Donnerstag, 9. September 2010
Venedig-Ticker: 9. September
Schönes, beinahe allumfassendes Fazit von Susanne Ostwald (NZZ). Die spanische Ballade von der traurigen Trompete ist auch für sie ein Meisterwerk. Nach so vielen Lobpreisungen bleibt Regisseur Álex de la Iglesia beinahe keine andere Möglichkeit, als im Kino zu enttäuschen. Mal den Samstag abwarten, Tarantino unterwandert ja sehr gerne die Erwartungen. Letztes Jahr beschrieb er in Cannes zum Beispiel auch nicht Johnnie To eine Serviette, sondern Brillante Mendoza und Jane Campion.

Standard-Kritikerin Isabella Reicher hat mit "Vénus noire" und "The Ditch" zwei so monumentale Werke gesehen, dass sie dankbar für die Abwechslung durch mediokere Leichtgewichte wie Ben Afflecks "The Town" und Vincent Gallos "Promises Written in Water" ist. Mehr Buzz zu "Vénus noire" liefert Felicitas Kleiner im Filmdienst-Blog. Es ist vielleicht ein Zufall, dass die ersten drei geposteten Reaktionen von Frauen stammen. Auch Zufall, dass Abdellatif Kechiches Film als Aufhänger für Barbara Schweizerhof dient?

Ein Nachtrag zu den gutbrüllenden Löwen: Jan Schulz-Ojala hat den dicksten, glaubt er jedenfalls: "'Balada triste' dürfte kein Favorit auf den Goldenen Löwen sein, denn der Jury-Vorsitzende heißt Quentin Tarantino." Schachmatt! Schulz-Ojala tippt beim Hauptpreis auf "Vénus noire", sehr gut begründet, wie ich finde: "Abdellatif Kechiche geht es ganz offenkundig um das Bewusstsein für eine historische Schuld, aber er inszeniert das überlieferte Geschehen so brillant nahe an gefühlter Authentizität, dass durch das bloße Zuschauen eine neue Schuld zu entstehen scheint." Die Schuldthematik ist nämlich das Thema, was seit Jahren in Tarantino schlummerte, in "Inglourious Basterds" vor allem auch im Bezug auf die Rassenproblematik in den USA zum Ausdruck kommen sollte, dann aber nur unterirdisch durchschimmerte und auf seinen Southern verschoben wurde. Dann wiederum besteht die Wettbewerbsjury aus sieben unabhängigen Köpfen, beispielsweise dem mexikanischen Drehbuchstar Guillermo Arriaga, dem umfeierten Regie-Franzosen Arnaud Desplechin oder etwa Score-Barde Danny Elfman, um nur mal die bekanntesten Namen zu nennen.

Zu schön, um wahr zu sein, wenn Takashi Miike endlich wieder mal einen großen Wurf raushauen würde. Guy Lodge gibt, knapp an der Höchstwertung vorbei, dreieinhalb Sterne und schreibt weiter: "13 Assassins" is one of the most unexpected joys of the Competition lineup: a straight-up, even classical, samurai spectacular that trades in bone-dry humor without placing itself entirely in genre-film quote marks." Dafür hasste Lodge "A Sad Trumpet Ballad" und mochte "Attenberg".

Diesmal ohne Kollegenschelte, aber wieder mit Jurypräsidenten-Tipp zelebriert Rüdiger Suchsland in seiner wohl vorletzten Kolumne die durchgekauten Highlights der letzten Tage: "Potiche", "Detective Dee" und "Meek's Cutoff". Wobei vorletzte Kolumne übertrieben ist, denn Suchsland mixt für Artechock gerade noch mal alle Filmgazette-Artikel neu zusammen. Und wo ist eigentlich Derek Elley geblieben? Film Asia Business hat das Kritikenschreiben vor Tagen eingestellt.

Und bei Michael Althens wahrscheinlich letztem FAZ-Artikel vom Lido gehen einem die Augen über vor lauter beglückendem Lob, das die Hymnen der Kollegen weiter bestätigt. Die Dreifaltigkeit des Glückes heißt bei Althen "Attenberg", "A Sad Trumpet Ballad" und "Vénus noire". Fehlt nur noch der Home Run für Tom Tykwer am Freitag!

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