Dienstag, 30. August 2011
Das TV-Epos des Jahres: "Dreileben"
Hätte es einen deutschen Fernsehsender mit noch größeren Eiern gegeben, würde ich heute wahrscheinlich die NBA-Finals zwischen den Dallas Mavericks und den Miami Heat als das TV-Epos des Jahres ausrufen. Ich denke aber, dass "Dreileben" ein würdiger Vertreter ist, was die Eier und die epische Qualität betrifft. Alle drei Spielfilme zusammengenommen, erzählten Christian Petzold, Dominik Graf und Christoph Hochhäusler länger als "Vom Winde verweht" auf dem immer noch besten Sendeplatz des deutschen Fernsehens, nämlich ab 20.15 Uhr in der ARD. Wie sich dieses wunderschöne Experiment in den Quoten auswirkt, wird sich morgen früh zeigen. Ob es bald so etwas wiedergeben wird, bleibt zu bezweifeln. Aber ich kann immerhin sagen, dabei gewesen zu sein, als Fernsehgeschichte geschrieben wurde. Für völlig falsch halte ich den Ansatz, die Filme einzeln zu bewerten - oder noch schlimmer: sie gegeneinander auszuspielen. Ich finde, das große Vergnügen dieser TV-Trilogie entsteht doch erst, wenn sich die Filme übereinander legen und miteinander kommunizieren, so dass der Zuschauer anhand der ausgeworfenen Erzählnetze eine Art emotionale Karte dieses fiktiven Verbrechens erhält, die das Entdecken im jeweils anderen Teil befördert. Apropos: Wann kommt denn eigentlich endlich "Carlos - Der Schakal" als Miniserie auf Arte?

Nachtrag: Quotenmeter-Überschrift lautet: "Dreileben"-Experiment gescheitert. 20.15 Uhr (2,61 Mio.), 21.45 Uhr (1,84 Mio.), 23.30 Uhr (0,81 Mio.). Was natürlich großer Unsinn ist. Die ARD war der Ausgangspunkt, der die nötige Aufmerksamkeit generierte. Aber die Filme werden erst ihr richtiges Publikum finden, wenn sie unzählige Male auf den Extra-Kanälen und in den dritten Programmen versendet sein werden. Und ich finde die Zahl von gut achthunderttausend cinephilen Wahnsinnigen, die sich scheinbar die ganze Trilogie am Stück gegeben haben, einen beachtlichen Erfolg.

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Nachdem die Filme seperat entstanden und zugleich deutlich die Handschrift ihrer jeweiligen Regisseure tragen (was auch ein wenig schade ist, weil sich die tatsächliche ästhetische Annäherung & Konfrontation eher in Grenzen hält und im Grunde jeder sein Ding durchzieht), halte ich trotz einigen reizvollen erzählerischen Überlappungen eine getrennte Betrachtung der einzelnen Filme für völlig legitim. :)

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Na ja, ich finde, die drei Filme machen doch erst richtig Spaß, wenn man sie als Gesamtkunstwerk betrachtet. Ansonsten wären das eine banale Coming-of-Age-Liebesgeschichte, eine peinliche Nabelschau und das x-te Porträt eines vermeintlichen Serienkillers. Das hat man, wenn man ehrlich ist, schon ungefähr hundert mal besser und interessanter gesehen. Erst durch die Hintergrundgeräusche der anderen Geschichten finden die Filme einen - sagen wir mal - emotionalen 3D-Effekt, der ziemlich einzigartig ist. Und so sehr ich etwa einen Filmkritiker wie Neil Young schätze: Bei "Dreileben" gefiel mir in seiner Hollywood Reporter-Kritik gar nicht, dass er im dritten Absatz gleich eine Art Ranking aufstellen musste. Wie überhaupt das Projekt in der Rezeption hauptsächlich dafür genutzt wurde, die Claims für den persönlichen Lieblings-Regisseur abzustecken. Bei simplen Kurzfilmsammlungen mag diese "Wer hat den längsten"-Attitüde ganz spaßig sein. Bei "Dreileben" halte ich es aber für sehr kontraproduktiv.

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Verstehe trotzdem nicht, warum man die Filme, nur weil sie von manchen Überschneidungen bereichert werden, nicht auch einzeln betrachten sollte. Im Gegensatz zur klassischen TV-(Mini-)Serie sind sie ja eben auch konzeptionell nicht von vornherein streng aufeinander abgestimmt, sondern eigenständig entwickelt. Unabhängig davon darf man dann ja natürlich durchaus trotzdem finden, dass sie im Gesamten mehr als die Summe ihrer Teile sind (was ja auch Neil Young schreibt, wobei ich seiner Einschätzung ansonsten diametral entgegen stehe, aber das geht mir wiederum mit ihm häufiger so). Und hinsichtlich der Regisseure schätze ich ansonsten alle drei sehr, was mich aber nicht davon abhält, hier im konkreten Fall ihren Ansatz und ihre Umsetzung unterschiedlich gelungen zu finden. Und weil mir als alter Formalist das Wie tendenziell deutlich wichtiger als das Was ist, gefällt mir die "peinliche Nabelschau" am besten. ;)

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Weil der Mehrwert fehlt, es die eigentlichen Qualitäten des "Dreileben"-Projekts unterschlägt bzw. verdrängt und es ausschließlich zu überflüssigen Grabenkämpfen zwischen Hochhäusler-, Graf- und Petzold-Jüngern führt. :)) Ich habe mich im Filmtagebuch zum Beispiel lieber dazu entschlossen, Luna Mijovic und Jeanette Hain als neue Movies & Sports-Göttinnen abzufeiern. Wie ich finde, ein deutlich sinnigeres Unterfangen! ;)

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