die beiden den Job bekamen, für Spielberg und Jackson einen der berühmtesten europäischen Comichelden für das Kinojahr 2011 aufzupolieren? Es könnte unter anderem mit "Attack the Block" zu tun haben, diesem Alieninvasions-Film im Ghetto. Man könnte auch Ghetto-Goonies kalauern und dem Ganzen irgendwie gerecht werden. Denn "Attack the Block" ist weit davon entfernt, ein großer Wurf zu sein. Er macht ganz gut Spaß, hauptsächlich dadurch, dass er kleine "böse" Gangster gute Sachen tun lässt. In Süd-London stürzen also Aliens ab. Bevor sie aber ihre Raserei beginnen können, werden sie schon kalt gestellt. Sie haben sich nämlich die falsche Gegend ausgesucht. Das ist dann weder spannend, noch gruselig, da man die Monster von Anfang an im vollen Umfang zu sehen bekommt. Der Zuschauer weiß, wie einfach sie doch zu töten sind. Und zu allem Überfluss sehen die knuddeligen Monster aus dem Weltraum mit ihren phosphorisierenden Gebissen auch noch so aus, als wären sie aus dem Stickeralbum der kleinen Schwester entwischt. Kindergarten, wenn man sie mit den deutlich knuddeligeren 1980er-Jahre-Kultmonstern wie den Critters, den Gremlins oder gleich den Ewoks vergleicht, die dagegen aber auch wussten, echten Terror zu verbreiten. Die junge Gang rettet den Tag und den Film. Wer Spaß daran hat, kann auch noch die London-Riots aus der Realität in den filmischen Wohnblöcken ausmachen. Aber es ist vor allem John Boyega, der charismatische und schweigsame Anführer der Gruppe, der den Film auf seinen Schultern trägt und wohl bald ein ganz Großer wird. Er spielt nämlich wie ein junger Denzel Washington. Aus "Attack the Block" wiederum wird nur recht brauchbare Filmware für einen Videoabend.
"Shaolin" (Benny Chan) ★½
Martial Arts-Kino zum Abgewöhnen. Ja, Hongkong-Bombast ohne Herz, aber hauptsächlich für die Seele des chinesischen Staates. Immer noch die rassistische Attitüde gegen die bösen Ausländer, die das Land der Mitte korrumpieren wollen. Damals, in den Shaw Brothers-Filmen der 1970er-Jahre, sah man darüber gerne hinweg, wenn Gordon Liu und Wang Yu nur ordentlich die Knochen knacken ließen. In "Shaolin" schreit einen der Ausländerhass aber wegen der dünnen Geschichte und den papierenen Figuren geradezu an. Feinste Genreperlen wie "Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame", "Reign of Assassins" oder "Wu Xia" hatten wieder Heißhunger auf stilsichere Kampfkunst aus Fernost gemacht. "Shaolin" spuckt dem Ganzen in die fein gewürzte Suppe. Dabei gab es keinen echten Buzz um den Film. Einzig der Trailer sprach mich an. Und er war eben Teil des Fantasy Filmfests. Warum frage ich mich jetzt? Vielleicht reichen manchem die Statistenheere, die Explosionen oder dass Jackie Chan in einer selten dämlichen Rolle als clownesker Gemüsekoch zu sehen ist. Was für einen ruhmreichen Auftritt bekam Jimmy Wang Yu dieses Jahr in "Wu Xia" spendiert. Wie peinlich nimmt sich dagegen das Herumgeblödel von Jackie hier aus. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Chan dem Regisseur noch einen Gefallen schuldig gewesen sein muss. Es geht um einen grausamen Herrscher (Andy Lau), der Opfer einer Intrige seiner rechten Hand (eine Entdeckung: Nicholas Tse) wird, wobei er der Familie und der Macht beraubt wird. Zur Läuterung geht er ins Kloster, lässt sich Kung Fu beibringen und kämpft an der Seite der Mönche gegen seine alten Lakaien, die mittlerweile Geschäfte mit den fiesen Ausländern machen. Um die Subtilität der Geschichte zu unterstreichen, sei nur einmal kurz der Hinterhalt geschildert, in den Andy Lau mit seiner Familie gerät: Dort jagen ihn nämlich unzählige äxteschwingende Wahnsinnige auf Kutschen durch das Restaurant über die Steppe, bis er sich an einem Berganhang verstecken kann. Man fragt sich nur anfangs, warum Lau bei einem Treffen, wo er selbst plante, seinen Konkurrenten zu ermorden, im Vorfeld nicht bessere Schutzmaßnahmen getroffen hat. Solch offensichtliche Aggressoren hätten für den mächtigsten Mann der Region eigentlich kein Problem darstellen dürfen. Vor allem die Figuren sind schrecklich eindimensional gezeichnet. Entfernt erinnern sie an die Takashi Miike-Schule im überschätzten Genrewerk "Thirteen Assassins". Die Protagonisten bleiben auf Distanz, weil sie nicht mehr als austauschbare Klischees sind, die einer plumpen Botschaft zu dienen haben. Hail to China. Die Action ist so blutleer wie unspektakulär. Die Überlänge tut ihr übriges. "Shaolin" ist ein seelenloses Kitschprodukt vom Fließband. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Der Brite Edgar Wright hat aktuell die Scheiße am Schuh. Egal ob der ehemals umfeierte und immer noch von den Geeks dieser Welt hofierte Regisseur von "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" im Moment etwa als Regisseur, Produzent oder auch nur Buddy auftritt: seine Beteiligungen bringen Pech. Zu dem gigantischen Flop "Grindhouse" steuerte er in freundschaftlicher Verbundenheit mit Tarantino den Fake-Trailer "Don't" bei. Sein eigenes ambitioniertes Hollywoodprojekt "Scott Pilgrim vs. the World" scheiterte sowohl künstlerisch als auch kommerziell. Und auch bei seinem neuesten Film, "Attack the Block", welchen er als ausführender Produzent betreute, ließen ihn die Zuschauer im Stich. Ob dieses Pech auch auf Spielbergs angedachten Welt-Blockbuster "Tim & Struppi" übergehen wird, muss sich zeigen. Jedenfalls schrieben dort jener Wright gemeinsam mit dem "Attack the Block"-Regisseur Joe Cornish das Drehbuch. Wie die beiden den Job bekamen, für Spielberg und Jackson einen der berühmtesten europäischen Comichelden für das Kinojahr 2011 aufzupolieren? Es könnte unter anderem mit "Attack the Block" zu tun haben, diesem Alieninvasions-Film im Ghetto. Man könnte auch Ghetto-Goonies kalauern und dem Ganzen irgendwie gerecht werden. Denn "Attack the Block" ist weit davon entfernt, ein großer Wurf zu sein. Er macht ganz gut Spaß, hauptsächlich dadurch, dass er kleine "böse" Gangster gute Sachen tun lässt. In Süd-London stürzen also Aliens ab. Bevor sie aber ihre Raserei beginnen können, werden sie schon kalt gestellt. Sie haben sich nämlich die falsche Gegend ausgesucht. Das ist dann weder spannend, noch gruselig, da man die Monster von Anfang an im vollen Umfang zu sehen bekommt. Der Zuschauer weiß, wie einfach sie doch zu töten sind. Und zu allem Überfluss sehen die knuddeligen Monster aus dem Weltraum mit ihren phosphorisierenden Gebissen auch noch so aus, als wären sie aus dem Stickeralbum der kleinen Schwester entwischt. Kindergarten, wenn man sie mit den deutlich knuddeligeren 1980er-Jahre-Kultmonstern wie den Critters, den Gremlins oder gleich den Ewoks vergleicht, die dagegen aber auch wussten, echten Terror zu verbreiten. Die junge Gang rettet den Tag und den Film. Wer Spaß daran hat, kann auch noch die London-Riots aus der Realität in den filmischen Wohnblöcken ausmachen. Aber es ist vor allem John Boyega, der charismatische und schweigsame Anführer der Gruppe, der den Film auf seinen Schultern trägt und wohl bald ein ganz Großer wird. Er spielt nämlich wie ein junger Denzel Washington. Aus "Attack the Block" wiederum wird nur recht brauchbare Filmware für einen Videoabend.
"Shaolin" (Benny Chan) ★½
Martial Arts-Kino zum Abgewöhnen. Ja, Hongkong-Bombast ohne Herz, aber hauptsächlich für die Seele des chinesischen Staates. Immer noch die rassistische Attitüde gegen die bösen Ausländer, die das Land der Mitte korrumpieren wollen. Damals, in den Shaw Brothers-Filmen der 1970er-Jahre, sah man darüber gerne hinweg, wenn Gordon Liu und Wang Yu nur ordentlich die Knochen knacken ließen. In "Shaolin" schreit einen der Ausländerhass aber wegen der dünnen Geschichte und den papierenen Figuren geradezu an. Feinste Genreperlen wie "Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame", "Reign of Assassins" oder "Wu Xia" hatten wieder Heißhunger auf stilsichere Kampfkunst aus Fernost gemacht. "Shaolin" spuckt dem Ganzen in die fein gewürzte Suppe. Dabei gab es keinen echten Buzz um den Film. Einzig der Trailer sprach mich an. Und er war eben Teil des Fantasy Filmfests. Warum frage ich mich jetzt? Vielleicht reichen manchem die Statistenheere, die Explosionen oder dass Jackie Chan in einer selten dämlichen Rolle als clownesker Gemüsekoch zu sehen ist. Was für einen ruhmreichen Auftritt bekam Jimmy Wang Yu dieses Jahr in "Wu Xia" spendiert. Wie peinlich nimmt sich dagegen das Herumgeblödel von Jackie hier aus. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Chan dem Regisseur noch einen Gefallen schuldig gewesen sein muss. Es geht um einen grausamen Herrscher (Andy Lau), der Opfer einer Intrige seiner rechten Hand (eine Entdeckung: Nicholas Tse) wird, wobei er der Familie und der Macht beraubt wird. Zur Läuterung geht er ins Kloster, lässt sich Kung Fu beibringen und kämpft an der Seite der Mönche gegen seine alten Lakaien, die mittlerweile Geschäfte mit den fiesen Ausländern machen. Um die Subtilität der Geschichte zu unterstreichen, sei nur einmal kurz der Hinterhalt geschildert, in den Andy Lau mit seiner Familie gerät: Dort jagen ihn nämlich unzählige äxteschwingende Wahnsinnige auf Kutschen durch das Restaurant über die Steppe, bis er sich an einem Berganhang verstecken kann. Man fragt sich nur anfangs, warum Lau bei einem Treffen, wo er selbst plante, seinen Konkurrenten zu ermorden, im Vorfeld nicht bessere Schutzmaßnahmen getroffen hat. Solch offensichtliche Aggressoren hätten für den mächtigsten Mann der Region eigentlich kein Problem darstellen dürfen. Vor allem die Figuren sind schrecklich eindimensional gezeichnet. Entfernt erinnern sie an die Takashi Miike-Schule im überschätzten Genrewerk "Thirteen Assassins". Die Protagonisten bleiben auf Distanz, weil sie nicht mehr als austauschbare Klischees sind, die einer plumpen Botschaft zu dienen haben. Hail to China. Die Action ist so blutleer wie unspektakulär. Die Überlänge tut ihr übriges. "Shaolin" ist ein seelenloses Kitschprodukt vom Fließband. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
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Mittwoch, 31. August 2011
Fantasy Filmfest-Ticker: 31. August
schwanenmeister, 14:54h
"The Innkeepers" (Ti West) ★★★½
Regisseur Ti West galt seit seinem chilligen Satans-Slasher "The House of the Devil" als einer der letzten Hoffnungsträger des amerikanischen Horrorfilms. Splat Pack-Größen wie Eli Roth und Rob Zombie hatten vor langer Zeit ihr Mojo verschossen. Der Mainstream-Horror verlor sich im unendlichen Sequel-, Reboot- und Prequel-Wahn, den ausländische Fachkräfte wie Alexandre Aja oder Marcus Nispel bewerkstelligten. Nur US-Boy Lucky McKee sprang dieses Jahr mit "The Woman" in die Bresche. Vielleicht ist es genau diese Last auf Ti Wests Schultern, die mich nach "The Innkeepers" doch mehr oder weniger enttäuscht im Kinosaal zurückließ. Der Begriff Mumblecore-"The Shining" fasst seinen Geisterhaus-Film beängstigend gut zusammen. Wie in "The House of the Devil" gibt es eine wahnsinnige Spannungskurve, die durch das Herumgammeln der Protagonisten auf die Spitze getrieben wird. Nur wird dieses Mal, in den letzten Tagen eines schäbigen Hotels, das kurz vor der Schließung steht und dessen verbliebene Angestellte zwei äußerst sympathische Slacker mit einem Hang zur Geisterjagd sind, eines deutlich: Im Vordergrund stehen nicht mehr der Horror und der Suspense, sondern die schief laufende Liebesgeschichte zwischen zwei befreundeten Arbeitskollegen. West inszeniert das blonde Model Sara Paxton, die mit gestrengem Seitenscheitel die etwas schusselige, aber immer niedliche und noch liebenswertere Claire spielt, als feuchte Geekfantasie. Die Kamera ist ganz vernarrt in ihre aufgerissene Jeans. Und jedes Mal wenn sie ihr Asthma-Spray aus der Tasche zieht, erinnert sie dabei an Sean Astin in "The Goonies" oder auch Jonathan Brandis in "Sidekicks". Das Asthma-Spray definierte die Nerds und Außenseiter im Hollywoodfilm der 1980er und frühen 1990er-Jahre. Bei Sara Paxton wird das Erkennungszeichen nun zum sexuellen Fetisch aufgeladen. Die Tragik von "The Innkeepers" liegt darin verborgen, dass Claire - die heimliche Liebe in Lukes Leben, mit der er sich blind versteht - seine Leidenschaft für Geister nicht nur adaptiert, sondern daran in einer Art Besessenheit letztlich zugrunde geht. Dieses sehr gegenwärtige Dilemma zwischen Internetpornos und Perspektivlosigkeit erzählt Ti West so humorvoll wie ökonomisch. Aber letztlich vertrug sich das bei mir nicht richtig mit dem allzu straighten und kantenlosen Horror-Plot. Ich habe aber Lust, bald einen zweiten Blick zu riskieren. Und "Cabin Fever 2" wird nachgeholt! Versprochen!
Regisseur Ti West galt seit seinem chilligen Satans-Slasher "The House of the Devil" als einer der letzten Hoffnungsträger des amerikanischen Horrorfilms. Splat Pack-Größen wie Eli Roth und Rob Zombie hatten vor langer Zeit ihr Mojo verschossen. Der Mainstream-Horror verlor sich im unendlichen Sequel-, Reboot- und Prequel-Wahn, den ausländische Fachkräfte wie Alexandre Aja oder Marcus Nispel bewerkstelligten. Nur US-Boy Lucky McKee sprang dieses Jahr mit "The Woman" in die Bresche. Vielleicht ist es genau diese Last auf Ti Wests Schultern, die mich nach "The Innkeepers" doch mehr oder weniger enttäuscht im Kinosaal zurückließ. Der Begriff Mumblecore-"The Shining" fasst seinen Geisterhaus-Film beängstigend gut zusammen. Wie in "The House of the Devil" gibt es eine wahnsinnige Spannungskurve, die durch das Herumgammeln der Protagonisten auf die Spitze getrieben wird. Nur wird dieses Mal, in den letzten Tagen eines schäbigen Hotels, das kurz vor der Schließung steht und dessen verbliebene Angestellte zwei äußerst sympathische Slacker mit einem Hang zur Geisterjagd sind, eines deutlich: Im Vordergrund stehen nicht mehr der Horror und der Suspense, sondern die schief laufende Liebesgeschichte zwischen zwei befreundeten Arbeitskollegen. West inszeniert das blonde Model Sara Paxton, die mit gestrengem Seitenscheitel die etwas schusselige, aber immer niedliche und noch liebenswertere Claire spielt, als feuchte Geekfantasie. Die Kamera ist ganz vernarrt in ihre aufgerissene Jeans. Und jedes Mal wenn sie ihr Asthma-Spray aus der Tasche zieht, erinnert sie dabei an Sean Astin in "The Goonies" oder auch Jonathan Brandis in "Sidekicks". Das Asthma-Spray definierte die Nerds und Außenseiter im Hollywoodfilm der 1980er und frühen 1990er-Jahre. Bei Sara Paxton wird das Erkennungszeichen nun zum sexuellen Fetisch aufgeladen. Die Tragik von "The Innkeepers" liegt darin verborgen, dass Claire - die heimliche Liebe in Lukes Leben, mit der er sich blind versteht - seine Leidenschaft für Geister nicht nur adaptiert, sondern daran in einer Art Besessenheit letztlich zugrunde geht. Dieses sehr gegenwärtige Dilemma zwischen Internetpornos und Perspektivlosigkeit erzählt Ti West so humorvoll wie ökonomisch. Aber letztlich vertrug sich das bei mir nicht richtig mit dem allzu straighten und kantenlosen Horror-Plot. Ich habe aber Lust, bald einen zweiten Blick zu riskieren. Und "Cabin Fever 2" wird nachgeholt! Versprochen!
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Sonntag, 28. August 2011
Fantasy Filmfest-Ticker: 28. August
schwanenmeister, 16:28h
"Kill List" (Ben Wheatley) ★★★★★
Du willst das düstere britische Meisterwerk "Kill List" noch sehen? Dann lies bloß nicht weiter! Verschließe sofort deine Ohren, wenn jemand aus deinem Umfeld davon schwärmen sollte, verschließe deine Augen, wenn Kritiken oder Trailer auftauchen! Du würdest dir ansonsten eine der erinnerungswürdigsten Filmerfahrungen des Kinojahres versauen. Umso weniger du weißt, umso besser. Ich wusste praktisch nichts - und wurde förmlich weggeblasen. "Kill List" war der Geheimtipp des South By Southwest-Festival, das sich neben Sundance immer mehr zur elementaren Frühjahrs-Startrampe von Genreperlen entwickelt. Die Horrorexperten Scott Weinberg, Drew McWeeny und Alan Jones waren begeistert, die IFC Midnight-Schiene hatte wieder mal zugeschlagen, und die britische Zensurbehörde spielte verrückt - mehr brauchte es für mich nicht.
"Kill List" ist ein abartiger Genrebastard, der immer genau dann seine Richtung zu ändern scheint, wenn man ihn gerade verstanden zu haben glaubt. Der Film beginnt als klassisches Kitchen Sink-Drama, wie es Mike Leigh und Ken Loach in Großbritannien zu einer Marke und zu einem Makel gemacht haben. Ein arbeitsloser Mann, der seiner Frau und seinem jungen Sohn auf der Tasche liegt, weil er nichts mit sich anzufangen weiß. Soweit es die stark im lokalen Dialekt gesprochenen Dialogfetzen zulassen, muss er früher wohl Soldat gewesen sein, der auf eine neue Anstellung wartet. Einmal brät er sich einen von der Katze erlegten Hasen, den er wegen des Ekels der Ehefrau nur allein im Garten verzehren darf. Ein anderes Mal stößt ihn sein Sohnemann beim Rasieren an. Er schneidet sich und fühlt sich dabei erinnert. Bei einem Abendessen mit Freunden eskaliert dann die Situation. Die Emotionen schlagen hoch. Der Freund schreitet ein. Er hat einen neuen, mysteriösen Job an der Angel. Und so kippt "Kill List" das erste Mal in eine völlig andere Richtung. Aus dem Familiendrama wird ein waschechter britischer Gangsterfilm. Und jeder, der sich in der Gangsterfilm-Geschichte etwas auskennt, weiß, dass die Engländer in den 1970er-Jahren die besten gemacht haben. Gelegentlich scheint das heute noch in neueren Produktionen wie "Gangster No. 1" oder "Sexy Beast" durch. Schlimm wurde es immer, wenn die Briten nicht an die eigene Historie, sondern an Quentin Tarantino anknüpfen wollten (Guy Ritchie, Matthew Vaughn). Aber was "Kill List" dann auffährt, erinnert nicht nur an die Klassiker "Get Carter", "Callan", "Sitting Target" oder "The Squeeze", sondern findet seine eigene Stimme. Es wird sehr existenzialistisch und düster - als ob die Gangster mit Knarre und Hammer die eigenen inneren Dämonen jagen würden. Darin steckt bereits die nächste Genrewendung, wenn der Gangsterfilm zum Selbstjustiz-Thriller morpht. Den intensiven, süchtig machenden Darstellern Neil Maskell und Mike Smiley ist es zu verdanken, dass daraus zu keinem Moment eine blasse Kopie von "Reservoir Dogs" oder "Pulp Fiction" wird, was innerhalb der Grenzen dieser Genres einer wahren Kunst gleichkommt. Wenn, dann erinnern Wheatleys Gangster eher an die deprimierende Brutalität und Hilflosigkeit eines Richard Burton in "Villain". Aber das Blatt wendet sich noch einmal - übrigens wieder in Richtung eines Subgenre, das die Briten in den 1970er-Jahren beherrschten und antrieben. Und als die Kirchenglocken zum Schluss läuteten, war ich jedenfalls total am Ende. Womit hatte ich solch einen cinephilen Wunsch- bzw. Alptraum verdient?
"Urban Explorer" (Andy Fetscher) ★★★★
Eigentlich müsste ich den Münchner Regisseur Andy Fetscher in den höchsten Tönen loben. Machte er es doch im selben Festival einem Tim Fehlbaum vor, wie man trotz ausgelutschter Genrevorgabe einen eigenständigen Horrorfilm zaubert, der nicht ständig an zu nahe oder zu große Vorbilder erinnert. Fetscher ist ein neuartiger Berlin-Film geglückt, der uns die totgefilmte Hauptstadt aus doppelt anregender Perspektive anders kennenlernen lässt: zum einen aus den Augen von ausländischen, kosmopolitischen Backpackern, die auf ihrer ach so hippen Europareise eine besondere Art von Kick suchen; zum anderen aus dem Inneren der Erde, da die Abenteuerlustigen eine Tour durch die unterirdischen Gänge, Bunker und Abwasserkanäle der Stadt gebucht haben. So wirft Regisseur Fetscher gleich noch mal einen ganz anderen, in Partylaune doch mehr oder weniger verdrängten Blick auf Berlin. Und was das für ein Blick ist: ein aufgeregter, positiv nervöser, aufregender, immer interessierter, in allen Belangen auf internationaler Klasse mitspielender Psychoblick. Aber würde ich nur das loben, würde ich deutlich die wahre Stärke und den heimlichen Hauptdarsteller und Helden der Geschichte unterschlagen. Er heißt Klaus Stiglmeier, ist seit Mitte der 1980er-Jahre im Geschäft und meistens nur das verrückte Gesicht hinten rechts oder der Spaßvogel vorne links gewesen. Man kennt ihn vielleicht aus der bayerischen Comedy-Sendung "Kanal Fatal", hat ihn bestimmt schon mal irgendwo mitspielen gesehen. Aber es sollte 26 Jahre dauern, bis er nach Siggi Götz' "Die Einsteiger" wieder eine tragende Rolle in einem Horrorfilm spielen konnte. Und bei Gott, genießt er dieses Comeback. Klaus Stiglmeier ist mindestens der Dieter Laser ("The Human Centipede") des diesjährigen Fantasy Filmfest. Tatsächlich hat er sich hier aber mit hingebungsvoller Akribie eine eigene Kategorie geschaffen, an der sich deutsche Charakterdarsteller in absoluten Wahnsinnsrollen in den nächsten Jahrzehnten abarbeiten dürften. Auszuformulieren, was Stiglmeiers Auftritt so groß macht, würde die Luft aus dem Film lassen. Und so schweige ich, tease nur und zitiere FrightFest-Maestro Alan Jones: "THE DESCENT meets CREEP in a nightmare as epic as the stunning subterranean locations."
Du willst das düstere britische Meisterwerk "Kill List" noch sehen? Dann lies bloß nicht weiter! Verschließe sofort deine Ohren, wenn jemand aus deinem Umfeld davon schwärmen sollte, verschließe deine Augen, wenn Kritiken oder Trailer auftauchen! Du würdest dir ansonsten eine der erinnerungswürdigsten Filmerfahrungen des Kinojahres versauen. Umso weniger du weißt, umso besser. Ich wusste praktisch nichts - und wurde förmlich weggeblasen. "Kill List" war der Geheimtipp des South By Southwest-Festival, das sich neben Sundance immer mehr zur elementaren Frühjahrs-Startrampe von Genreperlen entwickelt. Die Horrorexperten Scott Weinberg, Drew McWeeny und Alan Jones waren begeistert, die IFC Midnight-Schiene hatte wieder mal zugeschlagen, und die britische Zensurbehörde spielte verrückt - mehr brauchte es für mich nicht.
"Kill List" ist ein abartiger Genrebastard, der immer genau dann seine Richtung zu ändern scheint, wenn man ihn gerade verstanden zu haben glaubt. Der Film beginnt als klassisches Kitchen Sink-Drama, wie es Mike Leigh und Ken Loach in Großbritannien zu einer Marke und zu einem Makel gemacht haben. Ein arbeitsloser Mann, der seiner Frau und seinem jungen Sohn auf der Tasche liegt, weil er nichts mit sich anzufangen weiß. Soweit es die stark im lokalen Dialekt gesprochenen Dialogfetzen zulassen, muss er früher wohl Soldat gewesen sein, der auf eine neue Anstellung wartet. Einmal brät er sich einen von der Katze erlegten Hasen, den er wegen des Ekels der Ehefrau nur allein im Garten verzehren darf. Ein anderes Mal stößt ihn sein Sohnemann beim Rasieren an. Er schneidet sich und fühlt sich dabei erinnert. Bei einem Abendessen mit Freunden eskaliert dann die Situation. Die Emotionen schlagen hoch. Der Freund schreitet ein. Er hat einen neuen, mysteriösen Job an der Angel. Und so kippt "Kill List" das erste Mal in eine völlig andere Richtung. Aus dem Familiendrama wird ein waschechter britischer Gangsterfilm. Und jeder, der sich in der Gangsterfilm-Geschichte etwas auskennt, weiß, dass die Engländer in den 1970er-Jahren die besten gemacht haben. Gelegentlich scheint das heute noch in neueren Produktionen wie "Gangster No. 1" oder "Sexy Beast" durch. Schlimm wurde es immer, wenn die Briten nicht an die eigene Historie, sondern an Quentin Tarantino anknüpfen wollten (Guy Ritchie, Matthew Vaughn). Aber was "Kill List" dann auffährt, erinnert nicht nur an die Klassiker "Get Carter", "Callan", "Sitting Target" oder "The Squeeze", sondern findet seine eigene Stimme. Es wird sehr existenzialistisch und düster - als ob die Gangster mit Knarre und Hammer die eigenen inneren Dämonen jagen würden. Darin steckt bereits die nächste Genrewendung, wenn der Gangsterfilm zum Selbstjustiz-Thriller morpht. Den intensiven, süchtig machenden Darstellern Neil Maskell und Mike Smiley ist es zu verdanken, dass daraus zu keinem Moment eine blasse Kopie von "Reservoir Dogs" oder "Pulp Fiction" wird, was innerhalb der Grenzen dieser Genres einer wahren Kunst gleichkommt. Wenn, dann erinnern Wheatleys Gangster eher an die deprimierende Brutalität und Hilflosigkeit eines Richard Burton in "Villain". Aber das Blatt wendet sich noch einmal - übrigens wieder in Richtung eines Subgenre, das die Briten in den 1970er-Jahren beherrschten und antrieben. Und als die Kirchenglocken zum Schluss läuteten, war ich jedenfalls total am Ende. Womit hatte ich solch einen cinephilen Wunsch- bzw. Alptraum verdient?
"Urban Explorer" (Andy Fetscher) ★★★★
Eigentlich müsste ich den Münchner Regisseur Andy Fetscher in den höchsten Tönen loben. Machte er es doch im selben Festival einem Tim Fehlbaum vor, wie man trotz ausgelutschter Genrevorgabe einen eigenständigen Horrorfilm zaubert, der nicht ständig an zu nahe oder zu große Vorbilder erinnert. Fetscher ist ein neuartiger Berlin-Film geglückt, der uns die totgefilmte Hauptstadt aus doppelt anregender Perspektive anders kennenlernen lässt: zum einen aus den Augen von ausländischen, kosmopolitischen Backpackern, die auf ihrer ach so hippen Europareise eine besondere Art von Kick suchen; zum anderen aus dem Inneren der Erde, da die Abenteuerlustigen eine Tour durch die unterirdischen Gänge, Bunker und Abwasserkanäle der Stadt gebucht haben. So wirft Regisseur Fetscher gleich noch mal einen ganz anderen, in Partylaune doch mehr oder weniger verdrängten Blick auf Berlin. Und was das für ein Blick ist: ein aufgeregter, positiv nervöser, aufregender, immer interessierter, in allen Belangen auf internationaler Klasse mitspielender Psychoblick. Aber würde ich nur das loben, würde ich deutlich die wahre Stärke und den heimlichen Hauptdarsteller und Helden der Geschichte unterschlagen. Er heißt Klaus Stiglmeier, ist seit Mitte der 1980er-Jahre im Geschäft und meistens nur das verrückte Gesicht hinten rechts oder der Spaßvogel vorne links gewesen. Man kennt ihn vielleicht aus der bayerischen Comedy-Sendung "Kanal Fatal", hat ihn bestimmt schon mal irgendwo mitspielen gesehen. Aber es sollte 26 Jahre dauern, bis er nach Siggi Götz' "Die Einsteiger" wieder eine tragende Rolle in einem Horrorfilm spielen konnte. Und bei Gott, genießt er dieses Comeback. Klaus Stiglmeier ist mindestens der Dieter Laser ("The Human Centipede") des diesjährigen Fantasy Filmfest. Tatsächlich hat er sich hier aber mit hingebungsvoller Akribie eine eigene Kategorie geschaffen, an der sich deutsche Charakterdarsteller in absoluten Wahnsinnsrollen in den nächsten Jahrzehnten abarbeiten dürften. Auszuformulieren, was Stiglmeiers Auftritt so groß macht, würde die Luft aus dem Film lassen. Und so schweige ich, tease nur und zitiere FrightFest-Maestro Alan Jones: "THE DESCENT meets CREEP in a nightmare as epic as the stunning subterranean locations."
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Samstag, 27. August 2011
Fantasy Filmfest-Ticker: 26. August
schwanenmeister, 05:59h
"Hell" (Tim Fehlbaum) ★★★
Das hätte ein richtig toller apokalyptischer Endzeitfilm sein können, wenn er denn vor einem Jahrzehnt herausgekommen wäre. Die Ironie liegt darin, dass mir Tim Fehlbaums Debütfilm besser gefallen hat als die Genrewerke, an die er erinnert. Ich würde "Hell" zu jeder Zeit einem weiteren Durchgang "28 Days Later", "Zombieland", "The Road" oder "Stake Land" vorziehen. Trotzdem haftet der Geschichte um eine zufällig zusammengewürfelte Truppe, die in neuen lebensfeindlichen Bedingungen zu überleben versucht, etwas zutiefst Verbrauchtes an. Das ist sogar so abgenutzt, dass Fehlbaums "Hell" nach einem weiteren, zugegebenermaßen großartigen Film wie etwa "Saint" schon fast wieder aus der Erinnerung verschwunden ist. Dabei hat der Film viel, was mich für ihn einnimmt: Er erzählt viel und gut über Blicke und Gesten, er holt aus wenig Budget und beschränktem Setting das Optimum heraus. Ja, er entwickelt seine Figuren organisch und interessant. Erst nach und nach lernen wir die Konstellationen unter den Überlebenden kennen, was sehr beim Identifizieren mit der aussichtslosen Situation hilft. Die Schauspieler sind ganz großartig: besonders Lars Eidinger als "Arschloch" und Hannah Herzsprung - aber weniger als Final Girl, wie sie Rüdiger Suchsland in seinem FAZ-Artikel interpretiert hat, sondern mehr als moderne Action-Heldin im Stile einer Ripley aus der "Alien"-Reihe. Und wenn die brennende Sonne die Leinwand während einer adrenalinvollgepumpten Fluchtszene für einige Augenblicke in einen poetischen Schwarzweißfilm verwandelt, dann möchte man, dass "Hell" in der eigenen Erinnerung doch etwas Bleibendes haben wird.
"Saint" (Dick Maas) ★★★★½
"Baby, das ist genau mein Ding!" lautet der Titel eines Sachbuches, das Austin Powers über schwedische Penispumpen geschrieben hat. Dieser Satz ist inzwischen aber auch zu einer meiner höchsten Lobpreisungen geworden, die ich einem Film direkt nach dem Ansehen ausstellen kann. Und dann dankt dieser Teufelskerl von Regisseur, der als Macher des Flodders-Phänomens berühmt wurde und in den letzten Jahrzehnten gemeinsam mit Paul Verhoeven das niederländische Genrekino überhaupt im Gespräch hielt, in den Credits der belgischen Regielegende Harry Kümel. Nach diesem Wahnsinn von Weihnachts-Slasher, der wohl nur dafür geschaffen wurde, um auf Genrefestivals in der Midnight-Schiene unter erhöhtem Alkoholkonsum genossen zu werden, pusht also Dick Maas den Regisseur von "Blut an den Lippen", einem der Kultklassiker unter den lesbischen Vampirfilmen. Und dazu spielte ein feucht-fröhlicher Rocksong, der mich hinterfragen ließ, ob ich das eben nicht nur alles geträumt hatte. Habe ich das wirklich gesehen, dass da gerade der abartig böse Nikolaus mit seinen Zombiepiraten-Helfern über die Dächer Amsterdams geritten ist und die halbe Bevölkerung weggeschnetzelt hat? In Europa werden derzeit die Weihnachtslegenden aufs Unterhaltsamste neuinterpretiert: Erst die Finnen, die in "Rare Exports" aufklärten, dass umtrainierte Wichtel anstelle des Weihnachtsmannes in seinem Namen gute Taten vollbringen. Jetzt die Niederländer, die ihre Legende um einen religiösen Wahnsinnigen, der am Ende des Mittelalters von Dorfbewohnern verbrannt wurde und deshalb aus Rache alle 23 Jahre zu Vollmond am 5. Dezember wiederkehrt, natürlich mit der gewohnten Freizügigkeit würzten. Und dazu kommen der unvergleichliche Humor, die niedliche Sprache, Kinkiness en masse und zum Sterben schöne Goreszenen. "Saint" ist einer dieser Filme, der, würde man sie Kindern zur rechten Zeit vorspielen, schlimme Traumata zurücklassen würde. "Saint" hat keinen Respekt und auch keine angezogene Handbremse. Er prescht wie ein Bulldozer durch die verkitschten Kindheitsträume und hat dabei die Frechheit, extrem kurzweilig und einer der besten Slasherfilme der neuen Generation zu sein.
Das hätte ein richtig toller apokalyptischer Endzeitfilm sein können, wenn er denn vor einem Jahrzehnt herausgekommen wäre. Die Ironie liegt darin, dass mir Tim Fehlbaums Debütfilm besser gefallen hat als die Genrewerke, an die er erinnert. Ich würde "Hell" zu jeder Zeit einem weiteren Durchgang "28 Days Later", "Zombieland", "The Road" oder "Stake Land" vorziehen. Trotzdem haftet der Geschichte um eine zufällig zusammengewürfelte Truppe, die in neuen lebensfeindlichen Bedingungen zu überleben versucht, etwas zutiefst Verbrauchtes an. Das ist sogar so abgenutzt, dass Fehlbaums "Hell" nach einem weiteren, zugegebenermaßen großartigen Film wie etwa "Saint" schon fast wieder aus der Erinnerung verschwunden ist. Dabei hat der Film viel, was mich für ihn einnimmt: Er erzählt viel und gut über Blicke und Gesten, er holt aus wenig Budget und beschränktem Setting das Optimum heraus. Ja, er entwickelt seine Figuren organisch und interessant. Erst nach und nach lernen wir die Konstellationen unter den Überlebenden kennen, was sehr beim Identifizieren mit der aussichtslosen Situation hilft. Die Schauspieler sind ganz großartig: besonders Lars Eidinger als "Arschloch" und Hannah Herzsprung - aber weniger als Final Girl, wie sie Rüdiger Suchsland in seinem FAZ-Artikel interpretiert hat, sondern mehr als moderne Action-Heldin im Stile einer Ripley aus der "Alien"-Reihe. Und wenn die brennende Sonne die Leinwand während einer adrenalinvollgepumpten Fluchtszene für einige Augenblicke in einen poetischen Schwarzweißfilm verwandelt, dann möchte man, dass "Hell" in der eigenen Erinnerung doch etwas Bleibendes haben wird.
"Saint" (Dick Maas) ★★★★½
"Baby, das ist genau mein Ding!" lautet der Titel eines Sachbuches, das Austin Powers über schwedische Penispumpen geschrieben hat. Dieser Satz ist inzwischen aber auch zu einer meiner höchsten Lobpreisungen geworden, die ich einem Film direkt nach dem Ansehen ausstellen kann. Und dann dankt dieser Teufelskerl von Regisseur, der als Macher des Flodders-Phänomens berühmt wurde und in den letzten Jahrzehnten gemeinsam mit Paul Verhoeven das niederländische Genrekino überhaupt im Gespräch hielt, in den Credits der belgischen Regielegende Harry Kümel. Nach diesem Wahnsinn von Weihnachts-Slasher, der wohl nur dafür geschaffen wurde, um auf Genrefestivals in der Midnight-Schiene unter erhöhtem Alkoholkonsum genossen zu werden, pusht also Dick Maas den Regisseur von "Blut an den Lippen", einem der Kultklassiker unter den lesbischen Vampirfilmen. Und dazu spielte ein feucht-fröhlicher Rocksong, der mich hinterfragen ließ, ob ich das eben nicht nur alles geträumt hatte. Habe ich das wirklich gesehen, dass da gerade der abartig böse Nikolaus mit seinen Zombiepiraten-Helfern über die Dächer Amsterdams geritten ist und die halbe Bevölkerung weggeschnetzelt hat? In Europa werden derzeit die Weihnachtslegenden aufs Unterhaltsamste neuinterpretiert: Erst die Finnen, die in "Rare Exports" aufklärten, dass umtrainierte Wichtel anstelle des Weihnachtsmannes in seinem Namen gute Taten vollbringen. Jetzt die Niederländer, die ihre Legende um einen religiösen Wahnsinnigen, der am Ende des Mittelalters von Dorfbewohnern verbrannt wurde und deshalb aus Rache alle 23 Jahre zu Vollmond am 5. Dezember wiederkehrt, natürlich mit der gewohnten Freizügigkeit würzten. Und dazu kommen der unvergleichliche Humor, die niedliche Sprache, Kinkiness en masse und zum Sterben schöne Goreszenen. "Saint" ist einer dieser Filme, der, würde man sie Kindern zur rechten Zeit vorspielen, schlimme Traumata zurücklassen würde. "Saint" hat keinen Respekt und auch keine angezogene Handbremse. Er prescht wie ein Bulldozer durch die verkitschten Kindheitsträume und hat dabei die Frechheit, extrem kurzweilig und einer der besten Slasherfilme der neuen Generation zu sein.
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Montag, 22. August 2011
Franco-Schocker "Livid" erst 2012 auf DVD
schwanenmeister, 12:28h
Julien Maurys und Alexandre Bustillos "Inside"-Nachfolgefilm "Livid" feiert der Tradition nach seine Weltpremiere in der Midnight Madness-Schiene von Colin Geddes auf dem Toronto-Festival. Das wird im September sein. Ende September ist dann das Fantastic Fest in Austin, im Oktober das Genre-Mekka in Sitges, wo der Film sicherlich herumgereicht und begutachtet werden wird. Deutsche Genrefans können sich dagegen darauf einstellen, dass "Livid" folgenden Weg gehen wird: Der deutsche Lizenzbesitzer Tiberius Film plant seine DVD-Veröffentlichung für 2012. Das würde dafür sprechen, den Film auf den Fantasy Filmfest Nights im Frühjahr wiedersehen zu können. Bleibt eigentlich nur eine verdammte Frage offen: Wann kommt "The Human Centipede II" in die Kinos?
Links: - Tiberius Film, - Toronto (Premiere: 11. September)
Links: - Tiberius Film, - Toronto (Premiere: 11. September)
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