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Dienstag, 21. November 2017
Weimarer Schätze auf der Berlinale heben!

„Das Lied vom Leben“ (Alexis Granowsky, 1931) | © Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Wiedermal hat die Berlinale-Retrospektive den Weimar Touch. 2018 gibt es aber restaurierte, teils verschollen geglaubte Schätze zu heben. Außerdem laufen Werke von Werner Hochbaum, Hermann Kosterlitz und Erich Waschneck.

Die Retrospektive der 68. Berlinale stellt das Weimarer Kinos ins Zentrum. Vor rund 100 Jahren, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und mit der Ausrufung der Weimarer Republik, entwickelte sich eine der produktivsten und einflussreichsten Phasen des deutschen Filmschaffens, die dessen internationale Wahrnehmung bis heute prägt. 28 Programme mit Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus den Jahren 1918 bis 1933 werden bei „Weimarer Kino – neu gesehen“ auf der großen Leinwand zu erleben sein.

„Quer durch die Genres dokumentiert die Retrospektive den Zeitgeist der Weimarer Republik und reflektiert Identitätsfragen. Das Spektrum reicht von der schwungvollen Tonfilmoperette über wortwitzige Komödien bis hin zu sozial und politisch engagierten Filmen. Die Filme sind von enormer Frische und Aktualität“, kommentiert Berlinale-Direktor Dieter Kosslick.
Verloren geglaubte Schätze restauriert
Zu den Höhepunkten der Retrospektive gehören die Erstaufführungen einiger aktueller Restaurierungsvorhaben wichtiger deutscher Archive und Filminstitutionen. Präsentiert werden der Bergfilm „Kampf ums Matterhorn“ (Mario Bonnard, Nunzio Malasomma, 1928), Robert Reinerts Monumentalfilm „Opium“ (1919) sowie ein lange Zeit als verschollen geltender zweiteiliger Film Urban Gads, der auf Jakob Wassermanns literarischer Vorlage von 1919 „Christian Wahnschaffe“ basiert (Teil 1: Weltbrand, 1920, Teil 2: Die Flucht aus dem goldenen Kerker, 1921).

Die Retrospektive konzentriert sich auf drei thematische Schwerpunkte: „Exotik“, „Alltag“ und „Geschichte“. In ferne, exotische Welten führen Clärenore Stinnes und Carl Axel Söderström mit ihrer abenteuerlichen Reise „Im Auto durch zwei Welten“ (1927–31). Friedrich Dalsheim und Gulla Pfeffer beobachten in ihrem frühen ethnologischen Film „Menschen im Busch“ (1930) den unspektakulären Alltag einer togolesischen Familie und gehen dabei neue Wege, wenn sie die Porträtierten selber zu Wort kommen lassen, statt aus dem Off zu kommentieren. Dokumentaristen wie Ella Bergmann-Michel, Winfried Basse und Ernö Metzner fangen mit ihren Kurzfilmen das Leben der 1920er-Jahre in Berlin und Frankfurt am Main ein.
Hochbaum, Kosterlitz & Waschneck
Werner Hochbaum richtet seinen Blick mit „Brüder“ (1929) auf das von materieller Not geprägte Dasein einer proletarischen Familie. Dieser von der SPD unterstützte Film, der eine besondere Glaubwürdigkeit durch die Mitwirkung von Laiendarsteller erhält, nimmt den Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97 als Folie, um auf aktuelle politische Kontroversen der 1920er-Jahre anzuspielen. Ebenso kritisch und nüchtern inszeniert Heinz Paul in „Die andere Seite“ (1931) jüngste historische Ereignisse: Mit Conrad Veidt als kriegstraumatisiertem britischen Hauptmann im Ersten Weltkrieg legt er die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Grabenkriegs schonungslos offen.

Die Vielfalt des Weimarer Kinos lässt sich insbesondere anhand der Werke von Filmschaffenden begreifen, die üblicherweise nicht zu den prominenten Regiegrößen jener Zeit gezählt werden. Der Reichtum der Filme so unterschiedlicher Regisseure wie Franz Seitz sen. („Der Favorit der Königin“, 1922), Hermann Kosterlitz („Das Abenteuer einer schönen Frau“, 1932) oder Erich Waschneck („Die Carmen von St. Pauli“, 1928) zeigt sich nicht nur im Variantenreichtum ihrer Themen, Stoffe und Figuren, sondern auch in ihrer ästhetischen Gestaltung. Die legendäre Epoche der deutschen Filmgeschichte wird, aus einer neuen Perspektive betrachtet, ihrem exzellenten künstlerischen Ruf abermals gerecht.

Die Weimarer Filmklassik geht immer. Kein anderer Teil der deutschen Filmgeschichte besitzt solch einen Weltruhm – und das zurecht. Die Gefahr besteht bei solch einer Retrospektive allerdings immer, die selben Kanonfilme zu spielen. Die bislang veröffentlichten Titel lassen aber auch für den Cineasten teils verschollene Leckerbissen erwarten. Man muss sich nur die rennende Margot Ferra in Alexis Granowskys Film „Das Lied vom Leben“ (Bild oben) anschauen und ahnt, welche Explosivität in einigen Filme der Retro stecken könnte. Dazu zählen sicherlich auch Reinerts Monumentalepos „Opium“, die verschollenen Hälften von Urban Gad oder die Kosterlitz-Komödie „Das Abenteuer einer schönen Frau“.

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