Montag, 4. Juli 2016
Blue Angel Cafe: New-Beverly-Programm im Juli 2016
schwanenmeister, 23:53h
Der Name der monatlichen Kolumne „Blue Angel Cafe“ geht auf das gleichnamige Joe-D’Amato-Meisterwerk aus dem Jahr 1989 zurück. Der Filmkritiker Lukas Foerster beschrieb es auf dem 15. Hofbauer-Kongress Anfang des Jahres folgendermaßen: Wenn Douglas Sirk ein Remake von Josef von Sternbergs Klassiker „Der blaue Engel“ in New Orleans ohne Budget gedreht hätte, wäre das trotzdem nicht halb so großartig gelungen wie D’Amatos „Blue Angel Cafe“.
Screenshot "Vier Fäuste für ein Halleluja"-Trailer
+++
In der Kolumne blicke ich auf das aktuelle Programm des New Beverly Cinema, das bekanntlich die Abspielstation von Quentin Tarantinos Wunsch- und Programmierungsträumen ist. Als Inhaber hat der US-Regisseur Hausrecht. Wenn der Ober-Cineast durch anderweitige Verpflichtungen abgelenkt ist, läuft das Programm auch schon mal auf Autopilot oder die Mitarbeiter schmuggeln diverse Double-Feature-Vorstellungen ein. Ich habe mich zu festen Kategorien entschlossen, nach denen ich das Monatsprogramm für mich aufschlüsseln will.
Thema: Das Thema des Monats ist das Fehlen einer würdigen Bud-Spencer-Retrospektive. Dafür war wohl leider keine Zeit mehr. Wohl auch, weil sich Tarantino schon in den Reisevorbereitungen für seinen Besuch auf dem Jerusalemer Filmfestival befindet, wo er für seinen Beitrag zum Weltkino ausgezeichnet wird. Ab dem 7. Juli wird er dann von der edlen Festivalleiterin Noa Regev hofiert werden, am zweiten Tag des Festivals gar Teil eines karriereumspannenden Interviews sein. Da mein aktueller Fokus stärker auf Israel liegt, werde ich das wiederum genauestens beobachten.
Hätte Tarantino programmiert, hätte er wahrscheinlich zu Ehren Bud Spencers den Italowestern „Vier für ein Ave Maria“ gezeigt, der schon unter seinen 50 Lieblingsfortsetzungen der Filmgeschichte zu finden war (nachzulesen in der legendären Video-Watchdog-Ausgabe #172). Er hätte sich wahrscheinlich von den ganz populären Entscheidungen gedrückt (wie der „Django Unchained“-Reminiszenz für „Die rechte und die linke Hand des Teufels“). Und weil ich ihn noch nicht gesehen habe und gerade jetzt große Lust auf ihn hätte, glaube ich, dass Tarantino Dario Argentos Giallo „Vier Fliegen auf grauem Samt“ gewählt hätte. Und weil es einer meiner liebsten Bud-Spencer- und Terence-Hill-Filme ist, mische ich noch „Gott vergibt, Django nie" unter, da mich der in meinen jungen Jahren extrem verstört hat. Der ist genau das richtige Gegenmittel, wenn man eigentlich vor hat, sein ganzes Leben nur Komödien-Western zu sehen und plötzlich merkt, dass es da noch eine ganz andere Welt gibt.
Entdeckungen: Ansonsten ist das ein eher dürftiges, urlaubsreifes Auto-Programm mit dicken Fingerabdrücken der Mitarbeiterschaft, das da das New Beverly im Juli aufgelegt hat. Entdeckungen sucht man mit der Lupe. Wenn man will, könnte man Interesse für den mir nicht bekannten Disney-Film „Dr. Syn, Alias the Scarecrow“ zeigen, der immerhin tolle Poster zu bieten hat. Der erscheint mir jedenfalls die deutlich spannendere Hälfte der Doppelvorstellung mit „Sleepy Hollow“ zu sein. Und wenn ich denn eine Women-in-Prison-Phase hätte, würden mich die beiden Filme „Im Keller des Grauens“ (1986) und „Revolte im Frauengefängnis“ (1974) begeistern. Aber ich schaue ja auch nicht "Orange Is the New Black".
Überraschungen: Da es in jedem Jahr vielleicht nur zwei, ja höchstens drei Hollywood-Blockbuster gibt, die dem ewigen Sommer-Werbezirkus einen guten Ruf verleihen, ist es doch lohnend zu erwähnen, dass Tarantino offenbar auch den tollen Sci-Fi-Actioner „Edge of Tomorrow“ schätzt.
QT-Klassiker: Von seinem Kumpel Til Schweiger zeigt Tarantino wiedermal „Knockin' on Heaven’s Door“. Dieses Mal läuft der in der teutonischen Doppelvorstellung mit „Das Leben der Anderen“. Was mich an diesem Monat aber insgesamt am meisten interessiert: Tarantino hat ja Regisseure, die quasi nur er schätzt und anbetet. Er hat sich da seinen eigenen kleinen Kanon aufgebaut. Gemeint sind Regisseure wie William Witney oder eben Andrew L. Stone. Von letzterem hatte er sogar mal die Komödie „Hi Diddle Diddle“ unter seinen zehn absoluten Lieblingsfilmen. Wer also mal mit Stone weitermachen will, dem seien die Screwball Comedy „The Bachelor’s Daughters“ (1946) und die Film noirs „Steel Trap“ und „Highway 301“ angeraten. Witney wie Stone sind mindestens eine Entdeckung wert. In Zeiten des Internets hat man heutzutage ja sogar die Möglichkeiten, diese größten Obskuritäten aufzutreiben.
Surf-Tipp: Das New Beverly hat sich optisch aufgehübscht. Macht schon was her, die neue Website, vor allem weil es jetzt auch eine News-Abteilung und ein Forum gibt.
... comment