Freitag, 3. November 2017
Warum Tom Tykwer der ideale Berlinale-Jurypräsident 2018 ist
schwanenmeister, 23:56h
Der gebürtige Wuppertaler Tom Tykwer wird der kommende Jurypräsident der Berlinale (15.-25.02.2018). Michael Müller kommentiert, warum Tykwer die Idealbesetzung ist.
Tom Tykwer wird Berlinale-Jurypräsident | © Joachim Gern
Die Berlinale und Tom Tykwer – das passt wie die Faust aufs Auge. Tykwer, der jetzt Jurypräsident des wichtigsten deutschen Filmfestival wird, brachte den deutschen Film im Jahr 1998 zum Laufen. Sein Meisterwerk "Lola rennt" löste nicht nur eine neue deutsche Welle an aufregendem Kino aus. Er war auch für mich eine Art Initialzündung für die deutsche Filmgeschichte, weil da plötzlich ein Film war, der dem Weltkino nicht hinterher hechelte, sondern den fortan internationale Produktionen kopierten oder der damalige popkulturelle Gradmesser "Die Simpsons" referierte.
Tykwer – das ist der Mann, der als Teenager nicht für seine Geschichtsklausuren lernte und sich stattdessen mit dem Wissen über die Runde rettete, das er in "Ben Hur" und "Quo vadis" aufgeschnappt hatte. Das ist der junge Mensch, der im Berliner Moviemento an der Kasse saß und die Goldene Zeit der Programmkinos mitmachte. Tykwer, das ist der Regisseur, der bei der Schwulen-Reizfigur Rosa von Praunheim in die Schule ging und der die Nächte in Berlin durchmachte, um sich am Morgen in die Pressevorführungen der Berlinale zu schleichen.
Dialoge für TarantinoDas ist aber auch der Regisseur, der eigentlich jahrelang unter allen Wahrnehmungsgrenzen große Hollywood-Produktionen drehte, die fast niemand sah: "Heaven", "The International", "Der Wolkenatlas" und "Ein Hologramm für den König". Arthouse-Experimente jenseits der 60 Millionen Dollar-Grenze; der mit den Wachowskis in Babelsberg abhing und ein wenig die Verbindung zum Diesseitigen verloren hatte. Aber er ist auch der Cineast, der Quentin Tarantino die deutschen Dialoge für "Inglourious Basterds" übersetzte und die damals beste Filmkritik zu Paul Thomas Andersons "Punch-Drunk Love" im Spiegel schrieb; der die altehrwürdige Filmpostille Steadycam unterstützte, die eigenen genialen Soundtracks mitschrieb und dessen Hauptproblem es immer war, dass eigentlich jeder seiner Sätze ein bisschen zu intelligent und diskussionswürdig war. Ein bisschen zu gut für diese Welt.
Umso schöner ist es, dass er jetzt auch filmisch zu seinen alten Stärken zurückgefunden hat. Die ersten beiden Episoden des Serien-Mammutprojekts "Bablyon Berlin" sind furios. Da erschien es fast zwingend notwendig, dass ihn Berlinale-Chef Dieter Kosslick als Jurypräsidenten holte. Auf der Berlinale begann alles für Tykwer: Im Panorama zeigte er einen seiner ersten Kurzfilme, nämlich "Epilog". Mit "Heaven" und "The International" stellte er gleich zwei Mal den Eröffnungsfilm des Festivals. "Die Berlinale ist seit jeher mein Lieblings- und mein Heimatfestival und hat mich bereits zu Beginn meiner Arbeit als Filmemacher unterstützt. Wir haben eine tolle und vielseitige gemeinsame Geschichte. Jetzt freue ich mich auf zwei konzentrierte und lustvolle Kinowochen mit der Jury", sagt Tykwer.
Der Wuppertaler folgt auf die Jurypräsidenten Paul Verhoeven, Meryl Streep, Darren Aronofsky, James Schamus, Wong Kar Wai, Mike Leigh, Isabella Rossellini und Werner Herzog. Das ist nicht die schlechteste Gesellschaft.
Link: - Berlinale-Jurypräsident Paul Verhoeven (2017)
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Samstag, 4. November 2017, 14:17
Wenn es einer verdient,
dann wohl Tom Tykwer, auch wenn mir Deine Apotheose deutscher Filmkunst ein wenig übertrieben erscheint ;-)
Das Problem bei deutschen Filmen ist aus meiner Sicht gar nicht der wesentlich geringere Etat, sondern nach wie vor das Fehlen von Professionalität, von den Drehbüchern bis hin zu den Kameraleuten. Ein Großteil deutscher Produktionen hat den Charme von Dokumentationen und den Einfallsreichtum eines Telefonbuchs, die Dialoge oft hölzern.
Ausnahmen sehe ich bei einigen deutschen Komödien, da wurde tatsächlich ein Genre erschlossen, das man gut beherrscht. Denke da an Türkisch für Anfänger oder Fack ju Göhte. Keine Meisterwerke aber solide, gut gemachte Unterhaltung, teilweise sogar mit dem Aufblitzen von Satire und Intellekt ;-)
Grüße von Pommes
P.S. Cooler Blogname
Das Problem bei deutschen Filmen ist aus meiner Sicht gar nicht der wesentlich geringere Etat, sondern nach wie vor das Fehlen von Professionalität, von den Drehbüchern bis hin zu den Kameraleuten. Ein Großteil deutscher Produktionen hat den Charme von Dokumentationen und den Einfallsreichtum eines Telefonbuchs, die Dialoge oft hölzern.
Ausnahmen sehe ich bei einigen deutschen Komödien, da wurde tatsächlich ein Genre erschlossen, das man gut beherrscht. Denke da an Türkisch für Anfänger oder Fack ju Göhte. Keine Meisterwerke aber solide, gut gemachte Unterhaltung, teilweise sogar mit dem Aufblitzen von Satire und Intellekt ;-)
Grüße von Pommes
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schwanenmeister,
Sonntag, 5. November 2017, 02:18
Hi Pommes! Darüber ließe sich vortrefflich streiten: Ich denke, dass viele Vorurteile gegenüber dem deutschen Film davon zehren, dass nur die wenigsten Menschen die richtig interessanten Produktionen im Jahr zu Gesicht bekommen. Einer der besten deutschen Filme des Jahres ist „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“. Ein Werk, dessen Kinostart praktisch niemand im Sommer wahrgenommen hat. Gerade in den vergangenen Jahren könnte man unzählige spannende deutsche Filme aufzählen: Wild, Der Nachtmahr, Der Bunker, Gleißendes Glück, Victoria, Toni Erdmann, Liebe mich, Tiger Girl, Casting, Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern usw. Alle einfallsreich, technisch auf einem hohen Level und einfach richtig gute Filme – ohne Einschränkung.
Immerhin: Bei Tykwer sind wir uns einig. ;)
Immerhin: Bei Tykwer sind wir uns einig. ;)
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