Montag, 11. Dezember 2017
Ich rieche was, was Du grad siehst

Sweet Smell of Success | © Luca Mascaro, flickr (CC BY-SA 2.0)
Ein Kinofilm kann viele unterschiedliche Gefühle auslösen: Stress, Spaß, Angst und so weiter. Und diese Emotionen rufen wiederum körperliche Reaktionen hervor. Und die können Wissenschaftler messen. Nur anhand der Atemluft in einem Kinosaal können Forscher erkennen, welcher Film geschaut wird. Ein Beitrag von Jörn Schumacher

Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz haben in Kinosälen während der Vorstellungen die Zusammensetzung der Atemluft im Saal gemessen und dabei Erstaunliches festgestellt. Die Atemluft spiegelte die Gefühle wider, die im Saal vorherrschten, während der Film lief. Mehr noch: Anhang der Konzentrationen der biologischen Spurengase konnten die Forscher letztendlich sogar erkennen, welcher Film gezeigt wurde.

Die Forscher um Jonathan Williams maßen zwischen dem 1. Dezember 2013 und dem 14. Januar 2014 im Mainzer Cinestar die abgesaugte Luft während einer Kinovorstellung – alle 30 Sekunden. Die Klimaanlage lief dabei wie bei jeder anderen Vorstellung auch. Insgesamt untersuchten sie 108 Vorführungen mit insgesamt 9.500 Kinozuschauern. Sie hatten 16 unterschiedliche Filme aus den Genres Comedy, Horror und Romantik ausgewählt. Darunter waren etwa „Der Hobbit: Smaugs Einöde“, „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, „Die Tribute von Panem - Mockingjay: Teil 2“ und „Carrie“. (Die volle Liste findet sich innerhalb der Original-Studie. Für das Experiment wurden keine personenbezogenen Daten erfasst, lediglich die Anzahl der Kinobesucher wurde registriert.
Kampf ums Überleben
Im Ergebnis konnten die Forscher genau sehen, wann ein Film lustig, spannend oder langweilig ist. Am Beispiel der chemischen Signatur von „Tribute von Panem“ erklärt Forschungsleiter Jonathan Williams: „An der Stelle, an der die Heldin um ihr Leben kämpft, stiegen die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer deutlich an“. Isopren (C5H8) und Aceton (C3H6O) sind die beiden häufigsten organischen Spurengase. Sie und die Menge an Kohlendioxid maßen die Forscher. Eine Erklärung für ihre Ergebnisse sehen die Wissenschaftler darin, dass die Kinobesucher bei aufregenden Filmszenen unruhig werden und schneller atmen.

Theoretisch wäre es damit für die Werbeindustrie möglich, mal in einen Kinosaal „reinzuschnuppern“, wie da gerade so die Stimmung ist. Oder wie ein Werbeclip ankommt.
Zuschauermanipulation möglich?
Der nächste Schritt wäre dann der umgekehrte: Warum nich die Luft im Saal so abändern, dass bestimmte Stimmungen entstehen? Es hält sich ja schon lange das Gerücht, dass Kinobetreiber besonderen Wert auf den ganz speziellen „Popcorn-Duft“ legen. Es soll sogar Kinos geben, die über die Klimaanlage diesen Kino-Duft extra in den Saal leiten, damit das Publikum Lust auf Popcorn bekommt und konsumiert.

So weit scheint der Weg zum duft-manipulierten Kino gar nicht zu sein: Der Künstler und Geruchsexperte Wolfgang Georgsdorf hat eine elektronische „Geruchsorgel“ entwickelt, die den einfallsreichen Namen „Smeller“ trägt. Damit lassen sich Düfte komponieren wie ein Musikstück. Werden wir also demnächst das Geruchs-Kino erleben, in dem die Gefühle auf der Leinwand mit Gefühlen aus einem chemischen Cocktail über die Atemluft kombiniert werden?

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