Freitag, 11. August 2017
Locarno-Entdeckungen 2017
I. „Contes de juillet“ (Guillaume Brac)

© Locarno Film Festival
„Contes de juillet ist einer meiner zwei diesjährigen Lieblingsfilme in Locarno.“ (Lukas Foerster, Perlentaucher)
Nur 68 Minuten geht der neue Film von Guillaume Brac. Er handelt von Studentinnen im Großraum Paris, die einen Sommertag verleben. Unvergesslich ist mir das Werk, das Brac davor gedreht hat: die bittersüße Liebesgeschichte „Tonnerre“ mit Filmgöttin Solène Rigot. Über seinen neuen Film „Contes de juillet“ schreibt der Schweizer Kritiker Rafael Wolf von Radio Télévision Suisse: „Befreiend, vergnüglich, ein Hauch von frischer Luft.“
II. „Good Manners“ (Marco Dutra & Juliana Rojas)

© Locarno Film Festival
„The picture itself is a hybrid of art house and genre cinema, combining sharp social commentary with grand guignol fantasy.“ (Neil Young, The Hollywood Reporter)
Es gibt gewisse Referenzfilme im Genrebereich, die entlarvend sind: Wenn etwa auf einem Festival ein Horrorfilm als der neue heiße Scheiß verkauft wird und der Vergleich zu „The Babadook“ fällt, weiß ich, dass ich einen Bogen darum machen werde. Diese Form von Arthouse-Horror, wo der Subtext direkt zur Handlung gemacht wird, halte ich für eine Fehlentwicklung. Zum einen schadet sie dem Subtext, weil er dann mit dem Vorschlaghammer auf den Zuschauer einwirkt. Zum anderen nimmt es den Spaß aus dem Genre.

Wenn dagegen, wie jetzt bei „Good Manners“ in Locarno, der Vergleich zum schwedischen Vampirfilm „Let the Right One In“ fällt, bin ich sofort Feuer und Flamme. Das zeugt von Geschmack des Kritikers, in diesem Fall Neil Young. Gleichzeitig ist es ein Hinweis auf eine kluge, frische Herangehensweise an das Genre. Der brasilianische Werwolf-Film, der im Original „As Boas Maneiras“ heißt, wurde auf der Piazza Grande mit einer Warnung aufgeführt: Dieses Werk enthalte Szenen, die sensible Zuschauer schockieren könnten.
III. „A Skin So Soft“ (Denis Côté)

© Locarno Film Festival
„Denis Côté hat nichts zu sagen, er schaut und lässt den Zuschauer entdecken. Eine eingeölte, tätowierte, unnatürlich angespannte Oberfläche. Das ist Kino.“ (Jean-Michel Frodon, Slate.fr)
IV. „Freiheit“ (Jan Speckenbach)

© Locarno Film Festival
„Der Film macht seinen Titel zum gesuchten Zustand, den alle suchen, und mit dem sie alle herzlich wenig anfangen können.“ (Michael Sennhauser, SRF)
V. „The Dead Nation“ (Radu Jude)

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„Jude has pulled off that rare feat of crafting a highly accessible but complex, ambiguous and significant work of cinematic art.“ (Neil Young, The Hollywood Reporter)
Was die Kritiker über Locarno denken:

Der Kritiker des Hollywood Reporter, Boyd van Hoeij, lobt in seinem Fazit das Schweizer Kino. „Dene wos guet geit“, „Goliath“ und „Die göttliche Ordnung“ haben ihn besonders beeindruckt. Jean-Baptiste Morain vom französischen Filmmagazin Les Inrockuptibles dagegen schwärmt – ganz ohne patriotischen Hintergedanken, wie er sagt – vom französischsprachigen Kino: „Laissez bronzer les cadavres“, „9 Doigts“, „Milla“ und „Madame Hyde“ sind seine Entdeckungen in Locarno.

Der Kritiker der Cahiers du Cinema, Nicholas Elliot, empfand die Jacques-Tourneur-Retrospektive als so stark, dass es für die aktuellen Filme schwierig war, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Am besten gelungen sei das bei „Madame Hyde“ mit Isabelle Huppert und dem brasilianischen Film „Good Manners“. Das habe auch daran gelegen, dass sich bei beiden Werken glücklicherweise der Schatten Tourneurs in der Inszenierung abzeichnete.

Link: - München-Entdeckungen 2017, - Locarno-Kritikerschaft

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