Donnerstag, 11. Oktober 2018
Eckhart-Schmidt-Hommage in Frankfurt am Main
schwanenmeister, 22:48h
„Das Wunder“ mit Dagmar Lassander, Raimund Harmstorf & Sibylle Rauch
Zu seinem Geburtstag bekommt der deutsche Genre-Regisseur Eckhart Schmidt eine Hommage spendiert, die acht seiner Filme nach Frankfurt am Main bringt.
Der deutsche Genrespezialist und Kultfilmer Eckhart Schmidt wird am 31. Oktober schon 80 Jahre alt. Das wäre eine gute Gelegenheit, Olaf Möllers und Hans Schifferles Schmidt-Buch „Ritual und Romantik“ hervorzuholen. Zu seinen Ehren zeigt das Filmkollektiv Frankfurt aber auch zusammen mit dem deutschen Filminstitut einige Wochen nach seinem Geburtstag acht seiner Werke. Darunter befinden sich Klassiker sowie auch seltene Perlen. Das Programm ist mit zusätzlichen Vorfilmen garniert.
Am 24. November laufen im Studierendenhaus in Frankfurt am Main „Atlantis“ (14 Uhr), „Das Gold der Liebe“ (16 Uhr), „Der Fan“ (20.15 Uhr) und „Loft“ (22.30 Uhr). Am 25. November zeigt das Filmkollektiv „Das Wunder“ von 1985 mit Dagmar Lassander, Raimund Harmstorf und Sibylle Rauch um 12.30 Uhr. Der Film hat eine wunderbar italienisch-sleazige Atmosphäre. Darauf folgt um 15 Uhr „E.T.A Hoffmanns Der Sandmann“ und um 17.30 Uhr „24/7 Sunset Boulevard“. Zum Abschluss gibt es im Deutschen Filmmuseum um 20.15 Uhr Schmidts neuen Film „Mein schönster Sommer“ aus seiner italienischen Trilogie.
Im Jahr 1968 startete Eckhart Schmidt zu Zeiten der Report- und Lederhosenfilme mit Werken wie „Atlantis“, „Erotik auf der Schulbank“ und „Männer sind zum Lieben da“ durch. Er gehörte als Filmkritiker in den 1960er-Jahren zur Gegenbewegung des Neuen Deutschen Films, die wieder echte Genrefilme machen wollte. Einer seiner größten Zuschauererfolge und ein Kultfilm war der meisterhafte Slasher „Der Fan“ mit Désirée Nosbusch. Als Regisseur erfand er sich in jedem Jahrzehnt neu. Sehr empfehlenswert ist zum Beispiel auch sein Direct-to-DVD-Serienkillerfilm „Hollywood Fling“ aus dem Jahr 2011.
Links: - Italienische Trilogie, - Hollywood Fling
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Donnerstag, 2. Juli 2015
Heinz Strunks Roman "Der Goldene Handschuh": Krautploitation-Material par excellence
schwanenmeister, 16:06h
„Im Handschuh kann man gut Frauen kennenlernen, viel besser als im Lehmitz, im Schlusslicht oder im Elbschlosskeller. Wählerisch darf Fiete natürlich nicht sein. Bei Frauen seines Alters ist er chancenlos. Solange er denken kann, hatte er Ältere, richtige Omas teilweise.“ Fiete ist der Spitzname von Fritz Honka, dem berüchtigten deutschen Serienmörder der 1970er-Jahre, der im Hamburger Lokal „Der Goldene Handschuh“ seinen weiblichen Opfern auflauerte. Über ihn hat der Autor Heinz Strunk sein neuestes Buch geschrieben. Es wird zwar erst am 22. Januar 2016 erscheinen, aber auf der Homepage des „Titanic“-Kolumnisten und Extra-3-Comedian kann man schon einen ersten scheuen Blick auf die Leseprobe wagen.
© Rowohlt
Die Jukebox spielt Schlager von Heintje („Du sollst nicht weinen“) und Adamo („Es geht eine Träne auf Reisen“). Kaputte Typen trauern verpassten Lebenschancen nach: „Ich kannte da ma eine, die hab ich geliebt. Irgendwann war sie weg. Das ganze parfümierte Fleisch, da denk ich noch mein Leben dran.“ Kaputtere Frauen, die unter dem Mantel einen blauen Putzfrauenkittel tragen und sich vor der Kälte ins Lokal gerettet haben, lassen sich Drinks ausgeben. „Die Anderen, auch wenn sie noch so abgerissen sind, benutzen noch irgendwas, Lippenstift, Lidschatten, Rouge. Gerda nicht“, schreibt Strunk über die Dame, die Honka im Roman gerade ins Auge gefasst hat. Es ist eine atemberaubend genaue, zutiefst melancholische Milieuschilderung, die mich an filmische Meisterwerke von Werner Hochbaum („Razzia in St. Pauli“, „Ein Mädchen geht an Land“) denken lässt. Heinz Strunks Roman „Der Goldene Handschuh“ vereint mit dem harten Serienmörder-Porträt und dem frivol-trüben St. Pauli-Setting zwei bedeutende Triebfedern der deutschen Populärkultur.
Das letzte Hemd hat leider keine TaschenDie Liste der prominenten Kino-Serienkiller ist lang und exquisit: Angefangen bei „Das Cabinet des Dr. Caligari“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ über Robert Siodmaks Film „Nachts, wenn der Teufel kam“ und „Es geschah am hellichten Tag“ bis hin zu aktuelleren Vertretern wie „Der Totmacher“, „Der Sandmann“ und „Antikörper“. In ihnen spiegeln sich die Abgründe der deutschen Seele am vortrefflichsten. Ähnlich gut bestückt ist das Subgenre des St. Pauli-Films, ob in der romantischen Version bei Helmut Käutner („Große Freiheit Nr. 7“) oder in der realistischeren Stoffen von Rolf Olsen („Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“) oder Alfred Vohrer („Das gelbe Haus am Pinnasberg“). Strunk führt diese mächtigen Stränge jetzt zusammen und veredelt sie mit seiner aufrichtigen Leidenschaft für den deutschen Schlager. Vielleicht ist genau das der richtige Platz für den Schlager, um seine ganze Widersprüchlichkeit und Schönheit jenseits des Kitsches oder Trashs zu entfalten.
Als Christian Alvart in seinem Trailer für den deutschen Gangsterfilm „Banklady“ den Kugelhagel mit Drafi Deutschers „Mamor, Stein und Eisen bricht“ unterlegte, war das einer der cineastischen Höhepunkte 2013. Zu schade, dass es der Song – wahrscheinlich wegen der zu teuren Lizenzrechte – nie in den fertigen Film schaffte. Im Sommer 2014 feierte der Nürnberger Hofbauer-Kongress mit der glanzvollen Wiederaufführung von „Holiday in St. Tropez“ die völlig unironische Wiederauferstehung des Schlagerfilms. Es wäre Zeit, dass auch der deutsche Mainstreamfilm das zur Kenntnis nimmt. Bei richtiger Anwendung wäre es nur zu seinem Vorteil. Heinz Strunk jedenfalls glaubt bereits, sich mit „Der Goldene Handschuh“ neu erfunden zu haben. Er lässt den autobiografischen Roman hinter sich und könnte mit dem Tatsachenroman und der Biografie Fritz Honkas eine Entsprechung für seine Sprache und Beobachtungsgabe gefunden haben. Strunk: „Der Roman ist so gut geworden, dass ich jetzt schon ganz melancholisch werde, weil ich ahne, dass mir Vergleichbares nicht gelingen wird.“
Link: - Leseprobe
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Mittwoch, 10. Juni 2015
DVD-Tipp: "Mädchen mit Gewalt" (Roger Fritz)
schwanenmeister, 02:31h
Wir machen mal einen Test. Achtung. Fertig. Los.
© Subkultur Entertainment
Ingmar Bergmans „Die Jungfrauenquelle“ ausgenommen: Wie lautet der früheste Rape & Revenge-Film, der euch spontan einfällt? „Ms. 45“? „I Spit on Your Gave“? „They Call Her One Eye“? „The Last House on the Left“? „Deliverance“? „Clockwork Orange“? „Straw Dogs“?
Wie wär’s mit einem deutschen Film? Gibt es überhaupt gar nicht, sagt ihr? Doch, jetzt schon – irgendwie. In der Edition Deutsche VITA des DVD-Labels Subkultur Entertainment ist am 20. Mai der verschollene Roger Fritz-Film „Mädchen mit Gewalt“ erschienen, der nie im TV lief und bislang auf keinem Trägermedium zu finden war. Jetzt existiert der Film in der bestmöglichen Weise, die als Vorbild für den Rest dienen sollte: Edel verpackt, gleich in doppelter Ausführung als Blu-ray und DVD, herzallerliebst vollgestopft mit Trailern, Hintergrund-Interviews und zwei Audiokommentaren. Ein Kommentar rechtfertigt allein den Kauf zum stattlichen Preis. Hofbauer-Kommandant Christoph Draxtra und Filmwissenschaftler Sano Cestnik unterhalten sich mit Regisseur Roger Fritz und Hauptdarsteller Arthur Brauss. Es ist ein wehmütiges, rauschhaftes Gespräch, dem nur Fritz selbst gelegentlich eine Atempause gönnt, in dem er nach mehr Ton verlangt. Ja, das ist höchstwahrscheinlich jetzt schon das Heimkino-Highlight des Jahres.
Die Krautploitation-Perle um zwei durchtriebene Frauen-Abschlepper, die in ihrem nächtlichen Kiesgruben-Date mit dem „Bridget-Bardot-Verschnitt“ Helga Anders nicht völlig unproblematische Widerhaken besitzt, wurde bereits erschöpfend auf Seiten wie critic.de, kino-zeit.de, Grün ist die Heide oder in der taz besprochen (am Ende des Artikels verlinkt). Er verdient viele dieser Lobpreisungen. Mich fasziniert aktuell, wie die Filmidee aufs Papier und auf die Leinwand kam, gerade weil es vorher wie nachher mit Ausnahme vielleicht von Roland Klicks Filmen („Deadlock“) eigentlich keine vergleichbaren deutschen Ansätze gab. Man muss sich vorstellen: Heute maulen wir bereits vor Übersättigung, wenn ein halbes Dutzend Superhelden-Filme im Jahr auf den Markt geschmissen wird. Ende der 1960er-Jahre liefen über vierzig Italowestern von Januar bis Dezember in den bundesrepublikanischen Kinos an. Eine unvorstellbare Anzahl. Klar, waren darunter auch kleinere Produktionen, die untergingen. Aber theoretisch konnte man das gesamte Jahr über den südländischen Nachbarn beim Genremachen zuschauen.
Der erfolgreichste Film des Jahres 1969 hieß bekanntlich „Spiel mir das Lied vom Tod“ (13 Millionen Zuschauer). Italowestern waren Teil des Mainstreams. Der Verleih Cinerama, der gemeinsam mit Roger Fritz und dem Produzenten Arthur Cohn („Ein Tag im September“) den Film „Mädchen mit Gewalt“ finanzierte, verdiente sein Geld in den Anfängen vor allem mit eben jenen Italowestern wie „Drei Kugeln für Ringo“ und „Friss oder stirb“. So verwundert es überhaupt nicht, wie sehr „Mädchen mit Gewalt“ davon beseelt ist, zumal das Ganze – auf Englisch gedreht – als internationale Produktion angedacht war. Die gleichen kargen Locations, visuellen Stilmittel (Großaufnahmen, Kamerafahrten) und Motive (Kreuzigung) sind offensichtlich. Dabei erinnert Roger Fritz‘ Film jedoch weniger an die altbekannten Italowestern-Klassiker, sondern schöpft bewusst oder unterbewusst (Fritz hat das Drehbuch-Gerüst nicht selbst geschrieben) aus dem kammerspielartigen Fundus kleiner, dreckiger Meisterstücke wie „Töte, Django“, „Die Grausamen“ und „Das Gold von Sam Cooper“. Davon wiederum wäre der Weg zurück in die deutsche Filmgeschichte, über den Kammerspielfilm der 1920er-Jahre (Stichwort: Carl Mayer), nur noch ein Katzensprung.
Links: - Grün ist die Heide, - Critic.de, - kino-zeit.de, - taz
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Mittwoch, 6. Mai 2015
Eine Nase tankt E10 – Thomas Gottschalks Autobiografie „Herbstblond“
schwanenmeister, 18:25h
Wenn ich an Thomas Gottschalk denke, kommen mir spontan immer die paar Zeilen in den Kopf, mit denen Florian Illies seinen Bestseller „Generation Golf“ beginnen ließ: Samstagabend, die warme Wanne, das Playmobil-Piratenschiff, Schwarzbrot mit Nutella und zur Krönung des kindlichen Glücksmoments „Wetten dass“ im Fernsehen. Illies meinte damals zwar den Showmaster Frank Elstner, aber für meine Generation gilt das mindestens im gleichen Maße für Thomas Gottschalk.
"Hilfe, das 14-49-Jährige-Zielgruppen-Monster!" © Lisa-Film
Eine eigenwillige Erzählstruktur hat Gottschalk für seine Autobiografie „Herbstblond“ gewählt, die als Hörbuch deutlich mehr Sinn macht, da es sich eher um ein Auto-Parlando denn um Prosa handelt: Zuerst berichtet der bald 65-Jährige noch chronologisch seinen Werdegang, vom früh verstorbenen Vater, den schulischen Problemen, erstem Kuss und Sex ("sie hatte nichts an außer das Radio") sowie den Anfängen beim Bayerischen Rundfunk. Das unterhält ziemlich glänzend, zumal Gottschalk die Kunst beherrscht, ewig zu erzählen und doch nichts zu sagen. Dann folgt allerdings ein riesiger Block zum Themenkomplex „Wetten dass“, der die gesamte zweite der dreieinhalb CDs umfasst. Das ist absolut legitim, weil nichts seine Karriere so stark prägte wie die ZDF-Show. Nur gerät das Ganze zu einem einzigen, ärgerlichen Rechtfertigungsversuch für die „Wetten dass“-Katastrophe um Samuel Koch, die Gottschalk praktisch selbst durch seine Dünnhäutigkeit gegenüber Presse und Einschaltquote mit forciert hatte.
Darauf kreist das Buch ausdauernd um Marcel Reich-Ranicki, den Gottschalk stolz wie ein Beweisfoto für seine verkannte Intellektualität vorzeigt. Schließlich moderierte der Kulmbacher die Ausgabe der Goldenen Kamera, bei der der Literaturpapst seine klug getimte Hasstirade auf die deutsche Fernsehindustrie abließ. Und letztlich sprach er auch bei Reich-Ranickis Beerdigung; seine Rede wurde sogar von der Frankfurter Allgemeinen abgedruckt. Da erinnert Gottschalk an einen Schlagerbarden wie Jürgen Drews, der in keinem Interview die Tatsache auslassen kann, mal ein paar Semester Medizin studiert zu haben. Von Struktur ist zu diesem Zeitpunkt bereits keine Spur mehr. Gottschalk stürzt sich auf bekannte Namen wie Hans Küng und Show-Flops wie seine RTL-Affäre, um sie als Stichwortgeber zu gebrauchen. Auf den restlichen Seiten werden überhastet die Familie, die USA und die Anwesen abgefrühstückt. Zum Schluss zitiert er im Hörbuch – angeblich immer noch auswendig könnend – „Die Telefonbuchpolka“ von Georg Kreisler.
Hommage an Siggi Götz & Dieter Pröttel?Wer etwa auf Anekdoten, Hintergrundinformationen und Insider zu Gottschalks Filmkarriere ("Der Ring der Musketiere", anyone?) hofft, wird bitterlich enttäuscht. Wenige Sätze bezeugen zwar, dass sie stattgefunden hat. Für Einzelheiten war er jedoch nicht zu haben. Es sei denn, man gibt sich mit der Erkenntnis zufrieden, dass der große Blonde am Filmset anfangs immer mit Blick in die Kamera spielte, so wie er es vom Fernsehen gewohnt war. Beim "Trabbi Goes to Hollywood"-Regisseur Jon Turteltaub zählt er zur Entschuldigung für die eigene cineastische Entgleisung vermeintlich wertvollere Folgefilme wie "Während du schliefst" und "Das Vermächtnis der Tempelritter" auf. Na ja. Mit Gottschalks prägnantem Vorwort zum sehr empfehlenswerten Filmbuch „Die Supernase“ über den Lisa Film-Produzenten Karl Spiehs wird man glücklicher.
Am Ende kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da jemand eher einfach Gestricktes zur rechten Zeit am rechten Ort war. Kurzzeitig vergessen ist der Spaß, den man mit Filmen wie „Die Einsteiger“ oder „Piratensender Powerplay“, den legendären „Wetten dass“-Momenten oder den Kulmbacher Filmnächten auf Sat.1 gehabt hatte. Hängenbleibt vor allem der weinerliche Ton. Und man muss an die knalligen Worte Harald Schmidts denken, dass es nichts Schlimmeres gebe als diese verwelkten Transsexuellen, die nach dem Ende von „Wetten dass“ noch überall rumstolpern und nicht kapieren, wenn ein Projekt vorbei sei. Das, was RTL Gottschalk anbiete, sehe zwar aus wie ein Klassenzimmer, sei aber eigentlich noch unter dem Dschungel. Und man wünscht sich ein bisschen den Gottschalk herbei, der nach Markus Lanz‘ Verkündung vom „Wetten dass“-Ende dem Spiegel Online-Journalisten spontan ins Telefon diktierte: „Dann hätte ich das Ding auch gleich selbst an die Wand fahren können.“ Hättest du, Tommy, hättest du!
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