Samstag, 5. Oktober 2013
Tarantinos Lieblingsfilme 2013
* Afternoon Delight
* Before Midnight
* Blue Jasmine
* The Conjuring
* Drinking Buddies
* Frances Ha
* Fruitvale Station (ehemals Gravity)
* Kick-Ass 2
* The Lone Ranger
* This Is the End


Dass Quentin Tarantino seine Jahresliste bereits jetzt veröffentlichen lässt, bevor er überhaupt die ganze Welle an Oscarkandidaten wie "Twelve Years a Slave" gesehen hat, könnte auf zweierlei hindeuten. Zum einen ist Tarantino möglicherweise so zufrieden mit dem aktuellen Jahrgang, dass er das bisher Gesehene anständig würdigen will. Was ich als Grund aber für wahrscheinlicher halte, ist die Tatsache, dass der gute Mann in den nächsten Wochen keine Zeit mehr für solche Kindereien haben wird, weil er an seinem neuen Projekt arbeitet. Wie dem auch sei, die Liste ist alphabetisch sortiert, was ihr ein bisschen die Schlagkraft nimmt. Und sie ist ausschließlich mit Hollywoodfilmen bestückt. Damit folgt Tarantino dem Trend der letzten Jahre, im aktuellen Kinojahrgang verdammt bequem geworden zu sein. Er wird in seinem Heimkino zwanzig bis dreißig Screeners eingelegt haben, um geradeso noch das kritische Mindestmaß an Auswahl zu erfüllen. Der Ehrgeiz, originell zu sein, hat ihn schon länger verlassen. In den letzten Jahren ging es ihm vornehmlich um die Bauchpinselei der US-Konkurrenz.

Aber was seinen Filmgeschmack angeht, hat Tarantino teilweise alte Instinkte bewiesen. Denn dass er den neuen, sehr guten Linklater-Film "Before Midnight" mögen würde, ist nun keine Überraschung. Und dass der am besten besprochene Woody Allen der letzten Jahrzehnte ("Blue Jasmine") bei ihm dabei ist, nachdem er "Midnight in Paris" schon mal auf Platz eins hatte, ist nur schlüssig. Aber dass er etwa die ganz wunderbaren Qualitäten des Horrorfilms "The Conjuring" bemerkt und sich wie der Rest der cineastischen Welt in Greta Gerwigs "Frances Ha" verguckt hat oder Alfonso Cuaróns virtuosem Weltraum-Thriller "Gravity" huldigt, war nicht unbedingt abzusehen. Richtiggehende Überraschungen für mich waren der katastrophal gefloppte, doch von einigen Kritikern sehr geschätzte "The Lone Ranger" und "Kick Ass 2", dessen Vorgänger Tarantino damals unter den Runners-Up hatte, der aber als Fortsetzung von den Kritikern ziemlich abgewatscht wurde. Die Nennung von "Afternoon Delight" verbuche ich dagegen unter Freundschaftsdienst, da Josh Radnor eine der Hauptrollen spielt, der bekanntlich der Erfinder von "How I Met Your Mother" ist, einer Serie, der Tarantino auch schon mal auf MTV entgegenkam, als er sie als sein heimliches Guilty Pleasure lobte. "This Is the End" ist dafür in der Tat unterhaltsam, und auf "Drinking Buddies" hatte ich sogar einmal ursprünglich Bock, weil Joe Swanbergs "V/H/S"-Episode so toll war.

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Unter dem Oscaraspekt, den Tarantino in den letzten Jahren auch immer beim Posten seiner Liste im Blick hatte, sind seine wiederholten Push-Versuche eigentlich regelmäßig ziemlich schief gegangen. Für die Filme "Gravity", "Blue Jasmine" und "Before Midnight" sind das also keine allzu guten Omen, was den Triumph als 'bester Film' angeht. Weder konnte Tarantino "Star Trek" oder "Rise of the Planet of the Apes" zur Nominierung führen, noch konnte er "Toy Story 3", "The Social Network" oder "Midnight in Paris" zum ganz großen Triumph pushen. Wenn man sich aber seine Lieblinge in den letzten Jahren anschaut, könnte die Sympathie für den Versuch nicht viel größer sein, gerade angesichts tatsächlicher Gewinner wie "The King's Speech" oder "The Artist".

Nachtrag (10.10.): Mein Text basierte auf der Liste, die die Website The Quentin Tarantino Archives veröffentlicht hatte. Wie sich aber jetzt herausgestellt hat, war Tarantinos Top Ten tatsächlich nur aus der französischen Filmzeitschrift Les inRocKuptibles abgeschrieben - und zwar auch noch schlecht. "Gravity" als Nennung ist schlicht erfunden. Der Sundance-Darling "Fruitvale Station" dagegen findet sich auf der Liste der Franzosen wieder. Für das längere Exklusiv-Interview ließ sich Quentin entspannt auf einigen seiner wertvollen 35mm-Filmkopien ablichten und schwatzte über seiner Liebe zum französischen Kino der 1970er-Jahre (Rohmer, Lelouch, Chabrol) und dass seine aktuellen US-Lieblingskritiker Mick LaSalle (San Francisco Chronicle), Stephanie Zacharek (Village Voice) und Scott Foundas (Variety) heißen. Ein neues Projekt sei dagegen noch nicht in Sicht, da er sich immer noch vom Mount Everest "Django Unchained" erholen müsse, erzählte Tarantino. Anlass für das im September geführte Interview war der fünfte Lumière-Ehrenpreis, der ihm am 18. Oktober von Cannes-Chef Thierry Frémaux und der Regielegende Bertrand Tavernier auf dem Filmfestival von Lyon für sein Lebenswerk und den Kampf gegen die rein digitale Filmprojektion verliehen werden wird.

Links: - 2011, - 2010, - 2009

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