Dienstag, 19. Oktober 2010
Dt. Marktanteil steigt: 14,7 %
So schnell geht das in den deutschen Charts: Sah die "Konferenz der Tiere", mit über 700 Kopien in jedes noch so kleine Provinzkino dieser Republik gedrückt, nach dem ersten Wochenende wie eine Totgeburt aus, ist sie aktuell der größte Profiteur des Graupelwetters und erster offizieller Anwärter auf den "Friendship"-Thron.
01. FRIENDSHIP! - Columbia - 1,57 Mio. Zuschauer
02. VINCENT WILL MEER - Constantin - 0,89 Mio.
03. HANNI & NANNI - Ufa Cinema - 0,85 Mio.
04. VORSTADTKROKODILE 2 - Constantin - 0,69 Mio.
05. TEUFELSKICKER - Ufa Cinema - 0,58 Mio.
Das Pop-Biopic "Goethe!" kam gemächlich aus den Blöcken, wahrt aber dank gewöhnlich langsam einsetzender Schulklassenströme beinahe alle Chancen, ein moderater Hit zu werden. Rüdiger Suchsland verglich Philipp Stölzls Interpretation mit dem französischen Biopic des letzten Wochenendes, "Gainsbourg": So triumphal verliert ansonsten nur Borussia Mönchengladbach.
06. DIE FRISEUSE - Constantin - 0,57 Mio.
07. KONFERENZ DER TIERE - Constantin - 0,55 Mio. (NEU)
08. ZEITEN ÄNDERN DICH - Constantin - 0,53 Mio.
09. GROUPIES BLEIBEN N. ZUM F. - Constantin - 0,49 Mio.
10. ROCK IT - SamFilm - 0,47 Mio.
2011 erinnert indes sehr an 2009, das Jahr mit dem deutschen Fabel-Marktanteil von fast dreißig Prozent: Drei garantierte Til Schweiger-Erfolge, "Kokowääh", "Männerherzen 2" und "Keinohrhasen 3". Dazu wieder neue Kinderabenteuer von Hexe Lilli, Prinzessin Lillifee, Wickie und Laura. Dazu aber dieses Mal Tommy Jauds "Resturlaub" und die Ufa Cinema-Produktionen (z. B. "Dschungelkind").
11. FRECHE MÄDCHEN 2 - Constantin - 0,41 Mio.
12. HIER KOMMT LOLA - Constantin - 0,37 Mio.
13. TIGER-TEAM - Constantin - 0,30 Mio.
14. JERRY COTTON - Constantin - 0,26 Mio.
15. NANGA PARBAT - Senator - 0,23 Mio.
Genau genommen vier Til Schweiger-Hits, weil er einen Gastauftritt in der 3D-Fassung von "Die drei Musketiere" haben wird. Der wird dann wiederum natürlich auch zum deutschen Marktanteil gezählt werden.
16. BOXHAGENER PLATZ - Claussen & Wöbke - 0,17 Mio.
17. SAME SAME BUT DIFFERENT - Boje Buck - 0,17 Mio.
18. 13 SEMESTER - Claussen & Wöbke - 0,17 Mio.
19. DIE FREMDE - Majestic - 0,12 Mio.
20. DAS LEBEN IST ZU LANG - X-Filme - 0,11 Mio.
Casting-Gerutsche: Shooting-Star Florian David Fitz schmeißt Vivian Naefe vom "Jesus liebt mich"-Regiestuhl. Roland Suso Richter ("Nichts als die Wahrheit") wird das internationale Großprojekt der Ufa, "Der Medicus", betreuen dürfen. Oder wie es damals bei Volker Schlöndorff und "Die Päpstin" hieß: die ersten Steine setzen.
21. DAS SANDMÄNNCHEN - Falcom - 0,11 Mio. (NEU)
22. GOETHE! - Senator - 0,10 Mio. (NEU)
- Jud Süß: Film ohne Gewissen - $751k
- Mahler auf der Couch - $580k
- Henry 4 - $365k
- Hochzeitspolka - $315k
- Lourdes - $264k
- Renn, wenn du kannst - $277k
- Vertraute Fremde - $172k
- Das letzte Schweigen - $132k
- Der Räuber - $70k
- Cindy liebt mich nicht - $15k
- Bedways - $13k
- Im Schatten - $10k
- Engel mit schmutzigen Flügeln - $??

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Mittwoch, 22. September 2010
Hollywood vs. Babelsberg im Vampirgenre
Und ich will beide Vampirfilme sehen! Wobei Matt Reeves' "So finster die Nacht"-Epigone, "Let Me In", den riesigen Vorteil genießt, dass sich der viel gerühmte Plakatkünstler Olly Moss auf dem Fantastic Fest der Sache angenommen hat. Eins sollte aber klar sein: Wenn Marci Götz' Suzi Quatro & Chris Norman-Reminiszenz "Groupies bleiben nicht zum Frühstück" schon George Clooney am deutschen Boxoffice schlägt, sollte das für Dennis Gansels "Hexenclub"-Paraphrase gar kein Problem mehr darstellen.

Links: - Olly Moss, - Twilight

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Europäische Schnittstellen
Und da fragte man sich noch, wo der Tausendsassa Luc Besson jetzt schon wieder Jessica Schwarz hervorzauberte, als er auf potentielle deutsche Schauspielerinnen in seinen Filmen angesprochen wurde. "Adèle und der Fluch des Pharaos" ist ab Donnerstag in den Kinos zu sehen.

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Montag, 20. September 2010
Auteur Vivian Naefe - Vom Filmkritiker zum Genreprofi
Ihre Mutter Jester Naefe war eine aufsteigende, vielbeschäftigte Schauspielschönheit in den Fünfzigern, irgendwo zwischen Hollywoods Rita Hayworth und Cinecittàs Sophia Loren, deren Karriere ein tragisches Ende am Set von "Sand, Love and Salt" nahm. Ihr Vater tauchte gelegentlich in den halbseidenen Sparten des Spiegel auf. Sie begann ihre Filmkarriere in den Achtzigern wie Regiegrößen des Neuen Deutschen Films in den Sechzigern und Siebzigern: als Filmkritikerin. Vivian Naefe schrieb für die Münchner Abendzeitung, epd-Film und den Stern. Als sie fertigstudiert hatte, war der deutsche Film mausetot. Es blieb nur das Fernsehen. In den Neunzigern durfte man wieder Kino. Naefes Spielfilm "Meine Tochter gehört mir" gewann zwei deutsche Filmpreise und verhalf Barbara Auer zum Durchbruch. Aber es blieb eine zwiespältige Angelegenheit: Für jede Beziehungskomödie, die ein Zuschauererfolg wurde, musste ein anderes Dutzend floppen. "2 Männer, 2 Frauen - 4 Probleme" war ihr Versuch und der letzter Kinofilm für lange Zeit.

Also wieder Fernsehen, was viele Filme mit Veronica Ferres bedeutete, aber auch den Adolf Grimme-Preis 2000 für "Einer geht noch". Als der deutsche Kinderfilm im neuen Jahrtausend zu boomen begann, gab es wieder eine Gelegenheit für die große Leinwand. Und Vivian Naefe nutzte sie gnadenlos mit dem "Wilde Hühner"-Franchise von Cornelia Funke. Wo das Konkurrenzprodukt um die Ochsenknecht-Brüder den amerikanischen Vorbildern hinterherzitierte, gelangen Naefe immer besser werdende Coming of Age-Filme mit einer eigenen Handschrift. "Die wilden Hühner und das Leben", der dritte und bisher letzte Teil der Reihe, gehört sicherlich zu den besten deutschen Jugendfilmen der letzten Jahre. Aktuell bereitet sie fürs Kino einen weiteren Kinderfilm vor. "Ben liebt Anna", nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Peter Härtling, handelt von der zarten Liebesgeschichte zwischen einem versetzungsgefährdeten Jungen, dessen Leben von der Arbeitslosigkeit seines Vaters und der Gewaltätigkeit seines Bruders bestimmt wird, und einem russischen Aussiedlermädchen. Vivian Naefes Arthouse-Projekt sozusagen, das sich ganz wundervoll mit ihrem anderen neuen Kinofilm, "Jesus liebt mich", verträgt. Eine romantische Komödie nach dem gleichnamigen David Safier-Bestseller mit Florian David Fitz und Jessica Schwarz für Ufa Cinema.

Links: - Deutsche Kinostarts, - Jesus liebt mich, - Ufa Cinema

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Sonntag, 19. September 2010
Oscar Buzz-Update: Vol. 1
Schon so spät im Jahr, und es will trotzdem kein echtes Oscarfieber aufkommen. Vielleicht liegt es an der faden Verleihung vom März, vielleicht am bisherigen Spannungsverlauf, ganz sicher aber an den möglichen Kandidaten. Und dass neuerdings zehn Filme nominiert werden können, macht das Ganze nicht besser. Jeder halbwegs taugliche Hollywoodfilm packt es jetzt ins Finale.

Peter Weir und Terrence Malick werden aller Voraussicht nach nicht am Rennen teilnehmen. Dafür liegen bereits, schwer wie Blei, gefällige Selbstläufer wie der Christopher Nolan-Blockbuster "Inception" und das Pixar-Franchise "Toy Story 3" im gemachten Bett. Hinzu kommen die Klassiker der Academy Awards, die britische Kostümkomödie ("The King's Speech") und der alternative Indiehit ("The Kids Are Alright"), die sich hübsch auf die Schlagworte 'Hitler' und 'Homosexualität' zusammenfassen lassen. Und auch altbekannte Lieblinge sind wieder am Start. Die heißen heute nicht mehr unbedingt Clint Eastwood oder Steven Spielberg, sondern Danny Boyle ("127 Hours") und David Fincher ("The Social Network"). Nehmen wir noch den neuesten Mike Leigh-Film ("Another Year") hinzu, und wir hätten insgesamt sieben ziemlich aussichtsreiche Kandidaten.

Viel spannender erscheinen andere Filmprojekte, denen zum jetzigen Zeitpunkt eher geringe bis keine Chancen eingeräumt werden. Darren Aronofskys Balletsploitation "Black Swan" etwa, die Venedig eröffnete und in den Beschreibungen der Kritiker wie eine Neuauflage von Paul Verhoevens "Showgirls" klingt. Nur mit dem Unterschied, dass der Schauspielerin Natalie Portman eine sichere Nominierung als beste Hauptdarstellerin nachgesagt wird. Auch sehr interessant fände ich es, wenn das US-Remake des schwedischen Horrormeisterwerks "Let the Right One In", das ganz fantastische Kritiken in Toronto bekam, überraschen könnte. Umso ironischer wäre da eine Nominierung als bester Film, weil das Original von seinem Heimatland nicht einmal für die Oscars eingereicht wurde.

Spätere Kinostarts versprechen dagegen wenig Konfliktpotential. Kein "Avatar" in Sicht! Die Coens ("True Grit"), David O. Russell ("The Fighter") und Paul Haggis ("Next Three Days") hoffen auf Oscar-Buzz, der ihre Filme am Boxoffice schweben lässt. Und vielleicht sollte man auch nicht das zuende gehende Mega-Franchise "Harry Potter" aus den Augen verlieren. Beim schwächelnden "Herrn der Ringe" belohnte die Jury schließlich auch den Durchhaltewillen und die unglaublichen Erfolgszahlen.

Link: - Oscar-Übersicht

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Samstag, 18. September 2010
YouTube schlägt QT: Tarantinos "Minnesota Clay"-Intro im Netz
Der wahrscheinlich mehrstündige, von Peter Cowie geleitete Sergio Corbucci-Panel des diesjährigen Venedig-Festivals wird immer noch vermisst. Es tröstet indes ein wenig, dass es zumindest ein Video aus dem Tarantino-Intro zu "Minnesota Clay" ins Internet geschafft hat. Bisher musste man sich ja mit den zwei knappen Sätzen von Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau begnügen. Seit Dienstag stehen also die heldenmutigen Taten auf YouTube; gesehen hatte sie quasi noch keiner: 46 Klicks, als ich sie fand. Vom weltweit besten Actionregisseur der 1960er-Jahre ist da die Rede, bis Sam Peckinpah am Horizont erschien. Vom allerbesten europäischen Regisseur, der klassische Western machte. Und um den Superlativ zu unterstreichen, wird Tarantino vor den halbleeren Rängen konkret: "And I'm not talking about the German westerns, I'm talking about Fritz Lang, Jacques Tourneur." Gut zehn Minuten Western-Nirvana, nach denen man sich am liebsten gleich wieder den halben Joe Hembus anschauen will.

Links: - YouTube #1 & #2, - Corbucci-Monografie, Venedig 1 & 2

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Freitag, 17. September 2010
Most-Wanted September 2010: Aktuelles Kino
... after Venice, before the award season ...
Das ist die Fortsetzung der Mai-Liste: Die zahlreichen dort genannten Most-Wanted-Filme werden natürlich nicht wieder hier aufgeführt. Es gibt nur wenige Neuzugänge im Bereich Heimat und Horror, dafür umso mehr Arthouse-Festivalperlen:

Europa

ANOTHER YEAR
ATTENBERG [*Favorit*]
AURORA
CERTIFIED COPY
ESSENTIAL KILLING
OF GODS AND MEN
LE MAC
POST MORTEM
POTICHE
THE PRINCESS OF MONTPENSIER
THE RED CHAPEL
A SAD TRUMPET BALLAD
SNABBA CASH
THE STRANGE CASE OF ANGELICA
SURVIVING LIFE
TUESDAY AFTER CHRISTMAS
VALLANZASCA
VENUS NOIRE

Asien

13 ASSASSINS
DETECTIVE DEE [*Favorit*]
THE DITCH
DREAM HOME
NORWEGIAN WOOD
REIGN OF ASSASSINS
UNCLE BOONMEE

Heimat

DREI
MAX SCHMELING
PICCO
RAMMBOCK [*Favorit*]

Horror

MOTHER'S DAY
PRIMAL
SIMON WERNER A DISPARU
THE WARD [*Favorit*]

Sundance

BEGINNERS
I'M STILL HERE
MEEK'S CUTOFF [*Favorit*]
NEVER LET ME GO
ROAD TO NOWHERE
SOMEWHERE

Hollywood

127 HOURS
BLACK SWAN
HEREAFTER
LET ME IN [*Favorit*]
TRUE GRIT

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Samstag, 11. September 2010
Venedig-Tipps 2010
"Einer der besten Wettbewerbe der letzten Dekade" (Rüdiger Suchsland, Filmgazette)
Am heutigen Abend vergab die Wettbewerbsjury um Quentin Tarantino überraschend keinen Preis nach Asien. Weder Takashi Miike, noch Tsui Hark wurden berücksichtigt. Das krasse Gegenteil zu Quentins Cannes-Regentschaft, wo die Hälfte der Preise in den Osten wanderte. Und damit auch das erwartete Unterlaufen der Erwartungen. Dass es der "Inglourious Basterds"-Regisseur wagen würde, den Goldenen Löwen an seine Ex-Freundin Sofia Coppola und ihren Film "Somewhere" zu geben, war jenseits meiner Vorstellungskraft. Zu dreist und plump erschien mir dieser Staatsakt. Und dass Kelly Reichardt und Francois Ozon leer ausgingen, nehme ich ihm persönlich übel. Dann wiederum erweisen sich alle anderen Preise eines Wettbewerbs würdig, der wohl als einer der besten in die Geschichte der Biennale eingehen wird und als vorletzter von Festivalchef Marco Müller. Zwei Preise gab es für den 72-jährigen Polen Jerzy Skolomowski, den Spezialpreis für das Lebenswerk an Monte Hellman, zwei Preise für Spanien und Álex de la Iglesias traurige Trompetenballade. Schauspielpreise für Mila Kunis ("Black Swan"), Vincent Gallo ("Essential Killing") und Ariane Labed ("Attenberg"). Der Kamerapreis für "Silent Souls".

Gesammelte Venedig-Tipps:

- 13 ASSASSINS (Takashi Miike)
- ATTENBERG (Athina Rachel Tsangari) *
- BALADA TRISTE DE TROMPETA (Álex de la Iglesia) *
- BLACK SWAN (Darren Aronofsky) Balletsploitation
- DETECTIVE DEE & THE MYSTERY OF PHANTOM FLAME (Tsui Hark) *
- THE DITCH (Wang Bing)
- DREI (Tom Tykwer)
- ESSENTIAL KILLING (Jerzy Skolimowski)
- GORBACIOF (Stefano Incerti)
- I'M STILL HERE (Casey Affleck)
- MEEK'S CUTOFF (Kelly Reichardt) *
- NORWEGIAN WOOD (Anh Hung Tran) *
- POST MORTEM (Pablo Larraín)
- POTICHE (Francois Ozon) *
- REIGN OF ASSASSINS (John Woo & Su Chao-Pin)
- ROAD TO NOWHERE (Monte Hellman)
- SILENT SOULS (Aleksei Fedorchenko)
- SOMEWHERE (Sofia Coppola)
- SURVIVING LIFE (Jan Svankmajer)
- VALLANZASCA (Michele Placido) *
- VENUS NOIRE (Abdellatif Kechiche)

* = Besondere Lieblinge

Link: - YouTube

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Freitag, 10. September 2010
Venedig-Ticker: 10. September
Mary & Richard Corliss machen im Time Magazine den Deckel drauf. Löwen-Spekulation und viel Liebe für "Detective Dee" und "Potiche" wird ausgeschüttet. Richard Corliss gelingt anhand von Tsui Harks Filmografie eine amüsante Beschreibung der Filmindustrie Hongkongs. Und das Paar liefert die Erklärung, warum der Corbucci-Panel immer noch nicht die Runde macht: "Declaring that his remarks were 'just for the people in this room, not for YouTube,' he advised everyone to shut off recording equipment — and ejected one fellow who kept filming him. An education and a confrontation: that's what Tarantino gives you at Venice."

Apropos 12-minütige Tarantino-Einführung zu "Minnesota Clay", die Sergio Corbucci-Offensive trägt Früchte: Das italienische Popmagazin Nocturno bringt in seiner neuesten Ausgabe ein Corbucci-Special. Untertitel: LO SPECIALISTA.

Zum Aufwärmen ein längeres Tom Tykwer-Interview mit D-Radio Kultur: Sympathisch belanglos. Und als es richtig interessant wird, hört das Gespräch auf.

Damon Wise setzt das Sergio Corbucci-Namedropping fort, obwohl er im falschen Midnight-Screening, nämlich dem von Corbuccis Film "Die Grausamen" ohne Tarantino-Intro saß. Wie traurig. Dafür wäre er fast bei Takashi Miikes Neuem, "13 Assassins", eingeschlafen, bis ihn der Adrenalinrausch aus dem Land der Träume riss und zu überzeugen wusste: "And not only is it very funny – the samurai code is roundly pilloried – it's also surprisingly dignified, with Koji Yakusho stealing the show as Shinzaemon and Goro Inagaki indelible as the psychotic Naritsugu." Noch mehr Namedropping von James Mottram im Bezug auf Monte Hellmans Film "Road to Nowhere": "Mulholland Drive", Peter Bart, Nicholas Ray, Preston Sturges, Ingmar Bergman. "It’s such a strange viewing experience, it seems pre-ordained to gain a cult following – even if it will probably pass out of Venice unnoticed", denkt Mottram.

Barbara Schweizerhof beschwert sich über Rentnerrabatt am Lido, der das Tütenrascheln im Kino befördern würde. Und sie glaubt zu wissen, wer am Samstag alles keinen Preis bekommt. Ihr Lieblingsfilm des Wettbewerbs, "Silent Souls", natürlich nicht. Aber auch den Werken "Somewhere", "Post mortem", "Meek's Cutoff", "The Ditch", "A Sad Trumpet Ballad", "13 Assassins", "Detective Dee" und "Black Swan" würde sie zutrauen, nicht keinen Preis zu gewinnen. Also quasi dem halben Wettbewerb.

Natürlich war Der Spiegel auf der Biennale, natürlich leitet Wolfgang Höbel seine Rundumschau mit dem Mann ein, der selbst im Movies & Sports-Blog die letzten Tage vielleicht doch etwas zu häufig genannt wurde. Vielleicht nicht natürlich, jedoch logisch erscheint mir das Lob für Tom Tykwers Film "Drei". Wenn man schon so spät auf einer Party antanzt und meint, dass man nur fünf Minuten bleiben kann, will man dem Veranstalter zur Begrüßung nicht gleich auf den Teppich pissen: "Was Tykwers Film auszeichnet, ist der lässige Ernst, mit dem hier eine Art Zustandsbericht über die Liebe der Vierzigjährigen im Deutschland des Jahres 2010 versucht wird, ohne sich lange mit komplizierten Story-Verwicklungen und wilden Behauptungen aufzuhalten." Ob das auch die internationale Kritik begeistert, wenn sie denn überhaupt noch da ist, wird sich zeigen.

Die wandelnde Alliteration Björn Becher sticht mit dem stumpfsten Messer, das an der Mostra zu finden war, im immer dunkler werdenden Filmstarts-Videotagebuch auf Tom Tykwer ein. Wozu Argumente, wenn man eine Meinung hat und sich nur wahnsinnig wenig Zeit für einen Regisseur nimmt, dessen "Der Krieger und die Kaiserin" man im selben schleppenden Atemzug als Meisterwerk bezeichnet.

Ich weiß nicht, ob mehr Menschen geklatscht oder selbst gefilmt oder fotografiert haben, aber hier gibt es über YouTube den Applaus für Alex de la Iglesia nachgeliefert. Standing Ovations für "A Sad Trumpet Ballad". Auch kurz im Bild: Meinungsmacher Matthias Matussek, der schockierenderweise weder filmt, noch klatscht. Ein weiterer netter YouTube-Schnipsel zeigt den Jurypräsidenten, wie er gemeinsam mit Tilda Swinton einen italienischen Kritikerpreis überreicht bekommt und dabei die Maestros wie Di Leo oder Castellari ehrt, aber vor allem den Japanern huldigt, die die Italowestern und Macaroni Combat Movies durch besonders tolle DVD-Veröffentlichungen am Leben erhalten hätten.

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Donnerstag, 9. September 2010
Venedig-Ticker: 9. September
Schönes, beinahe allumfassendes Fazit von Susanne Ostwald (NZZ). Die spanische Ballade von der traurigen Trompete ist auch für sie ein Meisterwerk. Nach so vielen Lobpreisungen bleibt Regisseur Álex de la Iglesia beinahe keine andere Möglichkeit, als im Kino zu enttäuschen. Mal den Samstag abwarten, Tarantino unterwandert ja sehr gerne die Erwartungen. Letztes Jahr beschrieb er in Cannes zum Beispiel auch nicht Johnnie To eine Serviette, sondern Brillante Mendoza und Jane Campion.

Standard-Kritikerin Isabella Reicher hat mit "Vénus noire" und "The Ditch" zwei so monumentale Werke gesehen, dass sie dankbar für die Abwechslung durch mediokere Leichtgewichte wie Ben Afflecks "The Town" und Vincent Gallos "Promises Written in Water" ist. Mehr Buzz zu "Vénus noire" liefert Felicitas Kleiner im Filmdienst-Blog. Es ist vielleicht ein Zufall, dass die ersten drei geposteten Reaktionen von Frauen stammen. Auch Zufall, dass Abdellatif Kechiches Film als Aufhänger für Barbara Schweizerhof dient?

Ein Nachtrag zu den gutbrüllenden Löwen: Jan Schulz-Ojala hat den dicksten, glaubt er jedenfalls: "'Balada triste' dürfte kein Favorit auf den Goldenen Löwen sein, denn der Jury-Vorsitzende heißt Quentin Tarantino." Schachmatt! Schulz-Ojala tippt beim Hauptpreis auf "Vénus noire", sehr gut begründet, wie ich finde: "Abdellatif Kechiche geht es ganz offenkundig um das Bewusstsein für eine historische Schuld, aber er inszeniert das überlieferte Geschehen so brillant nahe an gefühlter Authentizität, dass durch das bloße Zuschauen eine neue Schuld zu entstehen scheint." Die Schuldthematik ist nämlich das Thema, was seit Jahren in Tarantino schlummerte, in "Inglourious Basterds" vor allem auch im Bezug auf die Rassenproblematik in den USA zum Ausdruck kommen sollte, dann aber nur unterirdisch durchschimmerte und auf seinen Southern verschoben wurde. Dann wiederum besteht die Wettbewerbsjury aus sieben unabhängigen Köpfen, beispielsweise dem mexikanischen Drehbuchstar Guillermo Arriaga, dem umfeierten Regie-Franzosen Arnaud Desplechin oder etwa Score-Barde Danny Elfman, um nur mal die bekanntesten Namen zu nennen.

Zu schön, um wahr zu sein, wenn Takashi Miike endlich wieder mal einen großen Wurf raushauen würde. Guy Lodge gibt, knapp an der Höchstwertung vorbei, dreieinhalb Sterne und schreibt weiter: "13 Assassins" is one of the most unexpected joys of the Competition lineup: a straight-up, even classical, samurai spectacular that trades in bone-dry humor without placing itself entirely in genre-film quote marks." Dafür hasste Lodge "A Sad Trumpet Ballad" und mochte "Attenberg".

Diesmal ohne Kollegenschelte, aber wieder mit Jurypräsidenten-Tipp zelebriert Rüdiger Suchsland in seiner wohl vorletzten Kolumne die durchgekauten Highlights der letzten Tage: "Potiche", "Detective Dee" und "Meek's Cutoff". Wobei vorletzte Kolumne übertrieben ist, denn Suchsland mixt für Artechock gerade noch mal alle Filmgazette-Artikel neu zusammen. Und wo ist eigentlich Derek Elley geblieben? Film Asia Business hat das Kritikenschreiben vor Tagen eingestellt.

Und bei Michael Althens wahrscheinlich letztem FAZ-Artikel vom Lido gehen einem die Augen über vor lauter beglückendem Lob, das die Hymnen der Kollegen weiter bestätigt. Die Dreifaltigkeit des Glückes heißt bei Althen "Attenberg", "A Sad Trumpet Ballad" und "Vénus noire". Fehlt nur noch der Home Run für Tom Tykwer am Freitag!

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Mittwoch, 8. September 2010
Venedig-Ticker: 8. September
Ja, man sollte eigentlich immer einen Festival-Ticker mit den neuesten Gedanken von Rüdiger Suchsland beginnen, wenn sie denn verfügbar und frisch sind. Dieses Mal holt er sich die Tapferkeitsmedaille für seine Verteidigung eines Zirkusfilms ab. "A Sad Trumpet Ballad" ist der neue Film von Alex de la Iglesia und Suchsland sein neuester Fan: "Iglesia ist hier etwas wirklich Neues und Anderes geglückt, ein Film, wie ein Alptraum, ein katholischer Exorzismus, der sich am Teufel Franco abarbeitet und an seinen Spuren in Spaniens Gesellschaft bis heute."

Gut gebrüllt, Löwe!
Die Spekulationen um potentielle Löwengewinner nehmen zu und der Wettkampf darum, wer glaubt, den Geschmack Tarantinos am besten einschätzen zu können. "Filmischer Expressionismus, und das wird Tarantino mögen, darum kann man wetten, dass dieser starke, konsequente Film aus einem Guss einen Preis bekommt, warum nicht sogar den Goldenen Löwen?", schreibt Suchsland über "A Sad Trumpet Ballad". Nichts da, denkt sich Michael Althen: "Tarantino müsste eigentlich gefallen, was Francois Ozon in 'Potiche' macht. Denn der Franzose lässt mit derselben Liebe und Hingabe die Komödie der siebziger Jahre auferstehen, wie das Tarantino in 'Death Proof' mit den amerikanischen Billigfilmen jenes Jahrzehnts getan hat." Auf keinen Fall, Suchsland hat Recht, erwidert Peter Zander: "De la Iglesias brennt ein Sperrfeuer an bildgewaltigen Fantasien ab und bedient sich schamlos an Monster- und Splatterfilmen. Eine einzige große Befreiungsorgie, den 'Inglourious Basterds' nicht unähnlich, was Tarantino entzücken dürfte." Und Peter Claus will wissen: "Am Lido macht das Gerücht die Runde, Jury-Vorsitzender Quentin Tarantino habe geradezu euphorisch reagiert. Der Goldene Löwe? Wir werden es am Samstag sehen."

Damon Wise hat inzwischen seiner Euphorie Ausdruck verliehen. Der italienische Crime-Thriller "Vallanzasca" war sein Heureka-Moment in Venedig: "This rock'n'roll outlaw thriller really hits the spot."

Die höchsten Weihen für Marco Müllers Festivalprogramm, die auch meinen Eindruck widerspiegeln: Lakonisch lobt der Sight & Sound-Herausgeber Nick James: "This is a staggeringly good festival this year, probably the best here I've attended. At halfway through, Venice has consistently entertained, surprised and stimulated with a confident selection that wafts breezily across moods, modes and genres, being neither careless nor preachy." Seine Highlights waren "Post mortem", "Potiche", "Meek's Cutoff", "Attenberg" und "Sorelle mai". Seine absoluten Lieblinge waren aber "Reign of Assassins" und "Detective Dee". Ich ahnte, dass Venedig das bessere Cannes würde. In your face, Deadline Hollywood!

Das erste Corbucci-Fitzelchen bei Daniel Kothenschulte: "Auch den Vergleich mit Amerikanern wie Sam Peckinpah brauche der Meister nicht zu scheuen: 'Wo sonst gibt es denn in einem Western 38 Tote?', lobte Tarantino Corbuccis 'Minnesota Clay'. 'Und ich spreche nur von der ersten Hälfte!'" Weniger pointiert, dafür umso schöner und wahrer Tarantino weiter: "Die Gewalt ging bei Corbucci auf in einer Mischung aus italienischer Oper und Douglas-Sirk-Melodram." Und auch in Jay Hobermans überraschendem Zwischenfazit gibt es ein klein bisschen Sergio Corbucci: "Tarantino told me that he planned to hold forth on Corbucci at a special panel. With my own jury work completed, I regret that I won't be in Venice to hear him, but I'll be watching for his performance on YouTube."

Und noch etwas zu Dani Kothenschulte: Der Videobeweis, dass seine Spencer & Hill-Spekulation ins Leere lief, weil keiner ihrer Filme in der Komödien-Retrospektive gezeigt wurde. Das andere große Traumduo, Barbara Bouchet & Lino Banfi, traf Tarantino dagegen sehr wohl.

Apropos YouTube, die Qualität der Videotagebücher vom emsigen Filmstarts-Chef Björn Becher wird einfach nicht besser. Aber wer es schafft, innerhalb weniger Minuten fünf Mal den Namen Tarantino auszusprechen, der packt es auch wieder in den Venedig-Ticker. Außerdem sah sich Becher Sergio Corbuccis "Minnesota Clay" in der Mitternachtsvorstellung an, was ja beinahe eine Nachricht wert ist. Peter Claus nennt dagegen den Namen des Jurypräsidenten nur einmal im Gespräch mit D-Radio Kultur, zählt inzwischen aber dafür den anfangs von ihm gescholtenen Tsui Hark-Film "Detective Dee" zu den Highlights des Wettbewerbs. Auch lobend erwähnt werden "The Ditch", "Promises Written in Water", "A Sad Trumpet Ballad", "Post mortem" und "Potiche". Der Provokateur Vincent Gallo hat somit den ersten offiziellen Fan hier gefunden. Und zum Abschluss wird Jimmy Hughes mit 'I'm So Glad' gespielt.

Peter Bradshaw (Guardian) und Anne Thompson (indieWIRE) sind weg, David Jenkins (Time Out London) reist heute ab, nicht ohne noch mal zusammenzufassen. Seine Top-3: 1. "Surviving Life" 2. "Meek's Cutoff" 3. "Black Swan". Runners Up: "Norwegian Wood", "Potiche", "Silent Souls" und - Gesellschaft für Peter Claus - "Promises Written in Water". Tobias Kniebe scharrt bestimmt auch schon mit den Hufen!

Ein Hauch Recherche: Die Zusammenstellung des Sergio Corbucci-Panels ließ mir keine Ruhe. Des Rätsels Lösung ist: Ganz regulär fanden vor drei Jahren in Venedig zwei von Peter Cowie moderierte Panels statt. 'Eastern Western: The Impact of the Spaghetti Western in Asia and America' hieß der Panel, zu dem unter anderem Richard Corliss, Marco Giusti und Jay Hoberman geladen waren. Und im Panel 'The Impact of the Mostra on the Circulation of Quality Films' saßen Michel Ciment und Derek Malcom. Es wird eine relativ spontane Aktion gewesen sein, dass Tarantino sagte, er würde gerne etwas über Sergio Corbucci machen. Dafür spricht auch die fehlende Ankündigung im Vorfeld. Der wohlsituierte Elvis Mitchell war offenbar als Entourage mit dem Jurypräsidenten gereist. Und Zacharek bloggte so vor sich hin.

Jeder Wettbewerbstag bringt einen neuen Favoriten, so hat man das Gefühl. Stephanie Zacharek, die morgen nach Toronto aufbricht, hat spät den einen Film gefunden, den sie nicht mehr abschütteln kann: "Venus Noire". Und sie legt ihren Lesern einige Sergio Corbucci-Filme ans Herz, besonders "Leichen pflastern seinen Weg", wobei dieser bezeichnenderweise nur als Region 2 disc zu haben wäre.

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