Sonntag, 31. März 2013
Quartals-Top Ten 2013: Vol. 1
01. DJANGO UNCHAINED - Quentin Tarantino
02. COMPUTER CHESS - Andrew Bujalski
03. PRINCE AVALANCHE - David Gordon Green
04. PARADIES: HOFFNUNG - Ulrich Seidl
05. BEFORE MIDNIGHT - Richard Linklater
06. SPRING BREAKERS - Harmony Korine
07. FRANCES HA - Noah Baumbach
08. NOBODY'S DAUGHTER HAEWON - Sang-soo Hong
09. THE LONELIEST PLANET - Julia Loktev
10. EVERYBODY IN OUR FAMILY - Radu Jude

Runners-Up: Potechi, Vic+Flo Saw a Bear, Zeit der Helden (TV-Serie), Like Someone in Love, Dead Sushi, Berberian Sound Studio

Kommentar: Ein Lebenszeichen für den Blog. Natürlich überwuchert vom aktuellen Berlinale-Jahrgang, aber auch mit einigen "etwas älteren" Entdeckungen und ehemaligen Most-Wanteds. Der Korine wächst von Tag zu Tag, am Ende des Jahres ist Britney Spears' "Everytime" wahrscheinlich auf Chartsplatz eins angekommen. Mal sehen, ob ich obendrauf noch einen Cannes-Ticker hinbekomme.

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Dann nehme ich den Ball doch auch gleich mal spontan auf und mache auch mal flugs eine erste Top Ten 2013 fürs 1. Quartal:

1. SPRING BREAKERS - Harmony Korine
2. ZERO DARK THIRTY - Kathryn Bigelow
3. DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN - Ramon Zürcher
4. COMPUTER CHESS - Andrew Bujalski
5. I USED TO BE DARKER - Matthew Porterfield
6. JÎN - Reha Erdem
7. VIOLA - Matías Piñeiro
8. NOBODY'S DAUGHTER HAEWON - Hong Sang-soo
9. BEFORE MIDNIGHT - Richard Linklater
10. VIC + FLO SAW A BEAR - Denis Côté

Runners-Up: Stemple Pass, Paradies: Liebe, Halbschatten, Love Battles, Heino Jaeger – Look Before You Kuck, Premium Rush, Ted

Die letzten beiden Runners-Ups sind eigentlich 2012, zumal in dem Fall mit regulärem Kinostart. Aber weil es kürzlich dann doch besonders angenehme Überraschungen waren, nehme ich sie zumindest hier dann doch mal dazu. Ansonsten auch bei mir natürlich stark Berlinale-dominiert, sogar noch mit einem Film mehr bzw. sogar zwei Filmen mehr, wenn man auch JÎN dazu zählt, in den ich allerdings in Berlin nicht rein kam und ihn dann im März beim Türkei-Festival in Nürnberg sah. Ein paar gemeinsame Favoriten kristallieren sich jedenfalls durchaus heraus in dieser ersten Bestandsaufnahme. Tut mir übrigens auch sehr leid, dass ich auf deinen tollen und sehr gern gelesenen Berlinale-Rückblick nicht mehr reagiert habe, wollte ich unmittelbar nach meinem eigenen Rückblick machen, um selbigem nicht zu sehr vorzugreifen, aber dann setze leider wieder der übliche Lauf der Dinge ein, und unerwartete Hindernisse, Zwischenfälle und Motivationsabfälle vereitelten alle guten Vorsätze, so dass es vorerst nur zu einem HK-Beitrag reichte. Der Rest ist mal wieder aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Immerhin, so zumindest meine Erfahrung, liest man tendenziell über Festivals, bei denen man selbst war, auch mit größerer Verspätung ein wenig lieber nochmal was als bei denen, wo man nicht dabei war. Trotzdem doof. Es bleibt ein ewiger Windmühlen-Kampf gegen die Prokrastination auf so vielen Ebenen...
Btw: Ja, die Korine-Vermutung kann ich bestätigen, der hat bei mir über die letzten Monate auch nochmal sehr kräftig zugelegt, der zieht definitiv an in der Nachwirkung und mittlerweile ist große Lust vorhanden, ihn mindestens noch einmal, vielleicht sogar zweimal in diesem Kinojahr zu sehen. Ein Film, der bleiben wird, da bin ich mir schon ziemlich sicher. Interessant und lustig auch, dass ich mit vier von fünf US-Filmen in den Top Five diesmal tatsächlich auch ungewohnt amerikanisch unterwegs bin, um dieses alte Thema am Rande nochmal aufzugreifen ;)

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Welch exklusiver, zeitnaher Blick! Und zum einen schön viel Konfliktpotenzial mit Filmen wie "Zero Dark Thirty", "Das merkwürdige Kätzchen" oder etwa "Paradies: Liebe", zum anderen aber auch die bittersüße Erinnerung daran, was ich in Berlin alles nicht gesehen habe. Wobei zwei Filme nicht auftauchen, die mich letztlich am meisten interessiert hätten, wenn wir denn noch mehr Vorstellungen besucht hätten, nämlich die beiden Dokus "The Act of Killing" und "Leviathan". Von zweiterem weiß ich zumindest, dass du ihn mochtest, aber nicht wirklich aus dem Häuschen warst. Der war ja die Cover-Geschichte von Cinema Scope zu Toronto. Und irgendwie hätte ich auch noch sehr, sehr gerne "The Broken Circle Breakdown" gesehen, gerade nachdem ich dann wieder Zuhause die ersten Bewegtbilder des neuen alten Felix Van Groeningen-Films erspäht hatte. Aber schreib du nur deinen Rückblick. Nick James' Gedanken standen zum Beispiel auch erst in der jetzigen April-Ausgabe der Sight & Sound - und es ist für mich bisher mit der wertvollste Text zur Berlinale 2013. Und sieh mal an, haben wir zu "Spring Breakers" sogar die gleiche Formulierung gewählt, denn dasselbe schrieb ich auch als erste Reaktion bei Twitter. Karina Longworth und Ty Burr haben in meinen Augen bislang die schönsten Blicke auf den amerikanischen Traum und das darin eingehende Generationenporträt geworfen.

P.S. re: "Sightseers" Du hattest sowas von Recht!

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Lustig, habe Twitter zuletzt nur sehr sporadisch verfolgt und war mir deiner Formulierung nicht bewusst. Hat jedenfalls gute Chancen, bei mir auch am Jahresende ganz weit oben zu stehen, da müssten Cannes, Venedig & Co schon einige Trümpfe hervorzaubern, um für ernsthafte Konkurrenz zu sorgen. Ja, "Leviathan" fand ich in Wien ein bisschen zwiespältig, aber gleichzeitig dann doch streckenweise ziemlich atemberaubend in seiner visionären Kameraarbeit. Sollte man unbedingt im Kino sehen, wenn es irgendwie geht. Von daher schon ein echtes Versäumnis. "The Act of Killing" habe ich leider auch verpasst, Thomas Groh und andere waren begeistert. Steht jedenfalls auf dem Nachholzettel. Die Konfliktpotenzial-Filme finde ich ganz spannend (umgekehrt könnte ich noch "Frances Ha" und vor allem "Everybody in Our Family" in die Runde werfen), hätte ich bei "Zero Dark Thirty" nämlich nicht unbedingt erwartet. Aber du warst auch kein großer "Zodiac"-Fan, oder? Bin mir nicht mehr ganz sicher, ehrlich gesagt, und Nachschauen geht ja nicht mehr ohne Weiteres. Beim Seidl hangele ich mich jetzt sehr gemächlich durch die Trilogie, mal schauen wie sich "Liebe" (sicher nicht sein bester Film, aber imho schon ziemlich stark und herausfordernd) da im Vergleich schlägt. Und bei "Das merkwürdige Kätzchen" scheint es ja wirklich primär daran gelegen zu haben, dass dir die Familie so unsympathisch war, was auch wieder ganz interessant ist. Erlebe ich bei mir nämlich eher selten, dass Antipathien gegenüber Figuren derart einen Film überlagern, hatte mit Sano aber auch schon Diskussion, dem das wiederum auch häufiger so geht.

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Warte mal ab, der Cannes-Darling, den alle Kritiker einstimmig und ekstatisch lieben, kommt doch erst noch! ;) Und das ist eben der Nachteil, wenn man soo viele neue Filme im Jahr schaut, dass man so etwas wie "Everybody in Our Family" schon mal geistig verschläft. Von der Wirkung erinnert mich "Frances Ha" an Bertoluccis "The Dreamers", den ich damals sehr mochte, mich aber fragte, wie viel Zauber von den cineastischen Vorbildern abgefallen ist und wie viel vom Film selbst stammt. Die Erfahrung lehrt mich, dass das mit der Zeit ziemlich egal wird. Aber der Baumbach ist letztlich zu leicht, als dass er Chancen auf die Jahres-Top Ten hätte. Eigentlich wurde er jetzt schon von der Nachwirkung eines "Everybody in Our Family" oder "The Loneliest Planet" überholt. Und "Zero Dark Thirty" hat mir wirklich gar nicht gefallen, dabei habe ich "Zodiac" geliebt. Das war einer der wenigen Filme, die es jemals in einer Top Ten-Liste vor einen offiziellen Tarantino-Kinostart geschafft hatten. Bigelow spielte da meiner Meinung nach mehr in einer Liga mit Filmen wie De Palmas Irak-Gähner "Redacted". Und die Familie ist ja im "Merkwürdigen Kätzchen" der ganze Film. Aber ich habe auch überhaupt keinen Ehrgeiz, den Film niederzumachen. Nur: Der Berlinale-Hype weckt eine unmenschliche Erwartungshaltung, die es zu unterlaufen gilt.

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Tja, wer könnte der Cannes-Darling werden, jetzt wo zumindest die beiden wichtigsten Sektionen raus sind? Die Asiaten sind auf jeden Fall gut dabei, vielleicht sogar ganz vorne. Bei Takashi Miike, der mich ja letztes Jahr weggeblasen hat (mit seinem zweiten Jahresfilm aber auch herb enttäuschte), liegen Auf und Ab allerdings auch sehr nah beieinander - da ist alles möglich. James Gray wird natürlich sehr spannend, Claire Denis wie immer Pflicht. Rebecca Zlotowskis letzter Film hat einige große Fans und klang super, auch wenn ich ihn leider bisher nicht nachgeholt habe. Da schlummert aber definitiv was. Desplechin könnte zuschlagen, und im Gegensatz zu dir bin ich auf Refn auch als "Drive"-Skeptiker irgendwie ziemlich gespannt. Und Amat Escalantes Neuer könnte sehr interessant werden, prinzipiell auch Kechiche und Van Warmerdam, wenn sie in Form sind. Bei Ozon, Payne, Coppola und den Coens bräuchte es dagegen schon einige überzeugende Stimmen, um mich nach den arg mauen letzten Werken wieder ernsthaft neugierig zu machen.

Okay, eigentlich hätte der Absatz wohl nach nebenan gehört, aber Bündelung statt Zersplitterung finde ich besser. "Everybody in Our Family" ist lustigerweise dann übrigens vielleicht doch ein Fall, wo mich Filmfiguren zu sehr genervt haben. Wobei das auch nicht so richtig stimmt, es ist schon eher der formale Zugang, bei dem ich nachvollziehen kann, dass man ihn beeindruckend findet, der mir aber darin zu sehr Konzeptfilm ohne große Überraschungen blieb. Recht schnell war klar, wie der Hase läuft, und mich hat die Ausgestaltung mit der Druck machenden, unentwegt nahen Handkamera dann doch irgendwann eher genervt. Insofern vielleicht doch ein Stück weit ein Pendant zu deiner "Kätzchen"-Reaktion - wobei der Film für mich wiederum eben gerade nicht nur die Familie ist, die eigentlich genau wie die Tiere, das Obst oder die Einrichtung nur das Material abgibt für ein inspiriertes Spiel mit der Form, der Anordnung, dem symphonischen Arrangement. Das freie audio-visuelle Fließen steht im Vordergrund, aber das haben wir wohl sehr anders wahrgenommen. :) "Dreamers" habe ich seit dem Kinostart auch nicht mehr gesehen, da stehe ich vor dem gleichen Rätsel wie du. "Redacted" fand ich, zumal für De-Palma-Verhältnisse, auch nicht sonderlich gelungen. Aber die nüchterne Präzisionsarbeit von Bigelow, dieses kühle und doch unterschwellig brodelnde Professional-Thema eines Michael Mann ("Miami Vice" war bei dir ja auch ganz weit oben), und wie sich das sich mit dem Versinken der Persönlichkeit in kleinteiliger, weitestmöglich nicht wertender Rekonstruktionarbeit wie eben in "Zodiac" verzahnt - das wird bei mir wohl auch am Ende ein heißer Top-Ten-Kandidat bleiben. Von den Cannes-Amis, um den Bogen zurück zum Anfang zu schlagen, könnte ich mir wiederum vorab nur bei Gray vorstellen, dass er da auf Augenhöhe mitspielt.

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Ja, aber Wettbewerbs-Slots für asiatische Genregötter wie Johnnie To, Takeshi Kitano oder eben Takashi Miike sind ein recht schlechtes Omen, was dann die Filmqualität anbelangt. Die Trailer machen immerhin schon einiges her ("Blind Detective", anyone?). Ich bin gespannt. Bei Ozon habe ich jetzt endlich seinen Film "In ihrem Haus" nachgeholt und bin zumindest ein bisschen enttäuscht gewesen. Wenn ich einen Woody Allen sehen will, nehme ich den vom Meister selbst. Aber die ersten Bilder seines Wettbewerbfilms sind gleichzeitig nichtssagend und sehr anziehend. Wenn "Jeune & Jolie" nicht totgeschrieben wird, gehört der schon jetzt zu meinen Most-Wanteds. Als Cannes-Darling sehe ich klar "Nebraska". Der Coen-Film sieht mir auch schon wieder zu speziell aus. Lassen wir uns überraschen.

Mhm, aber der Unterschied bei den beiden Filmen ist dann zumindest meiner Wahrnehmung nach, dass die Figuren in "Everybody in Our Family" nerven sollen. Das ist Teil der Qualität und Intensität des Films. Man startet auf der Seite des jungen Familienvaters, der einfach nur ein Wochenende mit seinem Kind verbringen will. Und man fühlt nach, wie er an diesem Wunsch gehindert wird. Dauerhaft. Und man beginnt mit zu hassen bis zu einem gewissen Punkt. Ich meine, Hass auf Figuren - oder sagen wir besser Antipathie - kann Filmen einen zusätzlichen Schub geben, siehe unter anderem ein Großteil des Werkes von Scorsese (Paradebeispiel "Wie ein wilder Stier"). Wohingegen die Figuren im "Merkwürdigen Kätzchen" durch ihre ach so klugen kleinen Beobachtungen geradezu nach der Sympathie des Zuschauers gieren, ich sie ihnen aber gerade deswegen nicht geben wollte und konnte. ;) Und die formale Spielerei, die Sezierung des Alltags etwa durch Perspektivwechsel oder das Weglassen oder das Verstärken bestimmter Klangwelten reichte nicht, um mich darüber hinwegsehen zu lassen. Über "Zero Dark Thirty" reden oder schreiben wir ein anderes mal weiter.

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Eine Frage...
... wo zum Henker ist "Die Nonne"? ;-)

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Da, wo sie hingehört: Sie ist in Vergessenheit geraten! ;)

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