Montag, 9. Januar 2012
Die erfolgreichsten deutschen Filme 2011
Als recht solides, die Vorsaison knapp übertreffendes Kinojahr wird 2011 in die Geschichtsbücher der deutschen Filmindustrie eingehen. In anderen europäischen Ländern wie Italien, Norwegen oder Frankreich stellte man neue Bestmarken auf, was einheimische Kinobesuche betraf. In Deutschland musste es schon reichen, dass Til Schweiger mit "Kokowääh" den einzigen echten teutonischen Vier-Millionen-Blockbuster produzierte. Ein Umstand, der zumindest ansatzweise nervös machen sollte, wenn der Blick über die Kinostarts 2012 streift: Schweigers Keinohrhasen-Fortsetzung bzw. das Animations-Spin-off "Keinohrhase und Zweiohrküken" stehen noch in den Sternen. Vorrang hat aktuell Tils "Schutzengel"-Projekt mit seiner Tochter Emma, das wohl mehr Auftragskiller-Thriller als Komödie werden wird und somit generell weniger Blockbusterpotenzial zu haben scheint.
Sechs Fäuste für ein Halleluja
Die Hoffnungen liegen daher vor allem auf Matthias Schweighöfer, der sich mit seinen beiden Smash-Hit-Komödien "What a Man" und "Rubbeldiekatz" endgültig das Prädikat 'einziger deutscher Kinostar neben Til' verdient hat. Aber Vorsicht: Florian David Fitz ("Jesus liebt mich", "Die Vermessung der Welt") wird 2012 überprüfen, ob die Kinos auch drei männliche Kinogötter nebeneinander aushalten. Übrigens bezeichnend, dass es Til selbst war, der diese Entwicklung mit der Besetzung von Schweighöfer in den "Keinohrhasen"-Filmen und der Rückendeckung für Fitz in "Männerherzen" forcierte. Dafür hat sich aber Matthias Schweighöfer extrem schnell aus Tils Schatten herausbewegt. Auf sein Regiedebüt "What a Man" lässt er in diesem Jahr die Roadtrip-Komödie "Schlussmacher" mit Anna Bederke ("Soul Kitchen") und Sascha Hehn ("Die Schwarzwaldklinik") folgen. Dazu hat er ein weiteres heißes Eisen, die Wladimir Kaminer-Verfilmung "Russendisko", im Feuer. Chance eindeutig genutzt. Und die vernichtenden Kritiken des deutschen Feuilletons erreichen auch bereits ein ähnliches Hasslevel wie bei Til. Schön wäre es indes, wenn Schweighöfer seinen neu gewonnenen Ruhm in ein Projekt wie den Peter Torwarth-Vampirthriller "Blood Red Sky" einfließen lassen würde, für den er im Gespräch ist.
Eichinger schaut jetzt von oben zu
Das Aushängeschild der deutschen Produktionsschmieden, weiterhin die Constantin Film, schlug sich so durch. "Wickie auf großer Fahrt" war ein Erfolg - aber vielleicht nicht der Riesenerfolg, den man sich nach dem erste Teil von Bully Herbig erhofft hatte. Im Gegensatz zu den USA - der amerikanische Verleih Summit verkackte den Start durch bewusste Sparmaßnahmen im Werbebudget - lief hier aber immerhin das englischsprachige Prestigeprojekt "Die drei Musketiere" sehr respektabel. Sogar im Rest Europas schrieb das 3D-Spektakel ordentliche Zahlen. Es wird spannend sein, zu beobachten, wohin der stolze Kahn unter dem Kapitän Martin Moszkowicz im ersten Jahr ohne Produzentengott Bernd Eichinger schippern wird. Überwältigendes Blockbusterpotenzial kann ich jedenfalls bei keinem angekündigten Constantin-Film für 2012 ausmachen, auch wenn ich mich zum Beispiel auf "Türkisch für Anfänger" und "Glück" freue. Vielleicht startet ja wieder der neue Doris Dörrie-Film, dieses Mal nach dem Ferdinand von Schirach-Bestseller, auf der Berlinale durch, die immer als perfekte Startrampe für mindestens einen deutschen Überraschungshit gut ist. Vergangenes Jahr waren es mit "Almanya" und "Pina" sogar gleich zwei Stück.
Wo bleibt die Telefonsexkomödien-Welle?
Auf das bayerische Lokalkolorit des zweiten großen Überraschungs-Hit, "Eine ganz heiße Nummer", ist bisher aber noch niemand so richtig abseits des erfahrenen Vielfilmers Marcus Rosenmüller aufgesprungen. Beziehungskomödien und Kinderfilme werden den Markt weiter überschwemmen, aber selten echte inspirierende Durchbrüche schaffen. Nach Erfolg riechen 2012 "Offroad", "Anleitung zum Unglücklichsein", "Fünf Freunde", "Unter Frauen", "Yoko" und "Frisch gepresst". Die mit viel Tamtam in den Markt gehobene Ufa Cinema-Zweigstelle des Bertelsmann-Konzerns musste dagegen 2011 als interessanten Erfahrungswert für die hoffentlich erfolgreichere Zukunft abhaken. Ging dort doch eigentlich alles schief, was kein Kinderfilm war ("Dschungelkind", "Die Relativitätstheorie der Liebe"). Mut macht dafür das bislang noch etwas zarte Erfolgspflänzchen des Sido-Films "Blutzbrüdaz", das im Gegensatz zum kommerziell wie künstlerisch gefloppten Bushido-Debakel "Zeiten ändern dich" klein gestartet wurde und dank vorhandener Qualität auf die positive Mundpropaganda des Publikums setzen kann. Aber auch den produzierte die Constantin Film mit. Anspruchsvollere Kinokost aus deutschen Landen hatte es wie gewohnt schwer. Hinter "Pina" kam lange Zeit nichts. Freuen kann man sich über den Achtungserfolg des Jessica Schwarz-Dramas "Das Lied in mir". Vielleicht brechen auf der kommenden Berlinale aber auch mal wieder die neuen Filme von Oskar Roehler ("Die Quellen des Lebens") und Christian Petzold ("Barbara") durch. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Boxoffice 2011 (Stand: 09.01.2012):

01. Kokowääh - 4,31 Mio. Besucher
---------------------------------
02. What a Man - 1,78 Mio.
03. Wickie auf großer Fahrt - 1,74 Mio.
04. Rubbeldiekatz - 1,58 Mio.*
05. Almanya - 1,39 Mio.
06. Männerherzen 2 - 1,35 Mio.
07. Die drei Musketiere - 1,20 Mio.
08. Eine ganz heiße Nummer - 1,10 Mio.*
---------------------------------
09. Vorstadtkrokodile 3 - 0,79 Mio.
10. Hexe Lilli 2 - 0,66 Mio.
11. Resturlaub - 0,62 Mio.
12. Unknown Identity - 0,62 Mio.
13. Prinzessin Lillifee 2 - 0,62 Mio.
14. Der Gott des Gemetzels - 0,57 Mio.
15. Sommer in Orange - 0,52 Mio.
---------------------------------
16. Pina - 0,47 Mio.
17. Werner eiskalt - 0,44 Mio.
18. Die Superbullen - 0,43 Mio.
19. Blutzbrüdaz - 0,39 Mio.*
20. Lauras Stern & die Traummonster - 0,35 Mio.
21. Dreiviertelmond - 0,31 Mio.

Erwähnenswert: Tom Sawyer (0,29 Mio.), Dschungelkind (0,27 Mio.), Hotel Lux (0,16 Mio.), Das Lied in mir (0,15 Mio.), Hell (0,14 Mio.)

* = läuft noch erfolgreich im Kino

... comment