Samstag, 31. Juli 2010
Lisbeth Salander-Casting: Vom Winde verweht
Am 21. Dezember 2011 startet David Finchers Hollywood-Verfilmung des ersten Teils von Stieg Larssons Millennium-Trilogie in den USA. Der schwedische Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist wird von Daniel Craig gespielt werden. Das James Bond-Studio ist pleite, Craig hat also Zeit und sieht dem skandinavischen Original, Schauspieler Michael Nyqvist, zwar nicht ähnlich, ist aber eine ganz ähnliche Mischung aus ugly handsomenss. Seine Lisbeth Salander hat Fincher dagegen immer noch nicht gefunden.

Und so schwillt der Casting-Prozess um die begehrteste weibliche Hauptrolle, seit Jodie Foster in den 1990er-Jahren Clarice Starling in "Das Schweigen der Lämmer" verkörperte, zum pathetischen Kampf auf Leben und Tod an. Nie war die Spekulation angebrachter, die Figur Lisbeth Salander wäre die eine Rolle, für die Millionen von Aktricen einen Mord in Kauf nehmen würden. Jedenfalls wenn man der Trade Press Glauben schenken will. Mike Fleming von Deadline Hollywood hat wohl den treffenden Superlativ gefunden: Nicht seit "Vom Winde verweht" hätte das Casting einer weiblichen Hauptrolle mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Kein Wunder, denn der Gewinnerin winkt nicht nur ein Dingsbums voller Reichtum, sondern auch eine fast garantierte Oscarnominierung und der Eingang in die Filmgeschichte als Ikone à la Marilyn Monroe, Greta Garbo oder Katharine Hepburn. Plötzlich sind es wieder sieben anstatt vier Kandidatinnen, die mit Piercings und gefärbten Haaren an diesem Wochenende "The Girl with the Dragon Tattoo"-Regisseur Fincher überzeugen wollen, sie wären zugleich der versinnbildlichte Feminismus und die ultimative Geek-Fantasie, die autistische Cyberpunk-Hackerin einer ganzen Generation. Wer sind diese Frauen? Und vor allem: Wer davon wird die Scarlett O'Hara des neuen Jahrtausends?

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Ellen Page - Der Star

Sie ist der letzte große Name, der im Rennen ist. Sie soll ihr eigenes Lisbeth-Video eingeschickt haben, weil sie Fincher nicht vorsprechen lässt. Die 23-jährige Kanadierin wurde weltberühmt als schwangerer Teenager "Juno", eine Tatsache, die jetzt gegen sie spricht. Dabei hat sie im Indie-Thriller "Hard Candy" bereits ähnliche Tiefen ausgelotet, wie sie für die Filmrolle der Lisbeth Salander elementar wären. Die angstfreien, beeindruckenden Hauptrollen in den Horrorvisionen von "Hard Candy" und "An American Crime" sind ihre besten Visitenkarten.

Mia Wasikowska - Das Model

Die australische Porzellanpuppe aus "Alice im Wunderland" scheint mir höchstens Außenseiterchancen zu haben. Toughe Performances sind mir nicht bekannt. Im Ozploitation-Krokodilhorror "Rogue" hat sie mitgespielt, aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Emily Browning - Die andere Australierin

Für mich ein unbeschriebenes Blatt, was gut ist. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, soll im besten Fall ein No Name die Rolle der Lisbeth Salander spielen. Ihre Visitenkarte ist gefüllt mit Horrorfilmen wie "Ghost Ship", "The Uninvited" und "Darkness Fall". Letzterer ist übrigens ziemlich unterschätzt. Der Durchbruch in Zack Snyders "Sucker Punch" steht erst bevor.

Sarah Snook - Die Unbekannte

Sie wäre ein echter No Name. Und auch australisch. In "Sleeping Beauty", einem neuen "Dornröschen"-Film von Down Under spielt sie ihre erste Hauptrolle mit ihrer Salander-Konkurrentin Emily Browning.

Rooney Mara - Der Fincher-Darling

Die 25-jährige Amerikanerin, die schon die Hauptrolle in David Finchers aktuellem Film, "The Social Network", einheimsen konnte. Seit etwa fünf Jahren auf der Bildfläche. Machte viel Fernsehen, war dann dieses Jahr im "A Nightmare on Elm Street"-Remake zu sehen. Eine ziemlich heiße Kandidatin.

Sophie Lowe - Australien, zum Vierten

No Name, aber erfahrener als Sarah Snook. Hat den großen Sprung über den Teich nach Hollywood noch nicht gewagt. Ihre Filmografie zieren einige australische Filme, die mir gar nichts sagen.

Lea Seydoux - Die Französin

Das wäre die exotische Wahl. Nicht total abwegig, weil "The Girl with the Dragon Tattoo" sowieso nicht der typische Hollywoodfilm werden soll, das ganze Projekt beispielsweise in Schweden vor Ort gedreht wird. Lea Seydoux ist trotzdem ein kniffeliger Fall. Denn sie spielte dieses Jahr in Ridley Scotts "Robin Hood", hat den Durchbruch hinter sich und bereits mit einigen europäischen Auteurs gedreht wie Jessica Hausner, Catherine Breillat und Christophe Honorè. Und sie war für einen Bruchteil in "Inglourious Basterds" zu sehen.

Katie Jarvis - Die Seiteneinsteigerin

Die 19-jährige Engländerin wurde von Andrea Arnold für ihren genialen Film "Fish Tank" entdeckt. Letztes Jahr noch schwanger den Cannes-Presserummel verpasst, ist sie jetzt der absolute Geheimtipp. Von allen Kandidatinnen ist sie mir die liebste. Und auch Fincher müsste sie ins Konzept passen. Der normale Kinozuschauer wird sie nicht kennen, aber in ihrem bisher einzigen Film "Fish Tank" war sie eine unbändige Naturgewalt, ein Talent, von dem man die Augen nicht lassen konnte.

Link: - Deadline Hollywood

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