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Freitag, 5. April 2019
Most-Wanted-Doku „King Bibi“ auf Arte
schwanenmeister, 22:47h
Arte spendiert passend zum israelischen Wahlkampf am Montag die mit Spannung erwartete Dokumentation „King Bibi“.
„King Bibi“: Ready for My Close-Up | © Go2Films
Am Montag strahlt der unerlässliche Kultursender Arte um 22.10 Uhr den israelischen Dokumentarfilm „King Bibi“ aus. Der Film feierte im vergangenen Jahr auf dem Jerusalemer Filmfestival seine Weltpremiere und soll fabelhaft sein. Der Sender Arte, der das Werk bis zum zum 6. Juni unter dem Titel „Benjamin Netanjahu – Der Medienprofi und die Macht“ in seiner Mediathek anbieten wird, hat ein tolles Zeitgespür. Denn bereits einen Tag später wird in Israel gewählt.
In den vergangenen Monaten bin ich ein bisschen sehr besessen von Netanjahu geworden. Was auch mit der sehr lesenswerten Anshel-Pfeffer-Biografie „Bibi: The Turbulent Life and Times of Benjamin Netanyahu“ zusammenhängen mag. Wenn die Israelis ihn wiederwählen – aktuell stehen die Chancen Fifty-Fifty – würde er Staatsgründer David Ben-Gurion als am längsten amtierender Premier Israels ablösen.
Er ist eine sehr zwiespältige, schillernde Figur des Politikbetriebs, die ewig dabei zu sein scheint. Die Dokumentation „King Bibi“ beschäftigt sich vor allem mit Netanjahus Medienpolitik. Er ist ein Meister der Selbstinszenierung, der früh in den USA sein Rüstzeug gelernt hat und es als israelischer UN-Botschafter perfektionierte. Die Doku vertritt die These, dass Netanjahu 20 Jahre vor Trump wie Trump Wahlkampf gemacht hätte. Ich bin sehr gespannt, welches Bildmaterial Regisseur Dan Shadur aus den Archiven zusammengetragen hat.
Link: - „King Bibi“ auf Arte
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Mittwoch, 3. April 2019
Cannes-Insider: Almodóvar, Jarmusch, Larraín und Malick im Wettbewerb
schwanenmeister, 00:02h
„Pain & Glory“: Almodóvar Alter ego Antonio Banderas
Alte Bekannte scheinen für den Cannes-Wettbewerb sicher zu sein: Pedro Almodóvar, Jim Jarmusch und Terrence Malick. In der Spekulationsblase eines Festival-Insiders befinden sich aber auch ein paar frische Namen.
Der Vorsitzende der internationalen Cinephilen-Gesellschaft, Cédric Succivalli, ist hinsichtlich der großen Festivals eigentlich immer bestens informiert. In Venedig sagte der Über-Cineast im vergangenen Jahr ein Drittel der Wettbewerbsfilme vorher. Auf Twitter teilte er nun am Dienstag mit, dass die neuen Filme von Pedro Almodóvar, Jim Jarmusch und Terrence Malick für den Wettbewerb in Cannes fest eingeloggt sind. Dazu nannte er sechs weitere Anwärter, die seiner Meinung nach sehr gute Karten für das wichtigste Filmfestival der Welt besitzen.
Bei Almodóvar geht es um den Film „Pain & Glory“, in dem Antonio Banderas einen alternden Regisseur spielt, der auf sein Werk zurückblickt. Der Film ist bereits am 22. März in den spanischen Kinos angelaufen und war auch längere Zeit ein heißer Kandidat für die Berlinale. Die bisherigen Kritiker-Reaktionen sind vorsichtig positiv bis ziemlich euphorisch. Auf jeden Fall sagen sie einen Formanstieg nach schwächeren Werke beim Altmeister vorher.
Auch Jim Jarmuschs Zombiefilm „The Dead Don't Die“ sieht wie gemacht für Cannes aus. Seine Filme feierten nahezu ausschließlich ihre Weltpremieren an der Croisette. Das Genrewerk mit Chloë Sevigny, Adam Driver, Tilda Swinton und Bill Murray folgt auf Jarmusch Vampir-Versuch „Only Lovers Left Alive“ und den poetischen Busfahrer-Film „Paterson“, der Driver geholfen hat, ins anspruchsvolle Fach zu wechseln.
Frémauxzilla gegen MostraMalicks Film „Radegund“, der inzwischen in der IMDb-Datenbank den englischen Titel „A Hidden Life“ verpasst bekommen hat, wurde auch sehnlichst in Berlin erwartet. Cannes-Chef Thierry Frémaux braucht aber offenbar alle bekannten Auteurs, die er kriegen kann, um den Netflix-Venedig-Konflikt einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Wie die Trade Papers schrieben, hat Frémaux bereits Scorseses „The Irishman“ und den neuen Safdie-Brothers-Film „Uncut Gems“ an die Mostra verloren. Es geht bei Malick um den Österreicher Franz Jägerstätter (August Diehl), der sich weigerte, für die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen.
Hinzu kommt als sicherer Wettbewerbsfilm laut Succivalli der neue Film des Chilenen Pablo Larraín („El Club“). Das Werk „Ema“ ist nach dessem Oscar-Ausflug mit „Jackie“ wieder einheimisch besetzt: Star des Cast ist Gael García Bernal. Es geht um ein Pärchen, das ein Kind adoptiert, was schrecklich schief geht.
Auch interessant sind die Regisseure, die Succivalli als weitere Kandidaten für den Cannes-Wettbewerb nennt, die aber nicht sicher sind, weil der Auswahlprozess noch läuft: Da sind bekannte Namen wie die belgischen Gebrüder Dardenne („Ahmed“), der britische Spezi Ken Loach („Sorry We Missed You“) und der Rumäne Corneliu Porumboiu („The Whistlers“) dabei.
Eventuell FrauenpowerAber auch ein Film wie „The Beanpole“ vom russischen Regisseur Kantemir Balagov, der 2017 die Insider mit „Closeness“ beeindruckte, ist ein Kandidat. Genauso wie die Französin Céline Sciamma, die mit „Tomboy“ und „Mädchenbande“ international bekannt wurde und jetzt ein „Portrait of a Lady on Fire“ im Angebot hat. Eine weitere Französin, die Succivalli nannte, ist Mati Diop mit ihrem im Senegal gedrehten Film „Fire Next Time“. Würden die letztgenannten Filmemacher in der wichtigen Un Certain Regard-Reihe laufen, wären sie sicherlich bereits zufrieden. Diop wäre im Wettbewerb der seltene Fall einer Debütantin.
Am 18. April gibt das Festival von Cannes sein offizielles Programm bekannt. Als größte Attraktion – unabhängig von seiner Filmqualität – gilt Quentin Tarantinos Film „Once Upon a Time in Hollywood“, der aber noch nicht bestätigt ist.
Link: - Succivallis Venedig-Vorhersage 2018
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Montag, 1. April 2019
RBTV-Marke Kinoplus bekommt eigenen YouTube-Kanal
schwanenmeister, 21:09h
Die Kinoplus-Marke der Raketenbohnen wird ausgebaut. Der Hamburger Internetsender plant mehr Inhalte und weitere Film- und Serienformate.
Seit dem 31. März hat die Rocket-Beans-TV-Marke „Kinoplus“ einen eigenen YouTube-Kanal. Zur Filmsendung „Kinoplus“ von Daniel Schröckert und Etienne Gardé gibt es zum Start auch die Formate „Bada Binge“ für Serienfreunde und die „Film Fights“, bei denen sich die Teilnehmer verbal die Köpfe zu Filmnerdfragen einschlagen können. Als klares vorgegebenes Ziel soll der Content noch weiter ausgebaut werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen auch weitere neue Formate hinzu, die sich mit Filmen und Serien beschäftigen. Das könnte Kinoplus-Spezialfolgen zu Oberthemen betreffen. Das gilt aber mit Sicherheit auch für den Audioflick, einen Live-Kommentar zu Filmklassikern und den alljährlichen Oscast, bei der die Raketenbohnen den wichtigsten Filmpreis der Welt inhaltlich begleiten. Zur Stammbesetzung mit Schröckert, Gardé, Andreas Bardét, Donnie O'Sullivan, Florentin Will und Stefan Titze wurde bereits Moderatorin Antje Wessels verpflichtet.
Link: - Kinoplus-Kanal
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Montag, 1. April 2019
Wer hat Angst vor Mark Peranson?
schwanenmeister, 00:42h
Peranson ist auch Dokumentarist: „La última película“
Die Tageszeitung Die Welt zittert ein bisschen vor dem neuen Berlinale-Team von Carlo Chatrian. Vor allem Mark Peranson scheint als zu anspruchsvoller Störenfried ausgemacht.
Der langjährige Filmredakteur Hanns-Georg Rodek von der Tageszeitung Die Welt hat am Freitag einen Vorgeschmack darauf gegeben, was Carlo Chatrian auf der Berlinale vom deutschen Feuilleton erwarten kann: nämlich vor allem Angstmache vor Veränderungen. Rodek drückt die Angst davor aus, dass der neue künstlerische Leiter das Auswahlkomitee zu international besetzt hat. Am größten ist aber die Angst vor dem neuen Programmleiter Mark Peranson, an dem Rodek die Misere manifestiert sieht. Denn er analysiert im Welt-Artikel die zehn Lieblingsfilme 2018 des Cinema Scope-Herausgebers. Mit Erschrecken stellt Rodek fest, dass kein Film darunter ist, der bei den Oscars eine Rolle gespielt hat. Das ist Wahninn, kann man zwischen den Zeilen herauslesen.
Angeregt durch diese German Angst wirft Negative Space auch einen Blick auf die Lieblingsfilme des Mark Peranson, um schon einmal zu erahnen, wie die Berlinale 2020 aussehen könnte. Ersteinmal zeigt Peransons Top Ten von 2018 eines: dass er nämlich regelmäßiger Berlinale-Besucher ist. Ein Vorteil, den er vielen Kritikern des wichtigsten deutschen Filmfestival voraus hat. Dann hat Peranson das chinesische Epos „An Elephant Sitting Still“ auf Platz eins, der im Forum seine Weltpremiere feierte. Die Idee weiter gesponnen, dass Peranson schon im vergangenen Jahr am Berliner Programm beteiligt gewesen wäre, ist davon auszugehen, dass der meisterliche Debütfilm von Hu Bo im Wettbewerb gelaufen wäre. Da hätte er wegen seiner Qualität auch eigentlich hingehört, wie die euphorischen internationalen Stimmen bezeugen, die denn die Gelegenheit hatten, ihn zu sehen.
Heinz Emigholz in den WettbewerbAuch Christian Petzolds Berlinale-Wettbewerbsfilm „Transit“ findet man bei Peranson in der Top Ten. Ansonsten gibt es eine übermächtige Präsenz von Filmen, die ihre Weltpremiere auf dem Cannes-Festival gefeiert haben (Godards „Le livre d’image“, „Long Day’s Journey Into Night“, „Glücklich wie Lazzaro“, „Burning“). 2017 hatte Peranson Heinz Emigholz' Werk „Streetscapes“ auf Platz sieben. Der emsige Dokumentarfilmer ist ein Berlinale-Spezi und zeigt nahezu jedes Jahr dort seine neuesten Werke („Years of Construction“). Aber in das Scheinwerferlicht des Wettbewerbs ist er noch nie geholt worden. Das könnte sich unter Peranson auch ändern. Daran sieht man schon, dass die Berlinale durchaus Potenzial in ihrem Auswahlprozess hatte, dass die Akzentsetzung auf Festivals aber eine ganz entscheidende Rolle spielt. Es ist durchaus vorstellbar, dass Chatrian und Peranson „Call Me By Your Name“ nicht im Panorama versauern hätten lassen, obwohl der Film seine Weltpremiere in Sundance gefeiert hatte, sondern das Meisterwerk in den Wettbewerb gepackt hätten.
Angesichts dessen, dass Chatrian und Peranson gemeinsam die Belange der vergangenen Jahre in Locarno bestimmt haben, würde es Negative Space nicht wundern, wenn diverse Auteurs aus diesen Reihen demnächst in Berlin aufschlagen würden. Die Berlinale bediente sich schon vermehrt aus diesem Fundus. Aber unter der neuen Programmleitung wird dieser Trend sicherlich noch verstärkt werden. Schließlich war es Chatrian, der in der Schweiz Hong Sangsoo, Wang Bing, Albert Serra und Lav Diaz für das Weltkino entdeckte. Ähnliche Kaliber sind für die 70. Jubiläums-Berlinale zu erwarten. Zum einen wird das neue Berlinale-Team die vorhandenen Talente und Verbindungen durch eine bessere Programmierung optimieren. Zum anderen werden natürlich vor allem die ganz neuen Gesichter im Wettbewerb sein. Ganz sicher werden sich dann die etablierten deutschen Regisseure umschauen. Aber genau dafür ist Chatrian doch geholt worden: Um neue Stimmen der Filmszene zu finden und aufzubauen.
Link: - Die Welt, - Mark Peransons Lieblingsfilme
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Donnerstag, 28. März 2019
Das neue Berlinale-Team stellt sich vor
schwanenmeister, 23:24h
Vier Stammkräfte aus Locarno bringt der neue künstlerische Leiter Carlo Chatrian mit auf die Berlinale. Einige alte Bekannte dürfen aber auch weitermachen – oder wurden sogar befördert. Von Michael Müller
Leiter Mark Peranson | © Dirk Michael Deckbar / Berlinale 2017
Die Spatzen pfiffen es schon während der Berlinale im Februar von den Dächern: Carlo Chatrian würde als neuer künstlerischer Leiter einen Großteil seines Locarno-Teams nach Berlin mitbringen. So berichteten es die Trade Papers wie Variety. Sie sollten Recht behalten. Wie das Berliner Festival am Donnerstag bekannt gab, hat Chatrian in Abstimmung mit der Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek vier seiner Stammkräfte aus der Schweiz ins Auswahlkomitee der Berlinale geholt.
Gehofft hatte der Blog Negative Space vor allem auf den eher durchschnittlichen Gelegenheitsschauspieler Mark Peranson („On the Beach at Night Alone“). Der gebürtige Kanadier gehört seit vielen Jahren zu den Vorzeige-Cineasten der Szene. Bekannt wurde er vor allem als Herausgeber der kanadischen Filmzeitschrift Cinema Scope und durch seine legendären Roundtables vom Toronto Filmfestival. Er macht jetzt in Berlin das, was er in Locarno fünf Jahre lang für Chatrian gemacht hat, nämlich die Programmleitung zu übernehmen. Wer genau diese Position bei Dieter Kosslicks Programmplanung in den vergangenen 18 Jahren inne hatte, war ein Geheimnis. Umso mehr können sich die Filmfans jetzt über den filmischen Sachverstand auf dieser Schlüsselposition freuen.
Bologna & Cahiers du CinémaDie anderen drei Locarno-Stammkräfte sind Lorenzo Esposito, Sergio Fant und Aurélie Godet. Bei Esposito fällt sofort ins Auge, dass er Herausgeber des Online-Kino-Magazins Film Parlato ist. Unter seine Credits fallen Festivals wie Venedig, Turin, Rom und Karlovy Vary. Fant ist spannend, weil er Programme unter anderem für das Cinema Ritrovato Festival in Bologna kuratierte. Dem Festival im Juni, das ausschließlich alte Werke aus der Filmgeschichte spielt, eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Das ist natürlich weder die Ferroni-Brigade noch das Hofbauer-Kommando, aber schon the next best thing. Godet ist eine waschechte Cahiers du Cinéma-Kritikerin, was natürlich heute nicht mehr so viel Wert hat wie noch in den 1960er-Jahren. Aber es spricht zumindest für ein gewisse Haltung.
Bei der Berlinale weitermachen dürfen, was Negative Space sehr begrüßt, das Panorama-Tandem Paz Lázaro und Michael Stütz. Erstere steigt in das Auswahlkomitee auf, während Stütz jetzt allein die Sektion Panorama verantworten darf. Im vergangenen Jahr gab es dort einen angenehmen Aufwärtstrend bei der Filmqualität zu verzeichnen. Auch Maryanne Redpath in der Generation, Linda Söffker in der Perspektive Deutsches Kino und Rainer Rother in der Retrospektive dürfen bleiben. Anna Henckel-Donnersmarck übernimmt das Kurzfilmprogramm. Die Neubesetzung des interimsweise geleiteten Forums ist noch offen.
Cahiers du Cinéma-Kritikerin Aurélie Godet | © François Bertier
Sektionsstrukturen bleiben vorerst bestehenInteressant ist, dass die Leitung erst einmal nicht generell etwas an den Strukturen der einzelen Sektionen ändern will. Nur das Konzept der Berlinale-Special-Reihe soll überarbeitet werden. Teilweise landeten in dieser Sektion einige der spannendsten Filme des gesamten Festivals („A Quiet Passion“, „Becoming Astrid“). Aber die Platzierung verhinderte, dass die Werke in einem größeren internationalen Rahmen wahrgenommen werden konnten.
Sehr positiv ist ebenfalls die Berufung von Verena von Stackelberg in das Auswahlkomitee des wichtigsten deutschen Filmfestivals. Sie hat unter anderem für den Filmverleih Filmgalerie 451 gearbeitet. Ihr größter Verdienst ist aber wohl der Aufbau des erstklassigen Wolf Kino in Berlin, das eines der besten Programme der Hauptstadt macht. Über die Berufung von Barbara Wurm, die zuletzt beim GoEast-Festival in Wiesbaden arbeitete und Teil der berüchtigen Cineasten-Gruppe Ferroni Brigade ist, liest man auch euphorische Reaktionen. Chatrian und Rissenbeek scheinen bei ihren ersten Entscheidungen, ein glückliches Händchen bewiesen zu haben.
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Donnerstag, 28. Februar 2019
Robert-Hossein-Hommage im Frankfurter Filmmuseum
schwanenmeister, 20:06h
Robert Hossein in Frankfurt am Main wiederentdecken
Acht teils seltene Robert-Hossein-Genreperlen laufen im März im Frankfurter Filmmuseum auf 35mm-Kopien.
Der heute 91-jährige Künstler Robert Hossein war „zweifellos einer der vielseitigsten, kühnsten, unvorhersehbarsten Filmemacher Frankreichs der 1950er und 1960er Jahre.“ Das schreibt das Filmkollektiv Frankfurt über den Star seiner Hommage. Der französische Regisseur und Schauspieler wird im März mit acht seiner Regiearbeiten im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main gefeiert. Er und die Schauspielerin Marina Vlady werden persönlich bei den Vorführungen der 35mm-Kopien anwesend sein. Laut des Filmkollektivs ist es die größte Retrospektive, die Hossein jemals in Deutschland gewidmet bekommen hat.
Das Filmkollektiv, das in der Vergangenheit schon tolle Retrospektiven zu Eckhart Schmidt, Armando Bó und Miklós Jancsó organisierte, schreibt über sein neuestes Projekt: „Hossein begann früh als Schauspieler am Theater zu arbeiten, bevor er Mitte der 1950er-Jahre als Kinodarsteller zu Berühmtheit gelangte. Gleichzeitig begann er seine Regiekarriere, mit seiner damaligen Frau Marina Vlady als Muse und Hauptdarstellerin seiner ersten Werke. Der zeitgleich florierenden Nouvelle Vague setzte er die Vision eines dem Auteur-Prinzip verpflichteten Genrekinos entgegen.
Erst in den 1970er-Jahren trat sein Kinoschaffen hinter seiner Arbeit als Regisseur aufwändiger Theaterinszenierungen zurück, und sein letzter Kinofilm entstand Mitte der 1980er-Jahre.“ Hossein drehte in so unterschiedlichen Genres wie dem Film noir, dem Western, dem Agenten- und Gefängnisfilm.
Für Negative Space wird diese Hommage, die vom 15. bis 17. März stattfindet, eine echte Entdeckungsreise. Hossein ist ein Begriff, aber als Regisseur eigentlich nur durch den französischen Spaghetti Western „Friedhof ohne Kreuze“ – und natürlich als Schauspieler („Rififi“, „Angelique“, „OSS 117“). Seine anderen Regiearbeiten lesen sich aber äußerst spannend, zumal er ständig das Genre wechselte.
Fr. (15.03.)
20.00 Uhr – Die Lumpen fahren zur Hölle (1955)
22.45 Uhr – Zwei im Visier (1970)
Sa. (16.03.)
17.00 Uhr – Vis-à-vis (1960)
20.00 Uhr – Nachts fällt der Schleier (1959)
22.45 Uhr – Friedhof ohne Kreuze (1969)
So. (17.03.)
12.00 Uhr – Die Nacht der Spione (1959)
18.00 Uhr – Mitternachtsparty (1961)
20.30 Uhr – Das grausame Auge (1964)
Link: - Deutsches Filmmuseum, - Filmkollektiv Frankfurt
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Mittwoch, 20. Februar 2019
Berlinale-Geheimtipp: „Die Letzten, die sie leben sahen“ (Sara Summa)
schwanenmeister, 20:17h
Einer der besten Filme des Forums auf der Berlinale war der zärtlich beobachtete Film „Die Letzten, die sie leben sahen“. Debütantin Sara Summa sollte man im Auge behalten.
Eine Ahnung vom Sterben | © Katharina Schelling
Die Ausgangsidee zu Sara Summas Debütfilm „Die Letzten, die sie leben sahen“ ist an Künstlichkeit nicht zu überbieten: Sie nahm den wahren Mordfall, der auch Pate für Truman Capotes Klassiker „In Cold Blood“ stand, nämlich die Ermordung einer Familie im Kansas des Jahres 1959. Und sie transferierte ihn in das heutige Italien, in die Gegend, wo schon Alice Rohrwachers magischer Film „Glücklich wie Lazzaro“ spielte. Als Vater, Mutter, Sohn und Tochter castete sie Laien, die sich die Szenen erarbeiteten.
Eigentümlicherweise ist „Die Letzten, die sie leben sahen“ trotzdem oder gerade deswegen einer der lebendigsten Filme der diesjährigen Berlinale gewesen. Er ist von einem inneren Leuchten getragen. Immer wieder sieht man das Auto, was die Gangster ein Stück näher an das Haus der Familie bringt. So werden die Routinen und die alltäglichen Beschäftigungen mit einer schweren Bedeutung aufgeladen. Zum letzten Mal spülen Mutter und Tochter gemeinsam das Geschirr mit der Hand, obwohl sie eigentlich eine Spüllmaschine haben; zum letzten Mal kommt der Freund der Tochter ins Haus und sie schauen Fernsehen, wobei der Bruder natürlich stört.
Ganz unaufgeregt erzählt Regisseurin Summa davon, wie der Vater an diesem verfluchten Tag eine Lebensversicherung abschließt; wie die Mutter sich mit ihrer Depression aus dem Bett quält, um für die Kinder da zu sein; im Hintergrund wird die Hochzeit eines Familienmitglieds vorbereitet. Dass sie aus dem Leben scheiden, war nicht für sie vorgesehen. Und trotzdem werden sie am Ende des Tages nicht mehr sein. Der Kinozuschauer ist ihr letzter Zeuge. Er sieht absolut künstliche Figuren, aber kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihr Ableben tragisch und schmerzhaft ist.
Der Sohn soll die Olivenplantage übernehmen | © Katharina Schelling
Regisseurin Sara Summa am Set | © Marie Sanchez
Die Bilder Süditaliens haben eine Wärme, sind unheimlich sinnlich – so als würde Summa ein letztes Mal in das volle und schlichte Leben eintauchen wollen. Der Film ist eben auch wie das Leben: Der Tod lauert am Ende der Straße. Bis er zuschlägt, ist nicht klar, an welcher Kurve er sich ins Leben drängen wird. „Die Letzten, die sie leben sahen“ vergegenwärtigt durch ein simples dramaturgisches Mittel, wie kostbar die alltäglichen Momente und das Miteinander doch sind. Er rückt das Vergrößerungsglas auf das Gewöhnliche, ohne dabei prätentiös daherzukommen. „Gli ultimi a vederli vivere“, so der italienische Originaltitel des Films der DFFB-Studentin, ist ein echtes Geschenk.
Ein Kunstwerk von Poster | © Basile Carel
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Montag, 18. Februar 2019
Berlinale-Abschluss-Podcast mit Jenny Jecke
schwanenmeister, 13:58h
Ein Berlinale-Podcast, der alles zusammenfasst: Kosslicks Abschieds, Chatrians Beginn, den mauen Wettbewerb und die wenigen richtig tollen Highlights.
Schanelec-Highlight „Ich war zuhause, aber ...“ | © Nachmittagfilm
Die Situation ist eigentlich immer völlig bizarr: Die Inhalte, die von Journalisten und Cineasten auf der Berlinale produziert werden, sind vor allem für die Menschen interessant, die auch auf dem Festival unterwegs sind. Weil das in seinem Umfang und Angebot aber so groß ist und einen dabei regelmäßig das Sammelfieber packt, sitzen die Hauptinteressenten für die Artikel und Podcasts eigentlich die ganze Zeit im Kino. Darum könnte das Timing jetzt nicht besser sein, dass ich zum Abschluss des Ganzen im Wollmilchcast von Jenny und Matthias zu Gast sein durfte.
Leider wurde der gute Matthias von der berüchtigen Berlinale-Erkältung heimgesucht. Also wuppen Jenny und ich die Dieter-Kosslick-Abrechnung und den kommenden Neuanfang mit Carlo Chatrian zu zweit. Der internationale Wettbewerb des Festivals war schwach – mit Ansage. Einige wenige Highlights konnten wir letztlich aber doch ausmachen. Es geht im Podcast um den israelischen Bären-Gewinner „Synonyme“, das chinesische Familienepos „So Long, My Son“, Fatih Akins „Der Goldene Handschuh“, Schanelecs Regiebären „Ich war zuhause, aber ...“, das Genre-Meisterwerk „Monos“, den britschen Film „The Souvenir“ mit Shootingstar Honor Swinton Byrne und noch um vieles andere.
Shownotes:
00:00:00 – Begrüßung
00:00:50 – Niederschmetternder Gesamteindruck
00:05:40 – Kosslick-Abrechnung
00:12:55 – Synonyme (Nadav Lapid)
00:16:33 – So Long, My Son (Xiaoshuai Wang)
00:20:25 – Der Goldene Handschuh (Fatih Akin)
00:31:02 – Ich war zuhause, aber … (Angela Schanelec)
00:41:32 – Gelobt sei Gott (François Ozon)
00:47:19 – Monos (Alejandro Landes)
00:56:41 – Heimat ist ein Raum aus Zeit (Thomas Heise)
01:04:36 – Die Letzten, die sie leben sahen (Sara Summa)
01:10:16 – The Souvenir (Joanna Hogg)
01:18:26 – Der neue Berlinale-Chef Carlo Chatrian
Den Podcast gibt es hier anzuhören.
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Samstag, 16. Februar 2019
Negative-Space-Preise Berlinale 2019
schwanenmeister, 12:43h
Der Werner-Hochbaum-Preis für den besten Film geht an:
CHAINED (Yaron Shani)
FOURTEEN (Dan Sallitt)
GELOBT SEI GOTT (François Ozon)
DER GOLDENE HANDSCHUH (Fatih Akin)
ICH WAR ZUHAUSE, ABER ... (Angela Schanelec)
JESSICA FOREVER (Caroline Poggi & Jonathan Vinel)
THE LAST TO SEE THEM (Sara Summa)
MONOS (Alejandro Landes)
SYNONYME (Nadav Lapid)
SYSTEMSPRENGER (Nora Fingscheidt)
- „Monos“ (Alejandro Landes)
Der Ulrike-Ottinger-Preis für das Gesamtkunstwerk geht an:
© Berlinale 2019
- „Jessica Forever“ (Caroline Poggi & Jonathan Vinel)
Der Eberhard-Schroeder-Preis für die beste Regie geht ex aequo an:
© Ecce films – ARTE France Cinéma
- Nadav Lapid („Synonyme“)
& Angela Schanelec („Ich war zuhause, aber ...“)
© Guy Ferrandis / SBS Films
Der Amy-Nicholson-Preis für Kickass Cinema geht an:
© Joachim Gern
- „Systemsprenger“ (Nora Fingscheidt)
Der Richard-Fleischer-Preis für neue Perspektiven auf das Weltkino geht an:
© kineo Film / Weydemann Bros. / Yunus Roy Imer
- Sara Summa („The Last to See Them“)
Der Rod-Taylor-Preis für den besten Darsteller geht an:
© Katharina Schelling
- Tom Mercier („Synonyme“)
Der Ludivine-Sagnier-Preis für die beste Darstellerin geht an:
© Guy Ferrandis / SBS Films
- Honor Swinton Byrne („The Souvenir“)
Der Brigitte-Lahaie-Preis für Sinnlichkeit geht ex aequo an:
© Agatha A. Nitecka
- „Öndög“ (Quan’an Wang)
& „Heute oder morgen“ (Thomas Moritz Helm)
© Wang Quan'an
Der Jan-Harlan-Preis für den besten Dokumentarfilm geht an:
© CASQUE film
- „Chained“ (Yaron Shani)
Der unregelmäßig vergebene Joe-Hembus-Ehrenpreis geht an:
© Little Bear Inc.
- „Der Goldene Handschuh“ (Fatih Akin)
Zehn Berlinale-Lieblingsfilme 2019 (alphabetisch):
© Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.
CHAINED (Yaron Shani)
FOURTEEN (Dan Sallitt)
GELOBT SEI GOTT (François Ozon)
DER GOLDENE HANDSCHUH (Fatih Akin)
ICH WAR ZUHAUSE, ABER ... (Angela Schanelec)
JESSICA FOREVER (Caroline Poggi & Jonathan Vinel)
THE LAST TO SEE THEM (Sara Summa)
MONOS (Alejandro Landes)
SYNONYME (Nadav Lapid)
SYSTEMSPRENGER (Nora Fingscheidt)
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Donnerstag, 14. Februar 2019
„Synonyme“: Der nicht mehr hebräisch spricht
schwanenmeister, 19:33h
Israelischer Film mit Bären-Chancen: Das Portrait eines innerlich zerrissenen Israelis, der nach Paris auswandert, um die hebräische Sprache abzulegen, zählt zu den stärksten Wettbewerbsbeiträgen dieser Berlinale. Von Michael Müller
Beeindruckt in seinem Schauspieldebüt: Tom Mercier | © Guy Ferrandis / SBS Films
Das sei gleich klargestellt: Ein Wolhfühlfilm ist das neue Werk des israelischen Regisseurs Nadav Lapid, das „Synonyme“ heißt, ganz sicher nicht. Es ist ein teils frostiger Film, der den Zuschauer herausfordert. Sein Protagonist, der junge Yoav (Tom Mercier), steckt in einer ernstzunehmenden Lebenskrise fest. Als Ursache dafür hat er seine Heimat Israel ausgemacht. In einer Spontanaktion reist er nach seinem Militärdienst nach Paris. Nie wieder will er die hebräische Sprache verwenden. Frankreich und vor allem die französische Sprache sollen seine neue Heimat werden. Ästhetisch betrachtet ist „Synonyme“ auch gewiss eine der spannendsten Produktionen des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs, der am Samstag zu Ende geht.
Gleich in einer der ersten Szenen ist Yoav kurz vor dem Erfrieren. In einer eiskalten Pariser Wohnung sitzt er nackt in der Badewanne und überschüttet sich mit Wasser. Es mutet wie ein gesuchter Selbstmord an. Zwei junge Franzosen finden ihn gerade noch rechtzeitig. Während Caroline (Louise Chevilotte) den Notdienst anrufen will, wärmt Emile (Quentin Dolmaire) Yoav pragmatisch mit seinem eigenen Körper.
Wer jetzt zwischen diesen jungen Erwachsenen eine klassische Ménage-à-trois erwartet, wie es in einem französischen Liebesfilm üblich wäre, wird enttäuscht. Ja, es gibt zwischen den dreien Sex, platonische Liebe und tiefschürfende Gespräche. Aber diese Geschichte spielt sich im Hintergrund ab. Dem Film geht es vorrangig um Yoavs israelische Identität, die der Regisseur Lapid ein Stück weit mit den Gewissensfragen der gesamten jungen Generation Israels gleichsetzt.
Nicht nur eine Sprache, sondern eine Kultur ablegenYoav probiert die französische Sprache aus wie die edel geschneiderte Kleidung, die ihm seine französischen Freunde beim ersten Treffen schenken. Sein Großvater sei dabei sein Vorbild. Der habe das Jiddische abgelegt, als er nach Palästina unter britischem Mandat auswanderte. Yoav kauft sich ein Wörterbuch. Negative Adjektive wie „feige“ oder „brutal“ sind seine erste große Leidenschaft. Er will sein Land auf Französisch charakterisieren und anfeinden können, wenn er sich darüber unterhält. Dabei verzichtet er bewusst auf biblische Metaphern und greift lieber auf die griechische Mythologie zurück. Besonders Homers „Ilias“ hat es ihm angetan. Er will sich nicht nur der hebräischen Sprache, sondern gleich seiner ganzen Kultur entledigen.
Es ist sein Versuch, sich im Exil als Israeli neu zu erfinden. Die Anhaltspunkte für diesen radikalen Schritt muss sich der Zuschauer selbst zusammensuchen. Offensichtlich hat dabei sein dreijähriger Militärdienst auf den Golanhöhen eine wichtige Rolle gespielt. Einmal erzählt er, wie er bei einer Maschinengewehr-Übung im Takt eines französischen Chanson gefeuert hat, bis die Zielscheibe vor lauter Schüssen zersiebt war.
Ein anderes Mal erwähnt er eine Versammlung von israelischen Soldaten auf einem Militärfriedhof, wo zwei leicht bekleidete Frauen den israelischen Eurovision-Songcontest-Klassiker „Hallelujah“ singen. Die Ironie dieser Szenarien kann einem nicht entgehen. Da Yoav aber kein verlässlicher Erzähler, sondern ein Fabulierer und Geschichtenerzähler ist, bleibt offen, was ausgedacht oder tatsächlich passiert ist. Er ist eigentlich ein beißend satirischer Poet, der sich aber ganz bewusst seines wichtigsten Werkzeugs, nämlich der Sprache, beraubt hat.
Keine klassische Ménage-à-trois | © Guy Ferrandis / SBS Films
Weil Yoav Künstler ist, fällt es ihm sehr schwer, eine reguläre Arbeit in Frankreich zu finden. Letztlich greifen seine alten Militärverbindungen. Er trifft israelische Sicherheitsbeamte, die bei der israelischen Botschaft in Paris und bei privaten Firmen arbeiten. Regisseur Lapid gibt hier einen selten gezeigten Einblick in die Befindlichkeiten dieser Menschen, der aber auch satirisch zugespitzt erscheint: Die Sicherheitsbeamten gehen sich zur Begrüßung erst einmal an die Gurgel. Es ist ein brutales, kindisches Kräftemessen, was im Ringkampf auf dem Schreibtisch endet. Einer von ihnen erzählt, dass sie sich demnächst mit französischen Neonazis irgendwo draußen zu einer Schlägerei nach striktem Regelwerk verabreden.
Antisemitismus mit israelischen Hymne austreibenDer muskelbepackte Sicherheisbeamte, mit dem sich Yoav anfreundet, hat auch ein besonderes Hobby: Er geht in die U-Bahn oder in Straßencafés, um Antisemiten ausfindig zu machen. Dafür setzt er seine Kippa auf und beginnt die israelische Nationalhymne zu singen – am Ende der Szene schreit er U-Bahn-Passagiere die Hymne regelrecht ins Gesicht. Sein großer Traum wäre es gewesen, wenn er bei der Geiselnahme im jüdischen Supermarkt während des Angriffs auf die Redaktion von Charlie Hebdo dabei gewesen wäre – oder bei dem Terroranschlag in Nizza. Die Islamisten hätte er mit seinem Körper zerschmettert, deutet er mit einer in die Luft gehauene Kopfnuss an.
Lapid findet für Yoavs Zerrissenheit und Unruhe immer wieder kreative Bilder. Eine Party filmt er etwa nur ab Hüfthöhe abwärts. Ein schnell an und aus geschalteter Lichtschalter sorgt für ein visuelles Gewitter. Wiederholt gibt es wilde Spaziergänge, die mit Handkamera aufgenommen wurden und die klassische Pariser Bildmotive verweigern. In dem israelischen Schauspieler Tom Mercier hat Lapid einen Hauptdarsteller gefunden, der sich als Yoav seelisch wie körperlich komplett aufopfert. Es ist tatsächlich Merciers erster Film. In seiner Leinwandpräsenz und Energie ist es bei ihm unmöglich wegzuschauen, obwohl er sich in teils absurd abgründige Abenteuer begibt. Ein Silberner Bär als bester Darsteller wäre gerechtfertigt.
Regisseur Lapid mit Darstellerin Chevilotte | © Guy Ferrandis / SBS Films
In der Verachtung die Heimat wiederfinden„Synonyme“ ist eine zutiefst emotionale, harte und auch verstörende Auseinandersetzung mit der israelischen Psyche. Unfair ist Regisseur Lapid dabei nicht. Aber er will natürlich auch die hässliche Fratze und die Abgründe beschreiben. Der jahrzehntelange israelisch-palästinensische Konflikt habe tiefe und negative Spuren in den Köpfen seiner Landsleute hinterlassen, sagte er im Interview. Die Geschichte von Yoav sei seine Geschichte. Lapid, der den Film seiner kürzlich verstorbenen Mutter und Cutterin Era Lapid gewidmet hat, ging selbst nach seinem Militärdienst nach Paris.
Am stärksten fasziniert aber der Aspekt, dass umso mehr der Film Yoavs Probleme mit der israelischen Heimat schildert, umso stärker auch seine Verbundenheit durchscheint. In der französischen Fremde findet er kein neues Zuhause. Er findet eine Sprache, die nicht passen will. Er trifft auf eine Oberflächlichkeit, Luxusprobleme und eine politische Korrektheit in der Pariser Gesellschaft, die ihn nicht interessiert. Es reift in ihm die Erkenntnis, dass in seiner Heimat viel falsch läuft, dass es aber seine Heimat ist und er nicht davor weglaufen kann.
Wenn am Samstag im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz die Silbernen Bären und der Goldene Bär für den besten Film vergeben werden, ist „Synonyme“ nicht chancenlos. Die französische Jurypräsidentin Juliette Binoche ist eine echte Cineastin. Das macht Hoffnung. Der letzte große israelische Auszeichnung auf der Berlinale war der Silberne Bär für die beste Regie an Joseph Cedar im Jahr 2007 für den Film „Beaufort“.
Verheißungsvolle Staffelauftakt zu „False Flag“ © Rotem Yaron
Berlinale und Israel: Das passtDie Bilanz des israelische Films auf dem wichtigsten deutschen Filmfestival fällt wieder positiv aus. Neben „Synonyme“ lief auch noch außer Konkurrenz der Thriller „Die Agentin“ mit Diane Kruger als Mossad-Agentin im Wettbewerb. Das Werk war zwar herrlich egal. Aber es brachte den israelischen Regisseur Yuval Adler nach Berlin, der zu den verheißungsvollsten Talenten seiner Generation zählt. Über den sehr empfehlenswerten Polizistenfilm „Chained“ in der Panorama-Sektion schrieb Negative Space bereits.
Der Israeli Nimrod Eldar debütierte mit dem unaufgeregten Vater-Tochter-Drama „The Day After I’m Gone“, der mit einem angezündeten Soldatendenkmal im einer Siedlung im Westjordanland das Thema der BDS-Boykottbewegung streift. Aber eigentlich geht es um Familienprobleme nach dem frühen Tod der Mutter und einem versuchten Selbstmord der Tochter. Sehr verheißungsvoll waren die ersten beiden Episoden der zweiten Staffel von „False Flag“. In der TV-Serie geht es um den Bombenanschlag auf eine gemeinsame Ölpipeline von Israel und der Türkei. Hier kann man dem Inlandsgeheimdienst bei der Arbeit über die Schulter schauen. Mit welchen technischen Finessen der Schabak inzwischen Terroristen auf die Spur kommt, ist beängstigend und faszinierend zugleich.
Die guten Beziehungen zwischen der israelischen Filmindustrie und der Berlinale unterstrich auch ein Tribut an die Sam-Spiegel-Filmschule in Jerusalem. Anlässlich des 30-jährigen Bestehens gab es unter dem Titel „Scarred Generation“ eine Zusammenstellung von deren besten israelischen Kurzfilme der letzten Jahrzehnte zu entdecken.
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