Sonntag, 13. November 2011
Der Sleeper-Hit "Eine ganz heiße Nummer"
Telefonsex boomt - zumindest im Kino. Nach nur zwei Wochen befindet sich die deutsche Komödie "Eine ganz heiße Nummer" schon auf Platz 68 der Jahrescharts. Das ist besonders beachtlich, wenn man einmal bedenkt, dass die Geschichte um drei finanziell etwas klamme Frauen, die ihre audioerotischen Qualitäten an der Sprechmuschel entdecken, fast ausschließlich in Bayern und den badischen Grenzregionen gezeigt wird. Oder wenn man sich an das männliche Pendant von vor ein paar Jahren, nämlich die Komödie "Stellungswechsel", erinnert, in der arbeitslose Männer im "The Full Monty"-Style doch eher abseitigere Betätigungsfelder für sich entdeckten. Das wollte damals niemand sehen. Filmisch war das auch eine ziemlich misslungene und witzlose Angelegenheit, wovon aber die Zuschauer zuerst nichts wissen konnten. Das Erfolgsgeheimnis von "Eine ganz heiße Nummer" liegt sicherlich in der Kombination des bajuwarischen Lokalkolorits mit der Fokussierung auf weibliche Darsteller verborgen - und wohl darin, dass es den Zuschauern offensichtlich gefällt.
Der Zahlenmagier lässt den Rest verschwinden
In der ersten Woche gab es gleich einen Bogey für einen Kopienschnitt jenseits der Tausend-Besucher-Grenze. Nun am dritten Wochenende bleibt man konkurrenzfähig zu den zahlreichen Hollywoodproduktionen, verliert praktisch nichts gegenüber dem tollen Startwochenende und schwebt ganz gemächlich Richtung eine Million Besucher. Die magische Marke, welche dieses Jahr bisher nur Til Schweiger, Bully, Matthias Schweighöfer und der andere große Überraschungs-Hit "Almanya" überspringen konnte. Für den InsideKino-Betreiber und Kinocharts-Experten Mark G. war "Eine ganz heiße Nummer" keine Überraschung. Er hatte das Zuschauerpotenzial gerochen und lange vorhergesagt, wahrscheinlich weil er den irren Trick anwendete, sich den Film vorher anzuschauen. Vielleicht orientierte sich Mark G. auch am Regienamen Markus Goller, der letztes Jahr bereits den großen Überraschungserfolg "Friendship!" feierte.
Jodeln is' ka Sünd & Liebesgrüße aus der Lederhose
Richtig spannend würde es jetzt aber erst werden, wenn "Eine ganz heiße Nummer" eine Art Renaissance an erotisch gefärbten Komödien auslösen würde, die jenseits des doch eher tristen RomCom-Schemata eines "Keinohrhasen" funktioniert. Aus der Ferne erinnert mich die Telefonsexkomödie bereits an die teilweise herrlichen Lederhosenfilme der 1970er-Jahre. Irgendwie müsste man nur die Freizügigkeit der Autorenfilmer mit den kommerziellen Qualitäten der Lokalkomödie wieder zusammen bekommen, damit neben Kinderfilmen und RomComs der deutsche Filmindustrie ein drittes Standbein erwachsen könnte. Mit großer Sicherheit bleibt das aber Wunschdenken. Blanke Haut zieht schon lange keine Zuschauermassen mehr ins Kino; sie ghettoisiert eher. Wenn Erotik noch heute in Zeiten von YouPorn & Co. auf der Leinwand mobilisiert, dann durch verquere, indirekte Wege wie die Enthaltsamkeit (siehe die "Twilight"-Reihe), das Grenzgängertum von Stars (siehe Natalie Portman in "Black Swan") oder eben über die Hörkanäle wie bei "Eine ganz heiße Nummer".

Links: - InsideKino, - Boxofficemojo, - Passauer Neue Presse

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Revival der Lederhose
Renaissance der erotisch gefärbten Komödie?
Ein bischen mehr Humor-Niveau als in den Lederhose muss schon sein, aber mit Sicherheit haben Deutschlands Schreiber was in petto.
Nur:
Welcher Regisseur traut sich (1)
Wer fördert das (ohne Förderung läuft ja nix, 2)
Wer verleiht das (3)
Welches Kino bringt das (4)
Wer geht rein? (5)
Das sind genau fünf offene Fragen zuviel

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Ich schrieb ja, dass es extrem unrealistisch ist. Aber ich finde den Gedanken einfach faszinierend, dass noch seelenlosen Ufa Cinema-Produktionen wie "Dschungelkind" ein Auteur wie RP Kahl, Klaus Lemke oder Roland Reber sehr gut tun würden. Für solche Verquickungen ist die eine Seite aber zu sehr auf Sicherheit und Mainstreamtauglichkeit und die andere Seite zu sehr auf egozentrische Unabhängigkeit bedacht. Man müsste das Budget und das Genre mit interessanteren Filmemachern zusammenbringen. Maren Ade dreht "Keinohrhasen 3" oder so. ;)

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