Freitag, 2. März 2012
Wenn Roman Polanski Gialli gedreht hätte ...
schwanenmeister, 01:34h
Der spanische Thriller "Sleep Tight" flog leicht unterhalb des Radars, als er im letzten Herbst auf dem amerikanischen Fantastic Fest der internationalen Öffentlichkeit präsentiert wurde. Aber hoch genug, so dass ich ihn als kleinen Geheimtipp für 2012 wahrnahm. Und ich wurde keineswegs enttäuscht. Wer auch will, kann das zum Beispiel auf den baldigen Fantasy Filmfest Nights überprüfen, wo "Mientras duermes" gemeinsam mit den beiden anderen Fantastic Fest-Perlen "Juan of the Dead" und "Livid" gezeigt wird. Übrigens wirklich gar kein so schlechtes Programm, was Rosebud Entertainment da auf die Beine gestellt hat. Schließlich läuft ebenso der Cannes-Darling "We Need to Talk About Kevin" und das viel geschätzte amerikanische Remake eines meiner Lieblingsfilme aus dem letzten Jahr ("Haunters"), nämlich "Chronicle". Schön zu sehen, dass John Landis' Erbe durch seinen Sohn Max als Drehbuchautor weitergeführt wird.
Jaume Balagueró heißt der Filmemacher von "Sleep Tight", bekannt geworden vor allem durch die effektvollen, jedoch leidlich originellen "[Rec]"-Mockumentaries. Kennern des spanischen Genrekinos mag er aber zuerst als Regisseur des Serienkillerfilms "Nameless" über den Weg gelaufen sein. Die tragenden Säulen des Cast, den wandlungsfähigen Luis Tosar und die hübsche Marta Etura, hat man aus dem ziemlich unsäglichen, aber immens erfolgreichen Gefängnis-Thriller "Celda 211" übernommen. "Sleep Tight" erinnert indes an andere Filme, echte Klassiker des Genres. Ein bisschen an die wundervollen italienischen Gialli der 1970er-Jahre, die das Whodunit von Agatha Christie und Edgar Wallace blutrot aufpeppten. "Sleep Tight" ist aber wenn schon, dann ein verdrehter Giallo, bei dem der Fokus nicht auf dem weiblichen Opfer, sondern dem wirren Killer liegt, der sogar einen echten, wenn auch knappen Film noir-Off-Kommentar spendiert bekommen hat.
Natürlich aber erinnert das Szenario im mehrstöckigen Mietshaus in erster Linie an Roman Polanskis Meisterstück "Ekel". Nur mit dem feinen Unterschied, dass hier nicht langsam die Protagonistin verrückt zu werden glaubt und Käfer an den Wänden krabbeln sieht, sondern der ziemlich durchgeknallte Concierge, der dank Universalschlüssel jeder Zeit Zugang zum Apartment der jungen Dame hat, Kakerlakeneier in die Schränke und Schubladen schmiert, so dass sich die kleinen Ungeziefer zum passenden Moment zeigen. Und das ist noch eine der "freundlicheren" Hilfeleistungen, die diese ziemlich kranke Seele für seine Lieblingsbewohnerin parat hat. Sagen wir einfach, dass er es versteht, mit Chloroform und Spritzen umzugehen. Das Teuflische am Film ist seine Vereinnahmung des Zuschauers. Immer mehr wird man mit in den Abgrund gezogen. Immer wieder bangt man insgeheim, dass der Protagonist aus den schmierigsten, von ihm selbst lancierten Situationen wieder herauskommt. Der Film lässt eigentlich nie eine andere Perspektive zu. Soll sich unser Antiheld denn wirklich von einem dummen Nachbarskind um Geld und Pornos erpressen lassen?
"Sleep Tight" ist eine ziemlich perverse und sleazige Rachefantasie von, über und vor allem für Menschen, die sich in der Gesellschaft zurückgelassen fühlen. Das Thema hat er mit der letztjährigen spanischen Genreperle "Julia's Eyes" gemein, wo es auch um Leute ging, die von ihrer Umwelt einfach nicht mehr wahgenommen wurden und sich deshalb dazu berechtigt sahen, sämtliche rechtliche und moralische Grenzen spielerisch zu überschreiten. Unser Glück, dass sich um diese Wahrnehmungsverschiebungen herrliche, cineastisch ausladende Genrewerke zimmern lassen, die unter die Haut gehen und in ihren besten Momenten an die großen Thriller-Götzen wie Hitchcock, Polanski oder Fulci erinnern.
Links: - Fantastic Fest, - Julia's Eyes
Jaume Balagueró heißt der Filmemacher von "Sleep Tight", bekannt geworden vor allem durch die effektvollen, jedoch leidlich originellen "[Rec]"-Mockumentaries. Kennern des spanischen Genrekinos mag er aber zuerst als Regisseur des Serienkillerfilms "Nameless" über den Weg gelaufen sein. Die tragenden Säulen des Cast, den wandlungsfähigen Luis Tosar und die hübsche Marta Etura, hat man aus dem ziemlich unsäglichen, aber immens erfolgreichen Gefängnis-Thriller "Celda 211" übernommen. "Sleep Tight" erinnert indes an andere Filme, echte Klassiker des Genres. Ein bisschen an die wundervollen italienischen Gialli der 1970er-Jahre, die das Whodunit von Agatha Christie und Edgar Wallace blutrot aufpeppten. "Sleep Tight" ist aber wenn schon, dann ein verdrehter Giallo, bei dem der Fokus nicht auf dem weiblichen Opfer, sondern dem wirren Killer liegt, der sogar einen echten, wenn auch knappen Film noir-Off-Kommentar spendiert bekommen hat.
Natürlich aber erinnert das Szenario im mehrstöckigen Mietshaus in erster Linie an Roman Polanskis Meisterstück "Ekel". Nur mit dem feinen Unterschied, dass hier nicht langsam die Protagonistin verrückt zu werden glaubt und Käfer an den Wänden krabbeln sieht, sondern der ziemlich durchgeknallte Concierge, der dank Universalschlüssel jeder Zeit Zugang zum Apartment der jungen Dame hat, Kakerlakeneier in die Schränke und Schubladen schmiert, so dass sich die kleinen Ungeziefer zum passenden Moment zeigen. Und das ist noch eine der "freundlicheren" Hilfeleistungen, die diese ziemlich kranke Seele für seine Lieblingsbewohnerin parat hat. Sagen wir einfach, dass er es versteht, mit Chloroform und Spritzen umzugehen. Das Teuflische am Film ist seine Vereinnahmung des Zuschauers. Immer mehr wird man mit in den Abgrund gezogen. Immer wieder bangt man insgeheim, dass der Protagonist aus den schmierigsten, von ihm selbst lancierten Situationen wieder herauskommt. Der Film lässt eigentlich nie eine andere Perspektive zu. Soll sich unser Antiheld denn wirklich von einem dummen Nachbarskind um Geld und Pornos erpressen lassen?
"Sleep Tight" ist eine ziemlich perverse und sleazige Rachefantasie von, über und vor allem für Menschen, die sich in der Gesellschaft zurückgelassen fühlen. Das Thema hat er mit der letztjährigen spanischen Genreperle "Julia's Eyes" gemein, wo es auch um Leute ging, die von ihrer Umwelt einfach nicht mehr wahgenommen wurden und sich deshalb dazu berechtigt sahen, sämtliche rechtliche und moralische Grenzen spielerisch zu überschreiten. Unser Glück, dass sich um diese Wahrnehmungsverschiebungen herrliche, cineastisch ausladende Genrewerke zimmern lassen, die unter die Haut gehen und in ihren besten Momenten an die großen Thriller-Götzen wie Hitchcock, Polanski oder Fulci erinnern.
Links: - Fantastic Fest, - Julia's Eyes
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