Montag, 19. Februar 2018
Generation-Tipp: Rot ist eine warme Farbe
schwanenmeister, 15:42h
Der erotische Geheimtipp der 68. Berlinale heißt „Para aduma“. Das israelische Werk über die pubertierende Benny und ihren ultraorthodoxen Vater Yehoshua in Ostjerusalem ist sehr sehenswert.
Vater & Tochter | © Laila Films / Boaz Yehonatan Yacov
Der israelische Debütfilm „Para aduma“ („Rote Kuh“) von Tsivia Barkai Yacov ist eine Wucht. Die 17-jährige Benny (Avigayil Koevary) lebt mit ihrem strenggläubigen Vater Yehoshua (Gal Toren) in der Siedlung Silwan in Ostjerusalem. Er wünscht sich den Wiederaufbau des jüdischen Tempels an der Stelle des Felsendoms. Für die illegale Siedlung Amona im Westjordanland verteilt er Flugblätter auf der Straße. Wie es im Talmud steht, hat er für die Tieropferung eine Kuh mit rotem Fell gekauft, um das Erscheinen des Messias zu beschleunigen. Seine Tochter hat die Aufgabe, die Kuh zu pflegen.
Mit viel Liebe zum Detail wird das Alltagsleben der Familie in der orthodoxen Gemeinde gezeigt, die in einer überwiegend arabisch geprägten Nachbarschaft lebt. Yehoshua hat an der Stelle, wo früher die Tempelpriester gewohnt haben sollen, eine historische Einrichtung aufgebaut und lehrt die Gemeindemitglieder. Benny entdeckt aber gerade Gefühle für ihre Freundin Yael (Moran Rosenblatt).
Größere Dringlichkeit als Abdellatif KechicheEs ist die alte Coming-of-Age-Geschichte, aber mit übersprudelnder Frische und Sinnlichkeit erzählt, dass man sich diesen Leidenschaften schwer entziehen kann. Der Gewinner der Goldenen Palme 2013, „Blue Is the Warmest Color“ von Abdellatif Kechiche, kommt einem als Vergleich in den Sinn. Nur besitzt „Para aduma“ eine größere Dringlichkeit. Homosexualität ist im ultraorthodoxen Judentum Sünde. Benny wie auch ihre Freundin Yael sind religiös erzogen worden, arbeiten in der Gemeinde mit und sind nicht frei von Schuldgefühlen. Yael ist auf eine gewisse Weise sogar abhängig von Bennys Vater, weil sie in einer seiner Wohnungen untergekommen und ihm direkt unterstellt ist.
Regisseurin Yacov hat bei der Schauspielführung, dem Erzählrhythmus und dem Gespür für Atmosphären eine sichere Hand wie ein alter Hase. „Para aduma“ ist dabei voller Leidenschaft für die Liebe: So wie Yehoshua seinen Gott anbetet, besingt und ihm zu Ehren in geheiligtem Wasser badet, so beten die Freundinnen ihre Körper an. Für das junge Generation-Publikum im Haus der Kulturen der Welt war das zeitweise am Sonntag zu viel Körperlichkeit. Aber gerade in der unendlichen Intimität der beiden Teenager, in deren Blicken und kleinen Gesten sowie vor allem in der brennenden Sehnsucht liegt die Qualität dieses Films.
Hauptdarstellerin Avigayil Koevary & Regisseurin Tsivia Barkai Yacov im Interview:
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