Donnerstag, 15. Februar 2018
Wohin steuert die Berlinale?

„Transit“ | © Schramm Film / Christian Schulz
In dieser Berlinale geht es schlicht darum, wie sie zukünftig aussehen wird. Bei den Diskussionen sollte aber nicht vergessen werden, dass es auf dem Festival auch um Filme geht.

Die 68. Berlinale wird ein Festival des Übergangs werden. Nicht nur, weil es der vorletzte Jahrgang des Festivaldirektors Dieter Kosslick ist. Staatskulturministerin Monika Grütters präsentiert in diesem Sommer seinen Nachfolger – oder seine Nachfolgerin. Der deutsche Wettbewerbsfilm „Transit“ von Christian Petzold gibt das Thema vor. In dieser Übergangszone erzählen viele Filme vom Aufbrechen und Ankommen, von Flüchtlingen („Eldorado“, „Zentralflughafen THF“), die eine neue Heimat suchen – und rechtskonservativen Gegenbewegungen, die aktuell Europa und die Welt prägen („Twarz“, „When the War Comes“). Wohin das Ganze steuert, ist unklar.

Wieder ist es ein auf den ersten Blick unscheinbarer internationaler Wettbewerb geworden. Es ragen heraus der Wes-Anderson-Eröffnungsfilm „Isle of Dogs“, der schon erwähnte Petzold-Film und das vierstündige Anti-Musical „Season of the Devil“ des philippinischen Regisseurs Lav Diaz. Das sind Attraktionen, für die Filmkritiker aus der ganzen Welt nach Berlin reisen. Ansonsten wird man Kosslick wieder vor allem an der Auswahl der vier deutschen Wettbewerbsbeiträge messen: Den inzwischen auch international gefeierten Petzold zu bekommen, war ein Coup. Aber wie ist die Romy-Schneider-Hommage „3 Tage in Quiberon“, die zumindest die Fantasie der Boulevardpresse beflügelt? Was werden die Kritiker nach dem Festival vom Dreistünder „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ denken? Ist „In den Gängen“ über Menschen am Rande der Gesellschaft wirklich so charmant und liebenswert, wie Kosslick es vorab beschrieben hat? Und waren das wirklich die besten vier zur Vefügung stehenden deutschen Filme?
Klarheit nach dem Wochenende
Nach dem ersten Wochenende müsste bereits klar sein, ob dieser Wettbewerb abliefert. Zwei der heißesten Eisen, „Dovlatov“ und „Figlia mia“, sind dann bereits der Presse gezeigt worden. Die Regisseure Alexei German Jr. und Laura Bispuri sind hauseigene Talente. Und Montag greift der Überraschungskandidat, den Kosslick erst auf der Programm-Pressekonferenz aus dem Hut zauberte, nämlich der norwegische Film „Utøya 22. juli“ über den Breivik-Amoklauf, in den Kampf um den Goldenen Bären ein. Der verspricht – in der Vorankündigung war von einer 71-minütigen Sequenz ohne Schnitt zu lesen –. eine aufwühlende Filmerfahrung zu werden.

Im vergangenen Jahr war nicht wirklich das Problem, dass der Berlinale-Wettbewerb nicht herausragende Filme angeboten hätte. Mit „Félicité“, „A Fantastic Woman“, „Logan“, „On Body and Soul“, „The Other Side of Hope“ und „Colo“ waren sehr tolle Filme dabei. Es waren eher die Ausreißer nach unten und das egale Kino dazwischen, das zu häufig einen faden Beigeschmack zurückließ. Interessant zu beobachten wird sein, ob die Filme dieses Jahr überhaupt eine Rolle spielen werden – oder ob es mehr um #metoo, Frauenquote, Nobody's Doll, Kosslick-Bashing und Nachfolge-Diskussionen gehen wird. Da kann auf jeden Fall das selbst proklamierte politischste der drei großen A-Festivals zeigen, was es drauf hat.

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