Donnerstag, 13. September 2012
Kleiner Ausblick auf Fantastic Fest 2012

"The Warped Forest": Erntezeit in Texas
Wenn das kanadische Fantasia Fest, das britische Fright Fest und das deutsche Fantasy Filmfest lange vorüber sind und der Rest der Welt glaubt, sämtliche relevanten Genrefilme des Jahrgangs durchgenudelt zu haben, kommt das amerikanische Fantastic Fest. Das jedes Jahr in seiner Bedeutung weiter rasant anwachsende Festival im texanischen Austin öffnet ab dem 20. September eine Woche lang die Tore für die größten Genrenerds des Planeten. Ja, dann entscheidet wieder eine Handvoll semiprofessioneller Internetkritiker wie Matt Singer, Drew McWeeny und Eric Vespe über den Lauf der Dinge. Hier werden neue Trends gesetzt und die Auteurs von morgen entdeckt - oder auch einfach nicht mehr ganz frisches europäisches und asiatisches Zeug wiederentdeckt und zum Kult erhoben.
Freilos für Genrefans?
Im letzten Jahr feierte hier der unsägliche "The Human Centipede II: The Full Sequence" seine Weltpremiere. Völlig unbekannte Perlen wie "Haunters", "Klown", "Juan of the Dead" und "A Boy and His Samurai" wurden gehoben. Der starke belgische Film "Bullhead", den das Kino des Fantastic Fest, das Alamo Drafthouse, in den USA herausbrachte, schaffte letztlich sogar dadurch eine Oscarnominierung als bester fremdsprachiger Film. Dieses Mal läuft mir bereits im Vorfeld das Wasser im Munde zusammen, weil ich von Jahr zu Jahr mehr verstehe, wie die Festivalmacher ticken und weiß, dass ich ihrem Geschmack vertrauen kann. Ich glaube, das ist das höchste Gut, welches ein Festival bei seinen Besuchern erreichen kann. Kein blinder Gehorsam, keine uneingeschränkte Garantie für ein Tombola ausschließlich mit Hauptpreisen, aber das Wissen der Teilnehmer, mit etwas Glück und Geschick im Programm Filme zu entdecken, die den eigenen Horizont überschreiten.
Da hilft nur die Penis-Gun
Blickt man so über das Programm, fällt vielleicht am schärfsten ein chilenischer Film namens "Bring Me the Head of Machine Gun Woman" ins Auge. Wie man vor Ort wohl schwärmerisch sagen würde: als ob Sam Peckinpah "Crank" neuverfilmt hätte. Aber eigentlich weiß man nicht mehr als den sexy Titel und kennt vielleicht ein Setfoto. Aber genau darin liegt auch oft der Reiz, dass man in völlig unvorhersehbare Szenarios stolpert, für die andere bürgen. "The Warped Forest" ist ein anderer solcher Fall, wobei dieser wild aussehende japanische Film immerhin einen weiter eher verwirrenden Trailer im Gepäck führt, der gleichzeitig aber total anstachelt. Ich meine, wen spricht nicht eine erste Einstellung an, in der ein Schulmädchen eine futuristische Waffe durchlädt, die dann aus einem Gummipenis ejakuliert. Eine rhetorische Frage natürlich.
Achtung Arthouse!
Aber das Fantastic Fest-Programm ist eigentlich wie jedes Jahr ein insgesamt bunter Gemischtwarenladen geworden, in dem sich Fright Fest-Favoriten wie "Berberian Sound Studio", "Sinister" und "Cockneys Vs. Zombies" wie auch der Fantasia-Hit "Dead Sushi" oder eben das auf dem Fantasy Filmfest von Jochen Werner als Meisterwerk ausgerufene Sequel "Universal Soldier: Day of Reckoning" tummeln. Besonder aufmerksam muss man aber werden, wenn Arthouse-Geheimtipps wie der rumänische "Everybody in Our Family" von der Berlinale nach Austin ausgeflogen werden. Das war schon im letzten Jahr mit dem Cannes-Film "Michael" eine tödlich-gute Mischung. Über "Memory of the Dead" und "Here Comes the Devil" habe ich bereits Gutes gehört. Und ich habe Bock auf "The Collection", die Fortsetzung des unterschätzten ersten Horrorteils "The Collector". Dazu "Wrong", "Vulgaria" und "Room 237" und noch viele Entdeckungen, von denen ich jetzt noch gar nichts weiß - und fertig ist die ganz elementare Inspiration für die nächsten zwölf Monate Trüffeljagd im Genrebereich.

Link: - Fantastic Fest

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