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Sonntag, 21. Januar 2018
Netflix-Tipp: „The End of the F***ing World“
schwanenmeister, 17:07h
© Netflix
Die britische Serie „The End of the F***ing World“ wandelt zwar auf Tarantinos Spuren, findet aber eigene Wege, seine Geschichte von zwei verwirrten Teenagern auf der Flucht zu erzählen.
Eine gehypte Netflix-Serie, deren Trailer allein auf YouTube über sieben Millionen Mal geklickt wurde, braucht eigentlich keinen Push mehr. Negative Space will nur festhalten, dass das wirklich eine Serie ist, die man wie nichts wegschauen kann, die sehr viel Spaß macht und die letztlich sogar stark anrührt. Eigenartig, wenn man sich die Ausgangsidee vor Augen führt: Zwei britische Teenager flüchten aus ihrem Alltag auf einen Road Trip. Der 17-jährige Junge James kommt vor allem mit, weil er sich vorgenommen hat, das Mädchen Alyssa umzubringen. Das ist die True Romance der Natural Born Killers From Dusk Till Dawn.
Tarantinos popkultureller Einfluss ist unübersehbar. Es gibt auch einen ganz wunderbaren Einsatz von Ricky Nelsons Song „Lonesome Town“. Was „The End of the F***ing World“ aber so sehenswert macht, ist die Lebendigkeit und die Eigenarten seiner Protagonisten. Die beiden wachsen einem ans Herz, weil sie nicht bloße Filmzitate, sondern aus Fleisch und Blut sind. Es ist eine bittere Welt voller trauriger Vergangenheit, trister Gegenwart und ungewisser Zukunft, aus der es das Beste zu machen gilt. Großartig erzählt und sicher inszeniert. Mit einigen atemberaubend poetischen Momenten. Die beiden innerlich kaputten Teenager richten sich aneinander auf – es wären auch sonst keine fähigen Eltern da, die dies übernehmen könnten. Das junge Schauspielpaar Alex Lawther und Jessica Barden ist dabei zum Niederknien gut. Toll auch, den „Game of Thrones“-Liebling Yara Greyjoy (Gemma Whelan) als Ermittlerin wiederzusehen, deren Fokus nicht nur auf der Arbeit liegt.
Die Serie „The End of the F***ing World“, deren acht Episoden jeweils um die 20 Minuten gehen, wurde ursprünglich vom britischen Sender Channel 4 produziert. Netflix kaufte sich die weltweiten Vertriebsrechte und streamt sie seit dem 5. Januar.
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Samstag, 20. Januar 2018
Attraktivere Namen als im Wettbewerb: Das Berlinale-Forum zeigt sein Programm
schwanenmeister, 13:41h
Eine willkommene Überraschung: Das Forum der Berlinale zeigt sich gut bestückt mit verheißungsvollen Regienamen.
„The Green Fog“ | Foto: Berlinale 2018
Von den Regienamen her hat das Programm des diesjährigen Forums der Berlinale ein wenig den exklusiven Geschmack einer Thierry-Frémaux-Präsentation in Cannes: Sergei Loznitsa, Corneliu Porumboiu, Guy Maddin und Hong Sangsoo. Das mögen eventuell kleinere oder Nebenprojekte der Regisseure mit internationalem Rang sein. Inhaltlich klingen sie jedenfalls sehr spannend. Am meisten Vorfreude gibt es aber für Ruth Beckermanns dokumentarische Auseinandersetzung mit Kurt Waldheim.
Hong Sangsoos Weltpremiere „Grass“ ist laut der Berlinale eine heiter-melancholische Geschichte über Gäste eines kleinen Cafés, dessen Inhaber die klassische Musik liebt. Kim Minhee, die 2017 den Silbernen Bären für die Beste Darstellerin gewann, spielt hier die Frau am Ecktisch mit dem Laptop, die sich vom Geschehen inspirieren lässt, die Fäden der Dialoge aufnimmt und weiterspinnt, manchmal aktiv ins Geschehen eingreift. Sergei Loznitsas Dokumentarfilm „Victory Day“ beobachtet eine riesige Menschenmenge, die sich alljährlich am 9. Mai am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow versammelt.
Ende der 1980er-Jahre sorgte die Affäre um die NS-Vergangenheit des ehemaligen UN-Generalsekretärs und Bundespräsidenten von Österreich, Kurt Waldheim, weltweit für Aufsehen. Ruth Beckermann montiert mit „Waldheims Walzer“ einen dokumentarischen Essay mit aktuellem Bezug. Der rumänische Regisseur Corneliu Porumboiu zeigt in „Infinite Football“ die abstrusen Anstrengungen eines Beamten in der rumänischen Provinz, der Welt eine Verbesserung des schönen Spiels zu hinterlassen.
Big Guns:
* Victory Day (Sergei Loznitsa)
* Infinite Football (Corneliu Porumboiu)
* Grass (Hong Sangsoo)
* The Green Fog (Guy Maddin, Evan Johnson, Galen Johnson)
Lukas-Foerster-Tipps:
* 14 Apples (Midi Z)
* Aufbruch (Ludwig Wüst)
* Classical Period (Ted Fendt)
* SPK Komplex (Gerd Kroske)
* Afrique, la pensée en mouvement Part I (Jean-Pierre Bekolo)
* Inland Sea (Kazuhiro Soda)
* Waldheims Walzer (Ruth Beckermann)
Carmen-Gray-Tipps:
* Young Solitude (Claire Simon)
* Jahilya (Hicham Lasri)
* The Tree (André Gil Mata)
* Madeline's Madeline (Josephine Decker)
Negative-Space-Ergänzung:
* Aggregat (Marie Wilke)
* Tuzdan Kaide (Burak Çevik)
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Montag, 15. Januar 2018
Ein echter Cannes-Film und viele Fragezeichen
schwanenmeister, 23:21h
Christian Petzolds Weltkriegsfilm „Transit“ ist ein Geschenk für den Berlinale-Wettbewerb 2018. Ansonsten heißt es beim zweiten Stoß an Filmtiteln: Selbst ausprobieren!Paula Beer und Franz Rogowski in „Transit“ | © Schramm Film / Marco Krüger
Der Blog Negative Space hatte auf seiner Spekulationsliste vom 20. November des vergangenen Jahres nur vier Filme in der Erwünscht-Kategorie für die Berlinale genannt. Da standen Luca Guadagninos „Suspiria“ und Ulrich Köhlers „In My Room“ drauf, die es wohl beide eher nach Cannes an die Croisette ziehen wird. Aber da stand auch der neue Christian-Petzold-Film „Transit“. Von den dreien war letzterer eigentlich der unwahrscheinlichste Kandidat. Klar, Guadagnino feiert gerade seinen absoluten Durchbruch in der Filmszene. Aber da gibt es doch die Verbundenheit zum deutschen Film, insbesondere zu Rainer Werner Fassbinder, die einen Platz im Berliner Wettbewerb gerechtfertigt hätte. Aber wenn der Film eben noch nicht fertig ist ...
Aber Petzold hatte mit seinem letzten Film „Phoenix“ auch endgültig seinen internationalen Durchbruch gefeiert. Damit war er Titelthema bei der US-Filmzeitschrift Film Comment, damit landete er auf unzähligen Bestenlisten. Wenn die deutsche Filmbranche „Phoenix“ für den besten fremdsprachigen Film eingereicht hätte, wäre das wahrscheinlich auch der Gewinner geworden. Und jetzt hat Petzold einen Anna-Seghers-Roman verfilmt, den sie 1941 und 1942 geschrieben hat. Er hat mit Franz Rogowski („Fikkefuchs“, „Love Steaks“) und Paula Beer („Frantz“) zwei der angesagtesten deutschen Jungschauspieler als Hauptdarsteller. „Transit“ stinkt förmlich vor epischer Qualität und schaut einfach nach dem nächsten großen Schritt für Petzold aus. Eigentlich hätte die Geschichte um einen Mann, der in Frankreich vor den Nazis flieht und die Identität eines toten Autors annimmt, in Cannes laufen müssen. Aber offenbar war der Film fertig. So einfach kann das manchmal sein. „Transit“ ist zusammen mit Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs“ die große Nummer des Berlinale-Wettbewerbs. Ein Film mit internationaler Strahlkraft.
Denkmal Romy SchneiderDie sucht man ansonsten auf den ersten Blick bei den anderen bekanntgegebenen Wettbewerbsfilmen der Berlinale vergeblich. Das sind scheinbar viele unbekannte Regienamen, Projekte, von denen man noch nichts gehört hat und auf die nur wenige warten. Es wird sich zeigen, dass auch dort Spannendes dabei ist. Negative Space freut sich schon mal besonders auf „3 Tage in Quiberon“ von Emily Atef über die letzten drei Tage von Romy Schneider. Die Schwarzweiß-Produktion lässt natürlich sofort an die herzzerbrechende Hans-Jürgen-Syberberg-Dokumentation „Romy – Portrait eines Gesichts“ denken. Wir setzen auf den Debütfilm von Adina Pintilie („Touch Me Not“) und glauben an den iranischen Film „Khook“ von Mani Haghighi. Auch „La prière“ von Cédric Kahn klingt interessant. Natürlich ist davon auszugehen, dass es bei der traditionellen 50-Prozent-Trefferquote im Wettbewerb bleibt. Aber das macht doch auch ein bisschen den Reiz aus: Dass man eben nicht weiß, welche Rumänen man sehen muss und dass der neue Lars von Trier Pflicht ist. Auf der Berlinale muss man eben Filme noch selbst entdecken.
Aber die Frage an das Festival muss schon erlaubt sein: Warum bislang kein „Red Sparrow“ mit Jennifer Lawrence, kein „Cold War“ von Pawel Pawlikowski, kein „Mute“ von Duncan Jones, kein „7 Days in Entebbe“ mit Daniel Brühl oder Peter Greenaway? Ist das alles noch nicht fertig oder nicht gut genug? Die Hoffnung bleibt, dass der ein oder andere unterhaltsame Genrefilm doch noch irgendwo im Programm auftaucht.
Auf der To-Watch-Liste (nach Interesse geordnet):
* Transit (Christian Petzold)
* 3 Tage in Quiberon (Emily Atef)
* Touch Me Not (Adina Pintilie)
* Damsel (David & Nathan Zellner)
* Khook (Mani Haghighi)
* La prière (Cédric Kahn)
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Sonntag, 14. Januar 2018
16mm-Dämonenfilm „Luz“ ist Genrehoffnung in der Perspektive Deutsches Kino
schwanenmeister, 16:12h
"LUZ" Teaser from Tilman Singer on Vimeo.
Genrewerke sind auf der Berlinale generell rar gesät. Umso mehr Vorfreude gibt es auf den Dämonenfilm „Luz“ in der Perspektive Deutsches Kino, der auf 16mm gedreht wurde.Die potenzielle Genreentdeckung der diesjährigen Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale heißt „Luz“. Die Horror-Lovestory des Regisseurs Tilman Singer und des Production Designer Dario Méndez ist der gemeinsame Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien in Köln. „Luz“ ist auf 16mm gedreht worden und deutet im oben verlinkten Trailer das Flair eines wundervoll schmierigen 1970er-Jahre-Exploitationfilms an. Die Bilder wirken lebendig und liebevoll und erinnern ein bisschen an italienische Giallo-Meister wie Dario Argento, Sergio Martino oder Duccio Tessari.
Die Story: Luz, eine junge Taxifahrerin lateinamerikanischer Herkunft, stolpert mit letzter Kraft in eine Polizeidienststelle. Ein Dämon ist ihr auf den Fersen und fest entschlossen, seiner Geliebten endlich nahe zu sein. Der Regisseur Singer beschreibt seinen Film selbst als sinnlichen Thriller, der mit der Wahrnehmung des Zuschauers spielt. Die Lauflänge beträgt 70 Minuten. „Luz“ könnte sich einreihen in die exklusive Riege an Genreentdeckungen der vergangenen Jahre in der Perspektive Deutsches Kino wie „Zwischen den Jahren“, „Agonie“, „Der Bunker“ oder „Der Samurai“.
Auch interessant fallen beim zweiten und finalen Stoß an Titeln in der Perspektive die Filme „Whatever Happens Next“ und „Verlorene“ sowie die Dokumentation „The Best Thing You Can Do With Your Life“ auf: erstere wegen der Beteiligung der Darstellerinnen Lilith Stangenberg („Wild“) und Maria Dragus („Tiger Girl“, „Licht“), letzterer wegen seiner Thematik. In der Doku befragt Regisseurin Zita Erffa ihren Bruder László nach dessen Motiven für seinen Eintritt ins Kloster der Legionäre Christi.
Auf der To-Watch-Liste (nach Interesse geordnet):
* Luz (Tilman Singer)
* Whatever Happens Next (Julian Pörksen)
* Verlorene (Felix Hassenfratz)
* The Best Thing You Can Do With Your Life (Zita Erffa)
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Katrin Gebbes neuer Film „Pelikanblut“ im Berlinale Co-Production Market
schwanenmeister, 14:50h
Im Co-Production Market der Berlinale schimmern die eventuellen Perlen der Zukunft. Besonders spannend ist der neue Katrin-Gebbe-Film „Pelikanblut“.
Regiehoffnung Katrin Gebbe | © J.-H. Janßen, Wikipedia (CC BY-SA 3.0)
Die beiden kommenden Berlinale-Wettbewerbsfilme „Figlia mia“ (Laura Bispuri) und „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ (Philip Gröning) wurden am Anfang ihres Produktionsprozesses auf dem Co-Production Market in Berlin präsentiert. Das zeigt, dass die Berlinale nicht nur ein Festival für Zuschauer, Filmkritiker und Filmemacher ist, sondern dass hier auch die ersten Schritte für zukünftige Produktionen gemacht werden. Eben weil es diese Kontinuität zwischen der Entwicklung einer Filmidee und dem finalen Slot im Wettbewerb gibt, ist die Liste der jetzt vermeldeten Projekte des Produktionsmarktes 2018 so spannend.
Auch das neue Filmprojekt der deutschen Regiehoffnung Katrin Gebbe („Tore tanzt“), „Pelikanblut“, wird in Berlin vorgestellt. Es geht um die 45-jährige Reitlehrerin Wiebke, welche die fünfjährige Melva adoptiert. Wie sich zeigt, hat das Mädchen aber eine Bindungsstörung. Gleichzeitig ist sie ein steter Unruheherd in der Familie. Der Arzt diagnostiziert lebenslange Probleme mit der Empathie. Das stellt Wiebke vor schwerwiegende Probleme. Sie hält für ihre Adoptivtochter ein antikes Exorzismusritual für den einzigen Ausweg, bei dem sie selbst ein großes Opfer eingehen muss.
Es wäre zu schön, wenn sich der Genrefilm „Pelikanblut“ zum Beispiel im Berlinale-Wettbewerb 2019 wiederfinden würde. Da Gebbe aber das für einen deutschen Filmemacher seltene Privileg genossen hat, mit dem Debütfilm „Tore tanzt“ in die Un certain regard-Reihe in Cannes eingeladen worden zu sein, wird das wohl auch wieder der erste Anlaufpunkt sein. Hauptsache, sie arbeitet fortan nicht ausschließlich an Tatort-Episoden. Im Jahr 2016 hatte Gebbe den Tatort „Fünf Minuten Himmel“ gedreht.
Pelikanmutter als christliches Symbol„Pelikanblut“ präsentierte die deutsche Filmemacherin bereits 2017 im Turiner FilmLab. Dort wurde das Produktionsbudget auf 2 Millionen Euro geschätzt. Die deutschen TV-Partner sind Arte und der SWR. Die Produktionsfirma Junafilm sucht für die finanzielle Zusammenarbeit zwei Partner in osteuropäischen Ländern. Laut der Produktionsnotizen geht der Filmtitel auf das christliche Symbol einer Pelikanmutter zurück, die ihrem toten Sprössling eigenes Blut füttert und ihn so wieder ins Leben zurückbringt. Es sei eine Metapher für bedingslose Liebe und den Glauben.
Für Regisseurin Gebbe geht es bei der durch wahre Begebenheiten inspirierten Geschichte um die Frage, was die Menschen bereit sind zu opfern, um die eigenen Ideale und Träume zu erreichen. Auch in ihrem Debütfilm „Tore tanzt“ hatte sich die Hamburgerin bereits mit dem christlichen Glauben in Form eines Jesus Freak und gesellschaftlichen Normen beschäftigt. Ihr Film „Tore tanzt“ ist eine absolute Naturgewalt, schwierig zu ertragen und jedem ans Herz zu legen, der an weiterbringenden und aufwühlenden Filmerfahrungen interessiert ist.
Neben Gebbes Film „Pelikanblut“ werden im Februar auch die neuen Filmprojekte von Anna Muylaert, Todd Solondz und Franka Potente im Co-Production Market präsentiert.
Links: - Tore tanzt in Cannes 2013, - Bispuri in Berlin 2018
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Donnerstag, 4. Januar 2018
Weitere Schnellschuss-Wünsche für die Berlinale
schwanenmeister, 21:56h
© 20th Century Fox
Wilde Spekulationen Vol. 5: Heute dabei sind Superstar Jennifer Lawrence, Supertalent Duncan Jones, ein vergessener Franzose und ein oscarprämierter Pole.
Sorry Angel (Christophe Honoré)
Aka „Plaire“. Wir lieben Honorés Filme „Les chansons d'amour“ und „Les bien-aimés“. Sein neues Werk soll fertig sein. Dieser Franzose hat eine weitere Chance im Festivalzirkus verdient, nachdem er mit den letzten Werken immer weiter aus dem erlauchten Dunstkreis der A-Festivals herausgerutscht war. "Sorry Angel" erzählt von einem fast 40-jährigen Autor in Paris, der auf einen Studenten aus der Bretagne trifft.
Red Sparrow (Francis Lawrence)
Warum eigentlich nicht auch den Agentenreißer "Red Sparrow" einladen, Berlinale? Der weltweite Kinostart ist am 1. März, es gibt eine Kalter-Krieg-Thematik, Jennifer Lawrence, die eine vom KGB rekrutierte Ballerina spielt, Joel Edgerton, Matthias Schoenaerts & Charlotte Rampling sind im Cast. Und der Film soll laut Regisseur Francis Lawrence hard R-rated sein.
Cold War (Pawel Pawlikowski)
Pawel Pawlikowskis („My Summer of Love“, „Ida“) neuer Film „Cold War“ ist eine Romeo & Julia- Liebesgeschichte in den 1950er-Jahren, die in Berlin, Paris, Polen und Jugoslawien spielt. Pawlikowskis „Ida“ war die schwarzweiße Sensation des Kinojahres 2013, der Regisseur erhielt einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film. „Cold War“ ist unter anderem mitproduziert vom ehemaligen Screen Daily-Chefkritiker Mike Goodridge. Ein Prestigeprojekt der Amazon Studios.
Mute (Duncan Jones)
Das Sci-Fi-Casablanca „Mute“ mit Alexander Skarsgård und Paul Rudd. Für Netflix schon fertig produziert, in Berlin spielend. Der würde auch schön zur Berlinale und der Affinität von Duncan Jones' Vater, David Bowie, zu eben jener Stadt passen. Jones selbst hat "Mute", die Geschichte eines stummen Barkeeper, der in einer nicht allzu fernen Zukunft nach der Liebe seines Lebens sucht, als geistesverwandte Fortsetzung seines eigenen Sci-Fi-Films "Moon" bezeichnet.
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Mittwoch, 3. Januar 2018
Warum nicht Cannes den Markus-Schleinzer-Film „Angelo“ ausspannen
schwanenmeister, 22:05h
Wilde Spekulationen Vol. 4: Es ist sehr schwierig, Cannes einen Film auszuspannen, den Thierry Frémaux unbedingt haben will. Bei Markus Schleinzers Werk „Angelo“ sollte es die Berlinale trotzdem versuchen.
© Amour Fou Luxembourg / Novotny & Novotny Filmproduktion GmbH
„Viele Filme beschäftigen sich mit Religion“, sagte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick über die bislang gesichteten Werke für sein Festival im Interview am 28. Dezember bei der Südwest Presse. Ob er damit auch Markus Schleinzers neuen Film „Angelo“ gemeint hat, ist noch unbekannt. Aber schön wär's.
Der Österreicher Markus Schleinzer war lange Zeit der wichtigste Casting Director Österreichs. Er hat zum Beispiel Hanekes „Das weiße Band“ gecastet. Eine Meisterleistung, von deren Talentschwemme die deutsche Filmindustrie bis heute zehrt. Dann gab er plötzlich sein Regiedebüt mit dem Horrorfilm „Michael“ – gleich auf höchster Ebene im Wettbewerb von Cannes im Jahr 2011. Das ist wirklich einer der am schwierigsten durchzustehenden Filme, die man sich ansehen kann. Angelehnt an den Natascha-Kampusch-Fall, erbarmungslos mit seinen Protagonisten und dem Zuschauer. Wahnsinnig streng und konzentriert inszeniert.
Soll im Winter 2017/18 fertig seinNach sieben Jahren gibt es nun das nächste Projekt: „Angelo“ ist die Geschichte eines zwangseuropäisierten Afrikaners, dem man nach seiner Verschleppung aus der Heimat und dem Verkauf nach Europa den titelgebenden Namen durch das Sakrament der Taufe überstülpt. Der Film beginnt Anfang 1720 auf dem Meer und endet in den Wirren der Oktoberrevolution 1848 in Wien. Makita Samba spielt den Titelhelden. Weiter sind Alba Rohrwacher und Christian Friedl im Cast.
Laut dem Österreichischen Filminstitut wurde „Angelo“ vom Dezember 2016 bis Juni 2017 gedreht. Er soll im Winter 2017/18 fertiggestellt sein. Natürlich schreit das alles nach Cannes. Aber wenn er fertig ist, darf spekuliert werden. Die amerikanische Filmseite Ioncinema, die immer eine sehr inspirierende Vorschau auf das Kinojahr macht, nennt „Angelo“ auf Platz 50 seiner Most-Wanted-Liste. „Wenn eine Berlin-Premiere umgangen würde, könnte Angelo locker in der Un Certain Regard-Sektion in Cannes laufen“, schreibt Nicholas Bell. Warum so lange warten? Wir würden ihn schon sehr gerne im Februar sehen wollen.
Links: - Walking to Paris (Peter Greenaway), - Suspiria (Luca Guadagnino), - 7 Days in Entebbe (José Padilha)
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Dienstag, 2. Januar 2018
Wie wär's mit Peter Greenaway, Berlin?
schwanenmeister, 23:22h
Wilde Spekulationen Teil 3: Nach „Suspiria“ und „7 Days in Entebbe“ wünscht sich Negative Space auch den neuen Peter Greenaway für die Berlinale.
© Enjoy Movies / Cinatura / Cobra Film AG / CDP
Inzwischen ein eigenes Genre auf Negative Space: die wilde Berlinale-Spekulation. Der nächste Tipp für den Wettbewerb lautet „Walking to Paris" von Peter Greenaway. Es geht um den berühmten rumänischen Bildhauer Constantin Brancusi, der 1903 zu Fuß nach Paris wanderte. Seine Beobachtungen auf der Wanderschaft durch Europa werden die Inspirationen für seine späteren Werke.
Greenaway lief 2015 mit seinem Film „Eisenstein in Guanajuato“ im Wettbewerb der Berlinale. Es ist jetzt schon ein berüchtigter Jahrgang, weil diverse Filmemacher von damals 2018 nach Berlin zurückkehren: Małgorzata Szumowska, Benoit Jacquot, Isabel Coixet, Alexey German Jr. und Laura Bispuri. Das würde also passen. „Walking to Paris“ ist seit 2015 in der Produktion. Es gibt italienische Filmseiten, die besagen, dass das Werk in diesem Frühjahr in die italienischen Kinos kommen soll. Wir haben zusammengefasst einen bedeutenden Regisseur, der eine Berlinale-Vergangenheit besitzt. Sein Film soll zum richtigen Zeitpunkt fertig sein. Außerdem spielt die Schweizerin Carla Juri („Feuchtgebiete“, "Blade Runner 2049“) eine der Hauptrollen.
In wenigen Tagen veröffentlichen die Berliner Filmfestspiele sowieso ihren zweiten Stoß an Wettbewerbstiteln. Aber es macht doch ungemein Spaß, selbst zu spekulieren. Wir halten dann Ausschau nach „Suspiria“, „7 Days in Entebbe“ und „Walking to Paris“, lassen uns aber auch gerne anderweitig überraschen. Der walisische Regisseur Greenaway zählt zu den großen europäischen Auteurs der vergangenen Jahrzehnte. Sein berühmtester Film ist wohl „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ aus dem Jahr 1989.
Links: - Suspiria (Luca Guadagnino), - 7 Days in Entebbe (José Padilha)
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SigiGötz-Entertainment stellt neuen deutschen Filmkanon auf
schwanenmeister, 22:03h
Belebung des deutschen Filmkanons: Die Filmzeitschrift SigiGötz-Entertainment hat 99 Empfehlungen neu ausgesucht.
Neue deutsche Filmempfehlungen | © SigiGötz-Entertainment
Vor ziemlich genau zehn Jahren präsentierte die Kultpostille SigiGötz-Entertainment ihren Kanon des deutschen Films. Er war eine Reaktion auf die ewig gleichen angestaubten Klassiker, auf die das deutsche Kino seit Jahrzehnten reduziert wird. Dieser erste alternative Kanon war für Negative Space sehr lange eine Inspiration bei der eigenen Dschungelexpedition durch den deutschen Unterhaltungsfilm.
In der jetzt erschienen 30. SGE-Ausgabe haben sich die Macher an eine neue Liste gewagt. Laut Eigenaussage sind die zahlreichen Verschiebungen unter anderem stärker durch die Hofbauer-Kongresse in Nürnberg, die zweijährige Berliner Zeughaus-Retrospektive „Lachende Erben“ und Olaf Möllers Locarno-Retrospektive zum bundesrepublikanischen Nachkriegsfilm geprägt worden. Die Texte und Vorschläge der Stammkräfte wie Herausgeber Ulrich Mannes, Rainer Knepperges, Christoph Huber oder Hans Schifferle wurden ergänzt durch Beiträge von Lukas Foerster (Perlentaucher, Cargo) oder Oliver Nöding (Sauft Benzin, ihr Himmelhunde). Negative Space-Chef Michael Müller hat auch zwei Empfehlungen ausgesprochen.
Von den 1930er-Jahren mit Richard Oswald, Joe May und Erich Engel reicht der neue SGE-Kanon des deutschen Films bis zum Jahr 1998, als Peter Kerns „Knutschen, Kuscheln, Jubilieren“ in die Kinos kam. Wer die deutsche Filmgeschichte jenseits von Murnau, Pabst und Fassbinder entdecken, wer etwas wagen und sich im cineastischen Strudel verlieren will, der studiere diesen Filmkanon.
Links: - SigiGötz-Entertainment, - 17. Hofbauer-Kongress
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Montag, 1. Januar 2018
Israelische Entebbe-Geiselbefreiung mit Daniel Brühl im Berlinale-Wettbewerb?
schwanenmeister, 22:16h
© Focus Features
"Narcos"-Regisseur und Goldener-Bär-Gewinner Padilha hat die Operation Entebbe mit Daniel Brühl und Rosamund Pike verfilmt. Eine Berlinale-Weltpremiere ist wahrscheinlich.
Der britische Film "7 Days in Entebbe" von José Padilha, in dem es um die israelische Geiselbefreiung einer Air-France-Maschine im Jahr 1976 geht, könnte im Februar auf der Berlinale laufen. Der brasilianische Regisseur Padilha, der im Jahr 2008 den Goldenen Bären in Berlin für "Tropa de Elite" gewann, hat zuletzt zwei Episoden der populären Netflix-Serie "Narcos" gedreht. Der deutsche Schauspieler Daniel Brühl ("Rush", "Inglourious Basterds") und die britische Schauspielerin Rosamund Pike ("Gone Girl", "Stirb an einem anderen Tag") stellen die beiden deutschen Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann dar. Der Brite Eddie Marsan ("Happy-Go-Lucky") spielt Schimon Peres.
Da der amerikanische Verleih Focus Features den Film am 16. März in die US-Kinos bringt, bietet sich eine Weltpremiere bei den Berliner Filmfestspielen an. Die 68. Berlinale findet vom 15. bis 25. Februar statt. Abhängig von der filmischen Qualität könnte "7 Days in Entebbe" im offiziellen Wettbewerb, außer Konkurrenz oder in der Special-Reihe laufen.
In den 1970ern gab es bereits drei Verfilmungen1976 entführten deutsche und palästinensische Terroristen eine Air-France-Maschine. Mit der Unterstützung der ugandischen Regierung in Entebbe unter Diktator Idi Amin hielten sie die überwiegend israelischen Geiseln gefangen. Israelische Elitesoldaten befreiten die Geiseln in Entebbe. Gerade nach der Jerusalem-Erklärung des US-Präsidenten Donald Trump ist der israelisch-palästinensische Konflikt wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Die Thematisierung der Operation Entebbe in einem aktuellen Film entbehrt nicht einer gewissen politischen Brisanz. Zumal es eine britische Produktion ist.
Aber Padilhas Film ist nicht der erste: Zeitnahe entstanden in den 1970er-Jahren gleich drei Verfilmungen zu den Ereignissen von Entebbe. Bei dem Film "Operation Thunderbolt" des israelischen Regisseurs Menahem Golan spielten Klaus Kinski und Sybil Danning die Hauptrollen. Irvin Kershner drehte den NBC-Film "... die keine Gnade kennen" mit Peter Finch, Charles Bronson und Horst Buchholz. Es gibt auch den Film "Unternehmen Entebbe" mit Richard Dreyfuss, Anthony Hopkins und Burt Lancaster. Die Befreiungsaktion rückte damals auch so in den Fokus, weil die Terroristen in der Transithalle von Entebbe jüdische von nicht-jüdischen Geiseln trennten.
Links: - Guadagninos Suspiria in Berlin?, - Israel in Berlin 2018
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Freitag, 29. Dezember 2017
Meine Top Ten 2017
schwanenmeister, 11:55h
01. CALL ME BY YOUR NAME – Luca Guadagnino
© Sony Pictures Classics
02. THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI – Martin McDonagh
03. JEUNE FEMME – Léonor Serraille
04. PIELES – Eduardo Casanova
05. RAW – Julia Ducournau
06. EIN TAG WIE KEIN ANDERER – Asaph Polonsky
07. GET OUT – Jordan Peele
08. 120 BPM – Robin Campillo
09. THE FLORIDA PROJECT – Sean Baker
10. ES – Andy Muschietti
Runners-Up: WESTERN – Valeska Grisebach, FIKKEFUCHS – Jan Henrik Stahlberg; Lieblings-Doku: EX LIBRIS: NEW YORK PUBLIC LIBRARY – Frederick Wiseman, MRS. FANG – Wang Bing, IN EINEM JAHR DER NICHTEREIGNISSE – René Frölke & Ann Carolin Renninger, CHARLOTTESVILLE: RACE AND TERROR – Elle Reeve;
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Lieblings-Entdeckungen: Naomi Achternbusch in „Blind & Hässlich“, Ella Rumpf in „Tiger Girl“ & „Raw“, Candy Flip in „Fluidø“; Lieblings-Score: Benjamin Wallfisch & Hans Zimmer („Blade Runner 2049“); Lieblings-Filmposter: In Israel gekauftes Poster des italienisch-israelischen Maurizio-Lucidi-Kriegsfilms „La battaglia del Sinai“; Lieblingsmonolog: „I did not hit her. It’s not true. It’s bullshit. I did not hit her. I did not. Oh, hi Mark.“ (James Franco in „The Disaster Artist“)
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Lieblingsserien: Mindhunter (Staffel 1), 4 Blocks (Staffel 1), Dark (Staffel 1), Glow (Staffel 1), Enterprise (Staffel 1 & 2); Lieblingsepisode: Girl Cave (1x03 – Lass einen Drachen steigen!); Lieblingsszene: Die morbid-laszive Nachtklub-Musiknummer „Zu Asche, zu Staub“ von Severija Janusauskaite in „Babylon Berlin“; Lieblings-Kurvekriegen: Star Trek: Discovery (Staffel 1, Stand: Midseason); Lieblings-Captain: Jason Isaacs (Star Trek: Discovery);
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Lieblingsbuch: The Girls (Emma Cline); Lieblingskritiker: Etienne Gardé; Lieblings-Alf-Aficionado: Jobst Höche; Lieblings-Lehrmeisterin: Katharina Kütemeyer; Lieblings-Let’s-Play: Simon Krätschmer spielt Thimbleweed Park, Flonnie Vs. der Westenmann;
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Lieblings-Podcasts: Wollmilchcast #26: die Berlinale nach der Ära Dieter Kosslick, Karina Longworths zwölfteiliges You-Must-Remember-This-Special zu Charles Manson; Radio Ruf (Niels Ruf); Lieblings-Fiktion: „Flug der Pelikane“ von Peter Schwami; Lieblings-Sport: Basketball-EM mit Daniel Theis, Dennis Schröder & Co.; Lieblingssportler: Taleb Tawatha (Eintracht Frankfurt);
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Lieblingskonzerte: Kraftwerk & Air im Düsseldorfer Ehrenhof zum Tour-de-France-Auftakt, die Jazz-Wikinger um Mats Eilertsen mit „Rubicon“ im Hamburger Rolf-Liebermann-Studio, Bernd Begemann im Polittbüro; Lieblingsalbum: Pacific Ocean Blue (Dennis Wilson); Lieblings-Karaokesong: Mumford & Sons – Little Lion Man; Lieblings-Filmkaraoke: Raffey Cassidy singt „Burn“ in „The Killing of a Sacred Deer“; Lieblings-Abschiedssong: Vicky Leandros – Ich liebe das Leben.
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Kommentar (Michael Müller): Meine ersten beiden Plätze sind in Stein gehauen: Selten war mir spontan nach Kinobesuchen die Filmqualität so klar. Luca Guadagnino und Martin McDonagh überfordern mit ihren Werken auf die angenehmste Weise die cineastischen Sinne. „Call Me by Your Name“ schlug auf der Berlinale im Februar ein. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ machte mich auf dem Filmfest Hamburg im Oktober erzählerisch fertig. Das sind die seltenen Perlen, für die man sich jedes Jahr aufs Neue unbeirrt auf die Suche begibt. Das sind die Leuchtfeuer in der Dunkelheit. Ein Doppelpack, das mich an das Jahr 2003 zurückdenken lässt: an Paul Thomas Andersons „Punch-Drunk Love“ und Quentin Tarantinos „Kill Bill: Vol. 1“.
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Für den deutschen Film war dieses Jahr kein Platz mehr in meiner Top Ten. Die Qualitätsdichte in der Spitze war zu hoch. Dafür gibt es deutsche Runners-Up, TV-Serien und einen Dokumentarfilm in den weiteren Kategorien. Besonders lieb sind mir unter meinen zehn Lieblingsfilmen 2017 die eigenen zufälligen Entdeckungen „Pieles“ aus Spanien und „Ein Tag wie kein anderer“ aus Israel.
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Ich habe ganz bewusst die siebte Staffel „Game of Thrones“ aus der Serien-Liste gelassen. Da war einfach der Qualitätsabfall zu gravierend. Natürlich macht das immer noch Spaß, aber die Ausnahmestellung ist futsch. 2017 war mein Netflix-Jahr: Wenn David Fincher, Star Trek, Cannes und Jerry Seinfeld zum US-Streaming-Riesen gehen, kann auch ich dem Hype nicht mehr widerstehen. Aber durch Disneys Monopol-Bestrebungen wird sich das demnächst schon wieder ändern. Es blieb nicht wirklich Zeit für Filmklassiker und Entdeckungen in der Filmgeschichte. Dafür saß ich bei Kinoplus auf der Couch und sprach mit dem Wollmilchcast. Ein fairer Tausch.
Links: - 2016, - 2015, - 2014, - 2013, - 2012, - 2011, - 2010, - 2009
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Donnerstag, 28. Dezember 2017
Läuft Luca Guadagninos "Suspiria" auf der Berlinale 2018?
schwanenmeister, 13:50h
Keine ganz wilde Spekulation mehr: Was spricht alles dafür, dass Luca Guadagninos "Suspiria"-Neuinterpretation auf der Berlinale 2018 läuft?
Ein erstes Poster | © Amazon Studios / Frenesy Film Company
Als vor einigen Wochen das vorläufige Programm des Sundance-Filmfestival veröffentlicht wurde, drehte sich die größte Nachricht darum, welcher Film im Januar nicht dabei sein wird: Der eigentlich fest gesetzte neue Luca-Guadagnino-Film "Suspiria" war nirgendwo aufzufinden. Hatte der Italiener nicht von Sundance aus seinen weltweiten Triumphzug mit dem jetzigen Oscarkandidaten "Call Me by Your Name" angetreten? Die Abwesenheit konnte auf zweierlei Weise interpretiert werden: Entweder hatte die Berlinale den Zuschlag erhalten oder die Produzenten planten, mit dem fertigen Film bis Cannes im Mai zu warten.
Jeder Regisseur geht, wenn er kann, nach Cannes. Dort erhält man die höchsten Weihen, dort ist das Medienaufkommen am größten, dort ist die Karriere gemacht, wenn man im Wettbewerb abliefert. Aber was ist, wenn der Film bereits fertig ist? Wenn ihn Quentin Tarantino bereits gesehen hat und weinen musste? Wenn Guadagnino das Setting des Horrorklassikers von der Freiburger Tanzschule nach Berlin verlegt hat? Wenn "Die Blechtrommel"-Legende Angela Winkler im Cast ist? Wenn Guadagnino ein besonderes Verhältnis zum deutschen Film hat? Wenn er als Teenager ein Interview-Buch von Rainer Werner Fassbinder gelesen hat, das ihn dazu inspirierte, Regisseur zu werden? Denn genau das trifft alles zu.
Größenwahnsinniger TeenagertraumIn einem Guardian-Interview vom 22. Dezember sagte Guadagnino über seinen "Suspiria"-Film: "Jeder Film, den ich drehe, ist ein weiterer Schritt in meine Träume, die ich als Teenager hatte. Suspiria ist der genaueste und größenwahnsinnigste Teenagertraum. Ich habe das Poster des Originals gesehen, als ich elf Jahre alt war. Als ich 14 Jahre alt war, sah ich Argentos Film, der mich stark berührte. Schon damals begann ich davon zu träumen, eines Tages meine eigene Version zu drehen." Der Italiener sagte im Interview weiterhin einen ganz bemerkenswerten Satz, als er auf den Backlash der Horrorfans angesprochen wurde, die eine Neufassung fürchten: "In der menschlichen Kunst geht es nicht um die ständige Erfindung von Originalität. Es geht darum, einen eigenen Blickwinkel auf die Dinge zu finden. Der Kapitalismus will uns weis machen, dass immer etwas Neues herauskommt. Aber das ist nicht wahr."
Fassbinder-Aktrice im CastDer große italienische Meister Dario Argento drehte 1977 den Horrorklassiker "Suspiria". Es geht um die junge Amerikanerin Suzy Banyon (Jessica Harper), die in einer Tanzakademie in Freiburg studieren will. Tanzschülerinnen verschwinden oder werden ermordet aufgefunden. Und dann bricht wirklich die Hölle los. Bei Guadagninos Neuinterpretation spielt Dakota Johnson ("Fifty Shades of Grey") die Tanzschülerin Susie Bannion. Sie drehte bereits mit dem Italiener "A Bigger Splash". Die Original-Suzy Jessica Harper steht auch im Cast. Dazu gesellen sich Chloë Grace Moretz, die bereits erwähnte Angela Winkler, Tilda Swinton als Madame Blanc, Sylvie Testud ("Jenseits der Stille") und Renée Soutendijk ("Der vierte Mann").
Fassbinder auf der Berlinale: Ein warmer Empfang sieht anders aus
Es ist auch kein Zufall, dass die Fassbinder-Aktrice Ingrid Caven ("Händler der vier Jahreszeiten", "Götter der Pest") bei Guadagnino eine tragende Rolle spielt. Fassbinders Karriere begann im Jahr 1969 auf der Berlinale. Sein Debütfilm "Liebe ist kälter als der Tod" lief im internationalen Wettbewerb. Guadagnino beschrieb einmal seinen Ansatz für die Neuinterpretation des Horrorklassikers: "Wie hätte wohl Fassbinder Suspiria gedreht?" Der Italiener hat nie eine Filmschule besucht. Er orientierte sich an der Fassbinder-Methode: Drei Filme pro Tag zu schauen und Filmbücher über Regisseure zu verschlingen. Unter Guadagninos zehn absoluten Lieblingsfilmen befindet sich auch Fassbinders Werk "Die Sehnsucht der Veronika Voss".
Deutscher Generationenkonflikt im FokusGuadagnino interessiert sich stark für den deutschen Film und die deutsche Literatur. Sein "Suspiria" fokussiert sich deshalb sehr auf das Jahr 1977, in dem das Original gedreht wurde. Wie er in einem Interview mit dem britischen Filmmagazin Empire erklärte, geht es bei ihm um die deutsche Teilung. "Es geht auch um die nächste Generation in Deutschland, die das Verhalten der Eltern im Krieg hinterfragte und die Schuldfrage thematisierte, welche die Eltern von sich weisen wollten", sagte Guadagnino.
Zur vergangenen Berlinale hat sich Negative Space weiter aus dem Fenster gelehnt und dachte, Terrence Malicks "Song to Song" für den Wettbewerb vorhersagen zu können. Malick ging lieber zum kleinen South-By-Southwest-Festival nach Austin. Der stargespickte Film verschwand in der Versenkung. Aber dieser Blog sagte gleichzeitig Aki Kaurismäkis "The Other Side of Hope" richtig voraus. Auch, was den kommenden Eröffnungsfilm der Berlinale, "Isle of Dogs" von Wes Anderson, angeht, bewies Negative Space früh den richtigen Riecher. Es ist zwar noch ein wenig geträumt, dass einer der aktuell angesagtesten Regisseure im kommenden Wettbewerb aufschlägt. Aber es gibt auch genügend Indizien, die auf eine Teilnahme hinweisen. Inoffiziell verdichten sich zudem die Stimmen, welche die Zusage andeuten. Wenn neben dem neuen Wes Anderson auch noch "Suspiria" in Berlin liefe, wäre das Festival zu einem absoluten Pflichttermin für jeden Cineasten geworden, der etwas auf sich hält.
Links: - Guardian, - Empire, - Malick-Spekulation
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Biografie zu Kosslick-Vorgänger Moritz de Hadeln erscheint am 8. Februar
schwanenmeister, 01:15h
Eine Biografie zum ehemaligen Berlinale-Chef Moritz de Hadeln erscheint. Dieser brachte dem Westen den chinesischen und sowjetischen Film näher. Der Autorenname der Biografie steht für Qualität.
© rüffer & rub
Es wird aktuell viel gesprochen und geschrieben über die 17 Jahre, die Berlinale-Direktor Dieter Kosslick im Amt ist. Sein Vorgänger Moritz de Hadeln bestimmte ganze 21 Jahre die Geschicke des wichtigsten Filmfestivals in Deutschland. Am 8. Februar, passend zur 68. Berlinale, erscheint nun von dem Schweizer Filmjournalisten Christian Jungen eine Biografie: "Moritz de Hadeln - Mister Filmfestival".
De Hadeln war vor Berlin Leiter des Filmfestivals in Locarno, später auch zwei Jahre lang Direktor beim ältesten Filmfestival der Welt in Venedig. Zu den größten Verdiensten des in Florenz geborenen Festivaldirektors zählt, das westliche Publikum mit dem chinesischen und sowjetischen Film bekannt gemacht zu haben. Jungen, der Kulturleiter der NZZ am Sonntag ist, sprach mit Zeitgenossen und Wegbegleitern de Hadelns. Der Portraitierte soll aber auch ausführlich selbst zu Wort kommen. Die Biografie hat 352 Seiten.
Endlich neues Futter zur Berlinale-HistorieÜber die Berlinale gibt es leider nur sehr wenig Literatur. Zur 60. Ausgabe des Festivals kam ein sehr gutes, angenehm schmales Bändchen des britischen Filmjournalisten und Buchautoren Peter Cowie heraus. Es gibt Wolfgang Jacobsens umfangreiche Materialsammlung "50 Jahre Berlinale". Ansonsten kann man interessante Filmbücher zur Berlinale mit der Lupe suchen. Umso spannender wird Jungens Biografie gerade im Lichte der aktuell wieder hochgekochten Kritik an Kosslick sein.
Zumal der Schweizer Filmjournalist Jungen genau der richtige Mann für den Job ist. Hat er doch bereits im Jahr 2008 ein wundervoll informatives Buch über das wichtigste Filmfestival der Welt ("Hollywood in Cannes") veröffentlicht. Da wartete fast auf jeder zweiten Seite ein Augenöffner auf den interessierten Leser. In diesem Zusammenhang wäre natürlich auch eine Biografie zu Alfred Bauer, dem ersten Festivaldirektor der Berlinale, spannend.
Im Jahr 2009 schrieb Negative Space über Jungens Qualitäten im Buch "Hollywood in Cannes": Seine Kunst besteht darin, eine Dissertation in Buchform geschrieben zu haben, der die wahnsinnig schmale Gratwanderung zwischen geschwätziger Erinnerung berühmter Kritiker und furztrockener hochwissenschaftlicher Abhandlung gelingt. Jungen vereint das Beste aus beiden Welten: Das hohe Unterhaltungslevel durch den Bezug zu den Stars, Regisseuren und Filmklassikern; ein dichtes Netz aus Anekdoten, dem so genannten Insiderwissen, was er elegant zu verknüpfen weiß mit einer scharfsinnigen sowie verständlichen Analyse der wirtschaftlichen Hintergründe. Die spielt gleichzeitig noch mal auf pointierte Weise die Filmgeschichte aus einem neuen, spannenden Blickwinkel, nämlich dem des Filmmarketings, durch.
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