Montag, 19. März 2012
Negativ Film zensiert löscht Movies & Sports
schwanenmeister, 12:04h
Es stört mich doch ein bisschen, dass mein Kommentar unter einer der wenigen ernsthaften, frühzeitigen Kritiken zu "Türkisch für Anfänger - Der Film" einfach verschwunden ist. Der Umstand, dass es nur so wenige Filmtexte vor dem Kinostart gab, hing wohl zum einen an den überschaubaren - in Zahlen drei - Pressevorführungen, zum anderen am Unwillen deutscher Kritiker deutsche Komödien ernst zu nehmen. Sicher, in einigen Wochen wird jede größere Tageszeitung und Wochenzeitschrift ihren bedeutsamen Artikel zum Kinophänomen "Türkisch für Anfänger" nachgeliefert haben. Bis dahin muss man sich aber mit dem vergnügen, was die deutsche Kritikerzunft aktuell anbietet. Und das war im Falle des Films nun mal sehr wenig. Eben neben der höchstwahrscheinlich mechanisch erstellten Videokritik der FAZ und dem "Selbst Thilo Sarrazin hätte geschmunzelt"-Schmuh von Spiegel online unter anderem auch Elisabeth Maurers Kritik bei Negativ Film.
Es ist schade, dass Maurers Kritik so vernichtend ausgefallen ist und so dem Namen der Internetseite alle Ehre macht, weil unter dem ganzen Hass und Fremdschämen ein enttäuschter Serienfan zu erkennen ist, für den am besten alles so geblieben wäre, wie es ihm das Fernsehen aufbereitete. Wie sagte schon der Weltraumphilosoph Philip J. Fry in der Kultserie "Futurama": Menschen mögen es nicht, wenn sich ihre Serienhelden verändern. Weiterentwicklung mache ihnen Angst. Sie wollten vor allem das ewig Gleiche sehen. Maurers Text ist ja plausibel argumentiert, aber meinem Empfinden nach doch so falsch und meilenweit an der Filmerfahrung vorbei, wie es nur geht. Die hervorstechende Qualität der Serie würde durch das Verlegen des Settings von Berlin auf eine tropische Insel ihre sämtlichen Reize einbüßen, weil das Thema Kulturclash dort bedeutungslos wäre. Pustekuchen. Die Insel ist doch viel mehr ein Beschleuniger des Erkenntnisprozesses, wie dämlich kulturelle Vorbehalte sind. Hier zeigt sich im "Herr der Fliegen"-Mode viel schärfer, dass die Konflikte letztlich eher an den Charakteren hängen und zum Beispiel auch bildungstechnischer Natur sind. Dazu bringt die Insel eine doch sehr faszinierende Abenteuernote, deren Authentizität man etwa in der Ufa Cinema-Produktion "Dschungelkind" extrem vermisst hat und die man deshalb in der deutschen Filmgeschichte nicht mehr seit einem 1950er-Jahre-Blockbuster wie "Liane - Das Mädchen aus dem Urwald" oder dem Eduard von Borsody-Klassiker "Kautschuk" verspürte.
Was die Kritik der Mutter-Figur von Maurer betrifft, muss ich ebenso heftig widersprechen. Erst einmal wäre der Subplot der Eltern in jedem Hollywoodfilm zuerst rausgeworfen worden. In "Türkisch für Anfänger" ist doch gerade das Balzen der Generation 40Plus eine Wonne und angenehme Konterkarierung der pubertierenden Geschehnisse auf der Insel. Wann hat sich das letzte Mal trotz der Überzeichnungen ein Kinofilm dieser Thematik so würdevoll angenommen, dass er in seinen besten Momenten geradezu peinlich schmerzhaft ist. Und was dem Serienfan Maurer nicht aufgefallen ist: Hier erzählt uns der "Türkisch für Anfänger"-Erfinder Bora Dagtekin etwas, was uns die Serie nie erzählt, nämlich wie sich Doris und Metin kennenlernen. Als die Serie einsetzte, gab es bereits die Beziehung der beiden, mit der dann die Kinder klar zu kommen hatten. Genau das sind doch die Stärken einer TV-Serienadaptierung. Wenn nicht versucht wird, das Ganze so platt und massentauglich wie möglich zu machen und sämtliche Stärken des Formats einem möglich großen Boxoffice zu opfern, sondern spielerisch die Ausgangsgeschichte weiterzuentwickeln und die Graustellen interessant auszufüllen. J.J. Abrams hat darüber einen ganzen "Star Trek"-Film gemacht. Und er wurde so gut, weil er jeden noch so kleinen Halbsatz aus dem Meisterwerk der Serie, "Star Trek II - Der Zorn des Khan", plünderte und zu interessanten Neuinterpretationen ausbaute.
Wenn die Mehrheit der deutschen Kinozuschauer denn überhaupt Filmkritiken auf Seiten wie Negativ Film lesen würde, könnte ich mich über das nur allzu schnelle Abwatschen des Films ernsthaft ärgern. Leider gehört es zu den sehr bitteren Realitäten des deutschen Filmbetriebs, dass man wirklich besser fährt, wenn man seinen Film vorher nicht der Presse zeigt. Denn die findet ja immer etwas zu meckern. Man muss doch die unterschiedlichen Klassen von deutschen Komödien deutlich machen. Das ist nicht ein großer Einheitsbrei. "What a Man" ist unsägliche Scheiße, "Männerherzen" ist entsetzlich einfältig, aber "Hotel Lux" zum Beispiel ein toller Film und "Türkisch für Anfänger" zurecht auf Platz eins der deutschen Kinocharts. Das ist ein ganz wundervoller Debütfilm, der bestimmt nicht alles richtig macht (Soundtrack, Katja Riemann, die Länge), aber doch deutlich mehr Würdigung verdient. Und sei es nur dafür, dass er Whigfields "Saturday Night" in die Ohren und Stammheim in die sexuellen Fantasien junger Intellektueller zurückbringt.
Nachtrag (23.02.): Wie mir Negativ Film-Mitherausgeber Ciprian David über Twitter mitgeteilt hat, habe man mich nicht zensieren wollen, sondern mein Beitrag sei, wie einige andere Kommentare auch, bei einer Plugin-Umstellung verloren gegangen.
Link: - Negativ Film
Es ist schade, dass Maurers Kritik so vernichtend ausgefallen ist und so dem Namen der Internetseite alle Ehre macht, weil unter dem ganzen Hass und Fremdschämen ein enttäuschter Serienfan zu erkennen ist, für den am besten alles so geblieben wäre, wie es ihm das Fernsehen aufbereitete. Wie sagte schon der Weltraumphilosoph Philip J. Fry in der Kultserie "Futurama": Menschen mögen es nicht, wenn sich ihre Serienhelden verändern. Weiterentwicklung mache ihnen Angst. Sie wollten vor allem das ewig Gleiche sehen. Maurers Text ist ja plausibel argumentiert, aber meinem Empfinden nach doch so falsch und meilenweit an der Filmerfahrung vorbei, wie es nur geht. Die hervorstechende Qualität der Serie würde durch das Verlegen des Settings von Berlin auf eine tropische Insel ihre sämtlichen Reize einbüßen, weil das Thema Kulturclash dort bedeutungslos wäre. Pustekuchen. Die Insel ist doch viel mehr ein Beschleuniger des Erkenntnisprozesses, wie dämlich kulturelle Vorbehalte sind. Hier zeigt sich im "Herr der Fliegen"-Mode viel schärfer, dass die Konflikte letztlich eher an den Charakteren hängen und zum Beispiel auch bildungstechnischer Natur sind. Dazu bringt die Insel eine doch sehr faszinierende Abenteuernote, deren Authentizität man etwa in der Ufa Cinema-Produktion "Dschungelkind" extrem vermisst hat und die man deshalb in der deutschen Filmgeschichte nicht mehr seit einem 1950er-Jahre-Blockbuster wie "Liane - Das Mädchen aus dem Urwald" oder dem Eduard von Borsody-Klassiker "Kautschuk" verspürte.
Was die Kritik der Mutter-Figur von Maurer betrifft, muss ich ebenso heftig widersprechen. Erst einmal wäre der Subplot der Eltern in jedem Hollywoodfilm zuerst rausgeworfen worden. In "Türkisch für Anfänger" ist doch gerade das Balzen der Generation 40Plus eine Wonne und angenehme Konterkarierung der pubertierenden Geschehnisse auf der Insel. Wann hat sich das letzte Mal trotz der Überzeichnungen ein Kinofilm dieser Thematik so würdevoll angenommen, dass er in seinen besten Momenten geradezu peinlich schmerzhaft ist. Und was dem Serienfan Maurer nicht aufgefallen ist: Hier erzählt uns der "Türkisch für Anfänger"-Erfinder Bora Dagtekin etwas, was uns die Serie nie erzählt, nämlich wie sich Doris und Metin kennenlernen. Als die Serie einsetzte, gab es bereits die Beziehung der beiden, mit der dann die Kinder klar zu kommen hatten. Genau das sind doch die Stärken einer TV-Serienadaptierung. Wenn nicht versucht wird, das Ganze so platt und massentauglich wie möglich zu machen und sämtliche Stärken des Formats einem möglich großen Boxoffice zu opfern, sondern spielerisch die Ausgangsgeschichte weiterzuentwickeln und die Graustellen interessant auszufüllen. J.J. Abrams hat darüber einen ganzen "Star Trek"-Film gemacht. Und er wurde so gut, weil er jeden noch so kleinen Halbsatz aus dem Meisterwerk der Serie, "Star Trek II - Der Zorn des Khan", plünderte und zu interessanten Neuinterpretationen ausbaute.
Wenn die Mehrheit der deutschen Kinozuschauer denn überhaupt Filmkritiken auf Seiten wie Negativ Film lesen würde, könnte ich mich über das nur allzu schnelle Abwatschen des Films ernsthaft ärgern. Leider gehört es zu den sehr bitteren Realitäten des deutschen Filmbetriebs, dass man wirklich besser fährt, wenn man seinen Film vorher nicht der Presse zeigt. Denn die findet ja immer etwas zu meckern. Man muss doch die unterschiedlichen Klassen von deutschen Komödien deutlich machen. Das ist nicht ein großer Einheitsbrei. "What a Man" ist unsägliche Scheiße, "Männerherzen" ist entsetzlich einfältig, aber "Hotel Lux" zum Beispiel ein toller Film und "Türkisch für Anfänger" zurecht auf Platz eins der deutschen Kinocharts. Das ist ein ganz wundervoller Debütfilm, der bestimmt nicht alles richtig macht (Soundtrack, Katja Riemann, die Länge), aber doch deutlich mehr Würdigung verdient. Und sei es nur dafür, dass er Whigfields "Saturday Night" in die Ohren und Stammheim in die sexuellen Fantasien junger Intellektueller zurückbringt.
Nachtrag (23.02.): Wie mir Negativ Film-Mitherausgeber Ciprian David über Twitter mitgeteilt hat, habe man mich nicht zensieren wollen, sondern mein Beitrag sei, wie einige andere Kommentare auch, bei einer Plugin-Umstellung verloren gegangen.
Link: - Negativ Film
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johnbanville,
Montag, 19. März 2012, 15:08
Habe ihn am WE auch gesehen und bin begeistert.
Muss aber als Anmerkung sagen, dass ich die TV-Serie nicht kenne. Der Film funktioniert allerdings auch so. ...meiner Meinung nach.
Gruß
PS: Sehr schönes Futurama Zitat :-)
Muss aber als Anmerkung sagen, dass ich die TV-Serie nicht kenne. Der Film funktioniert allerdings auch so. ...meiner Meinung nach.
Gruß
PS: Sehr schönes Futurama Zitat :-)
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schwanenmeister,
Dienstag, 20. März 2012, 11:11
Wie ich bei Amazon gesehen habe, ist die Serienbox zum ersten Mal seit der Veröffentlichung ein echter Bestseller. Das finde ich ja richtig groß, dass jetzt auch noch mal die absolut fantastischen ersten beiden Staffeln eine neue Würdigung erfahren. Man muss natürlich nicht, aber darf als serienaffiner Cineast gerne zugreifen! Und war der Flugzeugabsturz nun spektakulär oder was? Was den Kinoterror betrifft, konnte das locker mit "Fight Club" oder "Cast Away" mithalten!
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