Dienstag, 5. Dezember 2017
Toldja: Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs“ eröffnet Berlinale 2018
© 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation
Wird auch Yoko Ono über den Roten Teppich der Berlinale 2018 laufen? Als Stimme in Wes Andersons neuem Film „Isle of Dogs“, der das Festival eröffnet, könnte das passieren.

Zum Auftakt der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin am 15. Februar 2018 wird Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs – Ataris Reise“ seine Weltpremiere im Berlinale Palast feiern. Und in alter Nikki-Finke-Manier sagt der Blog Negative Space: Toldja. Das haben wir schon lange kommen sehen.

Wes Anderson hat bisher drei Filme im Berlinale Wettbewerb präsentiert: „Die Royal Tenenbaums“ (2002), „Die Tiefseetaucher“ (2005) und „Grand Budapest Hotel“ (2014), der die 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnete und den Silbernen Bären Großer Preis der Jury gewann. „Ich freue mich sehr, dass Wes Anderson wieder den Berlinale-Wettbewerb eröffnet. Mit 'Isle of Dogs – Ataris Reise' wird erstmals ein Animationsfilm zum Auftakt des Festivals gezeigt – ein Film, der mit dem verzaubernden Wes-Anderson-Stil begeistert“, sagt Festivaldirektor Dieter Kosslick.
Starparade auf dem Roten Teppich
„Isle of Dogs – Ataris Reise“ erzählt die Geschichte von Atari Kobayashi, dem zwölfjährigen Pflegesohn des korrupten Bürgermeisters Kobayashi. Als durch einen Regierungserlass alle Hunde der Stadt Megasaki City auf eine riesige Mülldeponie verbannt werden, macht sich Atari allein in einem Miniatur-Junior-Turboprop auf den Weg und fliegt nach Trash Island auf der Suche nach seinem Bodyguard-Hund Spots. Dort freundet er sich mit einem Rudel Mischlingshunde an und bricht mit ihrer Hilfe zu einer epischen Reise auf, die das Schicksal und die Zukunft der ganzen Präfektur entscheiden wird.

Die Besetzung der Stimmen umfasst Bryan Cranston, Koyu Rankin, Edward Norton, Liev Schreiber, Bill Murray, Bob Balaban, Jeff Goldblum, Scarlett Johansson, Kunichi Nomura, Tilda Swinton, Ken Watanabe, Akira Ito, Greta Gerwig, Akira Takayama, Frances McDormand, F. Murray Abraham, Courtney B. Vance, Yojiro Noda, Fisher Stevens, Mari Natsuki, Nijiro Murakami, Yoko Ono, Harvey Keitel und Frank Wood. „Isle of Dogs – Ataris Reise“ startet in den USA am 23. März 2018 in den Kinos. Weltweit wird der Film ab April 2018 in die Kinos kommen.

Link: - Mehr Berlinale-News

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Samstag, 2. Dezember 2017
Unterzeichner von Berlinale-Aufruf fühlen sich für Anti-Kosslick-Kampagne ausgenutzt

Regisseur Dominik Graf | © JCS, Wikipedia (CC BY-SA 3.0)
Der Blog Negative Space berichtete, dass 79 Regisseure eine Erklärung unterschrieben haben, welche die Nachrichtenseite Spiegel Online am 24. November veröffentlicht hat. Darin forderten die Filmemacher einen Erneuerungsprozess der Berlinale und eine transparente, internationale Ausschreibung für die Nachfolge des Festivalleiters Dieter Kosslick. Gefahren wurde die Veröffentlichung von Spiegel Online, aber auch von anderen Publikationen, vor allem als Abrechnung mit dem aktuellen Berlinale-Chef, der im Jahr 2019 aus seinem Amt ausscheidet.

Wie man aber am Donnerstag in der Wochenzeitung Die Zeit nachlesen konnte, war das zumindest von einigen Regisseuren, die unterzeichnet hatten, überhaupt nicht die Absicht. Einer der prominentesten Filmemacher unter den 79 Regisseuren, Dominik Graf („Die geliebte Schwestern“, „Die Katze“), stellte das jetzt klar: „Wenn ich gewusst hätte, dass unser Schreiben in das publizistische Fahrwasser einer Abrechnung mit Kosslick gezogen wird, hätte ich nie unterschrieben.“
„Es wird immer hintenrum draufgehauen“
Weiter führte Graf aus: „Genau das nervt mich an der deutschen Filmbranche: Dieses 'Kopf ab!'-Geschrei, dieser Mangel an direkter Auseinandersetzung, an Differenzierung – und stattdessen wird dann immer hintenrum draufgehauen. Wir wollten mit der Petition nach vorne blicken, ohne nach hinten zu treten.“ Diese Stoßrichtung unterstricht auch Regisseur Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“, „Halbe Treppe“): „Es ging uns weder um Abrechnung noch um Kritik noch um die Kampagne, die daraus gemacht wurde. Die ganze Debatte ist in höchstem Maße unfair.“

Montag, den 4. Dezember, findet im Haus der Kulturen der Welt in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Filmfestivals heute“ statt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters führt in die Debatte ein. Es diskutieren die Chefin des Medienboards Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, die als Nachfolgerin von Kosslick gehandelt wird; der Regisseur Christoph Hochhäusler, der Unterzeichner der Erklärung ist sowie die Kulturchefin des Tagesspiegel, Christiane Peitz.

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Freitag, 24. November 2017
Deutsche Regisseure wünschen sich Neuanfang auf der Berlinale

Entscheidet über die Zukunft der Berlinale: Kulturstaatsministerin Monika Grütters | Christof Rieken, Wikipedia CC BY-SA 3.0
Die wichtigsten deutschen Regisseure haben eine Erklärung veröffentlicht. Sie wollen frischen Wind auf der Berlinale. Festivalleiter Dieter Kosslick antwortet. Eine Zusammenfassung von Michael Müller

Die Nachrichtenseite Spiegel Online hat am Freitag eine Erklärung von 79 deutschen Filmemachern veröffentlicht. Darunter befinden sich die bekanntesten Regisseure der vergangenen 40 Jahre. Zum Beispiel sind es Fatih Akin, Maren Ade und Christian Petzold, aber auch Altmeister wie Volker Schlöndorff und Doris Dörrie. Es geht wohl vor allem darum, Namen und Konstellationen zu verhindern, die nach dem Vertragsende des Berlinale-Chefs Dieter Kosslick im Jahr 2019 Realität werden könnten:

„Die Berlinale ist eines der drei führenden Filmfestivals weltweit. Die Neubesetzung der Leitung bietet die Chance, das Festival programmatisch zu erneuern und zu entschlacken. Wir schlagen vor, eine internationale, zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzte Findungskommission einzusetzen, die auch über die grundlegende Ausrichtung des Festivals nachdenkt. Ziel muss es sein, eine herausragende kuratorische Persönlichkeit zu finden, die für das Kino brennt, weltweit bestens vernetzt und in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen. Wir wünschen uns ein transparentes Verfahren und einen Neuanfang.“

Wenige Stunden später antwortete Dieter Kosslick darauf mit einer Pressemitteilung:

„Ich kann den Wunsch der Regisseur*innen nach einem transparenten Prozess der Neugestaltung der Berlinale verstehen. Die Zukunft der Berlinale ist uns allen ein Anliegen. Das Berufungsverfahren liegt in Händen der Staatsministerin für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters. Mein Vertrag endet am 31. Mai 2019. Der Aufsichtsrat hatte mich aufgefordert, einen Vorschlag zu einer möglichen Neustrukturierung der Berlinale zu unterbreiten. Diesen Vorschlag werde ich – völlig unabhängig von meiner Person – dem Aufsichtsrat vorlegen.“
„Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“
Zusammenfassend ließe sich dazu das Zitat dier Figur Ranger aus dem „Schuh des Manitu“ anbringen: „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ 17 Jahre Dieter Kosslick haben ihre Spuren bei den Filmschaffenden hinterlassen. Aus ihrem Schreiben spricht die Angst, dass der Nachfolger oder die Nachfolgerin wieder aus der Filmförderungslandschaft kommen könnte. Und es existiert die leise Hoffnung, dass ihr kleinster gemeinsamer Nenner in Form dieser veröffentlichten Erklärung daran etwas ändern könnte. Eine Quelle kolportierte, dass die Erklärung der Regisseure bereits im Mai verfasst wurde, aber nicht die passende Reaktion bei Kulturstaatsministerin Grütters ausgelöst habe, die über Kosslicks Nachfolge entscheidet.

Am Donnerstag waren bereits zwei Texte im deutschen Feuilleton erschienen, die sich mit der Zukunft der Berlinale auseinandersetzten. Matthias Dell im Freitag bot auch gleich alternative Namen für die Festivalleitung mit den beiden Österreichern Christine Dollhofer und Alexander Horwath an. Lukas Foerster vom Perlentaucher glänzte mit dem insgesamt spannendsten und originellsten Vorschlag: Fortan solle das berüchtigte Hofbauer-Kommando die Retrospektive der Berlinale übernehmen.
Erklärung taugt nicht zur Generalabrechnung
Einer der Unterzeichner der Erklärung, Christoph Hochhäusler („Unter dir die Stadt“, „Dreileben: Eine Minute Dunkel“), gab am Freitag dem Deutschlandfunk Kultur ein eher schwammiges Interview, weil er auch nicht als der Vertreter der Gruppe sprechen wollte. Von Neuanfang und einem Nachfolger mit Visionen ist da die Rede. Interessanterweise könnte man einem der Hauptvorwürfe Hochhäuslers Lukas Foersters Text entgegenhalten: Hochhäusler fordert eine Entschlackung der Berlinale wegen der zahlreichen Nebenreihen. Foerster sieht gerade in der Verästelung des Programms den Reiz, weil sie gesellschaftliche Prozesse widerspiegelt. An dieser einen Stellschraube zeigt sich also bereits, dass die Erklärung der Regisseure überhaupt nicht zur Generalabrechnung mit Kosslick taugt. Was aber Hannah Pilarczyk von Spiegel Online oder auch Rüdiger Suchsland von Artechock nicht davon abgehalten hat, genau dies zu tun.

So oder so werden es spannende Zeiten: Ein Blick auf die anderen beiden bedeutenden A-Festivals der Welt reicht, um den Prozess auch kritischer betrachten zu können. Es gibt, glaube ich, wenige Kritiker, die behaupten, dass Cannes nach der Staffelstabübergabe von Gilles Jacob zu Thierry Frémaux ein besseres Programm bekommen hätte. Das Gegenteil ist eher der Fall. Und Venedig hat das Problem, dass die amerikanischen Weltpremieren mittlerweile gar nicht mehr als Venedig-Filme wahrgenommen werden. Denn sie laufen ein paar Tage später in Telluride und Toronto und erhalten dort die größere und auffälligere Berichterstattung. Nimmt man Venedig die drei Oscar-Filme, die dort zwangsläufig ihre Weltpremiere feiern, weg, was bleibt dann noch vom Wettbewerb 2017? Was schreibt eigentlich die italienische Presse über Alberto Barbera, der Marco Müller 2012 in Venedig abgelöst hatte?

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Dienstag, 21. November 2017
Weimarer Schätze auf der Berlinale heben!

„Das Lied vom Leben“ (Alexis Granowsky, 1931) | © Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Wiedermal hat die Berlinale-Retrospektive den Weimar Touch. 2018 gibt es aber restaurierte, teils verschollen geglaubte Schätze zu heben. Außerdem laufen Werke von Werner Hochbaum, Hermann Kosterlitz und Erich Waschneck.

Die Retrospektive der 68. Berlinale stellt das Weimarer Kinos ins Zentrum. Vor rund 100 Jahren, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und mit der Ausrufung der Weimarer Republik, entwickelte sich eine der produktivsten und einflussreichsten Phasen des deutschen Filmschaffens, die dessen internationale Wahrnehmung bis heute prägt. 28 Programme mit Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus den Jahren 1918 bis 1933 werden bei „Weimarer Kino – neu gesehen“ auf der großen Leinwand zu erleben sein.

„Quer durch die Genres dokumentiert die Retrospektive den Zeitgeist der Weimarer Republik und reflektiert Identitätsfragen. Das Spektrum reicht von der schwungvollen Tonfilmoperette über wortwitzige Komödien bis hin zu sozial und politisch engagierten Filmen. Die Filme sind von enormer Frische und Aktualität“, kommentiert Berlinale-Direktor Dieter Kosslick.
Verloren geglaubte Schätze restauriert
Zu den Höhepunkten der Retrospektive gehören die Erstaufführungen einiger aktueller Restaurierungsvorhaben wichtiger deutscher Archive und Filminstitutionen. Präsentiert werden der Bergfilm „Kampf ums Matterhorn“ (Mario Bonnard, Nunzio Malasomma, 1928), Robert Reinerts Monumentalfilm „Opium“ (1919) sowie ein lange Zeit als verschollen geltender zweiteiliger Film Urban Gads, der auf Jakob Wassermanns literarischer Vorlage von 1919 „Christian Wahnschaffe“ basiert (Teil 1: Weltbrand, 1920, Teil 2: Die Flucht aus dem goldenen Kerker, 1921).

Die Retrospektive konzentriert sich auf drei thematische Schwerpunkte: „Exotik“, „Alltag“ und „Geschichte“. In ferne, exotische Welten führen Clärenore Stinnes und Carl Axel Söderström mit ihrer abenteuerlichen Reise „Im Auto durch zwei Welten“ (1927–31). Friedrich Dalsheim und Gulla Pfeffer beobachten in ihrem frühen ethnologischen Film „Menschen im Busch“ (1930) den unspektakulären Alltag einer togolesischen Familie und gehen dabei neue Wege, wenn sie die Porträtierten selber zu Wort kommen lassen, statt aus dem Off zu kommentieren. Dokumentaristen wie Ella Bergmann-Michel, Winfried Basse und Ernö Metzner fangen mit ihren Kurzfilmen das Leben der 1920er-Jahre in Berlin und Frankfurt am Main ein.
Hochbaum, Kosterlitz & Waschneck
Werner Hochbaum richtet seinen Blick mit „Brüder“ (1929) auf das von materieller Not geprägte Dasein einer proletarischen Familie. Dieser von der SPD unterstützte Film, der eine besondere Glaubwürdigkeit durch die Mitwirkung von Laiendarsteller erhält, nimmt den Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97 als Folie, um auf aktuelle politische Kontroversen der 1920er-Jahre anzuspielen. Ebenso kritisch und nüchtern inszeniert Heinz Paul in „Die andere Seite“ (1931) jüngste historische Ereignisse: Mit Conrad Veidt als kriegstraumatisiertem britischen Hauptmann im Ersten Weltkrieg legt er die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Grabenkriegs schonungslos offen.

Die Vielfalt des Weimarer Kinos lässt sich insbesondere anhand der Werke von Filmschaffenden begreifen, die üblicherweise nicht zu den prominenten Regiegrößen jener Zeit gezählt werden. Der Reichtum der Filme so unterschiedlicher Regisseure wie Franz Seitz sen. („Der Favorit der Königin“, 1922), Hermann Kosterlitz („Das Abenteuer einer schönen Frau“, 1932) oder Erich Waschneck („Die Carmen von St. Pauli“, 1928) zeigt sich nicht nur im Variantenreichtum ihrer Themen, Stoffe und Figuren, sondern auch in ihrer ästhetischen Gestaltung. Die legendäre Epoche der deutschen Filmgeschichte wird, aus einer neuen Perspektive betrachtet, ihrem exzellenten künstlerischen Ruf abermals gerecht.

Die Weimarer Filmklassik geht immer. Kein anderer Teil der deutschen Filmgeschichte besitzt solch einen Weltruhm – und das zurecht. Die Gefahr besteht bei solch einer Retrospektive allerdings immer, die selben Kanonfilme zu spielen. Die bislang veröffentlichten Titel lassen aber auch für den Cineasten teils verschollene Leckerbissen erwarten. Man muss sich nur die rennende Margot Ferra in Alexis Granowskys Film „Das Lied vom Leben“ (Bild oben) anschauen und ahnt, welche Explosivität in einigen Filme der Retro stecken könnte. Dazu zählen sicherlich auch Reinerts Monumentalepos „Opium“, die verschollenen Hälften von Urban Gad oder die Kosterlitz-Komödie „Das Abenteuer einer schönen Frau“.

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Montag, 20. November 2017
Berlinale-Spekulation: Was 2018 laufen könnte

„Isle of Dogs“ | © Fox Searchlight /Indian Paintbrush

Mitte Dezember sind wohl die ersten Programmdetails der Berlinale 2018 (15.-25.02.) zu erwarten. Umso mehr Spaß bringt es, jetzt bereits einige Namen in den Hut zu schmeißen. Wilde Spekulationen von Michael Müller

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Ziemlich sicher

* ISLE OF DOGS (Wes Anderson)

Der potenzielle Eröffnungsfilm der Berlinale 2018, wenn alles klappt. US-Start ist der 23. März. Drei Anderson-Filme liefen bereits im Wettbewerb: „The Royal Tenenbaums“, „Die Tiefseetaucher“ und „The Grand Budapest Hotel“. Sein bislang letztes, zu großen Teilen in Görlitz und Babelsberg gedrehtes Werk war im Jahr 2014 der Berlinale-Eröffnungsfilm. Stefan-Zweig-Aficionado Anderson erzählt in „Isle of the Dogs“ die Odyssee eines kleinen Jungen auf der Suche nach seinem Hund in Japan. Es sprechen: Scarlett Johansson, F. Murray Abraham, Greta Gerwig, Bryan Cranston, Frances McDormand, Bill Murray, Jeff Goldblum, Edward Norton und Yoko Ono.

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Möglich

* MOVIE NO. 1 (Josephine Decker)

Josephine Deckers Heimat ist das Forum der Berlinale. Mit dem Doppelschlag „Butter on the Latch“ und „Thou Was Mild and Lovely“ feierte die amerikanische Independent-Hoffnung im Jahr 2014 Weltpremiere in Berlin. Miranda July spielt die Hauptrolle in Deckers neuem Film „Movie No. 1“.

* SUPPORT THE GIRLS (Andrew Bujalski)

Der Mumblecore-Vorreiter Andrew Bujalski bleibt Sundance treu, ist aber auch anschließend ein gern gesehener Gast in Berlin. „Computer Chess“ war 2013 eine echte Sensation auf der Berlinale.

* MARY MAGDALENE (Garth Davis)

Die Geschichte von Maria Magdalena (Rooney Mara) scheint mit seinem weltweiten Kinostart ab Mitte März prädestiniert für die Berlinale zu sein. Jaoquin Phoenix spielt Jesus, Tahar Rahim („Un prophete“) gibt den Judas. Ariane Labed („Attenberg“) ist auch dabei.

* UNSANE (Steven Soderbergh)

Der neue Soderbergh-Film hat am 23. März einen US-Start. Der Regisseur hat eine sehr wechselvolle Beziehung mit der Berlinale. Die Hauptrollen seines Asylum-Films spielen Juno Temple und Claire Foy.

* SUBS (Oskar Roehler)

Roehler verfilmt den rechten Autor Thor Kunkel, der sich als Werber für die Wahlkampagne der AfD verantwortlich zeichnete. Es spielen Katja Riemann, Oliver Masucci, Samuel Finzi und Lize Feryn.

EMMAÜS (Benoît Delépine & Gustave Kervern)

Der neue Film des französischen Doppelgespanns hinter „Mammuth“ und „Saint Amour“. In den Hauptrollen spielen Jean Dujardin und die unwiderstehliche Belgierin Yolande Moreau („Crash Test Aglaé“).

KURSK (Thomas Vinterberg)

Der Däne Thomas Vinterberg („Die Jagd“, „Die Kommune“) hat mit einem internationalen Allstar-Cast das U-Boot-Unglück der Kursk verfilmt. Mit dabei sind Léa Seydoux, Colin Firth, Matthias Schoenaerts, aber auch Matthias Schweighöfer und August Diehl.

SO WAS VON DA (Jakob Lass)

Die erste improvisierte Romanadaption. Keine Ahnung, warum sich niemand Lass' fantastischen „Tiger Girl“ im Kino angesehen hat. Ich bin bei allem dabei, was er aktuell rausbringt.

GORILLAS (Detlev Buck)

Nach einer Kurzgeschichte von Ferdinand von Schirach. Steht in der Liste vor allem wegen seines Cast: Samuel Schneider, Ella Rumpf, Kida Khodr Ramadan, Uisenma Borchu und Georg Friedrich.

A WRINKLE OF TIME (Ava DuVernay)

Startet Anfang März. Falls Kosslick Oprah Winfrey, Chris Pine, Reese Witherspoon und Mindy Kaling über den Roten Teppich laufen sehen will. Der Trailer sieht ja eher nicht so gut aus.

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Erwünscht

* SUSPIRIA (Luca Guadagnino)

Tarantino hat geweint, als er den Film sah. Das bedeutet, das Werk ist fertig. Es gibt deutsche Elemente: Argentos Horrorklassiker „Suspiria“ spielte in einer Freiburger Tanzschule. Luca Guadagnino verlegte das Setting nach Berlin. Die große deutsche Aktrice Angela Winkler („Die Blechtrommel“) spielt mit. Es wäre mehr als ein Traum, wenn dieses Remake von einem der besten gegenwärtigen Regisseure auf der Berlinale liefe.

* TRANSIT (Christian Petzold)

Christian Petzold hat einen Anna-Seghers-Roman von 1942 in Marseilles verfilmt. Die Dreharbeiten sind seit Juli abgeschlossen. Franz Rogowski („Fikkefuchs“, „Radegun“) spielt die Hauptrolle. Von den Dimensionen müsste die Produktion nach Cannes. Aber vielleicht können die Produzenten nicht so lange warten.

* WHERE'D YOU GO, BERNADETTE? (Richard Linklater)

Annapurna peilt einen amerikanischen Kinostart im Mai an. Linklater mag Berlin, hat hier Geschichte geschrieben („Before Sunrise“, „Boyhood“). Gegen Stars wie Kristen Wiig, Cate Blanchett, Laurence Fishburne, Judy Greer und Billy Crudup auf dem Roten Teppich hätte Kosslick gewiss nichts einzuwenden.

In MY ROOM (Ulrich Köhler)

Der neue Film von Ulrich Köhler dreht sich um einen 40-jährigen Mann (Hans Löw), der viel Tagesfreizeit, aber wenig Geld hat. Von dem einen auf den anderen Tag verschwindet die Menschheit. Köhler gewann für seinen letzten Film „Schlafkrankheit“ den Silbernen Bären für die beste Regie.

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Roulette

* RADEGUND (Terrence Malick)

Stinkt geradezu nach Cannes, aber man darf ja wohl noch träumen: Malicks Film über den katholischen Nazi-Widerständler Franz Jägerstätter mit Franz Rogowski.

* READY PLAYER ONE (Steven Spielberg)

Das Veröffentlichungsdatum Ende März ist spitze. Aber so große Hollywood-Blockbuster kommen nur noch selten auf ein Filmfestival wie die Berlinale. Da braucht es schon besondere Lobbyarbeit und eine ganz besondere Beziehung zwischen Regisseur und Festivaldirektor.

* DON'T WORRY, HE WON'T GET FAR ON FOOT (Gus Van Sant)

Hiermit könnte Gus Van Sant wieder auftauchen: Ein Biopic des amerikanischen Comickünstlers John Callahan mit Joaquin Phoenix, Rooney Mara, Jonah Hill und Jack Black. Außerdem spielt Udo Kier mit.

* DAMSEL (David & Nathan Zellner)

Das Gebrüder-Gespann hinter „Kid-Thing“ und „Kumiko, the Treasure Hunter“ hat einen Western mit Robert Pattinson und Mia Wasikowska gedreht. Sundance first, Berlinale second.

* WENDY (Benh Zeitlin)

Wenn die Berlinale den Nachfolgefilm des „Beasts of the Southern Wild“- Regisseurs Benh Zeitlin exklusiv bekommen könnte, würde Dieter Kosslick sofort zuschlagen. Wenn er denn rechtzeitig fertig ist, wird Sundance aber wohl das Vorrecht haben.

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Freitag, 3. November 2017
Warum Tom Tykwer der ideale Berlinale-Jurypräsident 2018 ist

Tom Tykwer wird Berlinale-Jurypräsident | © Joachim Gern
Der gebürtige Wuppertaler Tom Tykwer wird der kommende Jurypräsident der Berlinale (15.-25.02.2018). Michael Müller kommentiert, warum Tykwer die Idealbesetzung ist.

Die Berlinale und Tom Tykwer – das passt wie die Faust aufs Auge. Tykwer, der jetzt Jurypräsident des wichtigsten deutschen Filmfestival wird, brachte den deutschen Film im Jahr 1998 zum Laufen. Sein Meisterwerk "Lola rennt" löste nicht nur eine neue deutsche Welle an aufregendem Kino aus. Er war auch für mich eine Art Initialzündung für die deutsche Filmgeschichte, weil da plötzlich ein Film war, der dem Weltkino nicht hinterher hechelte, sondern den fortan internationale Produktionen kopierten oder der damalige popkulturelle Gradmesser "Die Simpsons" referierte.

Tykwer – das ist der Mann, der als Teenager nicht für seine Geschichtsklausuren lernte und sich stattdessen mit dem Wissen über die Runde rettete, das er in "Ben Hur" und "Quo vadis" aufgeschnappt hatte. Das ist der junge Mensch, der im Berliner Moviemento an der Kasse saß und die Goldene Zeit der Programmkinos mitmachte. Tykwer, das ist der Regisseur, der bei der Schwulen-Reizfigur Rosa von Praunheim in die Schule ging und der die Nächte in Berlin durchmachte, um sich am Morgen in die Pressevorführungen der Berlinale zu schleichen.
Dialoge für Tarantino
Das ist aber auch der Regisseur, der eigentlich jahrelang unter allen Wahrnehmungsgrenzen große Hollywood-Produktionen drehte, die fast niemand sah: "Heaven", "The International", "Der Wolkenatlas" und "Ein Hologramm für den König". Arthouse-Experimente jenseits der 60 Millionen Dollar-Grenze; der mit den Wachowskis in Babelsberg abhing und ein wenig die Verbindung zum Diesseitigen verloren hatte. Aber er ist auch der Cineast, der Quentin Tarantino die deutschen Dialoge für "Inglourious Basterds" übersetzte und die damals beste Filmkritik zu Paul Thomas Andersons "Punch-Drunk Love" im Spiegel schrieb; der die altehrwürdige Filmpostille Steadycam unterstützte, die eigenen genialen Soundtracks mitschrieb und dessen Hauptproblem es immer war, dass eigentlich jeder seiner Sätze ein bisschen zu intelligent und diskussionswürdig war. Ein bisschen zu gut für diese Welt.

Umso schöner ist es, dass er jetzt auch filmisch zu seinen alten Stärken zurückgefunden hat. Die ersten beiden Episoden des Serien-Mammutprojekts "Bablyon Berlin" sind furios. Da erschien es fast zwingend notwendig, dass ihn Berlinale-Chef Dieter Kosslick als Jurypräsidenten holte. Auf der Berlinale begann alles für Tykwer: Im Panorama zeigte er einen seiner ersten Kurzfilme, nämlich "Epilog". Mit "Heaven" und "The International" stellte er gleich zwei Mal den Eröffnungsfilm des Festivals. "Die Berlinale ist seit jeher mein Lieblings- und mein Heimatfestival und hat mich bereits zu Beginn meiner Arbeit als Filmemacher unterstützt. Wir haben eine tolle und vielseitige gemeinsame Geschichte. Jetzt freue ich mich auf zwei konzentrierte und lustvolle Kinowochen mit der Jury", sagt Tykwer.

Der Wuppertaler folgt auf die Jurypräsidenten Paul Verhoeven, Meryl Streep, Darren Aronofsky, James Schamus, Wong Kar Wai, Mike Leigh, Isabella Rossellini und Werner Herzog. Das ist nicht die schlechteste Gesellschaft.

Link: - Berlinale-Jurypräsident Paul Verhoeven (2017)

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Montag, 21. August 2017
Berlinale: Wieland Speck gibt Panorama-Leitung ab

V. l. n. r.: Wieland Speck, Paz Lázaro, Michael Stütz und Andreas Struck | © Ali Ghandtschi / Berlinale 2017
Die neue Leiterin der Berlinale-Sektion Panorama heißt Paz Lázaro. Gemeinsam mit ihren Kollegen Michael Stütz und Andreas Struck kuratiert sie zukünftig das Programm, das Wieland Speck in den vergangenen 25 Jahren geprägt hat.

Der langjährige Leiter der Berlinale-Sektion Panorama, Wieland Speck, wird seine Kompetenz künftig als Berater des Programms einbringen. Ab 1982 hatte Speck an der Seite von Manfred Salzgeber das Panorama - seit 1980 eine eigenständige Sektion - mit aufgebaut und es als renommiertes Programm im Arthouse-Bereich etabliert. Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat jetzt Paz Lázaro zu seiner Nachfolgerin als neue Leiterin der Sektion berufen. Gemeinsam mit Michael Stütz und Andreas Struck wird sie das Panorama-Programm kuratieren.

Alle drei haben lange an der Seite von Speck gearbeitet: Lázaro war seit 2006 Programmmanagerin der Sektion. Michael Stütz, bislang im Panorama für die Programmkoordination verantwortlich, wird künftig zusätzlich zur Koordination des Teddy Award die Sektion als Programmmanager und Kurator mitgestalten. Andreas Struck, seit 2006 unter anderem Programmberater im Panorama, wird neben der kuratorischen Arbeit die Kommunikation des Panorama-Programms redaktionell verantworten.
Spanierin mit Produzentenerfahrung
Lázaro, die 1972 in Sevilla geboren wurde, studierte spanische und englische Philologie sowie Soziologie. Sie arbeitet seit 2000 bei der Berlinale und ist seit 2006 Programmmanagerin der Sektion Panorama. 2007 wurde sie in das Auswahlkomitee für den Wettbewerb berufen. Sie gehört außerdem dem Team der Berlinale-Delegierten für iberoamerikanische Filme und dem Auswahlkomitee der Berlinale Special Series an. Bevor sie Filmfestival-Kuratorin wurde, arbeitete Lázaro in der Filmproduktion, vorwiegend in Spanien, sowie in der Theaterproduktion, unter anderem mit Constanza Macras und der Dorky Park Company.

„Ich danke Wieland herzlich für seine fantastische Arbeit beim Panorama. Er hat für den anspruchsvollen Independent-Film eine Plattform geschaffen, die ihn erfolgreich mit dem internationalen Markt verbindet“, sagte Festivalchef Kosslick: „Ich freue mich ganz besonders, dass er uns künftig mit seiner Expertise und Erfahrung beim offiziellen Festivalprogramm zur Seite stehen und das Jubiläumsprogramm des Panorama 2019 kuratieren wird.“

Speck übernahm 1992 die Leitung des Panorama. In den vergangenen 25 Jahren hat er das Profil der Sektion geprägt und dem 1987 mit Manfred Salzgeber gegründeten Teddy Award als weltweit erstem und bislang bedeutendstem Filmpreis für queeres Kino internationale Anerkennung verschafft.

Der britische Filmhistoriker Peter Cowie hat das Panorama in Berlin vom Stellenwert her mit der Un Certain Regard-Reihe in Cannes verglichen: Es sei die angesehene Sektion für Filme, die ihren Weg aus welchen Gründen auch immer nicht in den offiziellen Wettbewerb gefunden hätten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten war es vor allem ein Forum für das Queer Cinema. Das Panorama entdeckte Regisseure wie Gus van Sant und Pedro Almodóvar für das Weltkino. Im Februar feierte hier die spanische Genre-Sensation "Pieles" ihre Weltpremiere. Auch der bislang beste Film des Jahres, "Call Me by Your Name", lief direkt nach Sundance als internationale Premiere.

Link: - Wettbewerbs-Tipps 2017

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Dienstag, 21. Februar 2017
Berlinale-Wettbewerb 2017: Eine Handvoll berauschender Filme

"On Body and Soul" © Internationale Filmfestspiele Berlin
Auf den diesjährigen Berlinale-Wettbewerb wurde viel eingeprügelt. Nicht nur, weil der Clooney Schorsch Urlaub hatte und sich Hollywood rar machte, sondern auch, weil die qualitative Dichte fehlte. Bei genauerer Betrachtung gab es jedoch mehr als eine Handvoll besonderer Filmerfahrungen zu entdecken. Ein Fazit von Michael Müller

Mária (Alexandra Borbély) sitzt in der Badewanne. Aus ihrem CD-Player ertönt der melancholische Song „What He Wrote“ von der britischen Folk-Sängerin Laura Marling. Den ganzen Tag hat sie im Plattenladen verbracht, hat sich CD um CD angehört. Aber nichts gefiel ihr. Mária kann nichts mit Musik anfangen – das Leben ist ihr generell fremd. „What He Wrote“ nahm sie nur mit, weil es der Lieblingssong der Verkäuferin ist, die endlich den Laden schließen will.

Im Berliner Friedrichstadtpalast ist das am Sonntag, dem abschließenden Besuchertag zum halben Eintrittspreis, der Moment, bei dem gleich zwei Zuschauer kollabieren. Als der erste auf einer Liege herausgetragen wird, gibt es bereits den nächsten Schrei. Dieses Mal ist es eine junge Frau, der schwindelig geworden ist. An der Hand wird sie herausgeführt. Der Umstand, dass diese beiden Zusammenbrüche mit dem Gewinner des Goldenen Bären, dem ungarischen Spielfilm „On Body and Soul“, zu tun haben, ist nicht gewiss, aber angesichts der Intensität der lang ausgespielten Szene in der Badewanne auf der Leinwand naheliegend. Die bizarre Liebesbeziehung zwischen den beiden Mitarbeitern eines Schlachtbetriebs, die sich über ihre Träume kennenlernen, geht an die Nieren.

Der Legende nach soll der amerikanische Regisseur Steven Spielberg zu seinem Produzenten gesagt haben, als ihm dieser vom Herzinfarkt eines Zuschauers in einem Test Screening von „Der weiße Hai“ erzählte: „Sehr gut! Das bedeutet, der Film funktioniert.“ Auch über Quentin Tarantino und „Reservoir Dogs“ kursieren ähnliche zynische Anekdoten.

"Colo" © Alce Filmes
Was zeichnet einen schwachen Wettbewerb aus?
Unter dem Dach des Friedrichstadtpalastes in der Loge rang ich mit meinen Gefühlen, fragte mich, wo ich nach diesen beiden Unglücksfällen, die mehr oder weniger schnell durch die herbei geeilten Rettungskräfte unter Kontrolle gebracht schienen, mit meiner Energie hin sollte. Bis dahin war nämlich Ildikó Enyedis Film einer der besten des Berlinale-Wettbewerbs gewesen. Die abscheulich schöne, Herzen zerquetschende Badewannenszene, deren traurige Qualität fast nicht auszuhalten ist, hob „On Body and Soul“ noch in eine höhere Sphäre, die der Film auch in seinen letzten Minuten bewahrt. Hätte ich diesen Film am Anfang des Festivals gesehen, wie es von Festivalchef Dieter Kosslick geplant war, und nicht erst am allerletzten Tag der Berliner Festspiele: Mein Eindruck des viel gescholtenen Wettbewerbs wäre ein anderer gewesen.

Die Urteile zum Herzstück der Berlinale, den 24 internationalen Filmen im Wettbewerb, fielen recht vernichtend aus. Wiedermal wurden Rufe nach dem Rücktritt des Festivalchefs laut, der vor kurzem erst seinen Vertrag für weitere drei Jahre bis 2019 verlängert hatte. War das wirklich ein schlechter Wettbewerb? Oder war der Wettbewerb nur schwächer als im vergangenen Jahr? Wie viele Filme braucht es, um von einem guten Jahrgang zu sprechen? Ich glaube, der Filmjahrgang 2017 hatte wieder eine gute Handvoll bemerkenswerter Wettbewerbsfilme zu bieten. Was den Gesamteindruck aber runterzog, war die Masse von Wettbewerbsbeiträgen, die wenig bis gar nicht funktionierten.

"Ana mon amour" © Internationale Filmfestspiele Berlin
Der starke Rumäne kam zu spät
Jedes A-Festival, selbst der Wettbewerb in Cannes, hätte sich glücklich geschätzt, ein Werk wie Aki Kaurismäkis „The Other Side of Hope“ in seinem Programm zu haben. So war auch Kaurismäkis halbernsthafter Protest über den Silbernen Bären für die beste Regie, den er dadurch ausdrückte, dass er für die Dankesrede seinen Platz nicht verlassen wollte und den Bären als Mikrofonattrappe verwendete, mehr als nachvollziehbar. Seine Flüchtlingskomödie schafft den unendlich schweren Spagat zwischen Unterhaltung und Anspruch. Mit solch einer Leichtigkeit von solch einem schweren Thema zu erzählen, ist eine große Kunst.

Călin Peter Netzers rumänisches Beziehungsdrama „Ana, mon amour“, das auf Ingmar Bergmans Spuren wandelt, griff erst verspätet, einen Tag vor der Preisverleihung, in den Wettbewerb ein. Zahlreiche der internationalen Kritiker sahen die elegant elliptische Erzählstruktur, die im Leben eines Studentenpärchen gekonnt vor und zurück springt, gar nicht mehr. „Ana, mon amour“ ist einer der stärksten Filme des Jahrgangs, der von Aufopferung für eine Beziehung erzählt, von psychischer Krankheit und krankhafter Eifersucht, bei dem die Beichte eine so große Rolle spielt wie die Psychoanalyse. Das ist ein aufregender Film, bei dem die Schauspieler an ihre körperlichen Grenzen gehen, wo klar wird, dass es in diesem rumänischen Mikrokosmos zwischen tief religiösen Eltern, Kindheitstraumata und Haarausfall um das große Ganze geht.

Auch ein Coming-of-Age-Film: "Colo" © Alce Filmes
Bitteres Schlachtfest "Logan"
Dazu gesellte sich ein unscheinbarer Film wie der portugiesische Wettbewerbsbeitrag „Colo“. In seiner Langsamkeit und Kontemplation hat er die meisten Kritiker und Zuschauer entnervt zurückgelassen. Aber Teresa Villaverde hat genauer hingeschaut, hat die Armut in einer kleinen Familie so subtil und erdrückend geschildert, dass der Zustand beinahe ein eigener Charakter im Film wird. „Colo“ ist ein Film der Widerstände, die ich mir in einem internationalen Wettbewerb wünsche; bei dem ich anfangs gegen die eigene Müdigkeit kämpfen musste, bei dem ich mich aber bei den sensiblen Einstellungen und teils atemberaubenden Bildkompositionen in ganz sicheren Hände fühlte. „Colo“ ist ein Werk, das bleiben wird.

Nehme ich zu „On Body and Soul“, „The Other Side of Hope“, „Ana, mon amour“ und „Colo“ noch den exzellenten chilenischen Wettbewerbsbeitrag „A Fantastic Woman“ und Alain Gomis‘ stark nachbrennenden „Félicité“ hinzu, sind das sechs großartige Werke, die ich jeder Zeit einem Cineasten mit Geschmack empfehlen könnte; Filme, die bereichern, die Lust auf internationales Kino machen, herausfordern und eigene Wege begehen. Noch gar nicht erwähnt habe ich in diesem Zusammenhang James Mangolds bitteres Schlachtfest „Logan“, einen „X-Men“-Blockbuster, der endlich wieder unter die Haut geht und berührt.

Ich will hier keine Schönfärberei betreiben: Bei dem spanischen Wettbewerbsbeitrag „El Bar“ habe ich mich zum Beispiel gefragt, warum der Thriller, der unter einem Haufen Unsympathen in einer Bar spielt, nicht besser auf den hinteren Seiten des Fantasy Filmfest-Programmheftes gelandet ist. Bei dem brasilianischen Wettbewerbsbeitrag „Joaquim“, der mit einer famosen Eröffnungsszene beginnt, in der ein aufgespießter Kopf die Geschichte erzählt, schwebte die Frage im Raum, warum das Filmteam ein halbfertiges Werk präsentierte, was mit bescheidenen Stilmitteln sehr wenig zu sagen hatte.

"A Fantastic Woman" © Internationale Filmfestspiele Berlin
Vergesst nicht Wolf Donner!
Der Auftragskillerfilm „Mr. Long“ ist netter Kitsch, der dann und wann funktioniert, aber niemals eine über zweistündige Laufzeit rechtfertigt. Von Agnieszka Hollands Öko-Thriller „Pokot“ mit dem dämlichsten Schwarzweiß-Figurenschema seit Ewigkeiten – da die guten Tierschützer, dort die diabolischen Jäger – und einer Miss Marple in der Hauptrolle mit nervigem Astrologie-Tick will ich gar nicht erst anfangen. Dagegen könnte man aber auch sofort Hong Sangsoos Ennui-Meditation „On the Beach at Night Alone“ oder Josef Haders „Wilde Maus“ anführen, die wiederum durchaus Spaß gemacht haben.

Von allen Seiten wird an Dieter Kosslicks Stuhl gesägt. Gegenwind ist auch nicht die schlechteste Witterungsbedingung, um wach und aggressiv zu bleiben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur gerne an den Zeit-Kritiker Wolf Donner, der im Jahr 1976 die Leitung der Berlinale von Alfred Bauer übernahm und nach drei Jahren völlig ausgebrannt und überfordert das Handtuch schmiss. Donner verfrachtete mit den besten Hintergedanken das Festival aus dem Sommer in den bitterkalten Februar. Ich sage nur: Dieser Berlinale-Wettbewerbsjahrgang, bei dem ich nicht wie Kritiker der Tageszeitungen pflichtschuldig alles sehen und ertragen musste (z. B. „The Midwife“, „Viceroy’s House“), war kein schlechter. Er war nicht berauschend, er war in der Dichte nicht so stark wie das vorherige Jahr. Auch besitzt er nicht das eine herausragende Meisterwerk. Aber er hat bei einem genaueren Blick teils berauschendes Kino geboten.

Sieben Wettbewerbs-Empfehlungen (alphabetisch)

* ANA, MON AMOUR (Călin Peter Netzer)
* COLO (Teresa Villaverde)
* A FANTASTIC WOMAN (Sebastián Lelio)
* FÉLICITÉ (Alain Gomis)
* LOGAN (James Mangold)
* ON BODY AND SOUL (Ildikó Enyedi)
* THE OTHER SIDE OF HOPE (Aki Kaurismäki)

Links: - Negative-Space-Preise, - Perspektive-Hits

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Montag, 20. Februar 2017
Berlinale 2017: Ein Blick auf die Perspektive Deutsches Kino

"Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes" © faktura film
Die Highlights der diesjährigen Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale waren ein weiblicher Robert De Niro, ein sozialistischer Wes Anderson und ein Rachefilm, der die Vorzeichen vertauscht. Michael Müller schaut sich auf dem Festival den deutschen Nachwuchs an.

Ein Möchtegern-Regisseur (Julian Radlmaier), der sich in eine kanadische Studentin (Deragh Campbell aus „I Used to Be Darker“) verliebt und deshalb ein sozialistisch geprägtes Filmprojekt auf einer Apfelplantage erfindet; ein Ex-Rocker (Peter Kurth), der zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat, nach seiner Knastzeit nochmal neu anfangen will, aber von seiner Vergangenheit in der Form des trauernden Ehemanns (Karl Markovics) der ermordeten Frau und des Kindes eingeholt wird; eine Fliesenlegerin, die ihr tristes Dasein dadurch aufbricht, dass sie anfängt, ihre Alltagssituationen als Schauspielübung zu begreifen. Ersterer Film ist „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“, zweiterer heißt „Zwischen den Jahren" und letzterer ist der Kurzfilm „Gabi“. Zusammen waren das die Highlights der diesjährigen Berlinale-Nebenreihe Perspektive Deutsches Kino.

Interessanterweise funktionierten die politisch überambitionierten Werke in der Perspektive wie „Tara“, „Kontener“ oder „Mikel“ am wenigsten. Alle drei Kurzfilme wurden in einem Block gezeigt. Sie verband die Flüchtlingsthematik. Sektions-Leiterin Linda Söffker fasste das schon selbst ganz passend auf der Bühne zusammen: Mal lobte sie, wie die Hauptdarstellerin in der Sci-Fi-Dystopie „Tara“, in der die Menschen wegen der Zustände aus Deutschland fliehen müssen, stilvoll Zigaretten rauchte. Mal war Söffker begeistert von der Lichtarbeit in dem tristen Bauernhof-Film „Kontener“, wo zwei Polinnen in Brandenburg den Hofroutinen nachgehen. Auch der Film „Mikel“ über den nigerianischen Flüchtling, der sich in Deutschland für bescheidene Bezahlung abrackert, besitzt vor allem den Willen, gut gemeint und sozial relevant zu sein. Einzelne Filmelemente glänzen. Darüber hinaus fehlten aber die dramaturgischen Bögen oder auch schlicht eine gewisse Lebendigkeit der Welten und Figuren.

© Nicolaas Schmidt / Oskar Sulowski / Frank Dicks
Eierschalen auch bei Max Ophüls im Angebot
Ein Beispiel hätten sich die drei Kurzfilme der Perspektive an dem diesjährigen Max-Ophüls-Preis-Gewinner „Siebzehn“ nehmen können. Traditionell wird der am letzten Tag der Berlinale, am Zuschauertag, präsentiert. Auch hier sind noch die Eierschalen hinter den Ohren der Debütanten klar erkennbar. Nur ist „Siebzehn“, ein Liebesreigen unter Teenagern aus der niederösterreichischen Provinz, ein rundes Filmerlebnis. Wie die Kritik schon in Saarbrücken festgestellt hatte, ist das ein Kino, das die Sehnsüchte der jungen Menschen über Blicke einfängt. Fantasien werden filmische Wirklichkeit, wenn die Regisseurin Monja Art die Gedanken der Protagonisten verbildlicht. Die souveräne wie zerbrechlich wirkende Hauptdarstellerin Elisabeth Wabitsch ist der Trumpf des beschwingt-melancholischen Jugendfilms.

Die tolle Deragh Campbell in "Selbstkritik" © faktura film
Was aber wirklich aus diesem Jahrgang der Perspektive Deutsches Kino bleiben wird, ist die Selbstironie, mit welcher der Regisseur und Hauptdarsteller Julian Radlmaier einen waschechten teutonischen Wes-Anderson-Film auf einer Apfelplantage geschaffen hat. Das ist ein ähnlicher Humor, gleich starre Einstellungen, die sich in Bewegungskino auflösen, der Surrealismus in Alltagssituationen, der Einfluss des europäischen Kunstkinos gepaart mit der Wehleidigkeit junger Menschen, die nie in ihrem Leben richtig arbeiten mussten. „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ sprudelt über vor tollen Ideen. Die erste zwei Drittel, die tatsächlich aus der Perspektive eines Vierbeiners erzählt werden, sind so stark, kreativ und unwiderstehlich in ihrem komischen Personal und der Zuspitzung der Situationen auf der Apfelplantage, dass das schwächere letzte Drittel, das sich ein wenig in der Metaebene verliert, nicht so stark ins Gewicht fällt.

© Sophie Linnenbaum / Tim Schenkl / Carina Neubohn
Rache-Struktur aufgebrochen
Auch toll war „Zwischen den Jahren“ von Lars Henning. Das ist echtes, viriles Genrekino, das die Strukturen und Rollenverteilungen des klassischen Rachethrillers auflöst. Der Ex-Rocker Becker, vom Tatort-Schauspieler Peter Kurth zum Niederknien gut und um seine Existenz kämpfend gespielt, muss sich den Schatten seiner Vergangenheit stellen. Der Österreicher Karl Markovics spielt den Mann, dessen Frau und Tochter der ehemalige Häftling ermordet hat. Bei der intensiven Auseinandersetzung rührt „Zwischen den Jahren“ große Fragen nach Schuld und Vergebung an und ist dabei eine so rotzige und authentische Milieuschilderung, dass es eine Freude ist.

"Zwischen den Jahren" © Frank Dicks
Der vielleicht beste Film der Perspektive stammt aber von Jana Bürgelin und heißt „Millennials“. Die groß angekündigte Generationsschilderung hat mich dabei weniger interessiert. Wobei dies alles gut eingefangen ist: Die überhöhten Ansprüche an Beziehungen, die egozentrischen Neigungen einer jungen Schicht, die durch die Arbeitswelt und die technische Fortentwicklung immer weiter verstärkt wird, die Einsamkeit und Orientierungslosigkeit bei scheinbarer freier Auswahl. Nein, mich hat vor allem Anne Zohra Berracheds 30-jährigen Figur Anne interessiert.
Die biologische Uhr tickt bei den Millennials
Berrached lief mit ihrem zweiten Spielfilm „24 Wochen“ im vergangenen Jahr im Berlinale-Wettbewerb. „Millennials“ wirkt jetzt wie das Hintergrundrauschen zu diesem Film: Wir sehen eine junge Filmemacherin, die „24 Wochen“ castet und vorbereitet. Gleichzeitig lässt sie den Zuschauer angstfrei bei intimsten Vorgängen teilnehmen: beim Besuch des Gynäkologen, bei der Selbstbefriedigung im eigenen Bett oder beim Botox-Aufspritzen der Lippen für eine Premierenparty. Klar, ist das ein Spielfilm, die Figur Anna ist nicht die wirkliche Regisseurin Berrached. Der Eindruck bleibt, dass hier eine Künstlerin so tief blicken lassen will, um so genau wie möglich über den Zustand der biologisch tickenden Uhr aufzuklären.

"Gabi" © Clara Rosenthal
Wie ein wilde Hirschkuh
Mehr beeindruckt hat mich eigentlich nur das Schauspiel von Gisa Flake im 30-Minüter "Gabi". Die Darstellerin, die man eventuell noch mit der Sitcom "Bully macht Buddy" oder den Wickie-Filmen von Bully Herbig assoziiert, darf als Fliesenlegerin "Gabi" frei aufspielen. Ihr Azubi übt mit ihr das Schlussmachen seiner Noch-Freundin. In der Realität funktionieren die Trockenübungen des Azubis natürlich nicht, aber Gabi hat Blut geleckt. Einem Robert De Niro gleich vernichtet sie ihre Umgebung mit der neu gewonnenen Leidenschaft fürs Schauspielen. Das ist so bewegend und gleichzeitig urkomisch anzusehen, weil ihre Figur sich mit den fiktiven Situationen den Frust vom Leibe spielt, als Mensch voller Sehnsüchte ewig ignoriert worden zu sein.

Sechs Empfehlungen (alphabetisch)

* FINAL STAGE (Nicolaas Schmidt)
* MILLENNIALS (Jana Bürgelin)
* GABI (Michael Fetter Nathansky)
* SELBSTKRITIK EINES BÜRGERLICHEN HUNDES (Julian Radlmaier)
* SIEBZEHN (Monja Art)
* ZWISCHEN DEN JAHREN (Lars Henning)

Links: - Negative-Space-Preise, - Offene Wunde dt. Film

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Negative-Space-Preise der Berlinale 2017
Der Werner-Hochbaum-Preis für den besten Film geht an:
  • "Call Me by Your Name" (Luca Guadagnino)

© Sony Pictures Classics
Der Eberhard-Schroeder-Preis für die beste Regie geht an:
  • Teresa Villaverde ("Colo")

© Alce Filmes
Der Rod-Taylor-Preis für den besten Darsteller geht an:
  • Kida Khodr Ramadan ("4 Blocks")

© Turner Entertainment Networks, Inc. A Time Warner Company
Der Ludivine-Sagnier-Preis für die beste Darstellerin geht an:
  • Gisa Flake ("Gabi")

© Clara Rosenthal
Der Richard-Fleischer-Preis für neue Perspektiven auf das Weltkino geht an:
  • Eduardo Casanova ("Pieles")

© juancarlosmaurisanchez
Der Brigitte-Lahaie-Preis für Sinnlichkeit geht an:
  • Candy Flip ("Fluidø")

© Jürgen Brüning Filmproduktion / J.Jackie Baier
Der Amy-Nicholson-Preis für Kickass Cinema geht an:
  • "Tiger Girl" (Jakob Lass)

© 2017 Constantin Film Verleih GmbH / Fogma
Der Ulrike-Ottinger-Preis für das Gesamtkunstwerk geht an:
  • Anne Zohra Berrached ("24 Wochen" & "Millennials")

© Florian Mag
Die zehn besten Berlinale-Filme 2017 (alphabetisch)

* 4 BLOCKS (Marvin Kren)
* ANA, MON AMOUR (Călin Peter Netzer)
* CALL ME BY YOUR NAME (Luca Guadagnino)
* COLO (Teresa Villaverde)
* FLUIDØ (Shu Lea Cheang)
* ON BODY AND SOUL (Ildikó Enyedi)
* THE OTHER SIDE OF HOPE (Aki Kaurismäki)
* PIELES (Eduardo Casanova)
* SELBSTKRITIK EINES BÜRGERLICHEN HUNDES (Julian Radlmaier)
* TIGER GIRL (Jakob Lass)

Links: - "Colo", - "Pieles", - "Tiger Girl", - "Gabi" & "Millennials"

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